Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 Kr 909/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 67/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 1999 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine maßangefertigte Echthaarperücke.
Die 1960 geborene Klägerin ist Krankenschwester von Beruf. Sie ist pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Klägerin leidet seit ihrem 13. Lebensjahr an Alopezia areate (Kahlheit); bei dieser Erkrankung ist mit einer Remission des ausgefallenen Haupthaares in der Regel nicht zu rechnen. Bis 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin Echthaarperücken nach Maß.
Im Januar 1997 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Prothesenperücke bzw. eine maßangefertigte Echthaarperücke zu einem Preis von 2.673,- DM und legte zur Begründung einen Kostenvoranschlag der Inhaberin des Perückenfachgeschäftes "Chignon" Arnhild Hintelmann vor, die zugelassene Leistungserbringerin für die Anfertigung von Haarersatz ist. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin -MDK-. Für den MDK äußerte sich die Fachärztin für Dermatologie und Venerologie/Allergologie Dr. Pistorius in ihrer Stellungnahme vom 28. Januar 1997 dahingehend, dass aus dermatologischer Sicht eine Versorgung mit einer Konfektionsperücke aus Kunsthaar für die Klägerin ausreichend sei. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 10. Februar 1997 deshalb zunächst die Kosten für die Beschaffung einer solchen Perücke im Wert von 319,- DM.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 18. Februar 1997 Widerspruch, den sie damit begründete, dass die bewilligte Perücke für ihr Krankheitsbild nicht ausreichend sei. Sie trage die Perücke permanent und benötige daher ein hautfreundliches luftdurchlässiges Gewebe, welches nur bei Echthaarperücken gegeben sei. Die Maßanfertigung sei notwendig, weil bei Konfektionsperücken eine Restbehaarung zur Befestigung vorhanden sein müsse. Auch sei sie im Hinblick auf ihren Beruf auf eine Echthaarperücke nach Maß angewiesen, um ein angemessenes ästhetisches Erscheinungsbild zu erzielen. Im Übrigen sei ihr der gewünschte Haarersatz seit 20 Jahren von der Beklagten zugestanden worden.
Zu diesem Vortrag äußerte sich der MDK (Fachärztin für Dermatologie Dr. Künzel sowie erneut Dr. Pistorius) in den Stellungnahmen vom 24. März 1997 und 23. Juni 1997 dahingehend, dass die zur Herstellung von Echt- und Kunsthaarperücken verwendeten Materialien keine Unterschiede aufweisen würden, so dass eine unterschiedliche Luftdurchlässigkeit nicht vorliegen könne. Maßanfertigungen würden lediglich bei Schädeldeformitäten, z.B. nach einer Operation, notwendig oder erforderlich sein, da für jede Kopfgröße Perücken zur Verfügung stehen würden. Die Kosten für eine Echthaarperücke könnten übernommen werden, wenn beispielsweise eine Allergie gegenüber den Inhaltsstoffen der Kunsthaare vorliegen würde. Auch unter optischem Aspekt ergäben sich keine gravierenden Unterschiede zwischen Echt- und Kunsthaarperücken, wenn letztere von einem guten Perückenmacher hergestellt würden. Kunsthaare seien schließlich immunologisch neutral, so dass ein positives allergologisches Testergebnis bei ihnen nicht möglich sei. Allenfalls könnten die Haarfarben positive Testreaktionen auslösen.
Mit Schreiben vom 20. August 1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Kostenübernahme für Echthaarperücken nach Maß nicht mehr möglich sei, weil im Oktober 1996 örtliche Preisvereinbarungen mit Perückenfachgeschäften über den Verband der Angestelltenkrankenkassen -VdAK- getroffen worden seien. Die Klägerin sei auch bei der letzten Kostenübernahme im Mai 1996 darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine Sonderentscheidung ohne Rechtsanspruch für weitere Fälle handele. Die Beklagte sei aber bereit, die Kosten für eine handgeknüpfte Echthaarperücke nach Vertragsposition 3 der vertraglichen Preisvereinbarungen in Höhe von 574,- DM zu übernehmen. Da die Beklagte in den Fällen einer Langzeitversorgung aus hygienischen Gründen auch eine Zweitausstattung übernehmen könne, wäre sie bereit, insgesamt Kosten in Höhe von 1.148,- DM zu erstatten; hierbei handele es sich erneut um eine Sonderentscheidung zugunsten der Klägerin.
Die Klägerin teilte der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 2. September 1997 mit, dass sie dieses Angebot nicht akzeptieren könne und ihren Widerspruch aufrechterhalte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie habe durch die zugesagten 1.148,- DM den Leistungsanspruch der Klägerin in vollem Umfang erfüllt. Die Mehrkosten für eine Perückenanfertigung nach Maß habe die Klägerin selbst zu tragen, da diesbezüglich eine ärztliche Notwendigkeit nicht bestätigt worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie weiterhin die volle Kostenübernahme für eine maßangefertigte Echthaarperücke in Höhe von 2.673,- DM begehrt hat. Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung ein Gutachten des Sachverständigen für das Friseurhandwerk Herrn D S über die Unterschiede zwischen der von der Klägerin begehrten Echthaarperücke und den in dem Vertrag zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Perückenherstellern vorgesehenen Perücken sowie eine Auskunft der Frau A H eingeholt. Mit Urteil vom 27. April 1999 hat es die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verpflichtet, weitere Kosten in Höhe von 1.525,- DM für die Anfertigung der Echthaarperücke zu übernehmen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V- habe der Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit solchen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien. Nach dieser Vorschrift könne die Klägerin von der Beklagten die Versorgung mit einer Echthaarperücke verlangen. Die Kammer sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt, dass die Versorgung der Klägerin mit einer Echthaarperücke nach Maß erforderlich sei. Erforderlichkeit im Sinne des § 33 SGB V liege vor, wenn das Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich sei. Maßgeblich seien dabei die individuellen Verhältnisse des Versicherten. Der völlige Verlust des Haarkleides sei bei einer Frau eine Behinderung im Sinne des § 33 SGB V, da es eine wesentliche Beeinträchtigung ihrer äußeren Erscheinung darstelle. Im Allgemeinen erfolge der Ausgleich der Behinderung dadurch, dass die fehlenden Körperteile oder deren Funktion wiederhergestellt oder ersetzt würden. Nach dem Inhalt des von dem Sachverständigen S erstellten Gutachtens gäbe es zwar keine im eigentlichen Sinne medizinischen Gründe, welche die Versorgung der Klägerin mit einer handgeknüpften Echthaarperücke aus europäischem Menschenhaar rechtfertigen könnten. Die Kammer halte es aber für zu eng, allein auf medizinische Notwendigkeit im eigentlichen Sinne abzustellen. Denn unter diesen Voraussetzungen hätte die Klägerin überhaupt keinen Anspruch auf die Versorgung mit einer Perücke, da ihre eigentlichen Körperfunktionen durch den Zustand der Kahlköpfigkeit nicht unmittelbar nachteilig beeinflusst würden. Soweit die Behinderung - wie im vorliegenden Fall - eine Beeinträchtigung des Aussehens sei, könne der durch ein Hilfsmittel vorzunehmende Ausgleich der Behinderung nicht bedeuten, dass dem Betroffenen eine irgendwie geartete Kopfbedeckung verschafft werde. Die Wiederherstellung der äußeren Erscheinung müsse sich vielmehr an dem Erscheinungsbild orientieren, das der Betroffene vorher gehabt habe, bzw. wie er ohne den regelwidrigen Zustand aussehen würde. Die Kammer sei nach den Ausführungen des Sachverständigen S der Auffassung, dass das Erscheinungsbild der Klägerin allein mit der beantragten maßangefertigten Echthaarperücke wiederhergestellt werden könne. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Klägerin feines blondes Eigenhaar gehabt habe. Die der Vereinbarung mit den Krankenkassen aufgeführte Echthaarperücke bestehe nach den Ausführungen des Sachverständigen Steffen überwiegend aus Haaren asiatischer Qualität. Diese Haaren seien von ihrer Beschaffenheit viel dicker als europäisches Haar, aus Haaren mit asiatischer Qualität ließen sich auch keine Frisuren herstellen, die mit Haaren europäischer Qualität möglich wären. Da sich das wiederherzustellende Erscheinungsbild der Klägerin daran messe, wie sie mit ihrem Eigenhaar ausgesehen hätte, stehe für die Kammer fest, dass die Versorgung mit einer Konfektionsperücke der von der Beklagten bewilligten Art diesen Anforderungen nicht genüge. Die beantragte Perücke bestehe dagegen aus hellblondem Menschenhaar mit Indohaarqualität. Nur sie stelle eine ausreichende Leistung dar. Die Wiederherstellung des Erscheinungsbildes mit der beantragten maßangefertigten Echthaarperücke liege deshalb im Rahmen eines elementaren, normalen Lebensbedürfnisses. Die Perücke sei auch wirtschaftlich. Wirtschaftlich sei eine Leistung, bei der das günstigste Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkung bestehe. Der Sachverständige Steffen habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass der von der Klägerin veranschlagte Preis in einem angemessenen Verhältnis zur gebotenen Leistung stehe. Der Anspruch der Klägerin werde schließlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Perücke der von ihr begehrten Art nicht in dem Kostenverzeichnis zu dem Vertrag zwischen den Perückenlieferanten und den Landesverbänden der Krankenkassen aufgeführt sei. Schon der Vertrag selbst enthalte nämlich in seinem § 3 am Ende eine Öffnungsklausel für medizinisch notwendige Leistungen, die in der Preisliste nicht aufgeführt seien. Danach beabsichtige die Preisliste für Perücken nicht, das Maß des für die Versorgung der Versicherten Erforderlichen festzulegen.
Gegen das ihr am 2. Juli 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Juli 1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung nimmt sie auf den Inhalt der ablehnenden Bescheide Bezug und trägt ergänzend vor: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Beklagte der Überzeugung, dass die Klägerin die Versorgung mit einer Haarperücke nach Maß nicht beanspruchen könne und dem Klageantrag im Sinne einer vollständigen Kostenübernahme somit zu Unrecht stattgegeben worden sei. Nach § 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V sei festgelegt, dass die Krankenkasse für erforderliche Hilfsmittel, für die ein Festbetrag nach § 36 SGB V festgesetzt worden sei, die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages übernehme. Für andere Hilfsmittel übernehme sie die jeweils vertraglich vereinbarten Preise. Des Weiteren müsse das Hilfsmittel nach § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfe das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für den Bereich Berlin-West bestehe eine Vereinbarung mit Perückenlieferanten gemäß § 127 SGB V. Nach der dortigen Nr. 3 bestehe für eine Damenperücke aus Echthaar ein Vertragspreis von 574,-DM. Vertragslieferanten, die Perücken zu diesem Preis abgäben, stünden zur Verfügung. Zu diesen gehöre auch das Fachgeschäft "Chignon" der Frau Hintelmann. Die Beklagte habe entsprechend diesen Vorgaben gemäß Position 3 der Preisvereinbarung zur Versorgung mit Perücken eine Doppelversorgung des vertraglichen Höchstbetrages gewährt und damit den Leistungsanspruch im vollen Umfange erfüllt. Allenfalls aus medizinischen Gründen könnte eine über den Vertragspreisen liegende Versorgung in Betracht kommen, wie z.B. bei Schädeldeformitäten oder narbig verformter Kopfhaut. Wie aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hervorgehe, seien vorliegend keine medizinischen Indikationen bei der Klägerin vorhanden, um zu ihren Gunsten von der Höhe der Vertragspreise abzuweichen. Würde man der Entscheidung des Sozialgerichts folgen, würde dies zu einer Optimalversorgung führen, die die Beklagte im Hinblick auf § 12 SGB V nicht zu gewähren habe. Die beantragte Perücke sei auch unwirtschaftlich, weil die Klägerin jedes Jahr eine neue Versorgung beantragt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beruft sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen sozialgerichtlichen Urteils.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme nimmt der Senat auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen für das Friseurhandwerk D S vom 16. August 1998 sowie auf die Auskunft der Perückenherstellerin Frau A H vom 12. Februar 1998 Bezug. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die den Antrag der Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die das Begehren der Klägerin ablehnenden Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, die vollen Kosten zur Versorgung der Klägerin mit einer Echthaarperücke zu übernehmen.
Nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Zu den durch § 33 Abs. 1 SGB V gesetzlich definierten Hilfsmitteln gehören - bezogen auf den vorliegenden Fall - alle sächlichen Mittel, die geeignet und notwendig sind, die bei der Klägerin ausgefallene Funktion des Haupthaares (insbesondere Wärme- und Lichtschutz der Kopfhaut) zu ermöglichen, zu ersetzen, zu erleichtern oder zu ergänzen, sofern sie den Ausgleich der körperlichen Behinderung selbst bezwecken, also unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet sind (BSG SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr. 1 und Nr. 15). Zum Ausgleich der Behinderung der Klägerin, dem Ausfall der Funktion des Haupthaares, gehören nicht nur die Mittel, die diese ausgefallene natürliche Funktion ersetzen (usw.), sondern auch solche, die für die Klägerin erforderlich sind, ihre allgemeinen Grundbedürfnisse zu befriedigen (BSG SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr. 7 mit weiteren Nachweisen). Zu den Grundbedürfnissen eines Behinderten gehört die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben (BSG SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr. 1), insbesondere die Schaffung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes (BSG SozR 2200 § 182 b Nrn. 12, 17, 29 und 34). Auch wenn sich der Leistungszweck der Hilfsmittel nur auf den Ausgleich der Behinderung oder sonstiger Auswirkungen im Rahmen eines elementaren Lebensbedürfnisses hält und darüber hinausgehende allgemeine gesellschaftliche, berufliche, wirtschaftliche oder private Nachteile nicht erfasst werden, sind alle Mittel erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, die zum Ausgleich der Behinderung in dem oben dargelegten Umfange unentbehrlich sind (BSG SozR 2200 § 182 b Nrn. 12, 25, 26, 30, 33 und 34).
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung steht fest, dass die Klägerin einen Anspruch auf eine Perücke hat; dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist lediglich, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Echthaarperücke aus europäischem Indohaar hat. Diese Rechtsfrage hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend bejaht. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die mit guter Argumentation rechtsfehlerfrei dargestellten Entscheidungsgründe dieses Urteils nach erneuter, eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage Bezug (vgl. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Denn die Berufungsbegründung der Beklagten enthält keine neuen Gesichtspunkte, die zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils zwingen würden.
Der Sachleistungsanspruch der Klägerin ist nicht auf den bewilligten Betrag von 1.148,- DM oder gar auf den in Position 3 der Preisliste für Perücken der Anlage zur Nachtragsvereinbarung vom 10. Oktober 1996 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen Berlin und den Perückenmachern genannten Betrag von 574,- DM beschränkt. Denn für Perücken sind in Berlin gemäß §§ 33 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit 36 SGB V keine verbindlichen Festbeträge festgesetzt worden. Weder der bewilligte noch der in Position 3 des Vertrages genannte Betrag sind für den vorliegenden Fall abschließend vertraglich vereinbarte Preise im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Wie das Sozialgericht in seinem Urteil weiterhin rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, sind die Krankenkassen darüber hinaus auch zur Erbringung nicht in der Preisliste aufgeführter Leistungen verpflichtet, wenn diese im Einzelfall von ihnen zu gewähren sind. Dies beurteilt sich nach den oben genannten vom Bundessozialgericht entwickelten Kriterien bei der Bewilligung von Hilfsmitteln und dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. Hierbei sind nach der oben angeführten ständigen Rechtsprechung des BSG nicht nur medizinische, sondern auch die allgemeinen Grundbedürfnisse der Versicherten zu berücksichtigen. Zu den danach erforderlichen und notwendigen Mitteln im Sinne der §§ 33 Abs. 1 und 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V gehört im vorliegenden Einzelfall auch die von der Klägerin begehrte Perücke in europäischer Indohaarqualität.
Zu Recht liegt der Entscheidung des Sozialgerichts die Auffassung zugrunde, dass zum Ausgleich der Behinderung und ihrer Auswirkungen bei der Klägerin im Rahmen ihrer elementaren Lebensbedürfnisse nicht nur die Bewilligung irgendeines Haarersatzes gehört, sondern eines solchen, der zum Erscheinungsbild der Klägerin passt und den Mangel an Haupthaar und seinen Ersatz durch eine Perücke nicht sofort erkennen lässt. Auf entsprechende ästhetische Gestaltungen haben Versicherte auch bei anderen Hilfsmitteln - etwa Beinprothesen oder Prothesen des Auges - sowie vor allem beim Zahnersatz jedenfalls dann einen Rechtsanspruch, wenn die genannten Körperersatzstücke - wie das beim Haupthaar der Fall ist - sofort und für jedermann sichtbar sind. Eine diesen Kriterien entsprechende Versorgung mit Hilfsmitteln erweist sich deshalb nicht als Optimalversorgung wie die Beklagte meint, sondern als Beschaffung der notwendigen Mittel zum Ausgleich der Behinderung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Die begehrte Perücke stellt darüber hinaus nicht nur ein ausreichendes und notwendiges, sondern auch ein zweckmäßiges und wirtschaftliches Hilfsmittel dar, wie sich aus den überzeugenden Ausführungen des Gutachters S ergibt; denn dieser hat hervorgehoben, dass sich die begehrte Perücke an stark beanspruchten Stellen ausbessern lasse und - im Hinblick auf ihre starke Strapazierbarkeit - etwa zwei Jahre halten dürfte und damit die mögliche Tragezeit anderer vertragsgemäßer Perücken übersteige. Dass die Klägerin möglicherweise jedes Jahr die Bewilligung einer neuen Perücke beantragt hat, steht diesen Ausführungen nicht entgegen. Denn die Beklagte muss den Vorstellungen der Klägerin über die zeitliche Lebensdauer der gewährten Perücken nicht zwingend ohne eigene Prüfung entsprechen. Im Hinblick auf die letzte Bewilligung einer Perücke im Jahre 1996 ist die zumutbare Tragezeit im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Senats in jedem Falle abgelaufen.
Deshalb musste die Berufung ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil dafür die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorlagen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine maßangefertigte Echthaarperücke.
Die 1960 geborene Klägerin ist Krankenschwester von Beruf. Sie ist pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Klägerin leidet seit ihrem 13. Lebensjahr an Alopezia areate (Kahlheit); bei dieser Erkrankung ist mit einer Remission des ausgefallenen Haupthaares in der Regel nicht zu rechnen. Bis 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin Echthaarperücken nach Maß.
Im Januar 1997 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Prothesenperücke bzw. eine maßangefertigte Echthaarperücke zu einem Preis von 2.673,- DM und legte zur Begründung einen Kostenvoranschlag der Inhaberin des Perückenfachgeschäftes "Chignon" Arnhild Hintelmann vor, die zugelassene Leistungserbringerin für die Anfertigung von Haarersatz ist. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin -MDK-. Für den MDK äußerte sich die Fachärztin für Dermatologie und Venerologie/Allergologie Dr. Pistorius in ihrer Stellungnahme vom 28. Januar 1997 dahingehend, dass aus dermatologischer Sicht eine Versorgung mit einer Konfektionsperücke aus Kunsthaar für die Klägerin ausreichend sei. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 10. Februar 1997 deshalb zunächst die Kosten für die Beschaffung einer solchen Perücke im Wert von 319,- DM.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 18. Februar 1997 Widerspruch, den sie damit begründete, dass die bewilligte Perücke für ihr Krankheitsbild nicht ausreichend sei. Sie trage die Perücke permanent und benötige daher ein hautfreundliches luftdurchlässiges Gewebe, welches nur bei Echthaarperücken gegeben sei. Die Maßanfertigung sei notwendig, weil bei Konfektionsperücken eine Restbehaarung zur Befestigung vorhanden sein müsse. Auch sei sie im Hinblick auf ihren Beruf auf eine Echthaarperücke nach Maß angewiesen, um ein angemessenes ästhetisches Erscheinungsbild zu erzielen. Im Übrigen sei ihr der gewünschte Haarersatz seit 20 Jahren von der Beklagten zugestanden worden.
Zu diesem Vortrag äußerte sich der MDK (Fachärztin für Dermatologie Dr. Künzel sowie erneut Dr. Pistorius) in den Stellungnahmen vom 24. März 1997 und 23. Juni 1997 dahingehend, dass die zur Herstellung von Echt- und Kunsthaarperücken verwendeten Materialien keine Unterschiede aufweisen würden, so dass eine unterschiedliche Luftdurchlässigkeit nicht vorliegen könne. Maßanfertigungen würden lediglich bei Schädeldeformitäten, z.B. nach einer Operation, notwendig oder erforderlich sein, da für jede Kopfgröße Perücken zur Verfügung stehen würden. Die Kosten für eine Echthaarperücke könnten übernommen werden, wenn beispielsweise eine Allergie gegenüber den Inhaltsstoffen der Kunsthaare vorliegen würde. Auch unter optischem Aspekt ergäben sich keine gravierenden Unterschiede zwischen Echt- und Kunsthaarperücken, wenn letztere von einem guten Perückenmacher hergestellt würden. Kunsthaare seien schließlich immunologisch neutral, so dass ein positives allergologisches Testergebnis bei ihnen nicht möglich sei. Allenfalls könnten die Haarfarben positive Testreaktionen auslösen.
Mit Schreiben vom 20. August 1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Kostenübernahme für Echthaarperücken nach Maß nicht mehr möglich sei, weil im Oktober 1996 örtliche Preisvereinbarungen mit Perückenfachgeschäften über den Verband der Angestelltenkrankenkassen -VdAK- getroffen worden seien. Die Klägerin sei auch bei der letzten Kostenübernahme im Mai 1996 darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine Sonderentscheidung ohne Rechtsanspruch für weitere Fälle handele. Die Beklagte sei aber bereit, die Kosten für eine handgeknüpfte Echthaarperücke nach Vertragsposition 3 der vertraglichen Preisvereinbarungen in Höhe von 574,- DM zu übernehmen. Da die Beklagte in den Fällen einer Langzeitversorgung aus hygienischen Gründen auch eine Zweitausstattung übernehmen könne, wäre sie bereit, insgesamt Kosten in Höhe von 1.148,- DM zu erstatten; hierbei handele es sich erneut um eine Sonderentscheidung zugunsten der Klägerin.
Die Klägerin teilte der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 2. September 1997 mit, dass sie dieses Angebot nicht akzeptieren könne und ihren Widerspruch aufrechterhalte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie habe durch die zugesagten 1.148,- DM den Leistungsanspruch der Klägerin in vollem Umfang erfüllt. Die Mehrkosten für eine Perückenanfertigung nach Maß habe die Klägerin selbst zu tragen, da diesbezüglich eine ärztliche Notwendigkeit nicht bestätigt worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie weiterhin die volle Kostenübernahme für eine maßangefertigte Echthaarperücke in Höhe von 2.673,- DM begehrt hat. Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung ein Gutachten des Sachverständigen für das Friseurhandwerk Herrn D S über die Unterschiede zwischen der von der Klägerin begehrten Echthaarperücke und den in dem Vertrag zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Perückenherstellern vorgesehenen Perücken sowie eine Auskunft der Frau A H eingeholt. Mit Urteil vom 27. April 1999 hat es die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verpflichtet, weitere Kosten in Höhe von 1.525,- DM für die Anfertigung der Echthaarperücke zu übernehmen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V- habe der Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit solchen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien. Nach dieser Vorschrift könne die Klägerin von der Beklagten die Versorgung mit einer Echthaarperücke verlangen. Die Kammer sei nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt, dass die Versorgung der Klägerin mit einer Echthaarperücke nach Maß erforderlich sei. Erforderlichkeit im Sinne des § 33 SGB V liege vor, wenn das Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich sei. Maßgeblich seien dabei die individuellen Verhältnisse des Versicherten. Der völlige Verlust des Haarkleides sei bei einer Frau eine Behinderung im Sinne des § 33 SGB V, da es eine wesentliche Beeinträchtigung ihrer äußeren Erscheinung darstelle. Im Allgemeinen erfolge der Ausgleich der Behinderung dadurch, dass die fehlenden Körperteile oder deren Funktion wiederhergestellt oder ersetzt würden. Nach dem Inhalt des von dem Sachverständigen S erstellten Gutachtens gäbe es zwar keine im eigentlichen Sinne medizinischen Gründe, welche die Versorgung der Klägerin mit einer handgeknüpften Echthaarperücke aus europäischem Menschenhaar rechtfertigen könnten. Die Kammer halte es aber für zu eng, allein auf medizinische Notwendigkeit im eigentlichen Sinne abzustellen. Denn unter diesen Voraussetzungen hätte die Klägerin überhaupt keinen Anspruch auf die Versorgung mit einer Perücke, da ihre eigentlichen Körperfunktionen durch den Zustand der Kahlköpfigkeit nicht unmittelbar nachteilig beeinflusst würden. Soweit die Behinderung - wie im vorliegenden Fall - eine Beeinträchtigung des Aussehens sei, könne der durch ein Hilfsmittel vorzunehmende Ausgleich der Behinderung nicht bedeuten, dass dem Betroffenen eine irgendwie geartete Kopfbedeckung verschafft werde. Die Wiederherstellung der äußeren Erscheinung müsse sich vielmehr an dem Erscheinungsbild orientieren, das der Betroffene vorher gehabt habe, bzw. wie er ohne den regelwidrigen Zustand aussehen würde. Die Kammer sei nach den Ausführungen des Sachverständigen S der Auffassung, dass das Erscheinungsbild der Klägerin allein mit der beantragten maßangefertigten Echthaarperücke wiederhergestellt werden könne. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Klägerin feines blondes Eigenhaar gehabt habe. Die der Vereinbarung mit den Krankenkassen aufgeführte Echthaarperücke bestehe nach den Ausführungen des Sachverständigen Steffen überwiegend aus Haaren asiatischer Qualität. Diese Haaren seien von ihrer Beschaffenheit viel dicker als europäisches Haar, aus Haaren mit asiatischer Qualität ließen sich auch keine Frisuren herstellen, die mit Haaren europäischer Qualität möglich wären. Da sich das wiederherzustellende Erscheinungsbild der Klägerin daran messe, wie sie mit ihrem Eigenhaar ausgesehen hätte, stehe für die Kammer fest, dass die Versorgung mit einer Konfektionsperücke der von der Beklagten bewilligten Art diesen Anforderungen nicht genüge. Die beantragte Perücke bestehe dagegen aus hellblondem Menschenhaar mit Indohaarqualität. Nur sie stelle eine ausreichende Leistung dar. Die Wiederherstellung des Erscheinungsbildes mit der beantragten maßangefertigten Echthaarperücke liege deshalb im Rahmen eines elementaren, normalen Lebensbedürfnisses. Die Perücke sei auch wirtschaftlich. Wirtschaftlich sei eine Leistung, bei der das günstigste Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkung bestehe. Der Sachverständige Steffen habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass der von der Klägerin veranschlagte Preis in einem angemessenen Verhältnis zur gebotenen Leistung stehe. Der Anspruch der Klägerin werde schließlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Perücke der von ihr begehrten Art nicht in dem Kostenverzeichnis zu dem Vertrag zwischen den Perückenlieferanten und den Landesverbänden der Krankenkassen aufgeführt sei. Schon der Vertrag selbst enthalte nämlich in seinem § 3 am Ende eine Öffnungsklausel für medizinisch notwendige Leistungen, die in der Preisliste nicht aufgeführt seien. Danach beabsichtige die Preisliste für Perücken nicht, das Maß des für die Versorgung der Versicherten Erforderlichen festzulegen.
Gegen das ihr am 2. Juli 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Juli 1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung nimmt sie auf den Inhalt der ablehnenden Bescheide Bezug und trägt ergänzend vor: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Beklagte der Überzeugung, dass die Klägerin die Versorgung mit einer Haarperücke nach Maß nicht beanspruchen könne und dem Klageantrag im Sinne einer vollständigen Kostenübernahme somit zu Unrecht stattgegeben worden sei. Nach § 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V sei festgelegt, dass die Krankenkasse für erforderliche Hilfsmittel, für die ein Festbetrag nach § 36 SGB V festgesetzt worden sei, die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages übernehme. Für andere Hilfsmittel übernehme sie die jeweils vertraglich vereinbarten Preise. Des Weiteren müsse das Hilfsmittel nach § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfe das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Für den Bereich Berlin-West bestehe eine Vereinbarung mit Perückenlieferanten gemäß § 127 SGB V. Nach der dortigen Nr. 3 bestehe für eine Damenperücke aus Echthaar ein Vertragspreis von 574,-DM. Vertragslieferanten, die Perücken zu diesem Preis abgäben, stünden zur Verfügung. Zu diesen gehöre auch das Fachgeschäft "Chignon" der Frau Hintelmann. Die Beklagte habe entsprechend diesen Vorgaben gemäß Position 3 der Preisvereinbarung zur Versorgung mit Perücken eine Doppelversorgung des vertraglichen Höchstbetrages gewährt und damit den Leistungsanspruch im vollen Umfange erfüllt. Allenfalls aus medizinischen Gründen könnte eine über den Vertragspreisen liegende Versorgung in Betracht kommen, wie z.B. bei Schädeldeformitäten oder narbig verformter Kopfhaut. Wie aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hervorgehe, seien vorliegend keine medizinischen Indikationen bei der Klägerin vorhanden, um zu ihren Gunsten von der Höhe der Vertragspreise abzuweichen. Würde man der Entscheidung des Sozialgerichts folgen, würde dies zu einer Optimalversorgung führen, die die Beklagte im Hinblick auf § 12 SGB V nicht zu gewähren habe. Die beantragte Perücke sei auch unwirtschaftlich, weil die Klägerin jedes Jahr eine neue Versorgung beantragt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beruft sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen sozialgerichtlichen Urteils.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme nimmt der Senat auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen für das Friseurhandwerk D S vom 16. August 1998 sowie auf die Auskunft der Perückenherstellerin Frau A H vom 12. Februar 1998 Bezug. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die den Antrag der Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die das Begehren der Klägerin ablehnenden Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, die vollen Kosten zur Versorgung der Klägerin mit einer Echthaarperücke zu übernehmen.
Nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Zu den durch § 33 Abs. 1 SGB V gesetzlich definierten Hilfsmitteln gehören - bezogen auf den vorliegenden Fall - alle sächlichen Mittel, die geeignet und notwendig sind, die bei der Klägerin ausgefallene Funktion des Haupthaares (insbesondere Wärme- und Lichtschutz der Kopfhaut) zu ermöglichen, zu ersetzen, zu erleichtern oder zu ergänzen, sofern sie den Ausgleich der körperlichen Behinderung selbst bezwecken, also unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet sind (BSG SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr. 1 und Nr. 15). Zum Ausgleich der Behinderung der Klägerin, dem Ausfall der Funktion des Haupthaares, gehören nicht nur die Mittel, die diese ausgefallene natürliche Funktion ersetzen (usw.), sondern auch solche, die für die Klägerin erforderlich sind, ihre allgemeinen Grundbedürfnisse zu befriedigen (BSG SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr. 7 mit weiteren Nachweisen). Zu den Grundbedürfnissen eines Behinderten gehört die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben (BSG SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr. 1), insbesondere die Schaffung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes (BSG SozR 2200 § 182 b Nrn. 12, 17, 29 und 34). Auch wenn sich der Leistungszweck der Hilfsmittel nur auf den Ausgleich der Behinderung oder sonstiger Auswirkungen im Rahmen eines elementaren Lebensbedürfnisses hält und darüber hinausgehende allgemeine gesellschaftliche, berufliche, wirtschaftliche oder private Nachteile nicht erfasst werden, sind alle Mittel erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, die zum Ausgleich der Behinderung in dem oben dargelegten Umfange unentbehrlich sind (BSG SozR 2200 § 182 b Nrn. 12, 25, 26, 30, 33 und 34).
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung steht fest, dass die Klägerin einen Anspruch auf eine Perücke hat; dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist lediglich, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Echthaarperücke aus europäischem Indohaar hat. Diese Rechtsfrage hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend bejaht. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die mit guter Argumentation rechtsfehlerfrei dargestellten Entscheidungsgründe dieses Urteils nach erneuter, eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage Bezug (vgl. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Denn die Berufungsbegründung der Beklagten enthält keine neuen Gesichtspunkte, die zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils zwingen würden.
Der Sachleistungsanspruch der Klägerin ist nicht auf den bewilligten Betrag von 1.148,- DM oder gar auf den in Position 3 der Preisliste für Perücken der Anlage zur Nachtragsvereinbarung vom 10. Oktober 1996 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen Berlin und den Perückenmachern genannten Betrag von 574,- DM beschränkt. Denn für Perücken sind in Berlin gemäß §§ 33 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit 36 SGB V keine verbindlichen Festbeträge festgesetzt worden. Weder der bewilligte noch der in Position 3 des Vertrages genannte Betrag sind für den vorliegenden Fall abschließend vertraglich vereinbarte Preise im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Wie das Sozialgericht in seinem Urteil weiterhin rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, sind die Krankenkassen darüber hinaus auch zur Erbringung nicht in der Preisliste aufgeführter Leistungen verpflichtet, wenn diese im Einzelfall von ihnen zu gewähren sind. Dies beurteilt sich nach den oben genannten vom Bundessozialgericht entwickelten Kriterien bei der Bewilligung von Hilfsmitteln und dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. Hierbei sind nach der oben angeführten ständigen Rechtsprechung des BSG nicht nur medizinische, sondern auch die allgemeinen Grundbedürfnisse der Versicherten zu berücksichtigen. Zu den danach erforderlichen und notwendigen Mitteln im Sinne der §§ 33 Abs. 1 und 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V gehört im vorliegenden Einzelfall auch die von der Klägerin begehrte Perücke in europäischer Indohaarqualität.
Zu Recht liegt der Entscheidung des Sozialgerichts die Auffassung zugrunde, dass zum Ausgleich der Behinderung und ihrer Auswirkungen bei der Klägerin im Rahmen ihrer elementaren Lebensbedürfnisse nicht nur die Bewilligung irgendeines Haarersatzes gehört, sondern eines solchen, der zum Erscheinungsbild der Klägerin passt und den Mangel an Haupthaar und seinen Ersatz durch eine Perücke nicht sofort erkennen lässt. Auf entsprechende ästhetische Gestaltungen haben Versicherte auch bei anderen Hilfsmitteln - etwa Beinprothesen oder Prothesen des Auges - sowie vor allem beim Zahnersatz jedenfalls dann einen Rechtsanspruch, wenn die genannten Körperersatzstücke - wie das beim Haupthaar der Fall ist - sofort und für jedermann sichtbar sind. Eine diesen Kriterien entsprechende Versorgung mit Hilfsmitteln erweist sich deshalb nicht als Optimalversorgung wie die Beklagte meint, sondern als Beschaffung der notwendigen Mittel zum Ausgleich der Behinderung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Die begehrte Perücke stellt darüber hinaus nicht nur ein ausreichendes und notwendiges, sondern auch ein zweckmäßiges und wirtschaftliches Hilfsmittel dar, wie sich aus den überzeugenden Ausführungen des Gutachters S ergibt; denn dieser hat hervorgehoben, dass sich die begehrte Perücke an stark beanspruchten Stellen ausbessern lasse und - im Hinblick auf ihre starke Strapazierbarkeit - etwa zwei Jahre halten dürfte und damit die mögliche Tragezeit anderer vertragsgemäßer Perücken übersteige. Dass die Klägerin möglicherweise jedes Jahr die Bewilligung einer neuen Perücke beantragt hat, steht diesen Ausführungen nicht entgegen. Denn die Beklagte muss den Vorstellungen der Klägerin über die zeitliche Lebensdauer der gewährten Perücken nicht zwingend ohne eigene Prüfung entsprechen. Im Hinblick auf die letzte Bewilligung einer Perücke im Jahre 1996 ist die zumutbare Tragezeit im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Senats in jedem Falle abgelaufen.
Deshalb musste die Berufung ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil dafür die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorlagen.
Rechtskraft
Aus
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