L 2 SF 12/99 F

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 SF 12/99 F
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Entschädigung des Antragstellers wird auf 1.537,-- DM festgesetzt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antragsteller, Chefarzt der Abteilung für Alkoholkranke des Krankenhauses S, wurde in dem Rechtsstreit L 5 RJ 84/99, in dem die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig war, durch Beweisanordnung vom 4. Februar 1999 beauftragt, ein medizinisches Sachverständigengutachten zu erstatten. Das 20 Seiten umfassende psychiatrisch-psychologische Gutachten wurde am 25. Juni 1999 nach Untersuchung des Klägers und unter Berücksichtigung der Gerichtsakten (188 Blatt) und der Akten der Landesversicherungsanstalt Berlin (84 Blatt) erstattet. Es enthält u.a. als Teil VI einen „testpsychologischen Befund“, als Anlage 8 Blatt Testbögen und ist von dem Antragsteller sowie dem Dipl.-Psych. Dr. H unterzeichnet.

Für das Gutachten machte er eine Entschädigung von 1.612,-- DM geltend, die er wie folgt aufgliederte: Aktenstudium (Gerichts/LVA-Akte) 5,5 Std. Psychodiagnostische Untersuchung 4,5 Std. Befundung der Untersuchungsergebnisse 1,5 Std. Exploration/Anamneseerhebung 1,0 Std. Somatisch-neurologische Untersuchung 1,5 Std. Abfassung und Diktat 4,0 Std. Korrektur 1,0 Std. 19 Std. á 80,-- DM = 1.520,-- DM zuzügl. Schreibgebühr 20 Seiten á 4,60 DM = 92,-- DM Gesamt = 1.612,-- DM

Die Kostenfestsetzungsstelle des Gerichts setzte die Entschädigung durch Schreiben vom 21. September 1999 auf 1.248,37 DM fest. Sie ging dabei von einem Zeitaufwand von 15 Stunden (gerundet) aus, wobei das Aktenstudium mit 2,7 Stunden, die Anamnese/Untersuchung mit 2 Stunden, die Ausarbeitung mit 6,9 Stunden und Diktat/Korrektur mit 3 Stunden á 75,-- DM berücksichtigt wurden. Die psychodiagnostische Untersuchung wurde nach den Positionen 856 und 857 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet.

Dagegen hat der Sachverständige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und zur Begründung ausgeführt: Die explorative Erhebung der krankheitsrelevanten Daten sowie die test-diagnostischen Untersuchungen hätten sich erheblich in die Länge gezogen, weil der Kläger der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig gewesen und deshalb die Heranziehung einer Dolmetscherin der makedonischen Sprache erforderlich gewesen sei. Daraus ergebe sich auch, dass es sich um ein schwieriges Gutachten gehandelt habe, für das ein Stundensatz von 80,-- DM angemessen sei. Die Abrechnung des psychodiagnostischen Zusatzgutachtens nach der GOÄ sei nicht vertretbar, weil es zur Beantwortung der Beweisfragen unabdingbar gewesen sei und eine Festsetzung in Form von Nebenkosten bei weitem nicht den tatsächlich erbrachten Leistungen entspreche.

Die Bezirksrevisorin des Landessozialgerichts hat - der Begründung der Kostenfestsetzungs-stelle folgend - ebenfalls beantragt, die Entschädigung des Antragstellers auf 1.248,37 DM festzusetzen.

Auf den gemäß § 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) zulässigen Antrag des Sachverständigen auf gerichtliche Entscheidung wird die Entschädigung auf 1.537,-- DM festgesetzt.

Für die Höhe der Entschädigung ist zunächst gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG die Zahl der „erforderlichen“ Stunden maßgebend. Dabei kommt es nicht auf die von einem Sachverständigen tatsächlich aufgewendete, möglicherweise höhere Stundenzahl an, sondern auf die Zeit, die ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt (vgl. Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 20. Auflage 1997, § 3 Rdnr. 21). Da es sich bei dem Begriff der erforderlichen Zeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, sind die Angaben des Sachverständigen hierzu vom Gericht grundsätzlich nachprüfbar, wobei allerdings im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass sie hinsichtlich der tatsächlich aufgewendeten Zeit zutreffen.

Für das Aktenstudium (272 Blatt) sind 2,7 Stunden zu veranschlagen. Der Senat vertritt insoweit in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass pro Stunde die Durcharbeitung von 100 Blatt medizinisch durchsetzten Aktenmaterials üblich und möglich ist. Der hier vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anhalt für die Feststellung, dieser Vorgang erfordere eine andere, vom Standard abweichende Bewertung.

Für das Stadium Erhebung der Vorgeschichte und körperliche Untersuchung (in der Liquidation des Antragstellers als „Exploration/Anamneseerhebung“ und „somatisch-neurologische Untersuchung“ bezeichnet) sind die beantragten 2,5 Stunden festzusetzen. Der Senat vertritt zwar in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Zeitaufwand dafür in der Regel 2 Stunden beträgt; der demgegenüber geltend gemachte Mehraufwand ist aber im Hinblick auf die Heranziehung einer Dolmetscherin nachvollziehbar. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sind für die psychodiagnostischen Untersuchungen die beantragten 4,5 Stunden anzusetzen. Der Teil VI des Gutachtens, der die Ergebnisse dieser Untersuchungen wiedergibt, beschränkt sich nicht darauf, diese darzustellen, er enthält auch eine Beurteilung und Interpretation der Befunde im Hinblick auf die vom Gericht gestellten Beweisfragen. Diese - geistige - Leistung entspricht nicht der Tätigkeit von Hilfskräften, die einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 8 Abs. 1 ZSEG auslöst. Auch der geltend gemachte zeitliche Umfang erscheint nicht überhöht, wenn einerseits wiederum die sich aus der Verwendung einer Dolmetscherin ergebende Verzögerung und andererseits berücksichtigt wird, dass bei dem Kläger des Hauptverfahrens u.a. die Lese- und Schreibgewandtheit, die Auffassungsgabe, die Lern- und Merkfähigkeit, das Gedächtnis sowie die Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt waren. Angesichts dieser Defizite ist eine Dauer von 4,5 Stunden nachvollziehbar.

Für die Ausarbeitung des Gutachtens ist ein Zeitaufwand von 5,8 Stunden anzusetzen. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist für den Teil des Gutachtens, der die Wiedergabe der Befunde erhält, ein Zeitfaktor von 1 Stunde für 3 Seiten Ausarbeitung anzusetzen, während für die Diskussion des Untersuchungsergebnisses und die Beantwortung der Beweisfragen, die eigentliche gedankliche Arbeit des Sachverständigen, ein Faktor von 1 Stunde pro 2 Seiten angemessen ist.

Für den erstgenannten Teil des Gutachtens sind 10 Blatt (von 15) zu berücksichtigen; die Seite 1 (Deckblatt) stellt keine Ausarbeitung dar und ist mit dem Aufwand für Diktat, Durchsicht und Korrektur abgegolten. Die Seiten 2 bis 4 sind insgesamt nicht zu berücksichtigen, weil sie eine Wiederholung der dem Gericht und den Beteiligten bekannten Beweisfragen enthalten und damit überflüssig sind. Bei der Bewertung des Abschnittes ist weiter zu beachten, dass die Seiten 13 bis 15 des Gutachtens deutlich geringer beschriftet sind als dies üblich und bei den Übrigen geschehen ist. Dies muss sich auf den Zeitfaktor - unabhängig davon, ob diese „Unterbeschriftung“ im Hinblick auf die wiedergegebenen Daten sinnvoll ist - auswirken, denn für die Fertigung einer gering beschrifteten Seite wird insgesamt weniger Zeit benötigt als für eine voll beschriftete. Dies rechtfertigt hier die Absetzung von einem Drittel, also von 1 Seite. Für den ersten Teil des Gutachtens sind daher für 10 Blatt 3,3 Stunden und für den zweiten Teil für 5 Seiten 2,5 Stunden anzusetzen, für die Ausarbeitung insgesamt also 5,8 Stunden.

Für Diktat, Durchsicht und Korrektur ist davon auszugehen, dass der Sachverständige stündlich etwa 5 Seiten bewältigen kann. Das hier vorliegende Gutachten umfasst 20 Seiten, von denen 4 nicht berücksichtigt werden, so dass sich bei zu berücksichtigenden 16 Seiten eine Zeit von 3,2 Stunden ergibt.

Insgesamt ist somit ein Zeitaufwand von 18,7 Stunden, aufgerundet 19 Stunden, zu entschädigen.

Der entschädigungsfähige Zeitaufwand ist mit einem Stundensatz von 75,-- DM abzugelten. Bei dem Gutachten des Antragstellers handelt es sich um ein sogenanntes Zustandsgutachten im Rahmen eines Rentenversicherungsrechtsstreits. Bei diesen Gutachten sind vorhandene Gesundheitsstörungen festzustellen und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Versicherten entsprechend den Gegebenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung zu beurteilen. Für ein solches Gutachten ist im Regelfall der Mittelwert der Gebührenordnung von 50,-- bis 100,-- DM, also ein Stundensatz von 75,-- DM angemessen. Auch dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Soweit der Sachverständige geltend macht, wegen der Hinzuziehung einer Dolmetscherin handele es sich um ein schwieriges Gutachten, ist festzustellen, dass sich dieser Umstand allenfalls auf die für den persönlichen Umgang mit dem Kläger erforderliche Zeit auswirkte. Dies hat der Senat berücksichtigt. Es ist hingegen nicht ersichtlich, dass die Erstellung des Gutachtens dadurch inhaltlich schwieriger wurde als dies bei einem deutschsprachigen Kläger der Fall gewesen wäre.

Die Entschädigung des Antragstellers berechnet sich daher wie folgt: Aktenstudium 2,7 Std. Anamnese/Untersuchung/psychodiagnostische Untersuchung 7,0 Std. Ausarbeitung 5,8 Std. Diktat, Durchsicht, Korrektur 3,2 Std. insgesamt 18,7 Std. aufgerundet 19,0 Std. 19,0 Std. x 75,-- DM = 1.425,-- DM

Schreibauslagen sind für 16 Seiten zu vergüten. Der Anspruch errechnet sich gemäß §§ 8 Abs. 1 Ziffer 3, 11 Abs. 2 ZSEG in Verbindung mit Nr. 9000 GK-GKG wie folgt: 16 Seiten á 4,-- DM = 64,-- DM 48 Seiten á 1,-- DM = 48,-- DM insgesamt 112,-- DM

Der dem Sachverständigen zustehende Gesamtentschädigungsbetrag beläuft sich mithin auf 1.537,-- DM.

Die Entscheidung ist gebührenfrei und nicht anfechtbar (§ 16 Abs. 2, 5 ZSEG) ...
Rechtskraft
Aus
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