Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 730/99 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 22/00 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Januar 2000 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Antragstellerin, eine Betriebskrankenkasse im Lande Berlin, begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin, einem gemeinnützigen Krankenhaus, untersagt werden soll, den Versicherten der Antragstellerin bei der Aufnahme zur Krankenhausbehandlung ein Schreiben vorzulegen, dessen Inhalt die Antragstellerin für sittenwidrig und strafbar hält.
Seit Sommer 1999 erteilt die Antragstellerin für ihre Versicherten bei Krankenhausbehandlung nur noch befristete Kostenübernahmen. Nach dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 01.11.1994 (abgeschlossen zwischen der AOK Berlin, dem BKK-Landesverband Ost, dem IKK-Landesverband Brandenburg und Berlin, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V./dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V., der Bundesknappschaft und der Krankenkasse für den Gartenbau einerseits und der Berliner Krankenhausgesellschaft andererseits) werden Kostenübernahmeerklärungen grundsätzlich unbefristet ausgestellt.
Die Antragsgegnerin händigt Versicherten der Antragstellerin bei der Aufnahme ein Schreiben aus, das nach der Begrüßung folgenden Hinweis enthält:
"Sie sind Mitglied der BKK Berlin bzw. über die BKK Berlin versichert. Leider hat Ihre Krankenkasse in letzter Zeit bei der Kostenübernahme und Bezahlung von Rechnungen ei-nen Weg eingeschlagen, der nach unserer Meinung und nach Auffassung der Berliner Krankenhausgesellschaft vertraglichen und gesetzlichen Regelungen widerspricht.
§ 6 des Vertrages über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung sieht vor, daß sich Patienten bei Beginn der Krankenhausbehandlung in der Regel - Ausnahme bei Notfällen - durch eine Kostenübernahmeerklärung, die grundsätzlich unbefristet ausge-stellt wird, auszuweisen haben. Im Gegensatz dazu stellt die BKK Berlin derzeit nur tage-weise befristete Kostenübernahmen aus.
Da Sie ohne Kostenübernahmeerklärung stationär aufgenommen werden wollen bzw. Ihre Kostenübernahmeerklärung nur befristet ist, machen wir Sie darauf aufmerksam, daß es im Moment zweifelhaft ist, ob Ihre Krankenkasse für die Zeit ohne Kostenübernahmeerklärung die Kosten der Behandlung übernimmt.
Sie müssen deshalb damit rechnen, daß Sie im Weigerungsfall der BKK Berlin unter Umständen wie ein Selbstzahler persönlich wegen der Kosten in Anspruch genommen werden."
Die Antragstellerin hat ihr Begehren auf § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 186, 187 StGB gestützt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit einstweiliger Anordnung vom 4. Januar 2000 der Antragsgegnerin untersagt, den Versicherten der Antragstellerin bei der Aufnahme zur Krankenhausbehandlung das Schreiben mit dem oben genannten Hinweis vorzulegen.
Hiergegen hat sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde gewandt.
Die Akten des Sozialgerichts sowie die Akten betreffend das Verfahren der Antragstellerin gegen die BK -S 88 KR 901/99 ER- und die Akten betreffend das Verfahren der Antragstellerin gegen die Universität zu Berlin - Universitätsklinikum - S 72 KR 730/99 ER - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hierauf wird ergänzend Bezug genommen.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und der Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem beantragten Inhalt.
Entsprechend § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- sind einstwei-lige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsver-hältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind Anordnungsanspruch und An-ordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivil-prozessordnung -ZPO-).
Als Anspruchsgrundlage scheiden § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB aus. Die Antragsgegnerin hat in sachlicher Form in Wahrnehmung berechtig-ter Interessen ihre Patienten, die zugleich Mitglieder der Antragstellerin sind, zumindest teilweise über die Rechtslage informiert. Hierin liegt weder ein sittenwidriges noch ein strafbares Verhalten. Als Rechtsgrundlage kommt allein die Verletzung einer Neben-pflicht aus dem zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin bestehenden Rechtsverhältnis in Betracht (vgl. § 69 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V-).
Nach § 72 Abs. 1 SGB V wirken insbesondere Ärzte und Krankenkassen zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. In den Sicherstellungs-auftrag sind die Krankenhäuser durch § 112 SGB V einbezogen. Danach schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsame Verträge, um sicherzustellen, dass Art und Umfang der Kranken-hausbehandlung den Anforderungen dieses Gesetzbuchs entsprechen. Die Verträge sind für die Krankenkassen und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar ver-bindlich (§ 112 Abs. 2 Satz 2 SGB V). In Erfüllung dieser Verpflichtung ist zwischen der AOK Berlin, dem BKK-Landesverband Ost, dem IKK-Landesverband Brandenburg und Berlin, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V./dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V., der Bundesknappschaft und der Krankenkasse für den Gar-tenbau einerseits und der Berliner Krankenhausgesellschaft andererseits am 1. Novem-ber 1994 der Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Krankenhausbehandlungsvertrag) abgeschlossen worden; darin haben sich die Ver-tragspartner darauf geeinigt, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse vertraglicher Natur sind (§ 6 Nr. 1 Krankenhausbehandlungsvertrag). Anders als in den meisten übrigen Bereichen des öffentlichen Rechts in der Bundesre-publik Deutschland ist die gesetzliche Krankenversicherung dadurch geprägt, dass viele Institutionen in diesem Versicherungszweig öffentlich-rechtliche Körperschaften mit Selbstverwaltung sind. Das bedeutet, dass die Einrichtungen, die den Sicherstellungs-auftrag zu erfüllen haben, in einem gesetzlichen Rechtsverhältnis zu einander stehen, um den vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen durch Schaffung untergesetzlicher Normen auszufüllen. Das Sozialgesetzbuch ordnet daher zu Recht an, dass die Leis-tungsträger, ihre Verbände und die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet sind, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach die-sem Gesetzbuch eng zusammenzuarbeiten (§ 86 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch -SGB X-). Diese Regelung entspricht einem allgemein gültigen Rechtssatz, wonach sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben für alle an einem Schuldverhältnis Beteiligten bestimmte Verhaltenspflichten ergeben, die sich auf die Vorbereitung der eigentlichen Leistung, die Art der Durchführung, das etwa erforderliche Zusammenwirken beider Teile und die Rücksicht beziehen, die jeder in einem derartigen Verhältnis von dem Anderen billigerweise erwarten kann (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1, 14. Auflage, Seite 138). Mit einer "engen Zusammenarbeit" ist ein vertrauensvoller Umgang miteinander verbunden.
Verletzt ein Beteiligter, insbesondere ein Vertragspartner, diese Pflicht, können der anderen Seite Ansprüche auf Unterlassung von Handlungen, Widerruf von Erklärungen und Schadensersatz erwachsen. Eine derartige Pflichtverletzung durch die Antragsgeg-nerin lässt sich nicht feststellen; vielmehr ist umgekehrt das Verhalten der Antragstellerin als Pflichtverletzung zu bewerten. Die Ursache für das Verhalten der Antragsgegnerin ist der Umstand, dass die Antragstellerin seit Sommer 1999 für ihre Versicherten bei Krankenhausbehandlung nur noch befristete Kostenübernahmeerklärungen abgibt. Viel spricht bereits dafür, dass das Gesetz selbst in § 39 SGB V ebenso wie die frühere Vorschrift des § 184 Reichsversicherungsordnung die Gewährung von Krankenhausbehandlung zeitlich unbegrenzt vorsieht; jedenfalls bestimmt aber § 6 Nr. 3 Krankenhausbehandlungsvertrag, dass die Kostenübernahmeerklärung grundsätzlich unbefristet ausgestellt wird. Bei einzelnen Krankenhäusern ist eine Befristung der Ko-stenübernahme möglich, wenn nicht erklärbare überdurchschnittliche Verweildauer oder Verweildauererhöhungen entstanden sind. Die Antragstellerin hat das gegenüber der Antragsgegnerin nicht behauptet. In einer Protokollnotiz zu § 6 Nr. 3 haben sich die Vertragspartner darüber verständigt, Ausnahmen zuzulassen - d.h. Kostenübernahmeerklärungen zu befristen - bei psychiatrischen Fachkrankenhäusern und psychiatrischen Fachabteilungen sowie Krankenhäusern / Abteilungen für Geriatrie und der Behandlung Suchtkranker.
Eine Ablehnung der Kostenübernahmeerklärung bzw. des Verlängerungsantrages aus medizinischen Gründen fordert eine gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), wie in § 6 Nr. 10 Krankenhausbehandlungsvertrag ausdrücklich vereinbart. Dieselbe Vorschrift bestimmt zugleich, dass im Übrigen "der Vertrag" zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Kranken-hausbehandlung - Überprüfungsvertrag - (gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V vom 1. November 1994) gilt. In diesem Vertrag werden Einzelheiten geregelt, wie zu verfahren ist, wenn Zweifel darüber bestehen, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. § 2 (1) des Überprüfungsvertrages bestimmt, dass die Krankenkasse eine medizinische Stel-lungnahme beim Krankenhaus anfordert, sofern aus der Sicht der Krankenkasse in ei-nem Behandlungsfall nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf eine Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Kran-kenhausbehandlung erforderlich ist. Der MDK prüft dann auf der Grundlage des vorlie-genden Kurzberichtes die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung (§ 2 (3) Überprüfungsvertrag). Dieser Regelung lässt sich eindeutig entnehmen, dass die Vertragspartner an eine konkrete Einzelfallprüfung dachten.
In dem voraufgegangenen Verfahren zwischen der Antragstellerin und der Berliner Krankenhausgesellschaft hat die Antragstellerin vorgetragen, das Begutachtungswesen des MDK als nachträgliche Kontrolle sei nicht geeignet, dem Zweck der Antragstelle-rin, dem Wirtschaftlichkeitsgebot, Nachdruck zu verleihen. Damit gibt die Antragstelle-rin zu erkennen, dass sie sich nicht an den Krankenhausbehandlungsvertrag und den Überprüfungsvertrag gebunden fühlt. Tatsächlich bedeutet das Verhalten der Antrag-stellerin, dass über die Länge einer Krankenhausbehandlung nur noch von Verwal-tungsbediensteten zu entscheiden ist, wodurch die im Sozialgesetzbuch angelegte her-ausragende Stellung des Arztes bei der Beurteilung der Frage, ob und wie lange eine Krankenhausbehandlung notwendig ist, beseitigt würde.
Wenn die Antragsgegnerin sich nunmehr veranlasst sieht, den Versicherten der Antragstellerin, die bei ihr Krankenhausbehandlung in Anspruch nehmen wollen, das oben genannte Schreiben auszuhändigen, so ist das ein Verhalten, das von der Antragstellerin veranlasst worden ist. Darüber hinaus hat das Schreiben auch keinen rechtswidrigen Inhalt. Angesichts der von der Antragstellerin hervorgerufenen Rechtsunsicherheit ist die Antragsgegnerin verpflichtet, ihre Patienten darauf hinzuweisen, dass sie möglicherweise als Selbstzahler in Anspruch genommen werden. Die Antragsgegnerin kann sich hierbei auf zivilgerichtliche Rechtsprechung stützen. Zu Fällen der vorliegenden Art liegen zwar bisher keine Entscheidungen aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor; denn die Verwaltungspraxis der Antragstellerin ist neu in der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Ablehnung von Kostenübernahmeerklärungen hatten sich die Zivilgerichte aber bereits wiederholt zu befassen. Eine vertragswidrig befristete Kostenübernahmeer-klärung steht der Ablehnung einer Kostenübernahme für die Zeit nach Ablauf der Frist gleich. Bei Ablehnung der Kostenübernahme besteht für das Krankenhaus eine Ungewissheit, die sie dazu berechtigt, die Aufnahmeverhandlungen mit dem Patienten be-sonders auszugestalten. Für diesen Fall führt das Kammergericht in einem Urteil vom 27. April 1992 - 20 U 2154/91 - (nicht veröffentlicht):
Dieser Ungewißheit soll die in der Aufnahmeverhandlung enthaltende Klausel " ... falls die Benutzerentgelte nicht von anderer Seite gezahlt werden, bin ich ver-pflichtet, diese Entgelte selbst zu tragen" Rechnung tragen. Bei der Aufnahme-verhandlung einigen sich daher der nicht eingewiesene Patient und das Kranken-haus dahin, daß die Aufnahme erfolgen und die ärztliche Behandlung im Kran-kenhaus durchgeführt werden soll, und ferner gemäß der vorstehend zitierten Klausel darüber, daß der Patient auch direkter Vertragspartner und Kostenträger werden soll, sofern der Vertrag nicht durch eine Kostenübernahmeerklärung durch die Krankenkasse mit dieser zustande kommt. Ob dabei die Ablehnung der Kostenübernahme durch den Versorgungsträger gegebenenfalls mit Recht erfolgt oder nicht, kann nur im Verhältnis des Patienten zum Versicherungsträger oder einem sonstigen Kostenträger geklärt werden und ist für den Eintritt der Kostentragungspflicht des Patienten gegenüber dem Krankenhaus ohne Belang.
In einem weiteren Beschluss vom 2. Dezember 1993 - 20 W 5996/93 - weist das Kammergericht darauf hin, der Senat habe bereits wiederholt entschieden, dass in den Fällen, in denen ohne eine Einweisung durch die Krankenkasse eine Aufnahme in die stationäre Krankenhausbehandlung erfolge, eine Zahlungsverpflichtung des Patienten jedenfalls dann bestehe, wenn er sich zur Kostentragung für den Fall verpflichtet, dass die Krankenkasse die Kostenübernahme ablehnt. Angesichts der durch die Antragstellerin hervorgerufenen Rechtsunsicherheit stellt es kein vertragswidriges Verhalten der An-tragsgegnerin dar, wenn sie die Patienten auf eine mögliche Kostenbelastung hinweist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
Die Antragstellerin, eine Betriebskrankenkasse im Lande Berlin, begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin, einem gemeinnützigen Krankenhaus, untersagt werden soll, den Versicherten der Antragstellerin bei der Aufnahme zur Krankenhausbehandlung ein Schreiben vorzulegen, dessen Inhalt die Antragstellerin für sittenwidrig und strafbar hält.
Seit Sommer 1999 erteilt die Antragstellerin für ihre Versicherten bei Krankenhausbehandlung nur noch befristete Kostenübernahmen. Nach dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 01.11.1994 (abgeschlossen zwischen der AOK Berlin, dem BKK-Landesverband Ost, dem IKK-Landesverband Brandenburg und Berlin, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V./dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V., der Bundesknappschaft und der Krankenkasse für den Gartenbau einerseits und der Berliner Krankenhausgesellschaft andererseits) werden Kostenübernahmeerklärungen grundsätzlich unbefristet ausgestellt.
Die Antragsgegnerin händigt Versicherten der Antragstellerin bei der Aufnahme ein Schreiben aus, das nach der Begrüßung folgenden Hinweis enthält:
"Sie sind Mitglied der BKK Berlin bzw. über die BKK Berlin versichert. Leider hat Ihre Krankenkasse in letzter Zeit bei der Kostenübernahme und Bezahlung von Rechnungen ei-nen Weg eingeschlagen, der nach unserer Meinung und nach Auffassung der Berliner Krankenhausgesellschaft vertraglichen und gesetzlichen Regelungen widerspricht.
§ 6 des Vertrages über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung sieht vor, daß sich Patienten bei Beginn der Krankenhausbehandlung in der Regel - Ausnahme bei Notfällen - durch eine Kostenübernahmeerklärung, die grundsätzlich unbefristet ausge-stellt wird, auszuweisen haben. Im Gegensatz dazu stellt die BKK Berlin derzeit nur tage-weise befristete Kostenübernahmen aus.
Da Sie ohne Kostenübernahmeerklärung stationär aufgenommen werden wollen bzw. Ihre Kostenübernahmeerklärung nur befristet ist, machen wir Sie darauf aufmerksam, daß es im Moment zweifelhaft ist, ob Ihre Krankenkasse für die Zeit ohne Kostenübernahmeerklärung die Kosten der Behandlung übernimmt.
Sie müssen deshalb damit rechnen, daß Sie im Weigerungsfall der BKK Berlin unter Umständen wie ein Selbstzahler persönlich wegen der Kosten in Anspruch genommen werden."
Die Antragstellerin hat ihr Begehren auf § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 186, 187 StGB gestützt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit einstweiliger Anordnung vom 4. Januar 2000 der Antragsgegnerin untersagt, den Versicherten der Antragstellerin bei der Aufnahme zur Krankenhausbehandlung das Schreiben mit dem oben genannten Hinweis vorzulegen.
Hiergegen hat sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde gewandt.
Die Akten des Sozialgerichts sowie die Akten betreffend das Verfahren der Antragstellerin gegen die BK -S 88 KR 901/99 ER- und die Akten betreffend das Verfahren der Antragstellerin gegen die Universität zu Berlin - Universitätsklinikum - S 72 KR 730/99 ER - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hierauf wird ergänzend Bezug genommen.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und der Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem beantragten Inhalt.
Entsprechend § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- sind einstwei-lige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsver-hältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind Anordnungsanspruch und An-ordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivil-prozessordnung -ZPO-).
Als Anspruchsgrundlage scheiden § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB aus. Die Antragsgegnerin hat in sachlicher Form in Wahrnehmung berechtig-ter Interessen ihre Patienten, die zugleich Mitglieder der Antragstellerin sind, zumindest teilweise über die Rechtslage informiert. Hierin liegt weder ein sittenwidriges noch ein strafbares Verhalten. Als Rechtsgrundlage kommt allein die Verletzung einer Neben-pflicht aus dem zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin bestehenden Rechtsverhältnis in Betracht (vgl. § 69 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V-).
Nach § 72 Abs. 1 SGB V wirken insbesondere Ärzte und Krankenkassen zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. In den Sicherstellungs-auftrag sind die Krankenhäuser durch § 112 SGB V einbezogen. Danach schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsame Verträge, um sicherzustellen, dass Art und Umfang der Kranken-hausbehandlung den Anforderungen dieses Gesetzbuchs entsprechen. Die Verträge sind für die Krankenkassen und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar ver-bindlich (§ 112 Abs. 2 Satz 2 SGB V). In Erfüllung dieser Verpflichtung ist zwischen der AOK Berlin, dem BKK-Landesverband Ost, dem IKK-Landesverband Brandenburg und Berlin, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V./dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V., der Bundesknappschaft und der Krankenkasse für den Gar-tenbau einerseits und der Berliner Krankenhausgesellschaft andererseits am 1. Novem-ber 1994 der Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Krankenhausbehandlungsvertrag) abgeschlossen worden; darin haben sich die Ver-tragspartner darauf geeinigt, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse vertraglicher Natur sind (§ 6 Nr. 1 Krankenhausbehandlungsvertrag). Anders als in den meisten übrigen Bereichen des öffentlichen Rechts in der Bundesre-publik Deutschland ist die gesetzliche Krankenversicherung dadurch geprägt, dass viele Institutionen in diesem Versicherungszweig öffentlich-rechtliche Körperschaften mit Selbstverwaltung sind. Das bedeutet, dass die Einrichtungen, die den Sicherstellungs-auftrag zu erfüllen haben, in einem gesetzlichen Rechtsverhältnis zu einander stehen, um den vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen durch Schaffung untergesetzlicher Normen auszufüllen. Das Sozialgesetzbuch ordnet daher zu Recht an, dass die Leis-tungsträger, ihre Verbände und die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet sind, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach die-sem Gesetzbuch eng zusammenzuarbeiten (§ 86 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch -SGB X-). Diese Regelung entspricht einem allgemein gültigen Rechtssatz, wonach sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben für alle an einem Schuldverhältnis Beteiligten bestimmte Verhaltenspflichten ergeben, die sich auf die Vorbereitung der eigentlichen Leistung, die Art der Durchführung, das etwa erforderliche Zusammenwirken beider Teile und die Rücksicht beziehen, die jeder in einem derartigen Verhältnis von dem Anderen billigerweise erwarten kann (Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1, 14. Auflage, Seite 138). Mit einer "engen Zusammenarbeit" ist ein vertrauensvoller Umgang miteinander verbunden.
Verletzt ein Beteiligter, insbesondere ein Vertragspartner, diese Pflicht, können der anderen Seite Ansprüche auf Unterlassung von Handlungen, Widerruf von Erklärungen und Schadensersatz erwachsen. Eine derartige Pflichtverletzung durch die Antragsgeg-nerin lässt sich nicht feststellen; vielmehr ist umgekehrt das Verhalten der Antragstellerin als Pflichtverletzung zu bewerten. Die Ursache für das Verhalten der Antragsgegnerin ist der Umstand, dass die Antragstellerin seit Sommer 1999 für ihre Versicherten bei Krankenhausbehandlung nur noch befristete Kostenübernahmeerklärungen abgibt. Viel spricht bereits dafür, dass das Gesetz selbst in § 39 SGB V ebenso wie die frühere Vorschrift des § 184 Reichsversicherungsordnung die Gewährung von Krankenhausbehandlung zeitlich unbegrenzt vorsieht; jedenfalls bestimmt aber § 6 Nr. 3 Krankenhausbehandlungsvertrag, dass die Kostenübernahmeerklärung grundsätzlich unbefristet ausgestellt wird. Bei einzelnen Krankenhäusern ist eine Befristung der Ko-stenübernahme möglich, wenn nicht erklärbare überdurchschnittliche Verweildauer oder Verweildauererhöhungen entstanden sind. Die Antragstellerin hat das gegenüber der Antragsgegnerin nicht behauptet. In einer Protokollnotiz zu § 6 Nr. 3 haben sich die Vertragspartner darüber verständigt, Ausnahmen zuzulassen - d.h. Kostenübernahmeerklärungen zu befristen - bei psychiatrischen Fachkrankenhäusern und psychiatrischen Fachabteilungen sowie Krankenhäusern / Abteilungen für Geriatrie und der Behandlung Suchtkranker.
Eine Ablehnung der Kostenübernahmeerklärung bzw. des Verlängerungsantrages aus medizinischen Gründen fordert eine gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), wie in § 6 Nr. 10 Krankenhausbehandlungsvertrag ausdrücklich vereinbart. Dieselbe Vorschrift bestimmt zugleich, dass im Übrigen "der Vertrag" zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Kranken-hausbehandlung - Überprüfungsvertrag - (gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V vom 1. November 1994) gilt. In diesem Vertrag werden Einzelheiten geregelt, wie zu verfahren ist, wenn Zweifel darüber bestehen, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. § 2 (1) des Überprüfungsvertrages bestimmt, dass die Krankenkasse eine medizinische Stel-lungnahme beim Krankenhaus anfordert, sofern aus der Sicht der Krankenkasse in ei-nem Behandlungsfall nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf eine Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Kran-kenhausbehandlung erforderlich ist. Der MDK prüft dann auf der Grundlage des vorlie-genden Kurzberichtes die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung (§ 2 (3) Überprüfungsvertrag). Dieser Regelung lässt sich eindeutig entnehmen, dass die Vertragspartner an eine konkrete Einzelfallprüfung dachten.
In dem voraufgegangenen Verfahren zwischen der Antragstellerin und der Berliner Krankenhausgesellschaft hat die Antragstellerin vorgetragen, das Begutachtungswesen des MDK als nachträgliche Kontrolle sei nicht geeignet, dem Zweck der Antragstelle-rin, dem Wirtschaftlichkeitsgebot, Nachdruck zu verleihen. Damit gibt die Antragstelle-rin zu erkennen, dass sie sich nicht an den Krankenhausbehandlungsvertrag und den Überprüfungsvertrag gebunden fühlt. Tatsächlich bedeutet das Verhalten der Antrag-stellerin, dass über die Länge einer Krankenhausbehandlung nur noch von Verwal-tungsbediensteten zu entscheiden ist, wodurch die im Sozialgesetzbuch angelegte her-ausragende Stellung des Arztes bei der Beurteilung der Frage, ob und wie lange eine Krankenhausbehandlung notwendig ist, beseitigt würde.
Wenn die Antragsgegnerin sich nunmehr veranlasst sieht, den Versicherten der Antragstellerin, die bei ihr Krankenhausbehandlung in Anspruch nehmen wollen, das oben genannte Schreiben auszuhändigen, so ist das ein Verhalten, das von der Antragstellerin veranlasst worden ist. Darüber hinaus hat das Schreiben auch keinen rechtswidrigen Inhalt. Angesichts der von der Antragstellerin hervorgerufenen Rechtsunsicherheit ist die Antragsgegnerin verpflichtet, ihre Patienten darauf hinzuweisen, dass sie möglicherweise als Selbstzahler in Anspruch genommen werden. Die Antragsgegnerin kann sich hierbei auf zivilgerichtliche Rechtsprechung stützen. Zu Fällen der vorliegenden Art liegen zwar bisher keine Entscheidungen aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor; denn die Verwaltungspraxis der Antragstellerin ist neu in der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Ablehnung von Kostenübernahmeerklärungen hatten sich die Zivilgerichte aber bereits wiederholt zu befassen. Eine vertragswidrig befristete Kostenübernahmeer-klärung steht der Ablehnung einer Kostenübernahme für die Zeit nach Ablauf der Frist gleich. Bei Ablehnung der Kostenübernahme besteht für das Krankenhaus eine Ungewissheit, die sie dazu berechtigt, die Aufnahmeverhandlungen mit dem Patienten be-sonders auszugestalten. Für diesen Fall führt das Kammergericht in einem Urteil vom 27. April 1992 - 20 U 2154/91 - (nicht veröffentlicht):
Dieser Ungewißheit soll die in der Aufnahmeverhandlung enthaltende Klausel " ... falls die Benutzerentgelte nicht von anderer Seite gezahlt werden, bin ich ver-pflichtet, diese Entgelte selbst zu tragen" Rechnung tragen. Bei der Aufnahme-verhandlung einigen sich daher der nicht eingewiesene Patient und das Kranken-haus dahin, daß die Aufnahme erfolgen und die ärztliche Behandlung im Kran-kenhaus durchgeführt werden soll, und ferner gemäß der vorstehend zitierten Klausel darüber, daß der Patient auch direkter Vertragspartner und Kostenträger werden soll, sofern der Vertrag nicht durch eine Kostenübernahmeerklärung durch die Krankenkasse mit dieser zustande kommt. Ob dabei die Ablehnung der Kostenübernahme durch den Versorgungsträger gegebenenfalls mit Recht erfolgt oder nicht, kann nur im Verhältnis des Patienten zum Versicherungsträger oder einem sonstigen Kostenträger geklärt werden und ist für den Eintritt der Kostentragungspflicht des Patienten gegenüber dem Krankenhaus ohne Belang.
In einem weiteren Beschluss vom 2. Dezember 1993 - 20 W 5996/93 - weist das Kammergericht darauf hin, der Senat habe bereits wiederholt entschieden, dass in den Fällen, in denen ohne eine Einweisung durch die Krankenkasse eine Aufnahme in die stationäre Krankenhausbehandlung erfolge, eine Zahlungsverpflichtung des Patienten jedenfalls dann bestehe, wenn er sich zur Kostentragung für den Fall verpflichtet, dass die Krankenkasse die Kostenübernahme ablehnt. Angesichts der durch die Antragstellerin hervorgerufenen Rechtsunsicherheit stellt es kein vertragswidriges Verhalten der An-tragsgegnerin dar, wenn sie die Patienten auf eine mögliche Kostenbelastung hinweist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
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