L 7 B 22/00 KA ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 246/99 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 B 22/00 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Februar 2000 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiliger Anordnung die Erteilung einer vorläufigen Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin.

Die 1945 geborene Antragstellerin bestand am 26. März 1982 die Prüfung als Diplom-Psychologin an der Freien Universität Berlin. In der Zeit von Juli 1983 bis Juli 1987 nahm sie an einer vierjährigen berufsbegleitenden Weiterbildung in Gestaltpsychotherapie erfolgreich teil (Ausbildungsbestätigung des Gestalt-Zentrums Berlin e.V. vom 14. Februar 1995). Die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung erhielt die Antragstellerin am 26. August 1986. Nach ihren Angaben ist sie seit dem 1. September 1986 in niedergelassener Praxis tätig. Über eine Berechtigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren verfügt sie nicht. Sie behandelte jedoch Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Kostenerstattungsverfahren. Neben der Tätigkeit in freier Praxis leitet die Antragstellerin nach ihren Angaben seit 1982 Volkshochschulkurse und Wochenendseminare und hält Vorträge u.a. zum Thema Essstörungen. Von 1984 bis 1992 übernahm sie zudem die Leitung der Gesundheitsberatungsstelle für Erwachsene des Bezirksamtes X. Seit dem 1. Juli 1992 arbeitet sie in ungekündigter Halbtagsbeschäftigung als Psychologin in der Beratungsstelle für Sprachbehinderte des Bezirksamtes X. Diese Beratungsstelle hat für sprachgestörte Kinder zugleich die Aufgaben der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Beratungsstelle übernommen (Bescheinigung des Bezirksamtes X von Berlin vom 14. Dezember 1998). Am 4. Januar 1999 erhielt die Antragstellerin die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin.

Im September/Dezember 1998 stellte sie den Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung nach Übergangsrecht und legte zum Nachweis und der Teilnahme an der ambulanten Versorgung der Versicherten der GKV diverse Unterlagen vor. Sie gab an, in niedergelassener Praxis mit 8 Stunden pro Woche zum Zeitpunkt der Antragstellung tätig zu sein; im sogenannten Zeitfenster vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 habe sie 8 Versicherte der GKV mit insgesamt 404 Stunden tiefenpsychologisch fundiert behandelt.

Mit Beschluss vom 23. Juli 1999 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten den Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung ab und führte zur Begründung aus, die Fachkunde als Voraussetzung für eine bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung sei nicht ausreichend belegt. Über den Widerspruch der Antragstellerin hat der Berufungsausschuss bislang noch nicht entschieden.

Den Antrag der Antragstellerin vom 23. Oktober 1999, ihr vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, und sie vorläufig zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin zu ermächtigen, hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 3. Februar 2000 abgelehnt. Im Wesentlichen hat es ausgeführt: Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Bei der vorzunehmenden summarischen Prüfung sei davon auszugehen, dass sie die Voraussetzungen für eine Ermächtigung als Psychologische Psychotherapeutin nach § 95 Abs. 11 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) nicht erfüllt habe. Die von ihr eingereichten Falldokumentationen (Anlagen 2 bis 9 zum Schreiben vom 31. Mai 1999), mit denen sie 500 erbrachte Behandlungsstunden nachweisen wollte, reichten für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Denn bei zwei eingereichten Fällen lägen nur Kurzdokumentationen vor, aus denen sich die Anwendung eines Richtlinienverfahrens nicht entnehmen lasse. Bei den anderen Fällen sei die Anwendung eines Richtlinienverfahrens - hier tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - nicht glaubhaft gemacht. In den Falldokumentationen heiße es, „als Techniken wurden gesprächs- oder gestalttherapeutische Elemente eingesetzt“. Auch die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 11 Nr. 1 2. Alternative SGB V, wonach 250 dokumentierte Behandlungsstunden unter qualifizierter Supervision vorliegen müssten, seien nicht erfüllt. Zwar habe die Antragstellerin eine Supervisionsbescheinigung der Psychoanalytikerin F über 583 Stunden vorgelegt. Die in der Bescheinigung aufgeführten Fälle seien jedoch überwiegend identisch mit den zuvor genannten Fällen, in denen die Anwendung eines Richtlinienverfahrens nicht glaubhaft gemacht worden sei. Im Übrigen dürfte die Bescheinigung der Supervisorin F auch deshalb nicht ausreichend sein, weil Frau F nicht in die Liste der anerkannten Supervisoren aufgenommen worden sei und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geklärt werden könne, ob sie über die fachlichen Kenntnisse verfüge, eine qualifizierte Supervision durchzuführen. Hierfür sei u.a. eine langjährige Tätigkeit und Erfahrung des Supervisors in dem entsprechenden Richtlinienverfahren notwendig.

Gegen den ihr am 14. Februar 2000 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 7. März 2000, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Sie trägt im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen für eine Ermächtigung, insbesondere das Vorliegen der Sockelqualifikation glaubhaft gemacht zu haben.

Die zulässige Beschwerde (§ 172 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag der Antragstellerin, sie vorläufig zur vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen, abgelehnt.

Die Voraussetzungen, unter denen entsprechend § 123 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) eine einstweilige Anordnung ergehen kann, liegen nicht vor. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist neben einem Eilbedürfnis (Anordnungsgrund), dass der Klage in der Hauptsache eine gewisse Aussicht auf Erfolg beigemessen werden kann (Anordnungsanspruch).

Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, da es sich nicht mit der in ihrem Begehren liegenden Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass sie die Voraussetzungen für eine Ermächtigung nach § 95 Abs. 11 SGB V erfüllt. Nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung lässt sich bereits nicht zu Gunsten der Antragstellerin feststellen, dass sie gemäß § 95 Abs. 11 Nr. 1 SGB V 500 dokumentierte Behandlungsstunden oder 250 dokumentierte Behandlungsstunden unter qualifizierter Supervision in Behandlungsverfahren erbracht hat, die der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Richtlinien über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung anerkannt hat. Zutreffend hat das Sozialgericht in seiner angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die eingereichen Falldokumentationen für die Anerkennung der erforderlichen 500 dokumentierten Behandlungsstunden nicht ausreichen, da die Anwendung eines Richtlinienverfahrens - vorliegend tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - hierin nicht erkennbar werde. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in seiner angefochtenen Entscheidung (Bl. 4) Bezug und verweist auf sie. Die Qualifikation der Antragstellerin für die Durchführung des Richtlinienverfahrens tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist auch nicht offenkundig. Denn eine vierjährige berufsbegleitende Weiterbildung nach dem Abschluss des Studiums hat sie lediglich in Gestaltpsychotherapie und nicht in einem Richtlinienverfahren absolviert. Die von der Antragstellerin während ihres Studiums erworbenen Kenntnisse in der Tiefenpsychologie reichen für eine qualifizierte Durchführung des Richtlinienverfahrens tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie nicht aus. Sofern in einigen Falldokumentationen die Anwendung eines Therapieverfahrens erkennbar ist, werden gesprächs- und gestalttherapeutische Elemente benannt, nicht aber ein anerkanntes Richtlinienverfahren (vgl. u.a. T 070661, H 220769, Z 211165, R 150660). Eine diesbezüglich erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhalts könnte allein im Hauptsacheverfahren erfolgen. Der Mangel der nicht ausreichend dokumentierten Behandlungsstunden in einem Richtlinienverfahren kann auch nicht mittels einer eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin vom 2. Februar 2000, sie habe während ihrer gesamten bisherigen achtzehnjährigen Berufstätigkeit als Psychologin tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien durchgeführt, geheilt werden. Es ist nicht möglich, das Vorliegen der gesetzlich normierten 500 dokumentierten Behandlungsstunden in einem Richtlinienverfahren mit einer einstweiligen Versicherung glaubhaft zu machen.

Auch hat die Antragstellerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie 250 dokumentierte Behandlungsstunden unter qualifizierter Supervision in einem Richtlinienverfahren erbracht hat. Bei der Supervisorin Frau F handelt es sich um eine von der Beigeladenen nicht anerkannte Supervisorin. Ob die Supervisorin F doch über fachliche Kenntnisse verfügt, eine qualifizierte Supervision vorzunehmen, kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht entschieden werden. Darüber hinaus bleibt weiter zweifelhaft, ob ein Richtlinienverfahren überhaupt durchgeführt worden ist, da die Supervisorin in ihrer Bescheinigung vom 4. Dezember 1998 lediglich ausführt, auf der Basis tiefenpsychologischer Theorien die Supervision vorgenommen zu haben. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen erneut auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts (Bl. 5) Bezug genommen.

In Anbetracht des Ausgeführten konnte der Senat letztlich offen lassen, ob einer Zulassung/Ermächtigung nicht jedenfalls § 20 Abs. 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) entgegen steht. Nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV ist für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift will ihrem Sinn und Zweck nach ausschließen, dass bei der Zulassung eines Arztes als Vertragsarzt in dieser Eigenschaft durch eine anderweitig von ihm ausgeübte ärztliche Tätigkeit Interessen- und Pflichtenkollisionen entstehen. Die Regelung dient der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Versorgung und damit gleichgewichtig auch dem Schutz der Versicherten, die solchen Interessen- und Pflichtenkollisionen auf Seiten des Vertragsarztes nicht ausgesetzt werden sollen (vgl. BSG SozR 3-5520 § 20 Nrn. 1 und 2). Vorliegend ist nicht ausgeschlossen, dass eine derartige Interessen- und Pflichtenkollision infolge der abhängigen Beschäftigung der Antragstellerin als Psychologin in der Beratungsstelle für Sprachbehinderte des Bezirksamtes Reinickendorf von Berlin bestehen könnte.

Letztlich ist ein Anordnungsgrund nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin steht in einem ungekündigten Halbtagsbeschäftigungsverhältnis als Psychologin und bezieht zusätzlich nach ihren Angaben 1.000,00 bis 1.200,00 DM monatlich aus ihrer freien Praxistätigkeit, wovon sie nach ihren Angaben lediglich 800,00 DM aus ihrer Tätigkeit für die GKV erzielt. Ein besonderes Eilbedürfnis ist insofern nicht hinreichend dargetan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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