L 4 KR 16/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 KR 150/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 16/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 5. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Befreiung des Klägers von der Beitragszahlung zur Beklagten für den Zeitraum vom 07. September bis 19. Dezember 2000.

Der am ... 1940 geborene Kläger ist seit dem 01. Mai 2000 als Rentner freiwilliges Mitglied der Beklagten und war aufgrund seiner beitragspflichtigen Einnahmen aus einer Rente und Versorgungsbezügen zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung der Beitragsklasse BKL 758 der Satzung der Beklagten verpflichtet. Vom 07. September 2000 bis 19. Dezember 2000 befand der Kläger sich in Untersuchungshaft, ab 20. September bis 19. Dezember 2000 nach eigenen Angaben im Haftkrankenhaus. der JVA B ...

Mit Schreiben vom 14. November 2000wandte sich die Ehefrau des Klägers unter Bezugnahme auf dessen Untersuchungshaft an die Beklagte und bat, das Versicherungsverhältnis ruhen zu lassen sowie um Erstattung der Beiträge. Der Kläger erinnerte an den Antrag seiner Frau auf Beitragsreduzierung und reichte einenEntlassungsschein der Justizvollzugsanstalt B. a. d ...H. ein, mit dem die Haftzeit bescheinigt wurde. Mit Schreiben vom 09. Januar 2001 berechnete die Beklagte aufgrund der rückwirkend bewilligten Versorgungsbezüge die Höhe der Beiträge neu und wies als zu zahlenden Beitrag für die Krankenversicherung - KV - und die Pflegeversicherung -PflegeV- ab 01. Mai 2000 einen Beitrag von 740,18 DM (649,66 DM KV, 90,52 DM PflegeV) und für die Zeit ab 01. Januar 2001 einen Beitrag von insgesamt 906,98 DM (796,06 DM KV, 110,92 DM PflegeV) aus.

Unter Hinweis darauf, dass er vom 07. September bis 19. Dezember 2000 keine Leistungen der Beklagten in Anspruch genommen habe, bat der Kläger mit Schreiben vom 16. Januar 2001 um Prüfung, die Beiträge zu erlassen. Mit Schreiben vom 21. Januar 2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er entsprechend einer Befreiung von der Beitragspflicht für die Zeit der Untersuchungshaft einen Betrag von 460,72 DM auf eine geltend gemachte Nachforderung gezahlt habe.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 26. März 2001 mit, dass auf die strittigen Beiträge für den Zeitraum der Untersuchungshaft auch aus Kulanzgründen nicht verzichtet werden könne. Beiträge seien für jeden Tag der Mitgliedschaft zu zahlen. Eine Kündigung der Mitgliedschaft sei nicht erfolgt, so dass der Kläger weiterhin freiwilliges Mitglied der Beklagten gewesen sei. Während der Zeit der Untersuchungshaft vom 07. September 2000 bis 19. Dezember 2000 habe er Anspruch auf freie Heilfürsorge gehabt. Eine Beitragsbefreiung für Zeiten des Anspruchs auf freie Heilfürsorge sei im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - nicht vorgesehen.

Der Kläger machte mit Schreiben vom 06. April 2001 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 26. März 2001 geltend, dass er den Rechtsstandpunkt der Beklagten nicht nachvollziehen könne. Die Beklagte sei ungerechtfertigt bereichert, wenn sie für Zeiten Beiträge entgegennehme, für die keine Leistungen zu erbringen gewesen wären. Die privaten Krankenversicherungsträger sähen entsprechende Regelungen vor. Es werde nicht das Mitgliedschaftsverhältnis gekündigt, sondern das Versicherungsverhältnis ruhe mit einer kleinen Beitragszahlung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2001 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. März 2001 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 22. August 2001 Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben.Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 08. Oktober 2001 den von dem Kläger gegenüber der Beklagten als Krankenversicherungsträger geltend gemachten, die Beitragspflicht zur KV betreffenden Anspruch abgetrennt. Die Klage bezüglich der mit dem Schreiben vom 26. März 2001 ebenfalls abgelehnten Beitragsbefreiung zur PflegeV und der mit dem Schreiben vom 09. Januar 2001 geltend gemachten Beiträge zur PfegeV, wird vor dem Sozialgericht Cottbus unter Aktenzeichen S 16 P 37/01 geführt.

Im sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Beklagte betreffend der Beitragspflicht zur KV, das dem Berufungsverfahren zugrunde liegt, hat der Kläger geltend gemacht, er sei als freiwilliges Mitglied der Beklagten grundsätzlich zur Zahlung seiner Beiträge gemäß der Beitragsklasse BKL 758 verpflichtet, sofern er tatsächlich Krankenversicherungsleistungen zur Gesundheitsfürsorge und -pflege in Anspruch nehmen könne und kein Dritter vorrangig Leistungen erbringe. Für den Zeitraum seiner Untersuchungshaft sei er daher von der Beitragspflicht gegenüber der Beklagten befreit. Er habe aber aufgrund seiner Eigenschaft als Untersuchungshäftling für den Zeitraum der Untersuchungshaft Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz gehabt. Aufgrund dieser vorgehenden Gesundheitsfürsorge habe der Kläger die Leistungen von der Beklagten als freiwilliges Mitglied nicht in Anspruch nehmen können. Eine weiterbestehende Beitragsverpflichtung trotz Gewährung von Gesundheitsfürsorgeleistungen durch Dritte und der tatsächlichen Nichtinanspruchnahme von Leistungen der Beklagten führe zu einer Ungleichbehandlung und zur Rechtswidrigkeit der Satzung der Beklagten und der erlassenen Bescheide.

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 09. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2001 insoweit aufzuheben, als darin auch für den Zeitraum vom 07. September 2000 bis 19. Dezember 2000 Beiträge erhoben werden.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung ihres Antrages auf die Entscheidungsgründe des Widerspruchsbescheides verwiesen.

Mit Urteil vom 05. Februar 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung der Entscheidung gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auf die Ausführungen der Beklagten mit dem Widerspruchsbescheides verwiesen. Ergänzend hat das Sozialgericht angeführt, dass die Beklagte weder verpflichtet noch befugt sei, in ihrer Satzung freiwillige Mitglieder für die Zeit einer Untersuchungshaft beitragsfrei zu stellen. Eine solche Satzungsbestimmung verstieße gegen § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Der Kläger sei während der Untersuchungshaft generell nicht daran gehindert gewesen, Leistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Insoweit sehe § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ein Ruhen von Leistungsansprüchen für Versicherte, die sich in Untersuchungshaft befinden, nur vor, soweit die Versicherten als Gefangener Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz hätten.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10. April 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Mai 2002 Berufung eingelegt. Er macht weiter die Beitragsfreiheit für die Zeit der Untersuchungshaft geltend.

Aufgrund der vorrangigen Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz sei es nicht möglich gewesen, entsprechende Leistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen. § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V bestimme, dass der Anspruch des Klägers auf Leistungen der Beklagten ruhe. Da die Beklagte ihren Verpflichtungen aus dem bestehenden Mitgliedschaftsverhältnis gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht habe nachkommen müssen, müsse als Konsequenz auch der Kläger für diesen Zeitraum keine Beiträge zahlen. Er zahle für die Bereitstellung der Leistungen der Beklagten einen monatlichen Beitrag. Es bestünde also grundsätzlich eine Abhängigkeit der beiderseitigen Pflichten und ihrer Erfüllung. Soweit das Sozialgericht zum Vergleich die bestehende Beitragspflicht während eines mehrwöchigen Urlaubs angeführt werde, sei dem entgegenzuhalten, dass ein mehrwöchiger Urlaub auf einer eigenen Entscheidung des Versicherten beruhe und die Konsequenzen daher von diesem zu tragen seien. Die Freistellung des Klägers von der Beitragspflicht verstoße auch nicht gegen § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Diese Norm schreibe lediglich vor, dass bei der Regelung der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung sicherzustellen sei, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berücksichtige. Ob eine Beitragsfreiheit bestehe, wenn Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, sei von dieser Norm nicht geregelt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 5. Februar 2002 sowie den Bescheid vom 26. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 aufzuheben und den Bescheid vom 9. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 insoweit aufzuheben, als mit ihm für den Zeitraum vom 7. September 2000 bis 19. Dezember 2000 Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung gefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat eine Satzung der Kranken- und Pflegekasse, Stand 2000, zur Gerichtsakte gereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und auf die vom Senat beigezogene Gerichtsakte aus dem Rechtsstreit des Klägers vor dem Sozialgericht Potsdam(Aktenzeichen S 16 P 37/01), die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 05. Februar 2002 ist statthaft und zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 05. Februar 2002 und die Bescheide der Beklagten vom 09. Januar 2001 und 26. März 2001, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 und die Forderung der Beklagten von Beiträgen für die Zeit der Untersuchungshaft. Die am 22. August 2001 erhobene Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001, mit dem die Beklagte die Beitragspflicht für den Zeitraum vom 07. September 2000 bis 19. Dezember 2000 festgestellt hat, hat der Kläger nicht gem. § 102 SGG zurückgenommen. Das Sozialgericht hat mit dem Urteil vom 05. Februar 2002 die Klage insgesamt abgewiesen und damit auch über die Klage gegen diesen Bescheid entschieden.

Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sind Beitragsforderungen der Pflegekasse, die ebenfalls mit dem Bescheid vom 09. Januar 2001 geltend gemacht worden und auch Gegenstand des Bescheides vom 26. März 2001 sind. Diese - abgetrennte - Klage ist noch beim Sozialgericht anhängig.

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Teil-Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen.

Hinsichtlich des Bescheides vom 09. Januar 2001 ist ein Vorverfahren gem. § 78 Abs. 1 SGG durchgeführt worden. Über den am 23. Januar 2001 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch hat die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2001 mit entschieden, da der Widerspruchsbescheid auch Ausführungen zur Beitragshöhe und den Zeitraum der Beitragspflicht enthält. Eine ausdrückliche Nennung des Bescheides mit dem Widerspruchsbescheid ist dabei nicht erforderlich, da sich aus der Begründung des Widerspruchsbescheides der eindeutige Wille der Beklagten ergibt, insgesamt über den Streitstoff des Widerspruchsverfahrens zu entscheiden.

Die Bescheide der Beklagten sind, soweit sie mit der Klage angefochten worden sind, rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht mit dem Bescheid vom 09. Januar 2001 eine Beitragszahlung des Klägers für den Zeitraum vom 07. September 2000 bis 19. Dezember 2000 gefordert und eine Befreiung von der Beitragszahlungspflicht mit Bescheid vom 26. März 2001 abgelehnt.

Der Kläger war in dem streitigen Zeitraum vom 07. September 2000 bis 19. Dezember 2000 als Rentner freiwilliges Mitglied bei der Beklagten. Die Mitgliedschaft des Klägers ist durch die am 07. September 2000 beginnende Untersuchungshaft nicht gemäß § 191 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB - beendet worden. Eine von dem Kläger im Sinne von § 191 Ziff. 4 SGB V i. V. m. § 175 Abs. 4 SGB V erklärte Kündigung ist bei der Beklagten nicht eingegangen und damit als empfangsbedürftige Willenserklärung nicht wirksam geworden. Das Schreiben der Ehefrau des Klägers vom 14. November 2000 stellt keine Kündigung des Mitgliedschaftsverhältnisses dar. Mit dem Schreiben wurde ein Ruhen des Versicherungsverhältnisses beantragt. Ein solches Ruhen ist im SGB V, dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht vorgesehen. Eine Kündigungserklärung gemäß § 175 Abs. 4 SGB V als Voraussetzung für die Beendigung der Mitgliedschaft gemäß § 191 Ziffer 4 SGB V muss wegen der erheblichen Folgen für den freiwillig Versicherten eindeutig und unmissverständlich formuliert werden, um mit Zugang wirksam zu werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass mit Beendigung der Mitgliedschaft infolge einer Kündigung nach der Zeit der Untersuchungshaft ab 20. Dezember 2000 nicht mehr die Möglichkeit bestanden hätte, eine freiwillige Mitgliedschaft zu begründen (§ 9 SGB V). Bereits mit dem Schreiben vom 14. November 2000 hat der Kläger aber erklärt, dass er ab 20. Dezember 2000 eine Weiterversicherung wünsche. Der Wunsch ist vom Kläger auch durch die weitere Beitragszahlung bekräftigt worden.

Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte auch zu Recht eine Beitragsforderung für den Zeitraum ab 07. September 2000 bis 19. Dezember 2000 gegenüber dem Kläger geltend gemacht, denn der Kläger war als Mitglied der Beklagten auch im strittigen Zeitraum beitragspflichtig. Gemäß § 223 SGB V sind Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit das SGB V nichts Abweichendes bestimmt. Dieses gilt auch für freiwillige Mitglieder, die die Beiträge gemäß § 250 Abs. 2 SGB V allein tragen.

Der Kläger war nicht von der Beitragspflicht befreit bzw. zu befreien. Die im Gesetz geregelten Tatbestände zur Beitragsfreiheit bei bestehender Mitgliedschaft wurden von dem Kläger nicht erfüllt. Da der Kläger kein Rentenantragsteller im strittigen Zeitraum war, ist der Befreiungstatbestand des § 225 SGB V nicht anwendbar.

Eine Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Krankengeld gemäß § 324 SGB V wegen des stationären Krankenaufenthaltes des Klägers während der Haftzeit vom 20. September 2000 bis 19. Dezember 2000 bestand ebenfalls nicht, da der Kläger keinen Anspruch auf Krankengeld hatte. Gemäß § 44 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Der Kläger war im Haftkrankenhaus. der JVA B. untergebracht, so dass der Krankenhausaufenthalt nicht auf Kosten der Beklagten erfolgte, sondern im Rahmen der Gesundheitsfürsorge im Rahmen der Untersuchungshaft gemäß § 56 Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl I S. 581 und 1977 I S. 436) in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG - ) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) – StVollzG - i.V. mit § 58, 60 StVollzG. Die Vorschriften über die Gesundheitsfürsorge im Strafvollzug sind gem. § 171 StVollzG bei Untersuchungshaft entsprechend anwendbar. Der Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten ruhte gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und konnte nicht zu einer Kostentragungspflicht für den stationären Aufenthalt des Klägers führen, weil er als Gefangener Anspruch auf Gesundheitsfürsorge hatte. Mangels Verdienstausfall während der mit dem stationären Aufenthalt des Klägers im Haftkrankenhaus verbundenen Arbeitsunfähigkeit bestand auch kein Anspruch auf Krankengeld gemäß § 44 Abs. 1 SGB V.

Aus dem Umstand, dass der Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten insoweit ruhte, als ein Anspruch auf Gesundheitsfürsorge gemäß § 56 StVollzG bestand, folgt nicht die Befreiung von der Beitragszahlungsverpflichtung. In § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ist eine Beitragsfreiheit ebenso wenig geregelt wie für andere Ruhenstatbestände des § 16 SGB V. Für letztere finden sich allerdings Regelungen zur Beitragsfreiheit in den §§ 224, 225 SGB V. Darüber hinaus sieht § 243 Abs. 1 SGB V eine Ermäßigung des Beitragssatzes vor, wenn dem Grunde nach kein Anspruch auf Krankengeld besteht bzw. wenn die Krankenkasse aufgrund von Vorschriften des SGB V für eine Mitgliedergruppen den Umfang der Leistungen beschränkt hat.

Für den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V sind diese Vorschriften nicht entsprechend anwendbar. Die Voraussetzungen für eine Analogie, die die Anwendung der Vorschriften über die Beitragsfreiheit auf die Betroffenen des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ermöglichen würde, sind nicht gegeben. Sie lägen nur vor, wenn eine Gesetzeslücke besteht, der nicht geregelte Tatbestand dem gesetzlich festgelegten ähnlich ist und beide Tatbestände wegen ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten sind. Vorliegend fehlt es bereits an einer Gesetzeslücke. Eine derartige Lücke ist nicht bereits dann gegeben, wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt. Es muss sich vielmehr um eine planwidrige, dem erkennbaren Plan des Gesetzgebers widersprechende Lücke handeln (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997, 4 RA 67/97, SozR 3-2600 § 58 Nr. 13; Urteil des Senats vom 28. August 2002, Az.: L 4 KR 29/98). Dem SGB V ist nicht der gesetzgeberische Plan zu entnehmen, dass einer Beitragspflicht eine kontinuierliche Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gegenüberstehen soll. Das von dem Kläger in Bezug genommene Äquivalenzprinzip ist in der gesetzlichen Krankenversicherung nur ansatzweise ausgestaltet (BSG, Urteil vom 31. August 1994, Aktenzeichen 4 RK 2/93, Die Beiträge 1995, 247). Der gesetzlichen Krankenversicherung als dauerhafter Solidargemeinschaft ist nicht systemfremd, dass der Beitragspflicht nicht immer der vollständige Leistungsanspruch gegenübersteht. Dieses zeigen zum Beispiel die Ruhenstatbestände des § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 SGB V für das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld bei Bestand der Beitragspflicht. Die Ruhenstatbestände des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB V zeigen, dass der Gesetzgeber das Ruhen des Leistungsanspruches nicht mit einer Beitragsfreiheit verknüpfen wollte. Da ihm die Regelungen zur Beitragsfreiheit nicht fremd waren, hätte er die Ruhenstatbestände andernfalls mit einer Beitragsfreiheit verknüpft. Die im Gesetz geregelten Tatbestände der Beitragsfreiheit knüpfen hingegen an andere Umstände als das Ruhen von Leistungsansprüchen an. Die Beitragsfreiheitstatbestände des § 225 SGB V berücksichtigen zum einen, dass aus einem anderen Versicherungsverhältnis, aus dem Beiträge gezahlt worden sind, abgeleitete Rentenansprüche zur Mitgliedschaft führen (§ 225 Nr. 1 und 2 SGB V) und zum anderen, dass im Rahmen einer Familienversicherung mit Beitragszahlung durch ein anderes Mitglied Beiträge gezahlt werden (§ 225 Nr. 3 SGB V). § 224 SGB V berücksichtigt, dass während der Zeit einer potentiellen Beitragspflicht der Versicherte Ansprüche gegen die Krankenkasse auf Geldleistungen (Lohnersatzleistungen) hat.

Keine dieser Ausnahmeregelungen zur bestehenden Beitragspflicht bezieht sich auf das Nichtbestehen eines Leistungsanspruches. Dass der Gesetzgeber jedoch auch diese Möglichkeit der Regelungen der Beitragspflicht gekannt hat, zeigt § 243 Abs. 1 SGB V. Danach ist der Beitragssatz entsprechend zu ermäßigen, wenn kein Anspruch auf Krankengeld besteht oder die Krankenkasse aufgrund von Vorschriften des SGB V für Mitgliedergruppen den Umfang der Leistungen einschränkt. Selbst mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber nicht eine gänzliche Befreiung von der Beitragspflicht für das Ruhen von Leistungsansprüchen gefordert. Dass der Gesetzgeber an anderer Stelle bei den Fallgruppen des § 16 Abs. 1 SGB V keine Beitragsfreiheit geschaffen hat, stellt sich danach nicht als planwidrig dar. Insoweit bestätigt die Regelung zur Beitragsermäßigung in § 240 Abs. 4 a SGB V bezogen auf ein Ruhen von Leistungsansprüchen nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, dass der Gesetzgeber in den nicht geregelten Fällen keine Beitragsfreiheit beabsichtigt hat.

Der Kläger übersieht weiter, dass die Heilfürsorge in der Untersuchungshaft keine Gegenleistung für eigene Beiträge oder sonstige Eigenleistungen darstellt. Sie ist vielmehr Auswirkung staatlicher Fürsorgepflicht. Wenn der Gesetzgeber insoweit einen gleichgelagerten Leistungsanspruch nach dem SGB V ruhen lässt, ohne die Beitragspflicht zu mindern, ist insgesamt ein Nachteil für den Kläger nicht ersichtlich. Sofern dies im Rahmen einer privaten Versicherung anders geregelt sein sollte, mag dieses Ausfluss des in der Privatautonomie herrschenden Prinzips von Leistung und Gegenleistung sein. Demgegenüber ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Leistungspflicht im entsprechenden Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung anderen - staatlichen - Einrichtungen zu übertragen, während die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten bleibt. Im Ergebnis ist der vom Gesetzgeber gewählte Weg nicht zu beanstanden, da der Staat dem Versicherten jedenfalls dasjenige gewährt, was nach dem SGB V vom Leistungsträger der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldet wird. Im Übrigen deckt der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur einen gegenwärtigen, sondern auch einen zukünftigen Leistungsbedarf ab.

Der bestehenden Beitragspflicht des Klägers im strittigen Zeitraum steht im Übrigen auch im Rahmen des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ein verbleibender Leistungsanspruch gegenüber, so dass eine unverhältnismäßige Abweichung vom Prinzip der Ausgewogenheit und eine Planwidrigkeit auch aus diesem Grund nicht erkennbar ist.

Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ruht nämlich der Leistungsanspruch bei gleichzeitiger Beitragspflicht nur soweit der Gefangene Anspruch auf Gesundheitsfürsorge in der Haftanstalt hat. Da die Gesundheitsfürsorge nicht alle Ansprüche nach dem SGB V gewährt und auch nur in der Haftanstalt gewährt wird, verbleibt dem Mitglied dem Grunde nach ein Leistungsanspruch nach dem SGB V. Gemäß § 56 StVollzG ist im Strafvollzug für die körperliche und geistige Gesundheit des Gefangenen zu sorgen. Für die Art der Gesundheitsuntersuchungen und medizinischen Vorsorgeleistungen sowie für den Umfang dieser Leistungen der Krankenbehandlung gelten die entsprechenden Vorschriften des SGB V und die aufgrund des StVollzG geschaffenen Vorschriften (§ 161 StVollzG). Die Krankenbehandlung umfasst dabei nicht den Umfang der Ansprüche nach dem SGB V. So ist der Zuschuss zu Zahnersatz und Zahnkronen abhängig von Regelungen der Landesjustizverwaltung (§ 62 StVollzG) und umfasst damit nicht in jedem Fall die Leistungen nach dem SGB V (§ 28 Abs. 2, 29 SGB V). Auch § 60 StVollzG, der den Leistungsanspruch der Gesundheitsfürsorge bei Urlaub und Ausgang auch Behandlungen in der für den Gefangenen zuständigen Vollzugsanstalt beschränkt, zeigt, dass daneben, während eines Hafturlaubes oder Ausganges ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB V außerhalb der Vollzugsanstalt besteht. Auch ruht ein Anspruch aus der Familienversicherung gemäß § 10 SGB V für Mitversicherte nicht, ebenfalls (bei vorheriger Erzielung von Einkommen) nicht der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 44 SGB V (Keßling in: Krauskopf § 16 Anm. 13). Gerade auch der fortbestehende Leistungsanspruch Mitversicherter zeigt, dass von der vom Kläger beanspruchten Beitragsfreiheit wegen Ruhens des eigenen Leistungsanspruchs ohnehin nur Personen erfasst wären, für die beitragsrechtliche Differenzierungen - zum Beispiel nach Familienstand oder Kinderzahl - gerade nicht vorgesehen sind (§ 243 Abs. 2 SGB V).

Auch aus der Satzung der Beklagten ergibt sich keine Beitragsfreiheit für Zeiten des Ruhens von Leistungen. Zu solchen Regelungen wäre die Beklagte auch nicht ermächtigt.

Nach allem ist die Geltendmachung der Beiträge, deren Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gem. § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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