Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 4133/00 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 201/01 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2001 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat den Antragsgegnern die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG- zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2001 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Festsetzung eines Festbetrages von 4,93 DM für das von der Antragstellerin vertriebene Fertigarzneimittel Nurofen 200 mg Brausegranulat für die Packungsgröße 12 Beutel Brausegranulat zu Recht abgelehnt.
Es kann offen bleiben, ob der Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegnern zu untersagen, für Nurofen 200 mg Brausegranulat einen Festbetrag unter 7,61 DM festzusetzen, zulässig ist. Denn es lässt sich bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht feststellen, dass die Errechnung des oben angegebenen Festbetrages für das von der Antragstellerin vertriebene Arzneimittel durch das Schreiben des Antragsgegners zu 2) vom 25. Oktober 2000 fehlerhaft und rechtswidrig ist. Deshalb kommt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 oder nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- mangels Anordnungsanspruchs bzw. eines das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Festbeträge übersteigenden Interesses der Antragstellerin nicht in Betracht.
Ohne weitere medizinisch-pharmakologische Ermittlungen, die gegebenenfalls die Einholung entsprechender Sachverständigengutachten einschließen, kann nicht geklärt werden, ob die angegriffene Festbetragsfestsetzung bereits deswegen rechtswidrig ist, weil sie auf einer einheitlichen Preisbildung für alle Ibuprofen-haltigen Arzneimittel beruht. Denn § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- lässt die Festsetzung von Festbeträgen für Gruppen von Arzneimitteln mit denselben Wirkstoffen unabhängig von der Darreichungsform zu, so dass die Festsetzung eines gemeinsamen Festbetrages für alle Ibuprofen-haltigen Arzneimittel unabhängig von der Darreichungsform nicht schlechthin ausgeschlossen erscheint. Eine Auseinandersetzung mit der von der Antragstellerin aufgeworfenen Rechtsfrage würde deshalb zumindest erfordern, die für die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen vor seiner Entscheidung über die Gruppenbildung gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, 35 Abs. 1 SGB V nach § 35 Abs. 2 SGB V eingeholten medizinischen und pharmazeutischen Stellungnahmen der Prüfung zugrunde zu legen und der Antragstellerin hierzu Gelegenheit zu geben, ihre medizinischen und pharmazeutischen Einwände geltend zu machen. Für ein solches Vorgehen mit einer eingehenden Sachaufklärung ist in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren jedoch weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Raum, zumal sie in vollem Umfang die Hauptsache vorwegnehmen würde. Diese Prüfung ist deshalb dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (ständige Rechtsprechung des Senats, Beschlüsse vom 26. Oktober 2000 - L 9 B 93/00 KR ER sowie L 9 B 97/00 KR ER -).
Die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung kann die Antragstellerin bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung auch nicht daraus herleiten, dass der 3. Senat des Bundessozialgerichts die den Spitzenverbänden der Krankenkassen durch § 35 SGB V eingeräumte Befugnis, für Arzneimittel Festbeträge festzusetzen, für verfassungswidrig gehalten und diese Frage gemäß Artikel 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Denn der 6. Senat des BSG (Urteil vom 1. Oktober 1990 - 6 RKa 3/90 - USK 90 107) und das Bundesverfassungsgericht (Die Leistungen 1992, 237 ff und SozR 3-2500 § 34 SGB V Nr. 1) haben sogar den Ausschluss von Arzneimitteln von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV sowohl im Hinblick auf Artikel 12 Abs. 1 GG als auch Artikel 3 Abs. 1 und 14 GG für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, so dass vieles dafür spricht, dass auch die mit der Festbetragsfestsetzung für die Antragstellerin - möglicherweise - verbundene Erschwerung, ihr Produkt zu dem von ihr gewünschten Preis abzusetzen, verfassungsgemäß ist, weil das Arzneimittel rechtlich weiterhin verordnungsfähig bleibt und der Eingriff deswegen weniger schwer wiegt als beim völligen Ausschluss der Verordnungsfähigkeit. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang weiterhin, dass die Festbetragsfestsetzung für die Versicherten auf eine erweiterte Zuzahlungspflicht hinausläuft, die ein erprobtes Instrument zur Sicherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV darstellt und keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet ist, gleichviel, ob das Gesetz feste Zuzahlungsbeträge (vgl. z.B. § 31 Abs. 3 SGB V für Arzneimittel), eine prozentuale Beteiligung der Versicherten an den entstehenden Kosten (vgl. z.B. §§ 32 Abs. 2 und 33 Abs. 2 SGB V für Heil- und Hilfsmittel) oder eine Festsetzung eines von der GKV zu übernehmenden Festbetrages (vgl. z.B. §§ 30 Abs. 1 und 30 a SGB V in der Fassung des 2. GKV-NOG für Zahnersatz) als Begrenzung des Sachleistungsanspruches der Versicherten vorsieht oder vorsah. Denn die Gewährleistung der finanziellen Stabilität der GKV stellt eine besondere Gemeinwohlaufgabe dar, welche der Gesetzgeber nicht nur verfolgen darf, sondern der er sich nicht einmal entziehen dürfte (BVerfGE 68, 193, 218 sowie Urteil des LSG Berlin, 15. Senat, vom 11. Januar 1995 - L 15 Kr 25/94 - mit weiteren Nachweisen) und für deren Durchsetzung er ein besonders weites gesetzgeberisches Ermessen besitzt.
Selbst wenn an der Möglichkeit zur Festsetzung von Festbeträgen in § 35 SGB V gleichwohl (ernstliche) verfassungsrechtliche Zweifel bestehen sollten, käme allein im Hinblick auf die von der Antragstellerin geltend gemachten und vom Bundessozialgericht geteilten verfassungsrechtlichen Bedenken an der Rechtsgrundlage der Festbetragsfestsetzung ein vorläufiger Rechtsschutz hier nicht in Betracht. Dies gilt in gleicher Weise für die an zivilrechtliche Judikatur anknüpfende europarechtlichen Einwände gegen die Festbetragsfestsetzung, zumal diese erheblich umstritten sind (vgl. insbesondere Knispel, EG-Wettbewerbswidrige Festbetragsfestsetzungen und Arzneimittelrichtlinien?, NZS 2000, 379 ff mit weiteren Nachweisen). Die Behauptung, die Festbetragsfestsetzung stelle eine durch Artikel 81 Abs. 1 Buchstabe a EGV verbotene mittelbare Festsetzung der Ankaufspreise durch die Krankenkassen und ihre Verbände als Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen dar, erscheint schon im Hinblick auf die soziale Zielsetzung der Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. nur §§ 1 und 3 SGB V), die die erforderliche wirtschaftliche Tätigkeit dieser Träger hoheitlicher Gewalt ausschließen dürfte, nicht überzeugend. Vor allem aber spricht vieles dafür, dass Artikel 81 EGV gemäß Artikel 86 Abs. 2 EGV auf die Tätigkeit der Krankenkassen - auch bei der Festsetzung von Festbeträgen - keine Anwendung findet, weil anderenfalls die Erfüllung der der GKV übertragenen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert würde. Denn schon der Gesetzgeber ist von einem Einsparvolumen von mehr als 2 Milliarden DM im Arzneimittelbereich durch die Einführung von Festbeträgen ausgegangen (BT-Drucksache 11/2237, 275). Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass eine Kostenminderung in dieser Größenordnung einen erheblichen Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der GKV leisten würde, ohne den ihre ohnehin schwache finanzielle Stabilität zusätzlich weiterhin gefährdet würde.
In Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Prüfung der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Fragen außerordentlich kompliziert und ihr Ergebnis und damit der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist, ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben hat. Abzuwägen sind stattdessen die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, sich die zugrunde liegenden Normen aber als verfassungswidrig erweisen sollten, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, obwohl die Normen verfassungsgemäß wären (LSG Berlin, Beschluss vom 17. Dezember 1999 - L 9 B 127/99 KR ER - mit weiteren Nachweisen insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Nur auf diese Weise kann vermieden werden, dass eine im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommene Norm durch die Entscheidung eines Fachgerichts im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes außer Kraft gesetzt und damit ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges konkretes Normenkontrollverfahren in der Hauptsache vorweggenommen wird, obwohl der Ausgang dieses Verfahrens ungewiss ist, wie im vorliegenden Fall schon die mehrjährige Anhängigkeit des Vorlagebeschlusses des Bundessozialgerichts zeigt. In die Folgenabwägung ist in Fällen wie dem vorliegenden, in dem es im Kern um die Verfassungs- und Europarechtskonformität einer Norm geht, auf Seiten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht nur ihr Interesse an der konkret angegriffenen Festbetragsfestsetzung zu berücksichtigen, sondern darüber hinaus die Möglichkeit, Festbetragsfestsetzungen für Arzneimittel zur Kosteneinsparung schlechthin einzusetzen. Denn diese Befugnis würde ihnen - wenn auch nicht rechtlich - so doch faktisch durch eine Entscheidung zugunsten der Antragstellerin genommen.
Unter Beachtung dieser Maßstäbe muss der Antrag erfolglos bleiben. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Berechnung des Festbetrages für Nurofen 200 mg Brausegranulat in Höhe von 4,93 DM tatsächlich zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Situation führt. Sie ist durch die Berechnung des Festbetrages nicht gehindert, das Arzneimittel zu einem höheren Betrag zu verkaufen, weil die Antragsgegnerin zu 2) mit der Berechnung des Festbetrages in der angegebenen Höhe lediglich den Anteil festgestellt hat, den die gesetzlichen Krankenkassen für das Arzneimittel tragen müssen (§ 31 Abs. 2 und 3 SGB V). Deshalb wirkt die Beschränkung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten auf den festgesetzten Festpreis nach § 12 Abs. 2 SGB V für die Antragstellerin bei wirtschaftlicher Betrachtung ganz ähnlich wie die völlige Aufhebung der Kostentragung durch die gesetzliche Krankenversicherung -GKV- wirken würde (so im Ergebnis auch Knispel, a.a.O. S. 383). Denn die Entscheidung des Vertragsarztes und des Versicherten über den Erwerb des Arzneimittels der Antragstellerin ist u.a. davon abhängig, ob sie die Zuzahlung des über dem Festpreis liegenden Entgelts für hinnehmbar halten oder nicht. Derselben Entscheidung wären Vertragsarzt und Versicherter als Nachfrager nach dem Produkt der Antragstellerin auch ausgesetzt, wenn der Versicherte den Kaufpreis vollständig selbst bezahlen müsste. Auch dann stünden sich - je nach Verwendung unterschiedlicher Dopaminagonisten - unterschiedlich teure Medikamente auf dem Markt gegenüber, so dass sich der Versicherte für den Kauf des Produkts der Antragstellerin trotz des höheren Preises nur aufgrund zusätzlicher marktlicher oder medizinischer Faktoren entscheiden würde. Die Absatzmöglichkeiten für die Antragstellerin hingen in beiden Fällen allein vom Verhalten der Nachfrager (Arzt und Versicherter, vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2000 - KZR 15/98 - S. 8 UA sowie BT-Drucksache 11/2237, 173) ab und würde staatlich nicht mehr in der Weise beeinflusst, dass dafür die Höhe des Kaufpreises für die Beschaffung ohne bzw. von untergeordneter Bedeutung bliebe, wie dies für staatlich gelenkte Wirtschaftsbereiche mit einem unbeschränkten Beschaffungsanspruch des Berechtigten typisch ist. Es erscheint deshalb bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung durchaus überzeugend, dass die Einführung von Festbeträgen für Medikamente in die GKV eine Annäherung an „normale“ Marktverhältnisse und das Wirksamwerden von Marktmechanismen schafft (Knispel a.a.O. S. 383). Vor diesem Hintergrund erscheint der von der Antragstellerin befürchtete Umsatzverlust nicht als Folge der Festbetragsfestsetzung, sondern des unternehmerischen Risikos auf einem teilweise liberalisierten Markt. Dass sich ein Anspruch auf Fortsetzung der bisherigen Marktlenkung im Rahmen der GKV durch weitgehenden Ausschluss des Preises auf die Beschaffungsentscheidung des Arztes und des Versicherten für die Antragstellerin weder aus Artikel 12, 14 noch 3 GG ergibt, bedarf keiner weiteren Begründung.
Darüber hinaus hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass der Festbetrag für Ibuprofen-haltige Arzneimittel der Antragstellerin bereits am 13. Februar 1998 - d.h. mehr als zweieinhalb Jahre vor der Einführung des von ihr vertriebenen Produkts auf dem Markt - bekannt gegeben worden ist. Der Antragstellerin hätte deshalb ausreichend Zeit gehabt, die Absatzchancen ihres Arzneimittels bei der zu erwartenden Einbeziehung ihres Produkts in die Festbetragsfestsetzung zu überprüfen und durch entsprechende Anfragen bei den Antragsgegnern und durch den von ihr erst am 24. November 2000 gestellten Antrag auf eine für sie günstigere Gruppenbildung beim Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen zu reagieren. Da sie jedoch entsprechende Bemühungen erst nach Einführung ihres Medikaments auf dem Markt ergriffen hat, kann sie nicht erwarten, dass die Bindung an den Festbetrag vor einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgesetzt wird.
Denn anders als die Antragstellerin würde die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Festbetragsfestsetzung die Antragsgegner erheblich treffen. Diese haben glaubhaft gemacht, dass durch die Festbetragsfestsetzung zur Zeit jährlich etwa 3,2 Milliarden DM eingespart werden. Im Falle ihres Erfolges in der Hauptsache nach einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes müssten aus den jährlich anfallenden rund 800 Mio. Arzneimittelverordnungen diejenigen herausgefunden werden, die Arzneimittel der hier streitigen Gruppe betreffen. Dies muss bei der vorliegenden Abwägung dazu führen, dass die Interessen der Antragstellerin bei ihrem Obsiegen gegenüber den damit zwangsläufig einhergehenden Nachteilen für die Antragsgegner nicht entscheidend ins Gewicht fallen können. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes musste deshalb erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG- zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2001 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Festsetzung eines Festbetrages von 4,93 DM für das von der Antragstellerin vertriebene Fertigarzneimittel Nurofen 200 mg Brausegranulat für die Packungsgröße 12 Beutel Brausegranulat zu Recht abgelehnt.
Es kann offen bleiben, ob der Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegnern zu untersagen, für Nurofen 200 mg Brausegranulat einen Festbetrag unter 7,61 DM festzusetzen, zulässig ist. Denn es lässt sich bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht feststellen, dass die Errechnung des oben angegebenen Festbetrages für das von der Antragstellerin vertriebene Arzneimittel durch das Schreiben des Antragsgegners zu 2) vom 25. Oktober 2000 fehlerhaft und rechtswidrig ist. Deshalb kommt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 oder nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- mangels Anordnungsanspruchs bzw. eines das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Festbeträge übersteigenden Interesses der Antragstellerin nicht in Betracht.
Ohne weitere medizinisch-pharmakologische Ermittlungen, die gegebenenfalls die Einholung entsprechender Sachverständigengutachten einschließen, kann nicht geklärt werden, ob die angegriffene Festbetragsfestsetzung bereits deswegen rechtswidrig ist, weil sie auf einer einheitlichen Preisbildung für alle Ibuprofen-haltigen Arzneimittel beruht. Denn § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- lässt die Festsetzung von Festbeträgen für Gruppen von Arzneimitteln mit denselben Wirkstoffen unabhängig von der Darreichungsform zu, so dass die Festsetzung eines gemeinsamen Festbetrages für alle Ibuprofen-haltigen Arzneimittel unabhängig von der Darreichungsform nicht schlechthin ausgeschlossen erscheint. Eine Auseinandersetzung mit der von der Antragstellerin aufgeworfenen Rechtsfrage würde deshalb zumindest erfordern, die für die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen vor seiner Entscheidung über die Gruppenbildung gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, 35 Abs. 1 SGB V nach § 35 Abs. 2 SGB V eingeholten medizinischen und pharmazeutischen Stellungnahmen der Prüfung zugrunde zu legen und der Antragstellerin hierzu Gelegenheit zu geben, ihre medizinischen und pharmazeutischen Einwände geltend zu machen. Für ein solches Vorgehen mit einer eingehenden Sachaufklärung ist in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren jedoch weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Raum, zumal sie in vollem Umfang die Hauptsache vorwegnehmen würde. Diese Prüfung ist deshalb dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (ständige Rechtsprechung des Senats, Beschlüsse vom 26. Oktober 2000 - L 9 B 93/00 KR ER sowie L 9 B 97/00 KR ER -).
Die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung kann die Antragstellerin bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung auch nicht daraus herleiten, dass der 3. Senat des Bundessozialgerichts die den Spitzenverbänden der Krankenkassen durch § 35 SGB V eingeräumte Befugnis, für Arzneimittel Festbeträge festzusetzen, für verfassungswidrig gehalten und diese Frage gemäß Artikel 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Denn der 6. Senat des BSG (Urteil vom 1. Oktober 1990 - 6 RKa 3/90 - USK 90 107) und das Bundesverfassungsgericht (Die Leistungen 1992, 237 ff und SozR 3-2500 § 34 SGB V Nr. 1) haben sogar den Ausschluss von Arzneimitteln von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV sowohl im Hinblick auf Artikel 12 Abs. 1 GG als auch Artikel 3 Abs. 1 und 14 GG für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, so dass vieles dafür spricht, dass auch die mit der Festbetragsfestsetzung für die Antragstellerin - möglicherweise - verbundene Erschwerung, ihr Produkt zu dem von ihr gewünschten Preis abzusetzen, verfassungsgemäß ist, weil das Arzneimittel rechtlich weiterhin verordnungsfähig bleibt und der Eingriff deswegen weniger schwer wiegt als beim völligen Ausschluss der Verordnungsfähigkeit. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang weiterhin, dass die Festbetragsfestsetzung für die Versicherten auf eine erweiterte Zuzahlungspflicht hinausläuft, die ein erprobtes Instrument zur Sicherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV darstellt und keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet ist, gleichviel, ob das Gesetz feste Zuzahlungsbeträge (vgl. z.B. § 31 Abs. 3 SGB V für Arzneimittel), eine prozentuale Beteiligung der Versicherten an den entstehenden Kosten (vgl. z.B. §§ 32 Abs. 2 und 33 Abs. 2 SGB V für Heil- und Hilfsmittel) oder eine Festsetzung eines von der GKV zu übernehmenden Festbetrages (vgl. z.B. §§ 30 Abs. 1 und 30 a SGB V in der Fassung des 2. GKV-NOG für Zahnersatz) als Begrenzung des Sachleistungsanspruches der Versicherten vorsieht oder vorsah. Denn die Gewährleistung der finanziellen Stabilität der GKV stellt eine besondere Gemeinwohlaufgabe dar, welche der Gesetzgeber nicht nur verfolgen darf, sondern der er sich nicht einmal entziehen dürfte (BVerfGE 68, 193, 218 sowie Urteil des LSG Berlin, 15. Senat, vom 11. Januar 1995 - L 15 Kr 25/94 - mit weiteren Nachweisen) und für deren Durchsetzung er ein besonders weites gesetzgeberisches Ermessen besitzt.
Selbst wenn an der Möglichkeit zur Festsetzung von Festbeträgen in § 35 SGB V gleichwohl (ernstliche) verfassungsrechtliche Zweifel bestehen sollten, käme allein im Hinblick auf die von der Antragstellerin geltend gemachten und vom Bundessozialgericht geteilten verfassungsrechtlichen Bedenken an der Rechtsgrundlage der Festbetragsfestsetzung ein vorläufiger Rechtsschutz hier nicht in Betracht. Dies gilt in gleicher Weise für die an zivilrechtliche Judikatur anknüpfende europarechtlichen Einwände gegen die Festbetragsfestsetzung, zumal diese erheblich umstritten sind (vgl. insbesondere Knispel, EG-Wettbewerbswidrige Festbetragsfestsetzungen und Arzneimittelrichtlinien?, NZS 2000, 379 ff mit weiteren Nachweisen). Die Behauptung, die Festbetragsfestsetzung stelle eine durch Artikel 81 Abs. 1 Buchstabe a EGV verbotene mittelbare Festsetzung der Ankaufspreise durch die Krankenkassen und ihre Verbände als Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen dar, erscheint schon im Hinblick auf die soziale Zielsetzung der Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. nur §§ 1 und 3 SGB V), die die erforderliche wirtschaftliche Tätigkeit dieser Träger hoheitlicher Gewalt ausschließen dürfte, nicht überzeugend. Vor allem aber spricht vieles dafür, dass Artikel 81 EGV gemäß Artikel 86 Abs. 2 EGV auf die Tätigkeit der Krankenkassen - auch bei der Festsetzung von Festbeträgen - keine Anwendung findet, weil anderenfalls die Erfüllung der der GKV übertragenen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert würde. Denn schon der Gesetzgeber ist von einem Einsparvolumen von mehr als 2 Milliarden DM im Arzneimittelbereich durch die Einführung von Festbeträgen ausgegangen (BT-Drucksache 11/2237, 275). Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass eine Kostenminderung in dieser Größenordnung einen erheblichen Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der GKV leisten würde, ohne den ihre ohnehin schwache finanzielle Stabilität zusätzlich weiterhin gefährdet würde.
In Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Prüfung der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Fragen außerordentlich kompliziert und ihr Ergebnis und damit der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist, ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben hat. Abzuwägen sind stattdessen die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, sich die zugrunde liegenden Normen aber als verfassungswidrig erweisen sollten, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, obwohl die Normen verfassungsgemäß wären (LSG Berlin, Beschluss vom 17. Dezember 1999 - L 9 B 127/99 KR ER - mit weiteren Nachweisen insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Nur auf diese Weise kann vermieden werden, dass eine im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommene Norm durch die Entscheidung eines Fachgerichts im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes außer Kraft gesetzt und damit ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges konkretes Normenkontrollverfahren in der Hauptsache vorweggenommen wird, obwohl der Ausgang dieses Verfahrens ungewiss ist, wie im vorliegenden Fall schon die mehrjährige Anhängigkeit des Vorlagebeschlusses des Bundessozialgerichts zeigt. In die Folgenabwägung ist in Fällen wie dem vorliegenden, in dem es im Kern um die Verfassungs- und Europarechtskonformität einer Norm geht, auf Seiten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht nur ihr Interesse an der konkret angegriffenen Festbetragsfestsetzung zu berücksichtigen, sondern darüber hinaus die Möglichkeit, Festbetragsfestsetzungen für Arzneimittel zur Kosteneinsparung schlechthin einzusetzen. Denn diese Befugnis würde ihnen - wenn auch nicht rechtlich - so doch faktisch durch eine Entscheidung zugunsten der Antragstellerin genommen.
Unter Beachtung dieser Maßstäbe muss der Antrag erfolglos bleiben. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Berechnung des Festbetrages für Nurofen 200 mg Brausegranulat in Höhe von 4,93 DM tatsächlich zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Situation führt. Sie ist durch die Berechnung des Festbetrages nicht gehindert, das Arzneimittel zu einem höheren Betrag zu verkaufen, weil die Antragsgegnerin zu 2) mit der Berechnung des Festbetrages in der angegebenen Höhe lediglich den Anteil festgestellt hat, den die gesetzlichen Krankenkassen für das Arzneimittel tragen müssen (§ 31 Abs. 2 und 3 SGB V). Deshalb wirkt die Beschränkung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten auf den festgesetzten Festpreis nach § 12 Abs. 2 SGB V für die Antragstellerin bei wirtschaftlicher Betrachtung ganz ähnlich wie die völlige Aufhebung der Kostentragung durch die gesetzliche Krankenversicherung -GKV- wirken würde (so im Ergebnis auch Knispel, a.a.O. S. 383). Denn die Entscheidung des Vertragsarztes und des Versicherten über den Erwerb des Arzneimittels der Antragstellerin ist u.a. davon abhängig, ob sie die Zuzahlung des über dem Festpreis liegenden Entgelts für hinnehmbar halten oder nicht. Derselben Entscheidung wären Vertragsarzt und Versicherter als Nachfrager nach dem Produkt der Antragstellerin auch ausgesetzt, wenn der Versicherte den Kaufpreis vollständig selbst bezahlen müsste. Auch dann stünden sich - je nach Verwendung unterschiedlicher Dopaminagonisten - unterschiedlich teure Medikamente auf dem Markt gegenüber, so dass sich der Versicherte für den Kauf des Produkts der Antragstellerin trotz des höheren Preises nur aufgrund zusätzlicher marktlicher oder medizinischer Faktoren entscheiden würde. Die Absatzmöglichkeiten für die Antragstellerin hingen in beiden Fällen allein vom Verhalten der Nachfrager (Arzt und Versicherter, vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2000 - KZR 15/98 - S. 8 UA sowie BT-Drucksache 11/2237, 173) ab und würde staatlich nicht mehr in der Weise beeinflusst, dass dafür die Höhe des Kaufpreises für die Beschaffung ohne bzw. von untergeordneter Bedeutung bliebe, wie dies für staatlich gelenkte Wirtschaftsbereiche mit einem unbeschränkten Beschaffungsanspruch des Berechtigten typisch ist. Es erscheint deshalb bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung durchaus überzeugend, dass die Einführung von Festbeträgen für Medikamente in die GKV eine Annäherung an „normale“ Marktverhältnisse und das Wirksamwerden von Marktmechanismen schafft (Knispel a.a.O. S. 383). Vor diesem Hintergrund erscheint der von der Antragstellerin befürchtete Umsatzverlust nicht als Folge der Festbetragsfestsetzung, sondern des unternehmerischen Risikos auf einem teilweise liberalisierten Markt. Dass sich ein Anspruch auf Fortsetzung der bisherigen Marktlenkung im Rahmen der GKV durch weitgehenden Ausschluss des Preises auf die Beschaffungsentscheidung des Arztes und des Versicherten für die Antragstellerin weder aus Artikel 12, 14 noch 3 GG ergibt, bedarf keiner weiteren Begründung.
Darüber hinaus hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass der Festbetrag für Ibuprofen-haltige Arzneimittel der Antragstellerin bereits am 13. Februar 1998 - d.h. mehr als zweieinhalb Jahre vor der Einführung des von ihr vertriebenen Produkts auf dem Markt - bekannt gegeben worden ist. Der Antragstellerin hätte deshalb ausreichend Zeit gehabt, die Absatzchancen ihres Arzneimittels bei der zu erwartenden Einbeziehung ihres Produkts in die Festbetragsfestsetzung zu überprüfen und durch entsprechende Anfragen bei den Antragsgegnern und durch den von ihr erst am 24. November 2000 gestellten Antrag auf eine für sie günstigere Gruppenbildung beim Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen zu reagieren. Da sie jedoch entsprechende Bemühungen erst nach Einführung ihres Medikaments auf dem Markt ergriffen hat, kann sie nicht erwarten, dass die Bindung an den Festbetrag vor einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgesetzt wird.
Denn anders als die Antragstellerin würde die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Festbetragsfestsetzung die Antragsgegner erheblich treffen. Diese haben glaubhaft gemacht, dass durch die Festbetragsfestsetzung zur Zeit jährlich etwa 3,2 Milliarden DM eingespart werden. Im Falle ihres Erfolges in der Hauptsache nach einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes müssten aus den jährlich anfallenden rund 800 Mio. Arzneimittelverordnungen diejenigen herausgefunden werden, die Arzneimittel der hier streitigen Gruppe betreffen. Dies muss bei der vorliegenden Abwägung dazu führen, dass die Interessen der Antragstellerin bei ihrem Obsiegen gegenüber den damit zwangsläufig einhergehenden Nachteilen für die Antragsgegner nicht entscheidend ins Gewicht fallen können. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes musste deshalb erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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