Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 222/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RJ 378/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Oktober 1999 geändert und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ... 1945 geborene Klägerin erlernte von September 1960 bis August 1963 den Beruf der Friseurin und legte am 31. August 1963 die entsprechende Prüfung zur Facharbeiterin ab. Danach übte sie ihren Beruf bis 1992 aus. Auf den Rentenantrag vom 28. Juli 1993 hin, den die Klägerin damit begründete, seit einem Bandscheibenvorfall im Januar 1992 könne sie keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten und sie sei zwar beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, jedoch nicht vermittelbar, gewährte die Beklagte ihr Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 01. September 1992 bis zum 30. November 1995.
Grundlage hierfür war der Entlassungsbericht der Fachklinik und M. Bad F., in der die Klägerin vom 09. Juni 1993 bis zum 07. Juli 1993 eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durchlaufen hatte. In diesem Entlassungsbericht wird bei dem Hauptleiden rezidivierendes Wurzelreizsyndrom L 5/S 1 rechts, Coxalgie des rechten Hüftgelenks bei beginnender Coxarthrose und geringes cervikales Lokalsyndrom von der Leitenden Ärztin Dr. Z. eine Leistungseinschätzung dahingehend vorgenommen, dass eine überbrückende Erwerbsunfähigkeit kaum zu umgehen sein werde, da die Klägerin für ihre bisherige fast ausschließlich stehende Tätigkeit arbeitsunfähig sei. Zum Zeitpunkt der Entlassung könne auch eine leichtere körperliche Tätigkeit nicht regelmäßig durchgeführt werden.
Am 26. April 1995 beantragte die Klägerin die Weitergewährung dieser Rente.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Orthopäden Dr. B ... Dieser diagnostizierte den Zustand nach Bandscheibenprolaps L 5/S 1 rechts mit persistierender Radikulopathie sowie eine Bandscheibendegeneration in diesem Bereich. Bei der Klägerin bestünde ein Zustand nach Bandscheibenprolaps mit bleibender Schädigung der Nervenwurzel S 1 rechts. Die körperliche Leistungsfähigkeit besonders für Arbeiten in Körpervorhalt und für Arbeiten mit Hebe- und Tragebelastungen sei gemindert. Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit sei jedoch vollschichtig zumutbar für leichte Arbeiten.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 15. November 1995 ab.
Mit ihrem Widerspruch hiergegen machte die Klägerin geltend, sie sei wegen der nach wie vor bestehenden Erkrankungen nicht in der Lage, einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine neue Begutachtung der Klägerin, diesmal durch den Chefarzt der Orthopädischen Klinik des Klinikums B. Dr. E ... Dieser gelangte ebenfalls zu der Auffassung, die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten.
Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 1996 den Widerspruch der Klägerin zurück: Die Klägerin könne zwar nicht mehr als Friseurin, aber als Fachberaterin und Maniküre in einem Kosmetiksalon arbeiten.
Hiergegen hat sich die am 12. September 1996 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin insbesondere vorgetragen hat, sie sei aufgrund einer Lähmung des rechten Fußes nicht in Lage, Wegstrecken von viermal 500 m täglich zu bewältigen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 1996 zu verurteilen, der Klägerin eine Rene wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit oder Invalidität über den 30. November 1995 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und sodann mit Beweisanordnung vom 17. April 1997 den Orthopäden Dr. T. mit der Erstattung eines Gutachtens über das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen beauftragt.
In dem Gutachten vom 04. Juli 1997 diagnostizierte der Sachverständige:
- rezidivierendes Radikulärsyndrom L 5/S 1 rechts bei Bandscheiben- prolaps und ausgeprägter Bandscheibendegeneration L 5/S 1
- rezidivierendes Cervikobrachialsyndrom
Damit könne die Klägerin unter den üblichen Arbeitsbedingungen vollschichtig körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Sie sei in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und könne trotz der rechtsseitigen radikulären Symptomatik, die eine geringgradige Einschränkung der Gehbelastung bewirke, Fußwege von viermal täglich mehr als 500 m zurücklegen.
Dann hat das Gericht einen Entlassungsbericht der Reha-Klinik H. beigezogen, in dem die Klägerin ebenfalls für vollschichtig einsatzfähig für leichte bis mittelschwere Arbeiten gehalten wurde.
Auf den Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - hin hat das Sozialgericht mit Beweisanordnung vom 13. Juli 1998/20. November 1998 den Orthopäden Dr. D. zum Sachverständigen ernannt. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 18. April 1999:
- rezidivierende Lumboischialgie bei manifestem Radikulär-syndrom L 5/S 1 rechts durch Bandscheibenprolaps und ausgeprägte Bandscheibendegeneration (Segmentdegeneration) L 5/S 1
- rezidivierendes Cervikobrachialsyndrom beidseits mit Rechtsbetonung
- blande Coxalgie rechts
- Harn- und "Blähungs"-Inkontinenz
Die Klägerin sei bei deutlich verminderter Ausdauerbelastbarkeit nur noch für körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen unter vier Stunden täglich einsetzbar. Die zumutbare Gehstrecke ohne längere Zwischenpause liege je nach Terrainbeschaffenheit zwischen maximal 300 bis 500 m und könne nur zweimal täglich auf befestigten Fußwegen zurückgelegt werden. Zu diesem Gutachten hat der Sachverständige Dr. T. unter Auswertung eines Berichtes des C.-T. Klinikums C. dahingehend Stellung genommen, dass sich aus diesem Arztbericht ergebe, dass die Symptomatik insgesamt geringgradig und rückläufig sei. Auch die urologisch bestätigte Stressinkontinenz ersten Grades könne an seiner Beurteilung nichts ändern, in der Feststellung der Leiden der Klägerin stimme er mit Dr. D. überein, allerdings weiche er bei der Bewertung der Schädigungsauswirkungen auf die Frage der Erwerbsfähigkeit ab.
Mit Urteil vom 26. Oktober 1999 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit über den 30. November 1995 hinaus zu gewähren, und im Übrigen die Klage - wegen Erwerbsunfähigkeit - abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin, bei der vom Beruf der Friseurin auszugehen sei, könne den von der Beklagten benannten Verweisungsberuf einer Rezeptionistin in einem Friseursalon mit dem festgestellten Leistungsvermögen nicht mehr verrichten, da diese überwiegend im Stehen erfolge. Allerdings sei sie in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig einsetzbar.
Gegen dieses dem Bevollmächtigten der Klägerin am 16. Dezember 1999 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 28. Dezember 1999: Die Klägerin sei nicht nur berufs-, sondern auch erwerbsunfähig.
Die Beklagte hat gegen das Urteil, das ihr am 16. Dezember 1999 zugestellt wurde, am Montag, dem 17. Januar 2000, Berufung eingelegt. Sie ist nach wie vor der Auffassung, die Klägerin könne als Rezeptionistin in einem Friseursalon arbeiten, und bringt hierzu ein Gutachten des Sachverständigen R. für das Sozialgericht Neuruppin vom 26. Januar 1998 bei, wonach bei diesen Tätigkeiten ein Haltungswechsel möglich ist.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Oktober 1999 und weiterer Änderung des Bescheides der Beklagten vom 15. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 1996 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30. November 1995 hinaus auf unbestimmte Zeit zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Oktober 1999 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Krankenanstalten beigezogen und sodann mit Beschluss vom 14. November 2000 den Chefarzt der Orthopädisch-Rheumatologischen Abteilung des Immanuel Krankenhauses in Berlin, Prof. Dr. M. S., zum Sachverständigen ernannt.
In dem Gutachten vom 02. Januar 2001 stellte der Sachverständige folgende Diagnosen:
- Sicca-Symptomatik
- degeneratives Wirbelsäulenleiden mit gering- bis gelegentlich mittelgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen
- Harninkontinenz
- Bluthochdruckleiden
- erhebliches Übergewicht
Es bestünde begründete Aussicht, das sich die Behinderungen in absehbarer Zeit wesentlich besserten, sofern die Klägerin ihr Körpergewicht um mindesten 20 kg reduziere, da die vorgetragenen Beschwerden zum Teil Folge eines so genannten Überlastungssyndroms seien. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gingen auf einen Bandscheibenvorfall im Jahre 1992 zurück und hätten sich bis 1995 gebessert. Die subjektive Vorstellung der Klägerin, nicht mehr erwerbstätig sein zu können, werde durch die festgestellten objektiven Befunde nicht bestätigt. Die Klägerin könne ohne Gefährdung der Gesundheit und ohne unzumutbare Schmerzen noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten. Gegenwärtig könnten aber keine schweren und mittelschweren Arbeiten verrichtet werden. Sie könne überwiegend im Gehen und Stehen bis zu 20 Minuten stündlich auch im Sitzen arbeiten. Ein freier Wechsel der Haltungsarten sei nicht erforderlich. Die Klägerin sei nicht in der Lage, sich einseitig körperlich zu belasten. Die Klägerin könne einen Pkw oder ein anderes privates Verkehrsmittel benutzen und sei in der Lage, viermal täglich einen Fußweg von 500 m und mehr ohne fremde Hilfe zurückzulegen.
Sodann wurden die Akten der Bundesanstalt für Arbeit angefordert, woraus zu entnehmen war, dass die Klägerin von dort Leistungen bezieht und für vollschichtig einsatzfähig gehalten wird. Abgewartet werde der Ausgang des Rechtsstreits.
Der Senat hat sodann, nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. W. vom 24. August 2001 beigebracht hatte, einen Befindbericht von diesem Arzt angefordert. In dem Befundbericht vom 17. November 2001 teilt dieser behandelnde Arzt mit, die Klägerin beschreibe eine Fußheberschwäche seit 1993, deren Behandlung nur zu geringer Verbesserung geführt habe. Es bestünde seit 1996 ein gleichbleibender Zustand.
Hierzu hat Prof. Dr. S. am 28. Dezember 2001 ergänzend Stellung genommen und vorgetragen, dass die objektiven Befunde mit den von ihm erhobenen übereinstimmten und insgesamt leichte bis mittelgradige Nervenwurzelreizerscheinungen bestünden, so dass keine Veranlassung bestehe, von der Leistungsbeurteilung abzuweichen.
Am 18. April 2002 ging ein erneuter Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin beim Gericht ein, dem ein Arztbrief des Orthopäden K. vom 02. April 2002 beigefügt war. Darin wurde über eine aktivierte Fußheberschwäche links berichtet.
Prof. Dr. S. hat daraufhin um eine weitere Stellungnahme gebeten, die Klägerin erneut untersucht und am 10. Juni 2002 ein Ergänzungsgutachtachten erstattet.
Die Diagnose lautet nunmehr:
1. lumbales Wurzelreizsyndrom bei Bandscheibenprolaps L 5/S 1 und Fußheberschwäche
2. chronisches vertebragenes Schmerzsyndrom bei Osteochondrose und Spondylosis deformans
3. Retropatellararthrose beidseits
4. beginnende Rheumatoid-Arthritis
5. aktivierte Fußwurzelarthrose
Er habe keine wesentliche Befundänderung feststellen können, insbesondere läge keine Fußheberschwäche, sondern lediglich eine Zehenheberschwäche vor, also ein wesentlich geringgradiger Befund. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (VSNR ...) sowie der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Beide Berufungen sind statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und somit insgesamt zulässig. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Sie hat weder Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - in der Fassung vor dem 01. Januar 2001 (SGB VI a. F.) noch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach neuem Recht.
Die Berufung der Beklagten hingegen ist erfolgreich.
Gemäß § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. haben Versicherte bei Vorliegen sonstiger, beitragsrechtlicher Voraussetzungen, die hier unstreitig sind, Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor:
Der Senat folgt den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. zum Leistungsvermögen der Klägerin auf medizinischem Gebiet. Dessen nach wissenschaftlichen Kriterien erstattetes Gutachten berücksichtigt die maßgebliche Literatur. Der Sachverständige hat sich mehrfach mit den Einwendungen der Klägerin und ihres Bevollmächtigten, die insoweit lediglich als Parteivortrag zu bewerten sind, auseinandergesetzt. Es ist keinerlei Anlass ersichtlich, die schlüssigen Darlegungen des Gerichtssachverständigen nicht zu verwerten. Nach den Feststellungen von Prof. Dr. S. jedoch kann die Klägerin trotz der bei ihr festgestellten erheblichen Leistungseinschränkungen noch ohne Gefährdung der Gesundheit und ohne unzumutbare Schmerzen vollschichtig leichte Arbeiten verrichten. Sie könne überwiegend im Gehen und Stehen bis zu 20 Minuten stündlich auch im Sitzen arbeiten. Ein freier Wechsel der Haltungsarten sei nicht erforderlich. Die Klägerin sei nicht in der Lage, sich einseitig körperlich zu belasten, und könne einen Pkw oder ein anderes privates Verkehrsmittel benutzen. Auch sei sie in der Lage, viermal täglich einen Fußweg von 500 Metern und mehr ohne fremde Hilfe zurückzulegen.
Somit liegt bei der Klägerin, da sie nach diesen Feststellungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt regelmäßig vollschichtig erwerbsfähig sein und ein Arbeitsentgelt erzielen kann, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt, Erwerbsunfähigkeit nicht vor.
Daher kann der Klägerin auch keine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der seit 01. Januar 2001 geltenden Fassung gewährt werden, denn sie ist, da sie noch vollschichtig tätig sein kann, nicht einmal teilweise erwerbsgemindert.
Die Berufung der Beklagen hingegen musste zum Erfolg führen, denn die Klägerin ist nicht berufsunfähig.
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Die Klägerin ist hiernach nicht berufsunfähig, denn sie kann Tätigkeiten, die ihr sozial und medizinisch zumutbar sind, noch vollschichtig ausüben.
Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (Bundessozialgericht - BSG -, SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130). Maßgeblicher Beruf der Klägerin ist hiernach derjenige der Friseurin, den sie erlernt und bis zuletzt ausgeübt hat. Diesen Beruf kann die Klägerin auch zur Überzeugung der Beklagten nicht mehr ausüben, diese hat daher den Verweisungsberuf der Rezeptionistin in einem Frisiersalon benannt. Diesen Beruf kann die Klägerin ausüben.
Nach dem vom BSG zur Bestimmung der Wertigkeit der Berufe entwickelten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe in vier Gruppen eingeteilt, nämlich die des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des "angelernten" Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des "ungelernten" Arbeiters (Einarbeitung beziehungsweise Einweisung von weniger als drei Monaten). Im Rahmen dieses Mehrstufenschemas dürfen Versicherte, ausgehend von einer hiernach erfolgten Einstufung des bisherigen Berufs, nur auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Klägerin beim Ausgangsberuf Friseurin auf Facharbeitertätigkeiten und Tätigkeiten der angelernten Arbeiter mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren verwiesen werden kann. Die Tätigkeit der Empfangsdame/Rezeptionistin in einem größeren Friseursalon ist tariflich, wie sich aus dem von der Beklagten beigebrachten Gutachten des Sachverständigen R. vom 26. Januar 1998 ergibt, als Facharbeitertätigkeit eingruppiert und der Klägerin somit sozial zumutbar. Mit dem vom Sachverständigen Prof. Dr. S. festgestellten Leistungsvermögen wird die Klägerin in der Ausübung einer solchen Tätigkeit nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert. Sie kann sie auch wettbewerbsfähig verrichten. Nach dem Gutachten des Berufskundlers R., an dem zu zweifeln keine Veranlassung besteht und das sich mit der berufskundlichen Literatur deckt, gehört zur Tätigkeit einer Rezeptionistin die Beratung, der Verkauf bestimmter Produkte, das Einteilen der Termine. Es handelt sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, bei der wechselnde Körperhaltungen möglich sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ... 1945 geborene Klägerin erlernte von September 1960 bis August 1963 den Beruf der Friseurin und legte am 31. August 1963 die entsprechende Prüfung zur Facharbeiterin ab. Danach übte sie ihren Beruf bis 1992 aus. Auf den Rentenantrag vom 28. Juli 1993 hin, den die Klägerin damit begründete, seit einem Bandscheibenvorfall im Januar 1992 könne sie keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten und sie sei zwar beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, jedoch nicht vermittelbar, gewährte die Beklagte ihr Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 01. September 1992 bis zum 30. November 1995.
Grundlage hierfür war der Entlassungsbericht der Fachklinik und M. Bad F., in der die Klägerin vom 09. Juni 1993 bis zum 07. Juli 1993 eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durchlaufen hatte. In diesem Entlassungsbericht wird bei dem Hauptleiden rezidivierendes Wurzelreizsyndrom L 5/S 1 rechts, Coxalgie des rechten Hüftgelenks bei beginnender Coxarthrose und geringes cervikales Lokalsyndrom von der Leitenden Ärztin Dr. Z. eine Leistungseinschätzung dahingehend vorgenommen, dass eine überbrückende Erwerbsunfähigkeit kaum zu umgehen sein werde, da die Klägerin für ihre bisherige fast ausschließlich stehende Tätigkeit arbeitsunfähig sei. Zum Zeitpunkt der Entlassung könne auch eine leichtere körperliche Tätigkeit nicht regelmäßig durchgeführt werden.
Am 26. April 1995 beantragte die Klägerin die Weitergewährung dieser Rente.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Orthopäden Dr. B ... Dieser diagnostizierte den Zustand nach Bandscheibenprolaps L 5/S 1 rechts mit persistierender Radikulopathie sowie eine Bandscheibendegeneration in diesem Bereich. Bei der Klägerin bestünde ein Zustand nach Bandscheibenprolaps mit bleibender Schädigung der Nervenwurzel S 1 rechts. Die körperliche Leistungsfähigkeit besonders für Arbeiten in Körpervorhalt und für Arbeiten mit Hebe- und Tragebelastungen sei gemindert. Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit sei jedoch vollschichtig zumutbar für leichte Arbeiten.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 15. November 1995 ab.
Mit ihrem Widerspruch hiergegen machte die Klägerin geltend, sie sei wegen der nach wie vor bestehenden Erkrankungen nicht in der Lage, einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine neue Begutachtung der Klägerin, diesmal durch den Chefarzt der Orthopädischen Klinik des Klinikums B. Dr. E ... Dieser gelangte ebenfalls zu der Auffassung, die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten.
Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 1996 den Widerspruch der Klägerin zurück: Die Klägerin könne zwar nicht mehr als Friseurin, aber als Fachberaterin und Maniküre in einem Kosmetiksalon arbeiten.
Hiergegen hat sich die am 12. September 1996 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin insbesondere vorgetragen hat, sie sei aufgrund einer Lähmung des rechten Fußes nicht in Lage, Wegstrecken von viermal 500 m täglich zu bewältigen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 1996 zu verurteilen, der Klägerin eine Rene wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit oder Invalidität über den 30. November 1995 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und sodann mit Beweisanordnung vom 17. April 1997 den Orthopäden Dr. T. mit der Erstattung eines Gutachtens über das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen beauftragt.
In dem Gutachten vom 04. Juli 1997 diagnostizierte der Sachverständige:
- rezidivierendes Radikulärsyndrom L 5/S 1 rechts bei Bandscheiben- prolaps und ausgeprägter Bandscheibendegeneration L 5/S 1
- rezidivierendes Cervikobrachialsyndrom
Damit könne die Klägerin unter den üblichen Arbeitsbedingungen vollschichtig körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Sie sei in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und könne trotz der rechtsseitigen radikulären Symptomatik, die eine geringgradige Einschränkung der Gehbelastung bewirke, Fußwege von viermal täglich mehr als 500 m zurücklegen.
Dann hat das Gericht einen Entlassungsbericht der Reha-Klinik H. beigezogen, in dem die Klägerin ebenfalls für vollschichtig einsatzfähig für leichte bis mittelschwere Arbeiten gehalten wurde.
Auf den Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - hin hat das Sozialgericht mit Beweisanordnung vom 13. Juli 1998/20. November 1998 den Orthopäden Dr. D. zum Sachverständigen ernannt. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 18. April 1999:
- rezidivierende Lumboischialgie bei manifestem Radikulär-syndrom L 5/S 1 rechts durch Bandscheibenprolaps und ausgeprägte Bandscheibendegeneration (Segmentdegeneration) L 5/S 1
- rezidivierendes Cervikobrachialsyndrom beidseits mit Rechtsbetonung
- blande Coxalgie rechts
- Harn- und "Blähungs"-Inkontinenz
Die Klägerin sei bei deutlich verminderter Ausdauerbelastbarkeit nur noch für körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen unter vier Stunden täglich einsetzbar. Die zumutbare Gehstrecke ohne längere Zwischenpause liege je nach Terrainbeschaffenheit zwischen maximal 300 bis 500 m und könne nur zweimal täglich auf befestigten Fußwegen zurückgelegt werden. Zu diesem Gutachten hat der Sachverständige Dr. T. unter Auswertung eines Berichtes des C.-T. Klinikums C. dahingehend Stellung genommen, dass sich aus diesem Arztbericht ergebe, dass die Symptomatik insgesamt geringgradig und rückläufig sei. Auch die urologisch bestätigte Stressinkontinenz ersten Grades könne an seiner Beurteilung nichts ändern, in der Feststellung der Leiden der Klägerin stimme er mit Dr. D. überein, allerdings weiche er bei der Bewertung der Schädigungsauswirkungen auf die Frage der Erwerbsfähigkeit ab.
Mit Urteil vom 26. Oktober 1999 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit über den 30. November 1995 hinaus zu gewähren, und im Übrigen die Klage - wegen Erwerbsunfähigkeit - abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin, bei der vom Beruf der Friseurin auszugehen sei, könne den von der Beklagten benannten Verweisungsberuf einer Rezeptionistin in einem Friseursalon mit dem festgestellten Leistungsvermögen nicht mehr verrichten, da diese überwiegend im Stehen erfolge. Allerdings sei sie in leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig einsetzbar.
Gegen dieses dem Bevollmächtigten der Klägerin am 16. Dezember 1999 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 28. Dezember 1999: Die Klägerin sei nicht nur berufs-, sondern auch erwerbsunfähig.
Die Beklagte hat gegen das Urteil, das ihr am 16. Dezember 1999 zugestellt wurde, am Montag, dem 17. Januar 2000, Berufung eingelegt. Sie ist nach wie vor der Auffassung, die Klägerin könne als Rezeptionistin in einem Friseursalon arbeiten, und bringt hierzu ein Gutachten des Sachverständigen R. für das Sozialgericht Neuruppin vom 26. Januar 1998 bei, wonach bei diesen Tätigkeiten ein Haltungswechsel möglich ist.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Oktober 1999 und weiterer Änderung des Bescheides der Beklagten vom 15. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 1996 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30. November 1995 hinaus auf unbestimmte Zeit zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Oktober 1999 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Krankenanstalten beigezogen und sodann mit Beschluss vom 14. November 2000 den Chefarzt der Orthopädisch-Rheumatologischen Abteilung des Immanuel Krankenhauses in Berlin, Prof. Dr. M. S., zum Sachverständigen ernannt.
In dem Gutachten vom 02. Januar 2001 stellte der Sachverständige folgende Diagnosen:
- Sicca-Symptomatik
- degeneratives Wirbelsäulenleiden mit gering- bis gelegentlich mittelgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen
- Harninkontinenz
- Bluthochdruckleiden
- erhebliches Übergewicht
Es bestünde begründete Aussicht, das sich die Behinderungen in absehbarer Zeit wesentlich besserten, sofern die Klägerin ihr Körpergewicht um mindesten 20 kg reduziere, da die vorgetragenen Beschwerden zum Teil Folge eines so genannten Überlastungssyndroms seien. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gingen auf einen Bandscheibenvorfall im Jahre 1992 zurück und hätten sich bis 1995 gebessert. Die subjektive Vorstellung der Klägerin, nicht mehr erwerbstätig sein zu können, werde durch die festgestellten objektiven Befunde nicht bestätigt. Die Klägerin könne ohne Gefährdung der Gesundheit und ohne unzumutbare Schmerzen noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten. Gegenwärtig könnten aber keine schweren und mittelschweren Arbeiten verrichtet werden. Sie könne überwiegend im Gehen und Stehen bis zu 20 Minuten stündlich auch im Sitzen arbeiten. Ein freier Wechsel der Haltungsarten sei nicht erforderlich. Die Klägerin sei nicht in der Lage, sich einseitig körperlich zu belasten. Die Klägerin könne einen Pkw oder ein anderes privates Verkehrsmittel benutzen und sei in der Lage, viermal täglich einen Fußweg von 500 m und mehr ohne fremde Hilfe zurückzulegen.
Sodann wurden die Akten der Bundesanstalt für Arbeit angefordert, woraus zu entnehmen war, dass die Klägerin von dort Leistungen bezieht und für vollschichtig einsatzfähig gehalten wird. Abgewartet werde der Ausgang des Rechtsstreits.
Der Senat hat sodann, nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. W. vom 24. August 2001 beigebracht hatte, einen Befindbericht von diesem Arzt angefordert. In dem Befundbericht vom 17. November 2001 teilt dieser behandelnde Arzt mit, die Klägerin beschreibe eine Fußheberschwäche seit 1993, deren Behandlung nur zu geringer Verbesserung geführt habe. Es bestünde seit 1996 ein gleichbleibender Zustand.
Hierzu hat Prof. Dr. S. am 28. Dezember 2001 ergänzend Stellung genommen und vorgetragen, dass die objektiven Befunde mit den von ihm erhobenen übereinstimmten und insgesamt leichte bis mittelgradige Nervenwurzelreizerscheinungen bestünden, so dass keine Veranlassung bestehe, von der Leistungsbeurteilung abzuweichen.
Am 18. April 2002 ging ein erneuter Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin beim Gericht ein, dem ein Arztbrief des Orthopäden K. vom 02. April 2002 beigefügt war. Darin wurde über eine aktivierte Fußheberschwäche links berichtet.
Prof. Dr. S. hat daraufhin um eine weitere Stellungnahme gebeten, die Klägerin erneut untersucht und am 10. Juni 2002 ein Ergänzungsgutachtachten erstattet.
Die Diagnose lautet nunmehr:
1. lumbales Wurzelreizsyndrom bei Bandscheibenprolaps L 5/S 1 und Fußheberschwäche
2. chronisches vertebragenes Schmerzsyndrom bei Osteochondrose und Spondylosis deformans
3. Retropatellararthrose beidseits
4. beginnende Rheumatoid-Arthritis
5. aktivierte Fußwurzelarthrose
Er habe keine wesentliche Befundänderung feststellen können, insbesondere läge keine Fußheberschwäche, sondern lediglich eine Zehenheberschwäche vor, also ein wesentlich geringgradiger Befund. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (VSNR ...) sowie der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Beide Berufungen sind statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und somit insgesamt zulässig. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Sie hat weder Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - in der Fassung vor dem 01. Januar 2001 (SGB VI a. F.) noch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach neuem Recht.
Die Berufung der Beklagten hingegen ist erfolgreich.
Gemäß § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. haben Versicherte bei Vorliegen sonstiger, beitragsrechtlicher Voraussetzungen, die hier unstreitig sind, Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor:
Der Senat folgt den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. zum Leistungsvermögen der Klägerin auf medizinischem Gebiet. Dessen nach wissenschaftlichen Kriterien erstattetes Gutachten berücksichtigt die maßgebliche Literatur. Der Sachverständige hat sich mehrfach mit den Einwendungen der Klägerin und ihres Bevollmächtigten, die insoweit lediglich als Parteivortrag zu bewerten sind, auseinandergesetzt. Es ist keinerlei Anlass ersichtlich, die schlüssigen Darlegungen des Gerichtssachverständigen nicht zu verwerten. Nach den Feststellungen von Prof. Dr. S. jedoch kann die Klägerin trotz der bei ihr festgestellten erheblichen Leistungseinschränkungen noch ohne Gefährdung der Gesundheit und ohne unzumutbare Schmerzen vollschichtig leichte Arbeiten verrichten. Sie könne überwiegend im Gehen und Stehen bis zu 20 Minuten stündlich auch im Sitzen arbeiten. Ein freier Wechsel der Haltungsarten sei nicht erforderlich. Die Klägerin sei nicht in der Lage, sich einseitig körperlich zu belasten, und könne einen Pkw oder ein anderes privates Verkehrsmittel benutzen. Auch sei sie in der Lage, viermal täglich einen Fußweg von 500 Metern und mehr ohne fremde Hilfe zurückzulegen.
Somit liegt bei der Klägerin, da sie nach diesen Feststellungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt regelmäßig vollschichtig erwerbsfähig sein und ein Arbeitsentgelt erzielen kann, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt, Erwerbsunfähigkeit nicht vor.
Daher kann der Klägerin auch keine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der seit 01. Januar 2001 geltenden Fassung gewährt werden, denn sie ist, da sie noch vollschichtig tätig sein kann, nicht einmal teilweise erwerbsgemindert.
Die Berufung der Beklagen hingegen musste zum Erfolg führen, denn die Klägerin ist nicht berufsunfähig.
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Die Klägerin ist hiernach nicht berufsunfähig, denn sie kann Tätigkeiten, die ihr sozial und medizinisch zumutbar sind, noch vollschichtig ausüben.
Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (Bundessozialgericht - BSG -, SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130). Maßgeblicher Beruf der Klägerin ist hiernach derjenige der Friseurin, den sie erlernt und bis zuletzt ausgeübt hat. Diesen Beruf kann die Klägerin auch zur Überzeugung der Beklagten nicht mehr ausüben, diese hat daher den Verweisungsberuf der Rezeptionistin in einem Frisiersalon benannt. Diesen Beruf kann die Klägerin ausüben.
Nach dem vom BSG zur Bestimmung der Wertigkeit der Berufe entwickelten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe in vier Gruppen eingeteilt, nämlich die des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des "angelernten" Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des "ungelernten" Arbeiters (Einarbeitung beziehungsweise Einweisung von weniger als drei Monaten). Im Rahmen dieses Mehrstufenschemas dürfen Versicherte, ausgehend von einer hiernach erfolgten Einstufung des bisherigen Berufs, nur auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Klägerin beim Ausgangsberuf Friseurin auf Facharbeitertätigkeiten und Tätigkeiten der angelernten Arbeiter mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren verwiesen werden kann. Die Tätigkeit der Empfangsdame/Rezeptionistin in einem größeren Friseursalon ist tariflich, wie sich aus dem von der Beklagten beigebrachten Gutachten des Sachverständigen R. vom 26. Januar 1998 ergibt, als Facharbeitertätigkeit eingruppiert und der Klägerin somit sozial zumutbar. Mit dem vom Sachverständigen Prof. Dr. S. festgestellten Leistungsvermögen wird die Klägerin in der Ausübung einer solchen Tätigkeit nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert. Sie kann sie auch wettbewerbsfähig verrichten. Nach dem Gutachten des Berufskundlers R., an dem zu zweifeln keine Veranlassung besteht und das sich mit der berufskundlichen Literatur deckt, gehört zur Tätigkeit einer Rezeptionistin die Beratung, der Verkauf bestimmter Produkte, das Einteilen der Termine. Es handelt sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, bei der wechselnde Körperhaltungen möglich sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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