L 15 KR 125/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 KR 436/94
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 KR 125/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden vereinfacht: Beklagte) als Einzugsstelle zu Recht entschieden hat, dass für die Beigeladenen zu 3) bis 8) für die Zeit ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) von Februar 1988 bis Februar 1990 keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten bestanden habe.

Die Beigeladene zu 1) betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung -GmbH- als Tochtergesellschaft der in Japan ansässigen Muttergesellschaft in Deutschland Groß- und Einzelhandel mit Produkten des international tätigen N.-Konzerns.

Die Beigeladenen zu 3) bis 8) stehen zu dieser Firma in Japan in einem Arbeitsverhältnis und wurden durch den Konzern in Deutschland eingesetzt. Der Beigeladene zu 3) war vom 30. September 1988 bis zum 11. August 1992, der Beigeladene zu 4) vom 23. August 1988 bis zum 31. Juli 1992, der Beigeladene zu 5) vom 12. Juli 1988 bis zum 17. Juli 1991, der Beigeladene zu 6) seit 17. Juli 1989, der Beigeladene zu 7) seit 20. März 1989 und der Beigeladene zu 8) vom 1. Februar 1988 bis zum 31. August 1988 bei der Beigeladenen zu 1) beschäftigt.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der Beigeladenen zu 1) im November 1993 forderte die Beklagte die Beigeladene zu 1) mit Bescheid vom 16. Dezember 1993 auf, für den Beigeladenen zu 8) für den Zeitraum seiner Beschäftigung in Deutschland und für die Beigeladenen zu 3) bis 7) vom Zeitpunkt des Beginns ihrer Beschäftigung in Deutschland bis zum 28. Februar 1990 Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten in Höhe von insgesamt 92.294,34 DM und zur Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von insgesamt 21.222,90 DM zu entrichten. Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1) Widerspruch mit der Begründung, dass die Beigeladenen zu 3) bis 8) nicht der Sozialversicherungspflicht in Deutschland unterlägen.

Die Beklagte half diesem Widerspruch ab und hob den Bescheid vom 16. Dezember 1993 mit Bescheid vom 24. Februar 1994 auf. Nach nochmaliger eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage sei sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Bescheid vom 16. Dezember 1993 angesprochenen japanischen Arbeitnehmer nicht nach deutschen Rechtsvorschriften der Sozialversicherungspflicht unterlegen hätten, weil sie gemäß § 5 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch -SGB IV- entsandt worden seien. Eine Kopie dieses Bescheides übersandte die Beklagte der Klägerin (Eingang dort 28. Februar 1994).

Am 22. Juni 1994 hat sich die Klägerin mit dem Rechtsschutzziel an das Sozialgericht gewandt, den Bescheid vom 24. Februar 1994 aufzuheben und die Versicherungs- und Beitragspflicht der Beigeladenen zu 3) bis 8) festzustellen. Abgesehen davon, dass der angefochtene Bescheid wegen fehlender Begründung formell rechtswidrig sei, spreche der erste Anschein dafür, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Inland vorliege.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. September 2000 den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 1994 abgeändert, soweit dadurch der Bescheid vom 16. Dezember 1993 hinsichtlich der Beitragsforderung für die Zeit vom 1. Dezember 1988 bis zum 28. Februar 1990 aufgehoben worden ist. Es hat festgestellt, dass die Beigeladenen zu 3) bis 8) in der Zeit vom 1. Februar 1988 bis zum 28. Februar 1990 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten unterlegen haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) bis 8) sei nach dem Urteil des BSG vom 7. November 1996 (12 RK 79/94) für den streitigen Zeitraum ab 1. Februar 1988 gegeben. Für den vor dem 1. Dezember 1988 liegenden Zeitraum seien die von der Klägerin geltend gemachten Beiträge jedoch verjährt; Gründe des Vertrauensschutzes bzw. der Gleichbehandlung stünden weder dem Beitragseinzug noch der Klage der Klägerin entgegen.

Gegen das ihr am 7. Dezember 2000 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 1) am 19. Dezember 2000 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) bis 8) bejaht. Der Befreiungsbescheid hätte nicht aufgehoben werden dürfen, weil Verjährung bzw. Verwirkung eingetreten sei. Außerdem verstoße es gegen den Gleichheitsgrundsatz, nur die Beigeladene zu 1) zu Beiträgen für die Zeit 1988/89 heranzuziehen, während andere japanische Unternehmen entsprechende Zahlungen nicht zu leisten brauchten; die Beigeladene zu 1) habe auf die Praxis der Beklagten, zurückgezahlte Beiträge von japanischen Unternehmen nicht noch einmal zu fordern, vertraut. Dieses Vertrauen sei auch gegenüber der Klägerin schutzwürdig.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Beigeladenen zu 1) entgegen.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Die zulässige Berufung der Beigeladenen zu 1) ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 24. Februar 1994 für den Zeitraum vom 1. Dezember 1988 bis zum 28. Februar 1990 zu Recht aufgehoben. Denn der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 1994 ist jedenfalls für diesen Zeitraum rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; die Beigeladenen zu 3) und 8) haben in der streitigen Zeit ihrer Beschäftigung in Deutschland der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten unterlegen.

I. Das von der Klägerin anhängig gemachte Rechtsschutzbegehren ist zulässig. Denn die Aufhebung des Freistellungsbescheides wirkt sich entweder auf die Pflicht der Beklagten im Zusammenhang mit dem erneuten Beitragseinzug oder jedenfalls auf eine Schadensersatzpflicht gemäß § 28 r SGB IV aus. Erst beim erneuten Beitragseinzug ist die Frage der Verjährung zu prüfen. Jedenfalls für die seit dem Januar 1989 fällig werdenden Beiträge seit dem 1. Dezember 1988 ist die Beitragsforderung der Klägerin nicht verjährt. Die erst mit dem Jahr 1990 gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV beginnende Verjährungsfrist ist bereits nach § 52 Abs. 1 SGB X durch den Erlass des Beitragsbescheides vom 16. Dezember 1993 unterbrochen worden. Die Aufhebung des Beitragsbescheides durch den angefochtenen Freistellungsbescheid vom 24. Februar 1994 hat die Verjährungsfrist nicht erneut beginnen lassen, weil die Klägerin binnen sechs Monaten, nämlich am 22. Juni 1994, gegen den Freistellungsbescheid Klage erhoben hat. Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 3 SGB X i.V.m. § 212 Abs. 2 BGB führt diese Klage zur Fortdauer der Verjährungswirkung (vgl. BSGE 56, 20; 24) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage. Anhaltspunkte für eine Verwirklichung des Klagerechts der Klägerin sind ebenso wenig zu erkennen wie solche, aus denen eine Verwirkung des Beitragsanspruchs abzuleiten wären. Denn sie hat innerhalb der Klagefrist der §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 2 SGG Klage erhoben (s.u.) und zu keinem Zeitpunkt einem anderen Beteiligten gegenüber den Eindruck erweckt, sie werde auf die Geltendmachung der Beitragsforderung verzichten.

II. Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist nunmehr noch der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 1994, soweit er den Zeitraum vom 1. Dezember 1988 bis zum 28. Februar 1990 betrifft. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 1) den Bescheid vom 16. Dezember 1993 aufgehoben, mit dem sie für die Beigeladenen zu 3) bis 8) die Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung der Angestellten verlangt hatte. Gleichzeitig ist sie darin von der fehlenden Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) bis 8) ausgegangen. Der Bescheid vom 24. Februar 1994 ist nicht mit Wirkung für die Beteiligten des Verfahrens im Sinne von § 77 SGG bindend geworden. Er ist der Klägerin von der Beklagten am 28. Februar 1994 zugeleitet worden. Da dem der Klägerin übermittelten Bescheid der Beklagten eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung in Bezug auf die verfahrensmäßigen Rechte der Klägerin (auch in Bezug der Rechte der Beigeladenen) fehlte, hatte sie, zumal gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 SGG ein Widerspruchsverfahren nicht erforderlich war, die Möglichkeit, diesen Bescheid binnen eines Jahres nach Bekanntgabe anzufechten (§ 66 Abs. 2 SGG). Dies ist rechtzeitig mit der Klageerhebung bei dem Sozialgericht Berlin am 22. Juni 1994 geschehen.

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Beigeladenen zu 1) und 3) bis 8) keinen sich auf § 45 SGB X gründenden Vertrauensschutz in Bezug auf den Inhalt des Bescheides vom 24. Februar 1994 geltend machen können. Denn gemäß § 49 SGB X gilt die Regelung des § 45 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten wird, während des - hier (wie dargestellt) - rechtzeitig eingeleiteten sozialgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch der Klage stattgegeben wird (vgl. BSG SozR 3-2400 § 5 Nr. 3).

III. Die Beklagte ist in dem angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 1994 fehlerhaft davon ausgegangen, dass für die Beigeladenen zu 3) bis 8) keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten bestand. Ein Fall der Einstrahlung nach § 5 SGB IV liegt entgegen ihrer Auffassung nicht vor.

1. Die von der Einzugsstelle für die streitige Zeit gemäß § 28 h Abs. 2 SGB IV festzustellende Versicherungspflicht von Angestellten, die wie die Beigeladenen zu 3) bis 8) gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, folgt in der Rentenversicherung der Angestellten für die hier streitige Zeit aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG-.

2. Die Beigeladenen zu 3) bis 8) waren in der streitigen Zeit bei der Beigeladenen zu 1) „beschäftigt“ im Sinne von § 7 SGB IV. Sie verrichteten als Angestellte nichtselbständige Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Daran besteht zwischen den Beteiligten kein Zweifel.

3. Die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht waren anwendbar, da die Beschäftigung der Beigeladenen zu 3) bis 8) im Geltungsbereich des SGB IV erfolgte (§ 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV). Der Beschäftigungsort, d.h. der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wurde (§ 9 Abs. 1 SGB IV), lag in Deutschland.

a) Die Geltung der Vorschriften über die Versicherungspflicht während einer Beschäftigung im Inland war im Falle der Beigeladenen zu 3) bis 8) nicht nach § 5 SGB IV ausgeschlossen. Nach dieser Regelung gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist (Einstrahlung).

b) Sowohl für die hier zu beurteilende Entsendung eines Arbeitnehmers aus dem Ausland ins Inland (Einstrahlung) wie auch für den umgekehrten Fall der Entsendung eines Arbeitnehmers aus dem Inland ins Ausland (Ausstrahlung, § 4 SGB IV) wird insbesondere nach der Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 7. November 1996 (SozR 3-2400 § 5 Nr. 2) für die Geltung der Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragspflicht auf ein Beschäftigungsverhältnis zu entsendenden Unternehmen abgestellt. Dieser Rechtsprechung hat sich der 9. Senat des Landessozialgerichts Berlin in seinen Urteilen vom 27. Mai 1998 L 9 Kr 83 bis 88/96 angeschlossen; und der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung.

Danach ist darauf abzustellen, dass im Gesetz nicht näher umschrieben ist, welche Merkmale für ein Beschäftigungsverhältnis maßgebend sein sollen. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist dazu lediglich angegeben, dass für die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses maßgebend ist, wo „der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt“ (BT-Drucksache 7/4 122 S. 30 zu § 3). Die Begründung setzt damit voraus, dass der entsandte Arbeitnehmer bei der Entsendung stets rechtliche Bindungen zum entsendenden Unternehmen hat. Es sind jeweils sowohl im Inland als auch im Ausland Merkmale vorhanden, die für eine abhängige Beschäftigung entweder am Beschäftigungsort oder beim entsendenden Unternehmen sprechen. Nur bei hinreichender Intensität der tatsächlichen und rechtlichen Bindungen zu dem entsendenden Unternehmen kann jedoch ein fortbestehendes Beschäftigungsverhältnis zu diesem Unternehmen angenommen werden. Nur dann ist es auch gerechtfertigt, trotz eines Beschäftigungsortes im Inland die Geltung der Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragspflicht auszuschließen. Von diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bei der Bestimmung des Beschäftigungsverhältnisses auszugehen.

Der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses bei der Einstrahlung liegt unabhängig davon, mit wem der Arbeitsvertrag geschlossen ist, regelmäßig bei dem Betrieb, bei dem über die Arbeitsleistung hinaus wesentliche Elemente des Beschäftigungsverhältnisses erfüllt werden. Für die Zuordnung eines Beschäftigungsverhältnisses zu einem bestimmten Betrieb sind dabei einerseits die Eingliederung des Beschäftigten in diesen Betrieb und andererseits die Zahlung des Arbeitsentgelts durch den Betrieb entscheidend (BSG, Urteil vom 7. November 1996, a.a.O.).

aa) Die Eingliederung in einen Betrieb bedeutet, dass die Arbeit für diesen Betrieb erbracht und die Arbeitsleistung diesem Betrieb wirtschaftlich zugerechnet wird. Sie kennzeichnet damit, welcher wirtschaftlichen Einheit gegenüber die wesentliche Leistung aus dem Arbeitsvertrag erbracht wird. Besteht im Inland ein Betrieb mit eigener Wirtschaftsrechnung und eigener Gewinn- und Verlustrechnung, so wird diesem Betrieb das wirtschaftliche Ergebnis der Betriebstätigkeit zugerechnet. Dann ist es angemessen, für die Arbeitnehmer, die den Betriebszweck verwirklichen, den Schwerpunkt ihres Beschäftigungsverhältnisses bei diesem Betrieb anzunehmen. Die Eingliederung in den Betrieb im Sinne der Arbeit für einen Betrieb ist ein geeignetes Merkmal für die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses, weil es sich nach dem äußeren Erscheinungsbild feststellen lässt. Ist ein Betrieb im Inland gegenüber dem ausländischen Betrieb nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich in der Weise verselbständigt, dass der Betrieb im Inland als juristische Person besteht, so ist bei der Arbeit im inländischen Betrieb regelmäßig eine Eingliederung in diesen Betrieb anzunehmen. Das gilt bei konzerngebundenen Betrieben auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsvertrages mit dem übergeordneten ausländischen Unternehmen bei dem inländischen Betrieb arbeitet (BSG, Urteil vom 7. November 1996 a.a.O.).

bb) Neben der Eingliederung in den Betrieb wird der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses in Entsendungsfällen auch dadurch bestimmt, welcher Betrieb das Arbeitsentgelt zahlt. Nicht nur für das Arbeitsverhältnis, sondern auch für das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis, das regelmäßig Versicherungspflicht begründet, ist die Arbeitsleistung gegen Entgelt kennzeichnend. Die Zahlung des Arbeitsentgeltes ist eine wesentliche Arbeitgeberpflicht.

Derjenige Betrieb, der das Arbeitsentgelt zahlt, wird dieses Arbeitsentgelt bei der Gewinnermittlung als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz -EStG- in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Körperschaftssteuergesetz) steuerrechtlich geltend machen. Wenn der Betrieb aber die Kosten der Arbeitsleistungen als Aufwendungen geltend macht, die durch den Betrieb veranlasst sind, so ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Arbeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses bei diesem Betrieb erbracht wird. Von daher erscheint es nicht ausgeschlossen, dass schon dann ein Beschäftigungsverhältnis bei einem Betrieb besteht, wenn der Arbeitnehmer in diesen Betrieb eingegliedert ist und der Betrieb das Arbeitsentgelt zwar nicht selbst auszahlt, aber wie bei der Arbeitnehmerüberlassung die Kosten der Arbeitsleistung trägt, d.h. sie als Betriebsausgabe ansieht (BSG, Urteil vom 7. November 1996, a.a.O.).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier von einer Eingliederung der Beigeladenen zu 3) bis 8) in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) während der streitigen Zeit ebenso auszugehen wie von der Übernahme der Arbeitskosten durch die Beigeladene zu 1) und ihrer Geltendmachung als Betriebsausgaben gegenüber den Steuerbehörden. Für die Eingliederung der Beigeladenen zu 3) bis 8) in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) folgt dies schon aus der vom Bundessozialgericht aufgestellten tatsächlichen Vermutung für das Bestehen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses, die sich auf das äußere Erscheinungsbild der Arbeit des Beigeladenen zu 1) im rechtlich verselbständigten Tochterunternehmen des N.-Konzerns in Deutschland stützt. Diese Vermutung ist von der Beigeladenen zu 1) trotz eines entsprechenden Hinweises durch das Sozialgericht nicht widerlegt worden. Der Senat kann aus dieser Verhaltensweise nur schließen, dass entsprechend der typischen, wirtschaftlich einzig vernünftigen und so auch vom BSG angenommenen Handhabung die Beigeladene zu 1) die im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen gezahlten Arbeitsentgelte bei der Gewinnermittlung auch als Betriebsausgabe steuerrechtlich geltend gemacht oder zumindest wirtschaftlich im Verhältnis zum N.-Konzern bzw. anderen ihrer Gesellschaften getragen hat. Denn es gibt auch keine Anhaltspunkte für die Feststellung, dass das an die Beigeladenen zu 2) und 3) gezahlte Arbeitsentgelt nicht von der Beigeladenen zu 1), sondern von einem anderen als „Betrieb“ anzusehenden Rechtsträger innerhalb des Konzerns gezahlt wurde.

d) Das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 3) bis 8) mit der Beigeladenen zu 1) ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie ihren Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen in Japan abgeschlossen haben. Bei der Entsendung zu einem rechtlich selbständigen Unternehmen innerhalb eines Konzerns bestimmt sich der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses nach den genannten tatsächlichen Merkmalen der Beschäftigung und nicht nach dem Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Unternehmen (BSG, Urteil vom 7. November 1996, a.a.O.). Für die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses bei unternehmensinterner Entsendung ist der Arbeitsvertrag deshalb nicht entscheidend.

Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass die Beigeladenen zu 3) bis 8) hinsichtlich ihrer Arbeit (auch) Weisungen der Konzernzentrale in Japan unterlagen. Im Rahmen der Beschäftigung bei einem international operierenden Unternehmen gibt der Umfang des Weisungsrechts und der tatsächlichen Weisungen im Einzelfall keinen Hinweis darauf, ob das Beschäftigungsverhältnis bei der Hauptniederlassung oder bei der Zweigniederlassung besteht, bei der die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. In welchem Umfange innerhalb eines Unternehmens Weisungsrechte ausgeübt werden, hängt von der Struktur des Unternehmens ab. Wird das Weisungsrecht in der Weise gehandhabt, dass ausländische Betriebshierarchien nicht berücksichtigt werden, so ist Art und Umfang des Weisungsrechts gerade kein Kriterium, um ein Beschäftigungsverhältnis einem bestimmten Betrieb zuzuordnen (BSG, Urteil vom 7. November 1996, a.a.O.).

Aus diesem Grunde kommt auch der Tatsache, dass Stellung, Gehalt sowie Beförderungen innerhalb des Konzerns ausschließlich in Japan bestimmt wurden, keine streitentscheidende Bedeutung zu.

e) Danach ist für die Versicherungspflicht (wie für die Beitragspflicht) der Beigeladenen zu 3) bis 8) entscheidend auf den inländischen Beschäftigungsort (§ 3 SGB IV) abzustellen. Er ist maßgebend, auch wenn alle anderen Merkmale der Beschäftigung ins Ausland weisen sollten, weil die Zentrale ihres Arbeitgebers ihren Sitz im Ausland hat, die Arbeitnehmer ausländische Staatsangehörige sind, der Arbeitserfolg dem ausländischen Arbeitgeber zugute kommt und das Arbeitsentgelt aus dem Ausland gezahlt wird (vgl. BSG, SozR 3-6180 Artikel 12 Nr. 6). Dem darin zum Ausdruck kommenden Grundsatz, maßgeblich auf den Ort der tatsächlichen Arbeitsleistung abzustellen, würde es widersprechen, bei der Einstrahlung ein Beschäftigungsverhältnis im Inland zu verneinen, obwohl alle wesentlichen Merkmale der Beschäftigung, nämlich der wirtschaftliche Erfolg der Arbeit, die Eingliederung in einen Betrieb und die Entlohnung durch diesen Betrieb im Inland liegen, weil eine entsprechende tatsächliche Vermutung hierfür streitet.

4. Die Einwände der Beigeladenen zu 1), dass aus Gründen des Vertrauensschutzes bzw. der Gleichbehandlung mit anderen Unternehmen die Beiträge nicht mehr erhoben werden dürften, sind rechtlich ohne Relevanz. Gemäß § 28 h Abs. 1 S. 3 SGB IV hat die Einzugsstelle Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, geltend zu machen. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte ohne Zustimmung der Klägerin weder auf die Geltendmachung noch die Beitreibung der Rentenversicherungsansprüche verzichten oder eingezogene Beiträge zurückzahlen durfte. Auf eine entsprechende Verwaltungspraxis der Beklagten kommt es deshalb nicht an, weil eine Zustimmung der Klägerin zum Verzicht auf den Beitragseinzug nicht vorliegt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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