Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 87/00-71
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 69/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2001 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat dem Beklagten und den Beigeladenen zu 1. und 6. die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die bedarfsunabhängige Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung.
Die 1966 geborene Klägerin schloss 1994 ihr Studium der Psychologie mit dem Diplom ab. Von 1991 bis 1993 absolvierte sie eine Grundausbildung in klientzentrierter Gesprächspsychotherapie. Diese Ausbildung setzte sie im Mai 1995 fort. Am 14. Dezember 1997 erhielt sie das Zertifikat „Klinische Psychologin/Psychotherapeutin“. Am 20. Juni 1991 und am 16. März 1996 wurden ihre beiden Kinder geboren. Von 1994 bis 1996 war sie im Rahmen eines Praktikums als Beraterin und Therapeutin in einer Beratungsstelle der evangelischen Kirche und zeitgleich - bis 1998 - als Einzelfall- und Familienhelferin der Bezirksämter St und Z von Berlin tätig. Nach ihren Angaben hat sie diese Tätigkeit in ihrer eigenen Praxis, die sie am 1. September 1995 eingerichtet haben will, durchgeführt und im Übrigen seit dem 1. Juli 1996 am so genannten Kostenerstattungsverfahren teilgenommen. Bis zum 24. Juni 1997 hat sie 18 psychotherapeutische Behandlungsstunden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht. Im Januar 1999 erhielt sie ihre Approbation als Psychologische Psychotherapeutin.
Den im Dezember 1998 gestellten Antrag der Klägerin, ihr eine bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zu erteilen, lehnte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 6. Juli 1999 mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht in ausreichendem Maße an der Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss vom 9. Februar 2000 zurück. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung. Mit Erbringung von 18 Behandlungsstunden bis zum 24. Juni 1997 habe sie sich nicht das Privileg eines Rechtsanspruchs auf eine bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung erarbeitet. Im Mittelpunkt ihrer Berufsausübung hätten offensichtlich andere Tätigkeiten gestanden.
Im Klageverfahren, in dem sie ihr Rechtsschutzbegehren auf die Erteilung einer Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung beschränkt hat, hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie entgegen der Ansicht des Beklagten an der ambulanten Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen habe. Die von ihr zu Lasten der GKV erbrachten 18 Behandlungsstunden seien ausreichend, um diesen Tatbestand zu erfüllen. Die Beklagte habe zudem zu Unrecht ihre besonderen Lebensumstände nicht berücksichtigt. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) erforderten die Berücksichtigung ihrer besonderen Situation in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997, die durch Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung gekennzeichnet gewesen sei. Es liege auf der Hand, dass bei der Betrachtung der Tätigkeit von Psychotherapeuten in dem so genannten Zeitfenster, zwischen einem Psychotherapeuten, dessen Praxis bereits 20 Jahre laufe und bei dem der Zeitausschnitt des Zeitfensters das Abbild eines optimal funktionierenden voll ausgelasteten Praxisbetriebes sei und einer Psychotherapeutin differenziert werden müsse, die wie sie erst innerhalb des Zeitfensters ihre Praxis eröffnet und außerdem in diesem Zeitraum ihr zweites Kind bekommen habe.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 19. September 2001 abgewiesen. Die Klägerin habe nicht an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen, weil sie gesetzlich gegen Krankheit Versicherte nicht in ausreichendem Umfang behandelt habe. Notwendig sei ein Behandlungsumfang, der annähernd einer halbtägigen Tätigkeit entsprochen haben müsse. Demgegenüber habe die Klägerin im Zeitraum von 1996 bis 1997 lediglich 18 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV erbracht und abgerechnet. Dies entspreche einem Behandlungsumfang von weniger als 2 Behandlungsstunden wöchentlich. Die von der Klägerin geltend gemachte besondere Lebenssituation rechtfertige keine andere Entscheidung. Mit der therapeutischen Behandlung eines Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse habe sie erst nach der Geburt ihres zweiten Kindes begonnen. Ein Bestandsschutz, der durch die Geburt dieses Kindes unterbrochen worden sei, sei daher bis zur Geburt dieses Kindes nicht entstanden. Bis dahin sei die psychotherapeutische Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen für ihre berufliche Tätigkeit nicht prägend gewesen, sondern ihre Tätigkeit für die Bezirksämter St und Z von Berlin.
Gegen das ihr am 4. Dezember 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Dezember 2001 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie während des Zeitfensters zahlreiche Patienten behandelt habe, deren Therapie, obwohl sie Versicherte der GKV waren, aus unterschiedlichen Gründen nicht zu Lasten der GKV abgerechnet worden sei. Auch bei diesen Therapien habe es sich um eine Krankenbehandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt. Das Sozialgericht habe zudem verkannt, dass Mutterschaft und Kindererziehung bei der Auslegung des Begriffs der Teilnahme gemäß Art. 6 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie nach der Richtlinie 76/207 EWG zwingend zu berücksichtigen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2001 und den Beschluss des Beklagten vom 9. Februar 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr eine bedarfsunabhängige Ermächtigung als Psychologische Psychotherapeutin in Berlin-St/Z zu erteilen.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1. und 6. beantragen,
die Berufung zurückzuweisen, die sie für unbegründet halten.
Die Beigeladenen zu 2. bis 5. haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Beschluss des Beklagten vom 9. Februar 2000 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in Berlin-St/Z. Nach § 95 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) setzt die Berechtigung zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen die Zulassung zur vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Versorgung voraus. Gemäß § 95 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 SGB V können Psychologische Psychotherapeuten unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Bedarf und von der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen zur psychotherapeutischen Versorgung ermächtigt werden. Danach ist u.a. Voraussetzung für die Ermächtigung, dass der Zulassungsbewerber in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr. 24 sowie NJW 2000, 1779, 1780) und des BSG (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 25) enthält § 95 SGB V in seinem Absatz 11 Satz 1 Nr. 3 eine Härtefallregelung, die ausschließlich an eine schützenswerte Substanz aufgrund psychotherapeutischer Behandlungen anknüpft, die in dem so genannten Zeitfenster (25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997) vorhanden gewesen oder geschaffen worden sein muss. Sie setzt voraus, dass der bisher an der ambulanten Versorgung der Versicherten beteiligte Psychotherapeut sich unter Einsatz seiner Arbeitskraft und finanzieller Mittel eine berufliche Existenz an einem bestimmten Ort geschaffen hat, die für ihn in persönlicher (Erfüllung durch berufliche Tätigkeit) wie in materieller Hinsicht (Sicherung der Lebensgrundlage) das für eine Berufstätigkeit typische Ausmaß erreicht hat. Der bei Verweis auf eine bedarfsabhängige Ermächtigung an einem anderen als dem bisherigen Praxisort drohende Verlust der bereits geschaffenen beruflichen Existenzgrundlage ist danach das entscheidende und für die Auslegung des § 95 Abs. 11 SGB V allein verfassungskonforme Differenzierungskriterium. Um als Teilnahme im Sinne des § 95 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 SGB V gewertet werden zu können, muss die Tätigkeit eines Psychotherapeuten in niedergelassener Praxis gegenüber den Versicherten der Krankenkassen im so genannten Zeitfenster einen Mindestumfang an Behandlungsstunden erreicht haben. Mit der Ausgestaltung der Vorschrift als Härtefallregelung wäre eine Auslegung unvereinbar, nach der für die Erfüllung des Be- griffs der „Teilnahme“ schon die Ableistung nur einer Behandlungsstunde im Zeitfenster ausreicht. Nur soweit die Behandlung die Berufstätigkeit des Psychotherapeuten mitgeprägt hat oder zumindest objektiv nachvollziehbar darauf ausgerichtet gewesen ist, kann die Verweisung auf eine bedarfsabhängige Ermächtigung und der damit verbundene Zwang zu einem beruflichen Neuanfang an einem anderen Ort eine unzumutbare Härte darstellen (BSG a.a.O.). Das bedeutet zunächst, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die ambulante Behandlungstätigkeit nicht die einzige einkommensrelevante berufliche Betätigung gewesen sein muss. Andererseits muss sie vom Umfang her für das gesamte Erwerbseinkommen bedeutsam gewesen sein. Daraus ist zu folgern, dass eine Teilnahme im Sinne des Gesetzes auszuschließen ist, wenn im Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Psychotherapeuten andere Tätigkeiten gestanden haben und die ambulanten Behandlungen allenfalls den Charakter einer Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung hatten. Die Zielsetzung der Vorschrift, den Betroffenen die Fortsetzung der hauptberuflich ausgeübten Behandlungsmöglichkeit am Ort der Niederlassung zu ermöglichen, sowie der Gesichtspunkt der Praktikabilität für die Zulassungsgremien lassen eine Grenzziehung in der Weise geboten erscheinen, dass der Behandlungsumfang gegenüber Versicherten der Krankenkassen annähernd einer halbtägigen Tätigkeit entsprochen haben muss und die Behandlungen in der eigenen Praxis nicht gegenüber anderen beruflichen Tätigkeiten, sei es in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sei es gegenüber anderen Kostenträgern, von nachrangiger Bedeutung gewesen sind (BSG a.a.O.).
Mindestens muss der um eine bedarfsunabhängige Zulassung bzw. Ermächtigung nachsuchende Psychologische Psychotherapeut aber eine dauerhafte Behandlungspraxis als niedergelassener Psychotherapeut von mindestens sechs bis zwölf Monaten und innerhalb dieses Zeitraums mindestens 250 Behandlungsstunden ambulanter psychotherapeutischer Behandlungstätigkeit ausgeübt haben. Wenn für ein Jahr unter Berücksichtigung der Urlaubszeit 43 Behandlungswochen veranschlagt werden, führt die Anforderung von 250 Behandlungsstunden in einem Halbjahreszeitraum zu einer Zahl von 11,6 Behandlungsstunden pro Woche. Wird bei einer ausgelasteten Praxis von 35 bis 36 Behandlungsstunden pro Woche ausgegangen und weiterhin berücksichtigt, dass mit der Zahl der Behandlungsstunden nicht die Arbeitszeit eines Psychotherapeuten in seiner Praxis beschrieben wird, sondern diese im Hinblick auf die notwendigen begleitenden Tätigkeiten erheblich darüber liegt (BSGE 84, 240), hält sich die Forderung nach 250 Behandlungsstunden in einem Halbjahreszeitraum im Rahmen der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals des § 95 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 SGB V „teilgenommen haben“ (BSG SozR 3-2500 § 94 Nr. 25). Schließlich kann unter Härtefallgesichtspunkten das Merkmal „Teilnahme“ auch dann erfüllt sein, wenn für mindestens sechs Monate während des Zeitfensters keine annähernd halbtägige Behandlungstätigkeit von Versicherten der Krankenkassen in eigener Praxis nachgewiesen ist, wenn diese erst zu Beginn oder im Frühjahr des Jahres 1997 neu gegründet worden ist (BSG a.a.O.). In diesem Fall müssten im letzten Vierteljahr des Zeitfensters (April bis Juni 1997) jedoch durchschnittlich 15 Behandlungsstunden pro Woche nachgewiesen sein.
Gemessen an diesen Kriterien erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermächtigung zur Teilnahme an der bedarfsunabhängigen Versorgung der Versicherten der GKV. Die Klägerin hat in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 18 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV erbracht. Dies entspricht offensichtlich nicht dem Erfordernis einer „annähernd halbtägigen Tätigkeit“ (BSG a.a.O.). Die nicht zu Lasten der GKV erbrachten Behandlungsstunden können hierbei nicht berücksichtigt werden. Ein Psychotherapeut, der in der Vergangenheit ganz überwiegend privat Versicherte oder selbstzahlende Patienten behandelt oder seine Leistungen mit anderen Kostenträgern (z.B. Sozialhilfeträgern) abgerechnet hat, ist zur Fortsetzung dieser Tätigkeit rechtlich nicht auf eine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung angewiesen. Dass er die Tätigkeit am bisherigen Praxisstandort ab 1999 nicht auf Versicherte der Krankenkassen ausweiten kann, rechtfertigt nicht, ihn unter Härtegesichtspunkten einem Psychotherapeuten gleichzustellen, der eine Praxis schwerpunktmäßig zur Behandlung von Versicherten der GKV aufgebaut hat (BSG a.a.O.).
Selbst unter Berücksichtigung eines am 1. Juli 1996 beginnenden Zeitraums, also dem Zeitpunkt, von dem an die Klägerin am so genannten Kostenerstattungsverfahren teilgenommen haben will, ergibt sich bis zum 24. Juni 1997 ein rechnerischer Durchschnitt von ca. einer halben Stunde pro Woche. Dies verdeutlicht hinreichend, dass der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin während des so genannten Zeitfensters und auch insbesondere in den Jahren 1996 und 1997 nicht in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen gelegen hat.
Der Senat kann unentschieden lassen, ob es sich bei den Therapien, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet worden sind, um Krankenbehandlungen im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt hat. Denn das Tatbestandsmerkmal der „Teilnahme“ in § 95 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 SGB V kann nur durch Behandlungsleistungen erfüllt werden, die der Therapeut nicht nur eigenverantwortlich erbracht und selbst abgerechnet, sondern auch bis zum 24. Juni 1997 von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet erhalten hat. Denn nur dann kann er aus der ambulanten Versorgung der Versicherten innerhalb des Zeitfensters ein Erwerbseinkommen erzielt haben (vgl. hierzu die Gesetzesmaterialien in BT-Druck-sache 13/9212 S. 40, zu Artikel 2 zu Nr. 10 Buchstabe c), das zur Begründung einer beruflichen Existenz geführt hat. Auf zwar abgerechnete, aber während des Zeitfensters nicht bezahlte Therapiestunden kann eine berufliche Existenz dagegen nicht gestützt werden, weil der Lebensunterhalt während dieser Zeit dann notwendigerweise aus anderen Quellen gedeckt worden sein muss. Dass gerade bei Therapeuten im so genannten Kostenerstattungsverfahren nur die Therapiestunden Berücksichtigung finden können, die von den gesetzlichen Krankenkassen während des Zeitfensters auch bezahlt worden sind, folgt im Übrigen weiterhin daraus, dass Psychotherapeuten ohne Zulassung/Ermächtigung im so genannten Delegationsverfahren auf die Vergütung ihrer Behandlungsleistungen gemäß § 13 Abs. 3 SGB V in aller Regel keinen Rechtsanspruch besitzen, so dass die Krankenkassen diese Behandlungsstunden gemäß § 12 Abs. 1 SGB V gar nicht vergüten dürfen (Beschluss des Senats vom 13. März 2002 - L 7 B 59/01 KA ER -).
Ohne Erfolg macht die Klägerin in ihrem Fall (weitere) Härtefallgesichtspunkte geltend. Weder hat sie ihre Praxis erst im Frühjahr 1997 gegründet, sondern bereits im September 1995, noch hat sie im letzten Vierteljahr des so genannten Zeitfensters (April bis Juni 1997) durchschnittlich 15 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV erbracht.
Es sind auch nicht wegen der Geburt des zweiten Kindes der Klägerin im so genannten Zeitfenster, am 16. März 1996, die Anforderungen an das Vorliegen eines solchen Härtefalles im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und 4 sowie Art. 3 Abs. 1 GG bzw. wegen europarechtlicher Bestimmungen zu „modifizieren“, wie von der Klägerin begehrt. Der Gesetzgeber hat in § 95 Abs. 11 b SGB V die Voraussetzungen für eine bedarfsunabhängige Ermächtigung von Psychotherapeuten, die während des Zeitfensters ganz oder teilweise ihre Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die Pflege und Erziehung von Kindern zurückgestellt haben, geregelt. Daraus ist folgern, dass der Gesetzgeber den Tatbestand der Betreuung und Erziehung von Kindern abschließend regeln wollte. Von einer Vorverlegung des Beginns des Zeitfensters um die Zeit der Betreuung und Erziehung eines Kindes im Sinne dieser Norm kann die Klägerin allerdings nicht profitieren, weil sie ihre Praxis nicht vor Beginn des Zeitfensters, sondern erst innerhalb des Zeitfensters eröffnet hat. Die Berücksichtigung von nach dem 24. Juni 1997 erbrachten Behandlungsstunden verbietet sich schon deshalb, weil dies zur Konsequenz hätte, dass Leistungserbringer in Kenntnis der Übergangsregelung gezielt die Voraussetzungen für eine bedarfsunabhängige Ermächtigung hätten schaffen können. Darin läge eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung gegenüber allen anderen Psychotherapeuten, deren Zulassungs- bzw. Ermächtigungsanspruch auf der Grundlage von tatsächlichen Verhältnissen beurteilt wird, die sie zu einer Zeit geschaffen haben, als niemandem bekannt sein konnte, unter welchen Voraussetzungen gegebenenfalls in der Zukunft eine Einbeziehung in das vertragsärztliche Versorgungssystem möglich sein würde (BSG a.a.O.).
Die Klägerin wird hier auch nicht aus geschlechtsspezifischen Gründen diskriminiert. Denn die Geburt ihres zweiten Kindes hat ihre Teilnahme an der Versorgung der Versicherten der GKV nicht unterbrochen. Diese hat sie vielmehr erst nach der Geburt dieses Kindes, nämlich am 1. Juli 1996, aufgenommen. Außerdem hat sie nach der Geburt dieses Kindes ihre Tätigkeit als Einzelfall- und Familienhelferin bei den Bezirksämtern St und Z von Berlin wieder aufgenommen sowie ihre verschiedenen Fort- und Weiterbildungen fortgesetzt und sich nicht dem Aufbau ihrer psychotherapeutischen Praxis als Berufsschwerpunkt gewidmet. Hierin liegt der eigentliche Grund für ihre nicht ausreichende Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV. Damit scheidet auch die Verletzung von Europarecht aus.
Die Klägerin wird schließlich durch die genannten Normen auch nicht in ihren Grundrechten verletzt. Denn die Regelung zur bedarfsunabhängigen Zulassung bzw. Ermächtigung stellt für die Psychotherapeuten eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand dar, und zwar sowohl bei der Teilnahme am Delegationsverfahren als auch - in noch stärkerem Umfang - beim Kostenerstattungsverfahren. Erstmals wird eine den Ärzten gleichgestellte Teilhabe an der Behandlung von Krankenversicherten eröffnet (BVerfG a.a.O. und BSG a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum In-Kraft-Treten des 6. SGG-Änderungsgesetzes am 2. Januar 2002 maßgeblichen Fassung (Urteil des BSG vom 30. Januar 2002 - B 6 KA 20/01 R -).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Umstritten ist die bedarfsunabhängige Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung.
Die 1966 geborene Klägerin schloss 1994 ihr Studium der Psychologie mit dem Diplom ab. Von 1991 bis 1993 absolvierte sie eine Grundausbildung in klientzentrierter Gesprächspsychotherapie. Diese Ausbildung setzte sie im Mai 1995 fort. Am 14. Dezember 1997 erhielt sie das Zertifikat „Klinische Psychologin/Psychotherapeutin“. Am 20. Juni 1991 und am 16. März 1996 wurden ihre beiden Kinder geboren. Von 1994 bis 1996 war sie im Rahmen eines Praktikums als Beraterin und Therapeutin in einer Beratungsstelle der evangelischen Kirche und zeitgleich - bis 1998 - als Einzelfall- und Familienhelferin der Bezirksämter St und Z von Berlin tätig. Nach ihren Angaben hat sie diese Tätigkeit in ihrer eigenen Praxis, die sie am 1. September 1995 eingerichtet haben will, durchgeführt und im Übrigen seit dem 1. Juli 1996 am so genannten Kostenerstattungsverfahren teilgenommen. Bis zum 24. Juni 1997 hat sie 18 psychotherapeutische Behandlungsstunden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht. Im Januar 1999 erhielt sie ihre Approbation als Psychologische Psychotherapeutin.
Den im Dezember 1998 gestellten Antrag der Klägerin, ihr eine bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zu erteilen, lehnte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 6. Juli 1999 mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht in ausreichendem Maße an der Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss vom 9. Februar 2000 zurück. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung. Mit Erbringung von 18 Behandlungsstunden bis zum 24. Juni 1997 habe sie sich nicht das Privileg eines Rechtsanspruchs auf eine bedarfsunabhängige Zulassung/Ermächtigung erarbeitet. Im Mittelpunkt ihrer Berufsausübung hätten offensichtlich andere Tätigkeiten gestanden.
Im Klageverfahren, in dem sie ihr Rechtsschutzbegehren auf die Erteilung einer Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung beschränkt hat, hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie entgegen der Ansicht des Beklagten an der ambulanten Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen habe. Die von ihr zu Lasten der GKV erbrachten 18 Behandlungsstunden seien ausreichend, um diesen Tatbestand zu erfüllen. Die Beklagte habe zudem zu Unrecht ihre besonderen Lebensumstände nicht berücksichtigt. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) erforderten die Berücksichtigung ihrer besonderen Situation in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997, die durch Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung gekennzeichnet gewesen sei. Es liege auf der Hand, dass bei der Betrachtung der Tätigkeit von Psychotherapeuten in dem so genannten Zeitfenster, zwischen einem Psychotherapeuten, dessen Praxis bereits 20 Jahre laufe und bei dem der Zeitausschnitt des Zeitfensters das Abbild eines optimal funktionierenden voll ausgelasteten Praxisbetriebes sei und einer Psychotherapeutin differenziert werden müsse, die wie sie erst innerhalb des Zeitfensters ihre Praxis eröffnet und außerdem in diesem Zeitraum ihr zweites Kind bekommen habe.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 19. September 2001 abgewiesen. Die Klägerin habe nicht an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen, weil sie gesetzlich gegen Krankheit Versicherte nicht in ausreichendem Umfang behandelt habe. Notwendig sei ein Behandlungsumfang, der annähernd einer halbtägigen Tätigkeit entsprochen haben müsse. Demgegenüber habe die Klägerin im Zeitraum von 1996 bis 1997 lediglich 18 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV erbracht und abgerechnet. Dies entspreche einem Behandlungsumfang von weniger als 2 Behandlungsstunden wöchentlich. Die von der Klägerin geltend gemachte besondere Lebenssituation rechtfertige keine andere Entscheidung. Mit der therapeutischen Behandlung eines Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse habe sie erst nach der Geburt ihres zweiten Kindes begonnen. Ein Bestandsschutz, der durch die Geburt dieses Kindes unterbrochen worden sei, sei daher bis zur Geburt dieses Kindes nicht entstanden. Bis dahin sei die psychotherapeutische Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen für ihre berufliche Tätigkeit nicht prägend gewesen, sondern ihre Tätigkeit für die Bezirksämter St und Z von Berlin.
Gegen das ihr am 4. Dezember 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Dezember 2001 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie während des Zeitfensters zahlreiche Patienten behandelt habe, deren Therapie, obwohl sie Versicherte der GKV waren, aus unterschiedlichen Gründen nicht zu Lasten der GKV abgerechnet worden sei. Auch bei diesen Therapien habe es sich um eine Krankenbehandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt. Das Sozialgericht habe zudem verkannt, dass Mutterschaft und Kindererziehung bei der Auslegung des Begriffs der Teilnahme gemäß Art. 6 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie nach der Richtlinie 76/207 EWG zwingend zu berücksichtigen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2001 und den Beschluss des Beklagten vom 9. Februar 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr eine bedarfsunabhängige Ermächtigung als Psychologische Psychotherapeutin in Berlin-St/Z zu erteilen.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1. und 6. beantragen,
die Berufung zurückzuweisen, die sie für unbegründet halten.
Die Beigeladenen zu 2. bis 5. haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Beschluss des Beklagten vom 9. Februar 2000 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in Berlin-St/Z. Nach § 95 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) setzt die Berechtigung zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen die Zulassung zur vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Versorgung voraus. Gemäß § 95 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 SGB V können Psychologische Psychotherapeuten unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Bedarf und von der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen zur psychotherapeutischen Versorgung ermächtigt werden. Danach ist u.a. Voraussetzung für die Ermächtigung, dass der Zulassungsbewerber in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr. 24 sowie NJW 2000, 1779, 1780) und des BSG (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 25) enthält § 95 SGB V in seinem Absatz 11 Satz 1 Nr. 3 eine Härtefallregelung, die ausschließlich an eine schützenswerte Substanz aufgrund psychotherapeutischer Behandlungen anknüpft, die in dem so genannten Zeitfenster (25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997) vorhanden gewesen oder geschaffen worden sein muss. Sie setzt voraus, dass der bisher an der ambulanten Versorgung der Versicherten beteiligte Psychotherapeut sich unter Einsatz seiner Arbeitskraft und finanzieller Mittel eine berufliche Existenz an einem bestimmten Ort geschaffen hat, die für ihn in persönlicher (Erfüllung durch berufliche Tätigkeit) wie in materieller Hinsicht (Sicherung der Lebensgrundlage) das für eine Berufstätigkeit typische Ausmaß erreicht hat. Der bei Verweis auf eine bedarfsabhängige Ermächtigung an einem anderen als dem bisherigen Praxisort drohende Verlust der bereits geschaffenen beruflichen Existenzgrundlage ist danach das entscheidende und für die Auslegung des § 95 Abs. 11 SGB V allein verfassungskonforme Differenzierungskriterium. Um als Teilnahme im Sinne des § 95 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 SGB V gewertet werden zu können, muss die Tätigkeit eines Psychotherapeuten in niedergelassener Praxis gegenüber den Versicherten der Krankenkassen im so genannten Zeitfenster einen Mindestumfang an Behandlungsstunden erreicht haben. Mit der Ausgestaltung der Vorschrift als Härtefallregelung wäre eine Auslegung unvereinbar, nach der für die Erfüllung des Be- griffs der „Teilnahme“ schon die Ableistung nur einer Behandlungsstunde im Zeitfenster ausreicht. Nur soweit die Behandlung die Berufstätigkeit des Psychotherapeuten mitgeprägt hat oder zumindest objektiv nachvollziehbar darauf ausgerichtet gewesen ist, kann die Verweisung auf eine bedarfsabhängige Ermächtigung und der damit verbundene Zwang zu einem beruflichen Neuanfang an einem anderen Ort eine unzumutbare Härte darstellen (BSG a.a.O.). Das bedeutet zunächst, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die ambulante Behandlungstätigkeit nicht die einzige einkommensrelevante berufliche Betätigung gewesen sein muss. Andererseits muss sie vom Umfang her für das gesamte Erwerbseinkommen bedeutsam gewesen sein. Daraus ist zu folgern, dass eine Teilnahme im Sinne des Gesetzes auszuschließen ist, wenn im Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Psychotherapeuten andere Tätigkeiten gestanden haben und die ambulanten Behandlungen allenfalls den Charakter einer Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung hatten. Die Zielsetzung der Vorschrift, den Betroffenen die Fortsetzung der hauptberuflich ausgeübten Behandlungsmöglichkeit am Ort der Niederlassung zu ermöglichen, sowie der Gesichtspunkt der Praktikabilität für die Zulassungsgremien lassen eine Grenzziehung in der Weise geboten erscheinen, dass der Behandlungsumfang gegenüber Versicherten der Krankenkassen annähernd einer halbtägigen Tätigkeit entsprochen haben muss und die Behandlungen in der eigenen Praxis nicht gegenüber anderen beruflichen Tätigkeiten, sei es in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sei es gegenüber anderen Kostenträgern, von nachrangiger Bedeutung gewesen sind (BSG a.a.O.).
Mindestens muss der um eine bedarfsunabhängige Zulassung bzw. Ermächtigung nachsuchende Psychologische Psychotherapeut aber eine dauerhafte Behandlungspraxis als niedergelassener Psychotherapeut von mindestens sechs bis zwölf Monaten und innerhalb dieses Zeitraums mindestens 250 Behandlungsstunden ambulanter psychotherapeutischer Behandlungstätigkeit ausgeübt haben. Wenn für ein Jahr unter Berücksichtigung der Urlaubszeit 43 Behandlungswochen veranschlagt werden, führt die Anforderung von 250 Behandlungsstunden in einem Halbjahreszeitraum zu einer Zahl von 11,6 Behandlungsstunden pro Woche. Wird bei einer ausgelasteten Praxis von 35 bis 36 Behandlungsstunden pro Woche ausgegangen und weiterhin berücksichtigt, dass mit der Zahl der Behandlungsstunden nicht die Arbeitszeit eines Psychotherapeuten in seiner Praxis beschrieben wird, sondern diese im Hinblick auf die notwendigen begleitenden Tätigkeiten erheblich darüber liegt (BSGE 84, 240), hält sich die Forderung nach 250 Behandlungsstunden in einem Halbjahreszeitraum im Rahmen der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals des § 95 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 SGB V „teilgenommen haben“ (BSG SozR 3-2500 § 94 Nr. 25). Schließlich kann unter Härtefallgesichtspunkten das Merkmal „Teilnahme“ auch dann erfüllt sein, wenn für mindestens sechs Monate während des Zeitfensters keine annähernd halbtägige Behandlungstätigkeit von Versicherten der Krankenkassen in eigener Praxis nachgewiesen ist, wenn diese erst zu Beginn oder im Frühjahr des Jahres 1997 neu gegründet worden ist (BSG a.a.O.). In diesem Fall müssten im letzten Vierteljahr des Zeitfensters (April bis Juni 1997) jedoch durchschnittlich 15 Behandlungsstunden pro Woche nachgewiesen sein.
Gemessen an diesen Kriterien erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermächtigung zur Teilnahme an der bedarfsunabhängigen Versorgung der Versicherten der GKV. Die Klägerin hat in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 18 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV erbracht. Dies entspricht offensichtlich nicht dem Erfordernis einer „annähernd halbtägigen Tätigkeit“ (BSG a.a.O.). Die nicht zu Lasten der GKV erbrachten Behandlungsstunden können hierbei nicht berücksichtigt werden. Ein Psychotherapeut, der in der Vergangenheit ganz überwiegend privat Versicherte oder selbstzahlende Patienten behandelt oder seine Leistungen mit anderen Kostenträgern (z.B. Sozialhilfeträgern) abgerechnet hat, ist zur Fortsetzung dieser Tätigkeit rechtlich nicht auf eine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung angewiesen. Dass er die Tätigkeit am bisherigen Praxisstandort ab 1999 nicht auf Versicherte der Krankenkassen ausweiten kann, rechtfertigt nicht, ihn unter Härtegesichtspunkten einem Psychotherapeuten gleichzustellen, der eine Praxis schwerpunktmäßig zur Behandlung von Versicherten der GKV aufgebaut hat (BSG a.a.O.).
Selbst unter Berücksichtigung eines am 1. Juli 1996 beginnenden Zeitraums, also dem Zeitpunkt, von dem an die Klägerin am so genannten Kostenerstattungsverfahren teilgenommen haben will, ergibt sich bis zum 24. Juni 1997 ein rechnerischer Durchschnitt von ca. einer halben Stunde pro Woche. Dies verdeutlicht hinreichend, dass der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin während des so genannten Zeitfensters und auch insbesondere in den Jahren 1996 und 1997 nicht in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen gelegen hat.
Der Senat kann unentschieden lassen, ob es sich bei den Therapien, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet worden sind, um Krankenbehandlungen im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt hat. Denn das Tatbestandsmerkmal der „Teilnahme“ in § 95 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 SGB V kann nur durch Behandlungsleistungen erfüllt werden, die der Therapeut nicht nur eigenverantwortlich erbracht und selbst abgerechnet, sondern auch bis zum 24. Juni 1997 von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet erhalten hat. Denn nur dann kann er aus der ambulanten Versorgung der Versicherten innerhalb des Zeitfensters ein Erwerbseinkommen erzielt haben (vgl. hierzu die Gesetzesmaterialien in BT-Druck-sache 13/9212 S. 40, zu Artikel 2 zu Nr. 10 Buchstabe c), das zur Begründung einer beruflichen Existenz geführt hat. Auf zwar abgerechnete, aber während des Zeitfensters nicht bezahlte Therapiestunden kann eine berufliche Existenz dagegen nicht gestützt werden, weil der Lebensunterhalt während dieser Zeit dann notwendigerweise aus anderen Quellen gedeckt worden sein muss. Dass gerade bei Therapeuten im so genannten Kostenerstattungsverfahren nur die Therapiestunden Berücksichtigung finden können, die von den gesetzlichen Krankenkassen während des Zeitfensters auch bezahlt worden sind, folgt im Übrigen weiterhin daraus, dass Psychotherapeuten ohne Zulassung/Ermächtigung im so genannten Delegationsverfahren auf die Vergütung ihrer Behandlungsleistungen gemäß § 13 Abs. 3 SGB V in aller Regel keinen Rechtsanspruch besitzen, so dass die Krankenkassen diese Behandlungsstunden gemäß § 12 Abs. 1 SGB V gar nicht vergüten dürfen (Beschluss des Senats vom 13. März 2002 - L 7 B 59/01 KA ER -).
Ohne Erfolg macht die Klägerin in ihrem Fall (weitere) Härtefallgesichtspunkte geltend. Weder hat sie ihre Praxis erst im Frühjahr 1997 gegründet, sondern bereits im September 1995, noch hat sie im letzten Vierteljahr des so genannten Zeitfensters (April bis Juni 1997) durchschnittlich 15 Behandlungsstunden zu Lasten der GKV erbracht.
Es sind auch nicht wegen der Geburt des zweiten Kindes der Klägerin im so genannten Zeitfenster, am 16. März 1996, die Anforderungen an das Vorliegen eines solchen Härtefalles im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und 4 sowie Art. 3 Abs. 1 GG bzw. wegen europarechtlicher Bestimmungen zu „modifizieren“, wie von der Klägerin begehrt. Der Gesetzgeber hat in § 95 Abs. 11 b SGB V die Voraussetzungen für eine bedarfsunabhängige Ermächtigung von Psychotherapeuten, die während des Zeitfensters ganz oder teilweise ihre Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die Pflege und Erziehung von Kindern zurückgestellt haben, geregelt. Daraus ist folgern, dass der Gesetzgeber den Tatbestand der Betreuung und Erziehung von Kindern abschließend regeln wollte. Von einer Vorverlegung des Beginns des Zeitfensters um die Zeit der Betreuung und Erziehung eines Kindes im Sinne dieser Norm kann die Klägerin allerdings nicht profitieren, weil sie ihre Praxis nicht vor Beginn des Zeitfensters, sondern erst innerhalb des Zeitfensters eröffnet hat. Die Berücksichtigung von nach dem 24. Juni 1997 erbrachten Behandlungsstunden verbietet sich schon deshalb, weil dies zur Konsequenz hätte, dass Leistungserbringer in Kenntnis der Übergangsregelung gezielt die Voraussetzungen für eine bedarfsunabhängige Ermächtigung hätten schaffen können. Darin läge eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung gegenüber allen anderen Psychotherapeuten, deren Zulassungs- bzw. Ermächtigungsanspruch auf der Grundlage von tatsächlichen Verhältnissen beurteilt wird, die sie zu einer Zeit geschaffen haben, als niemandem bekannt sein konnte, unter welchen Voraussetzungen gegebenenfalls in der Zukunft eine Einbeziehung in das vertragsärztliche Versorgungssystem möglich sein würde (BSG a.a.O.).
Die Klägerin wird hier auch nicht aus geschlechtsspezifischen Gründen diskriminiert. Denn die Geburt ihres zweiten Kindes hat ihre Teilnahme an der Versorgung der Versicherten der GKV nicht unterbrochen. Diese hat sie vielmehr erst nach der Geburt dieses Kindes, nämlich am 1. Juli 1996, aufgenommen. Außerdem hat sie nach der Geburt dieses Kindes ihre Tätigkeit als Einzelfall- und Familienhelferin bei den Bezirksämtern St und Z von Berlin wieder aufgenommen sowie ihre verschiedenen Fort- und Weiterbildungen fortgesetzt und sich nicht dem Aufbau ihrer psychotherapeutischen Praxis als Berufsschwerpunkt gewidmet. Hierin liegt der eigentliche Grund für ihre nicht ausreichende Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV. Damit scheidet auch die Verletzung von Europarecht aus.
Die Klägerin wird schließlich durch die genannten Normen auch nicht in ihren Grundrechten verletzt. Denn die Regelung zur bedarfsunabhängigen Zulassung bzw. Ermächtigung stellt für die Psychotherapeuten eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand dar, und zwar sowohl bei der Teilnahme am Delegationsverfahren als auch - in noch stärkerem Umfang - beim Kostenerstattungsverfahren. Erstmals wird eine den Ärzten gleichgestellte Teilhabe an der Behandlung von Krankenversicherten eröffnet (BVerfG a.a.O. und BSG a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum In-Kraft-Treten des 6. SGG-Änderungsgesetzes am 2. Januar 2002 maßgeblichen Fassung (Urteil des BSG vom 30. Januar 2002 - B 6 KA 20/01 R -).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
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