L 13 VU 54/97-11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 45 Vu 343/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VU 54/97-11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 1997 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Unterstützungsabschlussgesetz (UntAbschlG) vom 6. Mai 1994 (BGBl. I S. 990).

Der 1980 im Beitrittsgebiet geborene Kläger hatte sich bei einem am 27. November 1980 erlittenen Verkehrsunfall schwere Kopfverletzungen zugezogen, die in der Folgezeit zu einer spastischen Hemiparese links führten und mehrere Operationen wegen posttraumatischer Ergüsse erforderten. Im Schwerbehindertenverfahren erkannte der Beklagte bei dem Kläger durch Bescheid vom 7. April 1993 Krampfleiden, Teillähmungen der linken Extremitäten sowie verminderte Belastbarkeit durch organisches Psychosyndrom mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 als Behinderungen an. Aufgrund eines Befundberichts der ihn seit 1983 behandelnden Kinderärztin Dr. R vom 17. März 1995 stellte der Beklagte im Bescheid vom 14. Juli 1995 "chronische Hepatitis, Herzrhythmusstörungen", intern mit einem GdB von 20 bewertet, als weitere Behinderung fest und erkannte dem Kläger das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) zu.

Im Mai 1995 stellte die Mutter des Klägers für ihn bei dem Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem UntAbschlG. Er sei, so wurde zur Begründung ausgeführt, in den 80er Jahren wegen des posttraumatischen Hygroms mehrfach in der Kinderklinik des Städt. Krankenhauses Im F operiert worden. Da er seit einigen Jahren unter schlechten Leberwerten leide, sei 1993/94 in diesem Krankenhaus eine Leberbiopsie vorgenommen worden, bei der eine Infektion mit Hepatitis C-Viren festgestellt worden sei. Die Infektion könne nur durch die Übertragung von verseuchtem Blut erfolgt sein. Aus der Eintragung im Sozialversicherungsausweis folge, dass am 30. Mai oder 6. Juni 1984 im Krankenhaus Im F eine Bluttransfusion stattgefunden habe. In der damaligen DDR seien weder Ansprüche wegen Folgeschäden noch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen damals behandelnde Ärzte oder gegen das Krankenhaus geltend gemacht worden. Die Diagnose einer chronischen Hepatitis C sei erstmals in dem Diagnoseabschlussbericht des Krankenhauses Im F vom 20. August 1993 gestellt worden.

Durch Bescheid vom 7. August 1995 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem UntAbschlG ab, weil ihm zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen das Krankenhaus zustünden, wenn ihm dort eine verseuchte Blutkonserve verabreicht worden sei. Zur Begründung seines Widerspruchs machte der Kläger geltend, es seien die Voraussetzungen für die Entschädigung nach dem UntAbschlG erfüllt, weil die Blutkonserven damals nicht auf Hepatitis C untersucht worden seien und der Erreger "nach dem Stand der Medizin" nicht früher habe entdeckt werden können. Durch Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1995 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, bei der Gabe von Blut oder Blutprodukten habe ein erhöhtes Risiko bestanden, sich eine Hepatitis zuzuziehen. Dieses Infektionsrisiko sei allgemein bekannt gewesen, so dass Ansprüche nach dem UntAbschlG nicht bestünden.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, zur Zeit der Infektion im Jahre 1984 sei der Erreger für Hepatitis C noch weitgehend unbekannt gewesen. Zumindest habe sich damals in der Ärzteschaft noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt gehabt, dass ein flächendeckendes Testen der Blutkonserven auf Hepatitis C-Erreger indiziert gewesen sei. Es könne keinesfalls davon ausgegangen werden, dass das Risiko, sich bei einer Bluttransfusion mit Hepatitis C zu infizieren, allgemein bekannt gewesen sei. Im Jahre 1984 habe die Wissenschaft ausgesprochen wenig über Hepatitis C gewusst. Hierzu hat der Kläger einen in dem Magazin "Der Spiegel" (Ausgabe 48/1995) veröffentlichten Bericht "Virus im Spritzerl" zum Thema Hepatitis C-Infektionen eingereicht, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

Der Beklagte hat an der Auffassung festgehalten, dass bereits die Grundvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 UntAbschlG nicht erfüllt seien, weil bei der Gabe von Blut oder Blutprodukten immer ein erhöhtes Infektionsrisiko bestanden habe. Auch in der Transfusionsmedizin der ehemaligen DDR sei das relativ hohe Risiko der Übertragung einer Virushepatitis bekannt gewesen. Das folge aus der "Richtlinie zur ärztlichen Begutachtung Nr. 4.1" vom 20. Juli 1981 des DDR-Ministeriums für Gesundheitswesen sowie aus einem 1977 herausgegebenen "Leitfaden des Transfusionswesens" aus der Schriftenreihe der Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR.

Durch Gerichtsbescheid vom 20. Mai 1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch nach dem UntAbschlG zu. Wie der von dem Beklagten überreichten Richtlinie vom 20. Juli 1981 zu entnehmen sei, sei in der DDR im Jahre 1984 durchaus medizinisch allgemein bekannt gewesen, dass bei der Anwendung von Blut oder Blutbestandteilen eine Hepatitis auftreten könne. Da in dieser Richtlinie allgemein von "Hepatitis" gesprochen werde, fielen selbstverständlich alle Formen dieser Erkrankung unter diesen Begriff, also auch unerkannte Hepatitis-Träger der Hepatitis C-Infektion. Von einer nicht bekannten oder nicht vorhersehbaren schädlichen Wirkung bzw. einem wider die Erfahrungen auftretenden Risiko könne somit nicht ausgegangen werden.

Gegen den am 23. Juni 1997 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. Juli 1997 Berufung eingelegt. Nach seiner Auffassung hat das Sozialgericht nicht berücksichtigt, dass es verschiedene Formen der Hepatitis gebe und verschiedene Ursachen, die eine solche Leberentzündung auslösten. Es komme entscheidend darauf an, ob die Krankheit, mit der er sich im Jahre 1984 infiziert habe, also Hepatitis C, damals schon bekannt gewesen sei. Diese Krankheit könne mit den seinerzeit in der DDR bekannt gewesenen Hepatitis A und B nicht gleichgestellt werden, weil Krankheitsbild und Verlaufsformen unterschiedlich seien. Da das Hepatitis C-Virus im Jahre 1984 in der DDR nicht bekannt gewesen sei, könne sich die Richtlinie Nr. 4.1 vom 20. Juli 1981 auf diese Krankheit nicht bezogen haben, so dass die jetzige Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin der DDR sich nicht von der Haftung freizeichnen könne. Als die bei ihm vorliegende Hepatitis C im Krankenhaus diagnostiziert worden sei, habe die behandelnde Ärztin mitgeteilt, dass die zum Zeitpunkt der Behandlung verwandten Blutkonserven von ausgesprochen schwachen sozialen Schichten aus Mittel- und Südamerika stammten, die versucht hätten, sich durch Blutspenden ein kleines Zubrot zu erwerben. Angesichts dieser hoch dubiosen Herkunft der Blutkonserven wäre es die Pflicht der ehemaligen DDR gewesen, diese zumindest auf bekannte Hepatitis-Erreger zu untersuchen. Auf etwaige zivilrechtliche Ansprüche könne er, so meint der Kläger, nicht verwiesen werden, da sie längst verjährt sein dürften. Zur weiteren Begründung nimmt er auf einen Artikel aus "Welt der Wissenschaft", veröffentlicht in der Tageszeitung "Die Welt" vom 7. Mai 1996 Bezug.

Demgegenüber hält der Beklagte an der Auffassung fest, eine Infektion mit Hepatitis C-Viren anlässlich einer im Jahre 1984 vorgenommenen Bluttransfusion sei kein nicht vorhersehbares, außergewöhnliches Risiko im Sinne des UntAbschlG gewesen, sondern es habe sich um eine der typischen Gefahren bei der Verabreichung von Blutkonserven gehandelt. Dies sei im Jahre 1984 in der DDR bekannt gewesen, denn der Hinweis in der Richtlinie Nr. 4.1 betreffe alle Formen der Hepatitis, also auch eine etwa damals noch nicht bekannt gewesene Hepatitis C-Infektion. Die Ausführungen des Klägers, es sei verseuchtes Blut verwendet worden, legten einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen das Krankenhaus nahe, der zum Ausschluss eines Anspruchs nach dem UntAbschlG nach § 1 Abs. 3 führe.

Im Schwerbehindertenverfahren hat der Beklagte durch Bescheid vom 28. Mai 1998 unter Anerkennung von "Hirnschädigung mit geringer Leistungsbeeinträchtigung, Ventilversorgung" sowie "chronische Hepatitis, Herzrhythmusstörungen" als Behinderungen den GdB auf 40 herabgesetzt.

Der Senat hat Befundberichte der Dr. R vom 15. Juli 1998 und des Kinderarztes Dr. G vom 17. Juli 1998 eingeholt. Weiterhin hat der Senat von dem Krankenhaus Im Friedrichshain die dort vorhandenen medizinischen Unterlagen über den Kläger beigezogen. Zu der Frage der Infektion des Klägers mit Hepatitis C-Viren anlässlich der am 30. Mai/ 6. Juni 1984 erfolgten Bluttransfusion haben die Chefärztin der Abteilung Kinderheilkunde Dr. L und die Oberärztin Dr. K am 5. November 1998 eine Stellungnahme abgegeben, auf deren Einzelheiten verwiesen wird.

Der Senat hat die Beteiligten mehrfach darauf hingewiesen, dass es an dem erforderlichen Nachweis dafür fehlen könnte, dass die am 30. Mai/6. Juni 1984 durchgeführte Bluttransfusion eine Infektion mit Hepatitis C bewirkt habe sowie dass auch die beigezogenen Unterlagen des Krankenhauses Im Friedrichshain hierfür keine Anhaltspunkte enthielten.

Hierzu vertritt der Kläger die Auffassung, es sei von einer Umkehr der Beweislast auszugehen. Der Beklagte müsse beweisen, dass die ihm verabreichte Blutkonserve auf Hepatitis A, B und C-Viren untersucht worden sei. Eine behandelnde Ärztin der Kinderklinik habe seiner Mutter vertraulich mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt der Verabreichung der Infusion die Blutkonserven fast alle mit Hepatitis verseucht gewesen seien, da diese fast ausschließlich aus der Dritten Welt stammten. Leider könne sich seine Mutter an den Namen der Ärztin nicht mehr erinnern, so dass sie nicht als Zeugin benannt werden könne. Außerdem, so meint der Kläger, sprächen alle Anhaltspunkte dafür, dass die Infektion durch die Blutkonserve die Hepatitis C herbeigeführt habe. Da jedwede andere Infektionsquelle außer der Blutübertragung ausgeschlossen werden könne, müsse der Beklagte den Entlastungsbeweis erbringen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 1997 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1995 zu verurteilen, ihm wegen einer Hepatitis C Unterstützungsleistungen nach dem UntAbschlG zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung konnte der Nachweis, dass die 1993 erstmals festgestellte Hepatitis C-Infektion auf die 1984 erhaltene Bluttransfusion zurückzuführen sei, nicht erbracht werden.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Der den Kläger betreffende Verwaltungsvorgang des Beklagten und die Schwerbehindertenakte lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Beklagte hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem UntAbschlG zu Recht abgelehnt.

Da der Kläger zur Begründung seines Entschädigungsanspruchs geltend macht, er habe sich die Hepatitis C am 30. Mai/6. Juni 1984 bei einer im Krankenhaus Im F durchgeführten Bluttransfusion zugezogen, kann sich ein Anspruch auf Leistungen gegen den Beklagten nur aus den Vorschriften des UntAbschlG ergeben.

In der DDR war durch die Anordnung über die Erweiterung der materiellen Unterstützung der Bürger bei Schäden infolge medizinischer Eingriffe (AO-EmU) vom 16. Dezember 1974 (GBl. I 1975 Nr. 3 S. 59) die Gewährung von Unterstützungsleistungen für Bürger eingeführt worden, die im ursächlichen Zusammenhang mit einem medizinischen Eingriff eine erhebliche Gesundheitsstörung erlitten hatten, sofern diese trotz richtigen und pflichtgemäßen Handelns im krassen Missverhältnis zu dem Risiko stand, das aufgrund des medizinischen Eingriffs vorhergesehen werden konnte. Die AO-EmU 1974 wurde mit Wirkung vom 1. Juni 1987 durch die AO-EmU 1987 ersetzt, die die Anspruchsgrundlagen und den Umfang der Unterstützungsleistungen erweiterte. In jedem Fall war die Gewährung einer materiellen Unterstützung nach der AO-EmU nur möglich, wenn keine schuldhafte Pflichtverletzung als Schadensursache festgestellt werden konnte. Ein Unterstützungsanspruch nach der AO-EmU bestand auch nur für durch medizinische Eingriffe herbeigeführte Schäden, welche in krassem Missverhältnis zum voraussehbaren Risiko standen. Die AO-EmU 1987 galt nach Anlage 2 Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 6 des Einigungsvertrages zunächst "für Schäden weiter, die auf medizinische Maßnahmen zurückzuführen sind, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts durchgeführt wurden". Sie trat (mit Ausnahme des § 6 Abs. 1 Buchstabe a) mit dem Inkrafttreten des Un-tAbschlG am 1. Januar 1991 (§ 10 Abs. 2 UntAbschlG) außer Kraft.

Durch das UntAbschlG sollte die Fortführung von Unterstützungen an ehemalige DDR-Bürger, die durch medizinische Maßnahmen in der DDR erhebliche Gesundheitsschäden erlitten hatten, ermöglicht werden. Die Gewährung von Leistungen wurde an das soziale Entschädigungsrecht mit klar definierten und dynamisierten Ansprüchen angebunden (BT-Drucks. 12/4874 S. 1 und 12/6806 S. 1).

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 UntAbschlG, der nach dem von dem Kläger vorgetragenen Sachverhalt als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, setzt der von ihm geltend gemachte Unterstützungsanspruch die bestimmungsmäßige Anwendung eines ärztlich verordneten Arzneimittels mit der Folge einer erheblichen Gesundheitsschädigung, die nach dem damaligen Stand der medizinischen Wissenschaft auf damals nicht bekannte oder nicht vorhersehbare schädliche Wirkungen des Arzneimittels zurückzuführen ist voraus. Hiernach sind, wie zuvor schon nach der AO-EmU, nur solche Gesundheitsstörungen geschützt, die unvorhersehbar und unvermeidbar waren, die trotz richtigen und pflichtgemäßen Handelns entstanden sind.

Da, wie bereits oben dargelegt wurde, der Gesetzgeber die nach dem UntAbschlG zu gewährenden Leistungen den Grundsätzen des sozialen Entschädigungsrechts unterwerfen wollte, ist davon auszugehen, dass für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des UntAbschlG auch die im sozialen Entschädigungsrecht geltenden Beweisgrundsätze Anwendung finden. Hiernach gilt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen sein müssen. Ihr Vorliegen muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, es darf kein vernünftiger Zweifel bestehen (Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R - mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des BSG zum Opferentschädigungsgesetz, zur Kriegsopferversorgung, zum Soldatenversorgungsgesetz und zum Impfschadensrecht). Im Impfschadensrecht nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) besteht nach der Rechtsprechung des BSG Anspruch auf Versorgung, wenn durch eine dementsprechende Impfung ein Impfschaden im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG sowie ein darauf beruhender andauernder Gesundheitsschaden nachgewiesen sind. Impfschaden und Gesundheitsstörung müssen nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BSeuchG bzw. § 51 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) jeweils nur wahrscheinlich durch die Impfung verursacht worden sein, d.h. es muss mehr für als gegen einen solchen Kausalzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R -). Ein Anspruch auf Leistungen nach dem UntAbschlG besteht danach nur, wenn durch einen der in § 1 Abs. 2 Nrn. 1, 2 oder 3 dieses Gesetzes bezeichneten Eingriff (im Falle der Nr. 2 durch die bestimmungsgemäße Anwendung des ärztlich verordneten Arzneimittels) eine gesundheitliche Schädigung hervorgerufen wurde (hier: die Infektion mit Hepatitis C-Viren), die dann zu einer erheblichen Gesundheitsstörung geführt hatte.

Für eine Umkehr der Beweislast, die der Kläger wegen der bestehenden Aufklärungsschwierigkeiten bei den für die Ansprüche nach dem UntAbschlG maßgeblichen Sachverhalte fordert, sieht der Senat weder eine rechtliche Grundlage noch eine zwingende Notwendigkeit. Das BSG hat für das Impfschadensrecht eine Beweislastumkehr trotz der in diesem Bereich bestehenden Ermittlungsschwierigkeiten abgelehnt, wobei es darauf hingewiesen hat, dass eine Beweiserleichterung insoweit bestehe, als für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen Impfung und Impfschaden sowie der dauernden Gesundheitsstörung die Wahrscheinlichkeit genüge (SozR 3850 § 52 Nr. 1; Urteil vom 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R -). Der Senat sieht für das UntAbschlG, für welches diese Beweiserleichterung für den Kausalzusammenhang ebenfalls gilt, keine Besonderheiten, die es rechtfertigen oder sogar erfordern würden, aufgrund richterlicher Rechtsfortbildung von den allgemeinen Beweislastregeln des sozialen Entschädigungsrecht abzugehen und für bestimmte anspruchsbegründende Tatsachen eine Beweislastumkehr anzuordnen.

In dem vorliegenden Fall scheitert ein Entschädigungsanspruch des Kläger nach dem UntAbschlG schon deshalb, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die bei ihm im Jahre 1993 erstmals festgestellte Hepatitis C durch ein in § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes bezeichnetes schädigendes Ereignis verursacht worden ist. Nach seinem Vorbringen kommt für die Hepatitis C-Infektion als kausales schädigendes Ereignis (nur) die am 30. Mai/6. Juni 1984 im Krankenhaus Im F durchgeführte Bluttransfusion in Betracht. Dem ist entgegen zu halten, dass der Kläger wegen der im Alter von knapp einem Jahr erlittenen schweren Kopfverletzung von diesem Zeitpunkt an in ständiger ärztlicher Behandlung stand und, wie er selbst vorgetragen hat, mehrfach im Krankenhaus Im Friedrichshain operiert wurde, was auch durch die von dem Krankenhaus übersandten Unterlagen belegt ist. Ob die Infektion mit Hepatitis C bei einem dieser Eingriffe stattgefunden hat, insbesondere bei welchem dieser Eingriffe sie erfolgt ist, kann aufgrund der vom Gericht beigezogenen Unterlagen nicht festgestellt werden. Dass sich der Kläger außerhalb der medizinischen Behandlung mit Hepatitis C angesteckt hat, kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Nach dem von ihm vorgelegten Artikel "Virus im Spritzerl", veröffentlicht in dem Magazin "Der Spiegel", sollen sich nach einer Studie des Mikrobiologen Rainer Laufs vom Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf etwa 5 % der mit Hepatitis C-Viren Infizierten über eine Bluttransfusion angesteckt haben. Bei fast jedem zweiten Virusträger sei unklar, wo er sich angesteckt haben könnte. Nach Nr. 54 (S. 209) der An-haltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP 1996) erfolgt die Übertragung von Hepatitis B und C vorwiegend durch Blut oder Blutprodukte und, was hier nicht in Betracht kommt, Sexualkontakte, jedoch auch durch kontaminierte Instrumente sowie durch Schmierinfektionen.

Der Argumentation des Klägers, die Infektion mit Hepatitis C könne nur durch die im Jahre 1984 durchgeführte Bluttransfusion verursacht worden sein, weil andere Infektionsmöglichkeiten (nahezu) ausgeschlossen seien, steht entgegen, dass die Infektionsmöglichkeiten bei den verschiedenen Hepatitisarten vielfältig sind und dass bei Krankenhausaufenthalten, insbesondere bei operativen Eingriffen, stets die Gefahr einer Infektion besteht. Es kann nicht festgestellt werden, wann und bei welchem medizinischen Eingriff bzw. bei welcher Vergabe von Medikamenten die Infektion erfolgt ist. Es ist mithin auch nicht nachvollziehbar, ob die Infektion bei einer "bestimmungsmäßigen Anwendung eines ärztlich verordneten Arzneimittels" im Sinne der Nr. 2 oder bei einem anderen nach § 1 Abs. 2 UntAbschlG unter Schutz stehenden medizinischen Eingriff erfolgte oder ob sich der Kläger beispielsweise durch Kontakt mit kontaminierten Instrumenten angesteckt hatte.

Geht man jedoch von dem Vorbringen des Klägers aus, die Infektion sei bei der im Jahre 1984 im Krankenhaus Im F vorgenommenen Bluttransfusionen erfolgt und unterstellt man sein Vorbringen als wahr, es seien, wie die behandelnde Ärztin der Kinderklinik seiner Mutter vertraulich mitgeteilt habe, bei der damaligen Infusion aus der Dritten Welt stammende Blutkonserven verwendet worden, die zum größten Teil mit Hepatitis verseucht gewesen seien, läge kein nach der AO-EmU 1974 und dem UntAbschlG entschädigungsfähiges schädigendes Ereignis vor, sondern ein Sachverhalt, der nach dem damals geltenden Recht der DDR (§§ 330, 334 Zivilgesetzbuch der DDR -ZGB-) einen Schadensersatzanspruch gegen den Betrieb (Städt. Krankenhaus Im F) ausgelöst und einen (subsidiären) Anspruch nach der AO-EmU ausgeschlossen hätte.

Auch die Voraussetzungen der Nr. 2 des § 1 Abs. 2 UntAbschlG wären nicht erfüllt. Es fehlte bereits an dem Erfordernis der "bestimmungsgemäßen" Anwendung eines ärztlich verordneten Arzneimittels. Die Verabreichung von - nach dem Vorbringen des Klägers - von ausgesprochen schwachen sozialen Schichten aus Mittel- und Südamerika stammenden Blutkonserven ohne ausreichende Untersuchung erfüllte dieses Tatbestandsmerkmal nicht. Nach ihrer Zielsetzung, für unvorhersehbare und unvermeidbare Schädigungen Ersatzleistungen zu gewähren, kann die Norm nicht zur Anwendung kommen, wenn, wie der Kläger vorträgt, Blutkonserven "hoch dubioser Herkunft" verabreicht wurden, denen das Risiko einer Infektion immanent war.

Unterstellt man, dem Vorbringen des Klägers entsprechend, dass das ihm im Jahre 1984 verabreichte Blut aus der Dritten Welt, also von nicht untersuchten Spendern sozial schwacher Schichten stammte, so stellte seine Verwendung bereits eine Pflichtverletzung dar, die nur zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, aber keine Entschädigungsansprüche nach der AO-EmU und dem UntAbschlG auslösen könnte.

Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts und des Beklagten, dass Ansprüche des Klägers nach dem UntAbschlG deshalb ausgeschlossen sind, weil nach diesem Gesetz nur unvorhersehbare Gesundheitsschäden entschädigt werden könnten, die Infektion mit Hepatitis durch eine Bluttransfusion jedoch ein Risiko darstellt, das im Jahre 1984 in der DDR bekannt war. Das folgt aus der Richtlinie zur ärztlichen Begutachtung Nr. 4.1 vom 20. Juli 1981. Hiernach wurden die Voraussetzungen der AO-EmU 1974 in der Regel als nicht erfüllt angesehen, weil die Möglichkeit für einen Kontakt mit Hepatitis-Antigenpositiven Trägern in Gesundheitseinrichtungen größer ist als die durchschnittliche allgemeine Umgebungsgefährdung, auch bei Ausschöpfung aller nach dem Erkenntnisstand indizierten und derzeit möglichen und üblichen Untersuchungsmethoden nicht alle Hepatitis-Antigenpositiven Träger erfasst und eliminiert werden können und ihr sicherer Ausschluss bei der Anwendung von Blut und Blutbestandteilen sowie parenteralen Eingriffen derzeit nicht zu garantieren ist, aus vorgenannten Gründen jeder Bürger, der sich ambulant oder stationär in einer Gesundheitseinrichtung befindet, mit der Möglichkeit rechnen muss, durch Kontakt mit einem unerkannten Hepatitis-Antigenpositiven Träger eine Hepatitis zu erwerben, unabhängig davon, ob bei ihm eine Bluttransfusion oder ein parenteraler Eingriff durchgeführt wurde."

Hiernach sollten alle Formen von Hepatitiserkrankungen - ob bekannt oder unbekannt - von der Anwendung der AO-EmU ausgeschlossen werden. Der Argumentation des Klägers, Hepa-titis C sei eine andere Krankheit als die damals in der DDR bekannten Hepatitis A und B, und könne, da sie als selbständige Krankheit damals unbekannt gewesen sei, nicht von der Richtlinie erfasst gewesen sein, vermag der Senat nicht zu folgen. Entscheidend ist, dass jeder Bürger mit der Möglichkeit rechnen musste, sich durch Kontakt mit unerkannten Hepatitis-Antigenpositiven Trägern eine Hepatitis zuzuziehen. Das Risiko, sich in einer Gesundheitseinrichtung der DDR, insbesondere bei einer Bluttransfusion, eine Hepatitis zuzuziehen, war weder unbekannt noch unvorhersehbar. Erfolgte, wie vom Kläger behauptet, die Infektion bei der 1984 durchgeführten Bluttransfusion, wären die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 UntAbschlG unabhängig davon nicht erfüllt, ob, wie zusätzlich zu fordern wäre, eine "erhebliche Gesundheitsschädigung" eingetreten wäre, also eine solche, die eine MdE von mindestens 20 v.H. bedingte (§ 5 Abs. 1 UntAbschlG).

Die Berufung des Klägers musste daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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