Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 RJ 914/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RJ 53/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Mai 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin beansprucht eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1952 geborene Klägerin hat eine Berufsausbildung nicht erhalten. Sie arbeitete ausweislich des Sozialversicherungsausweises seit 1968 als ungelernte Arbeiterin in verschiedenen Betrieben und verschiedenen Branchen im Beitrittgebiet, zuletzt als Hilfsgalvaniseurin, Postzustellerin, Fahrgastbetreuerin und schließlich vom 1. Dezember 1992 bis 30. Juni 1994 als Verkaufskraft bei der P. Seit dem 8. Juli 1994 bezieht sie Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit, unterbrochen durch einen Kuraufenthalt vom 23. Juli bis 20. August 1996 und Zeiten des Krankengeldbezuges vom 30. Januar bis 11. Mai 1997 und 28. Mai bis 9. Juni 1999.
Im August 1998 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente unter Hinweis auf ihren Gesundheitszustand und gab dazu an, unter Rückenschmerzen und Zittern der Hände zu leiden. Die Beklagte zog die Unterlagen zu dem vorangegangenen Rehabilitationsverfahren bei und nahm neuere medizinische Unterlagen zur Akte. Sie veranlasste anschließend ein Gutachten vom 23. Oktober 1998 durch den Sozialmediziner Dr. H, der bei der Klägerin ein HWS/LWS-Syndrom bei Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen sowie einen Tremor feststellte und unter Beachtung der daraus resultierenden Beschwerden die Klägerin noch für fähig hielt, leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten mit geringen qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Außerdem veranlasste die Beklagte auf seinen Hinweis die Erstattung eines neurologisch/psychiatrischen Gutachtens vom 17. November 1998 durch Dr. Sch, die ausführte, bei der Klägerin lägen ein HWS- und LWS-Syndrom ohne neurologische Defizite bei degenerativen Veränderungen, ein Tremor bei Verdacht auf extrapyramidale Erkrankung und eine Polyneuropathie leichter Ausprägung unklarer Genese (durch EMG bestätigt) vor. Die Gutachterin hielt die Klägerin noch für fähig, körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen mit gewissen qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Dementsprechend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. November 1998 den Rentenantrag ab und blieb auch nach Durchsicht der im Widerspruchsverfahren vorgelegten weiteren Unterlagen durch ihren beratungsärztlichen Dienst bei ihrer ablehnenden Entscheidung (Widerspruchsbescheid vom 31. März 1999).
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der sie weiterhin eine Rente beansprucht, weitere Unterlagen vorgelegt und ergänzend darauf verwiesen hat, dass sie nach einer durch das Sozialamt veranlassten amtsärztlichen Untersuchung für erwerbsunfähig befunden worden sei.
Das SG hat die Schwerbehindertenakte beigezogen sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Innere Medizin Dr. A durchführen lassen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 21. Dezember 1999 bei der Klägerin folgende Krankheiten festgestellt:
1. chronisch rezidivierendes Schmerzsyndrom der Wirbelsäule,
2. Polyneuropathie beider Beine mit Verdacht auf toxische Genese,
3. ungeklärter rezidivierender Tremor mit Koordinationsstörungen beim Schreiben,
4. Verdacht auf psychosomatische Überlagerung bei Konversionstendenz mit Gefühl der Luftnot,
5. Verdacht auf Arzneimittel-Nebenwirkung bei habituellem Gebrauch von Dosieraerosolen fraglicher Indikation.
Er hat die Klägerin noch für fähig erachtet, vollschichtig körperlich leichte und mittelschwere Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen ohne besondere Umgebungsbelastungen im Wechsel der Haltungsarten oder überwiegend im Sitzen, ohne einseitige körperliche Belastung mit weiteren qualitativen Einschränkungen zu verrichten; zusätzliche Pausen benötige die Klägerin nicht. Er hat im Falle einer zielgerichteten ärztlichen Behandlung eine Besserungsmöglichkeit gesehen.
In ihrer Stellungnahme dazu hat die Klägerin auf ihr Verfahren beim Versorgungsamt Berlin verwiesen, in dem ihr mit Bescheid vom 9. Februar 2000 ein Grad der Behinderung von 60 zuerkannt worden sei.
Sodann hat das SG mit Urteil vom 9. Mai 2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe keine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu. Die Klägerin sei unter Berücksichtigung ihres "bisherigen Berufes" und des von der Rechtsprechung zu zumutbaren Verweisungstätigkeiten entwickelten Mehrstufenschemas bereits nicht berufsunfähig. Sie sei der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzurechnen und auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedürfe. Sie könne zwar nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung nicht mehr ihre letzte Tätigkeit ausführen, sei jedoch noch in der Lage, leichte Tätigkeiten unter Beachtung der aus dem Gutachten von Dr. Aersichtlichen qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Das SG folge dem Gutachten, dem eine überzeugende Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand der Klägerin und insbesondere mit den psychischen Aspekten zu entnehmen sei. Da die Klägerin nicht berufsunfähig sei, sei sie auch weitergehend nicht erwerbsunfähig, wobei die Frage, ob die Klägerin einen leidensgerechten Arbeitsplatz finde, für den Rechtstreit ohne Belang sei, da damit das Risiko der Arbeitslosenversicherung angesprochen werde.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Berufung gewandt, mit der sie weiterhin eine Rente wegen Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit beansprucht und eine unzutreffende Würdigung ihres Gesundheitszustandes gerügt hat.
Nach Vorliegen weiterer aktueller ärztlicher Unterlagen (u.a. Befundberichte der behandelnden Ärzte) hat der Senat von dem Gutachter Dr. A eine ergänzende Stellungnahme vom 19. April 2001 eingeholt, in der dieser in Kenntnis dieser Unterlagen eine Änderung seiner Einschätzung nicht für erforderlich gehalten hat. Nach Vorliegen weiterer nervenärztlicher Unterlagen und erneuter Beiziehung der Schwerbehindertenakte (gemäß Bescheid vom 6. November 2001 Grad der Behinderung 70) hat der Senat schließlich eine Untersuchung und Begutachtung durch Dr. W veranlasst. Dieser hat in seinem neurologischen und psychiatrisch-psychosomatischen Gutachten vom 9. Februar 2002 festgestellt, dass bei der Klägerin keine geistigen Erkrankungen vorlägen. Seelische Beeinträchtigungen lägen zum Teil persönlichkeitsimmanent im Sinne einer Konversionssymptomatik, d.h. dem Auftreten körperlicher Symptome als Ausdruck eines seelischen (unbewussten) Konflikts vor; dies gelte besonders bezüglich der Gang-Standstörungen und des psychogenen, wahrscheinlich phobischen Schwindels, wobei sich auch hier Diskrepanzen zwischen den objektiven Feststellungen und den anamnestischen Schilderungen der Klägerin ergeben hätten. An körperlichen Beeinträchtigungen fänden sich leichte degenerative Veränderungen im Bereich des Achsenskeletts; das Bestehen einer extrapyramidal-motorischen Erkrankung habe bei der Klägerin aus dem Verlauf und klinisch nicht als bestehend angesehen werden können; es bestehe eine Polyneuropathie eher leichter Ausprägung, von der keine schwerwiegende Leistungseinschränkung ausgehe und es bestehe eine Alterssichtigkeit. Daraus ergäbe sich, dass die Klägerin noch regelmäßig leichte, vorübergehend auch mittelschwere körperliche Arbeiten verrichten könne ohne besondere Umgebungsbelastungen. Die Tätigkeiten könnten im Gehen, Stehen, Sitzen oder im Wechsel dieser Haltungsarten ausgeübt werden, wobei ein bestimmter Wechsel der Haltungsarten nicht erforderlich sei. Einseitige körperliche Belastungen seien möglich. Arbeiten unter Zeitdruck, in Nachtschicht, auf Leitern und Gerüsten sowie solche, die Fingergeschicklichkeit voraussetzen, seien nicht möglich. Er hat die Klägerin für fähig erachtet, noch vollschichtig mit den üblichen Pausen und ohne Besonderheiten für den Arbeitsweg tätig zu sein und eine Besserung sowie Durchführung eines Heilverfahrens bei entsprechender Motivation, die jedoch gegenwärtig nicht erkennbar sei, für möglich erachtet. Abschließend hat er ausgeführt, dass bei den festgestellten seelischen Störungen und den dadurch bedingten Einschränkungen des Leistungsvermögens persönlichkeitsimmanente Züge einer deutlichen Hypochondrie, aber auch einer Psychasthenie und einer Hysterie-Ausprägung, wie auch in dem testpsychologischen Befund, hätten herausgearbeitet werden können; diese böten die Basis für die klinisch-manifeste konversionsneurotische Symptomatik in Form einer psychisch bedingten Gang- und Standstörung und eines psychisch bedingten Schwindels. Dabei werde dieses Geschehen von einer Begehrenshaltung, hier dem Begehren der Rente, überlagert. Des Weiteren bestehe eine verbalisierte Haltung, "es bleibt alles wie es ist", so dass hier die Gegebenheit eines Krankheitswertes beziehungsweise einer anteiligen Graduierung letztlich nicht eindeutig gegeben werden könne, zumal auch Aspekte eines sozialen Fehlverhaltens bestünden.
Im Hinblick auf eine zwischenzeitlich von der AOK Berlin mit Bescheid vom 31. Mai 2002 anerkannte Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 1 hat der Senat anschließend das dem zu Grunde liegende und auf einer Untersuchung am 22. April 2002 beruhende Gutachten von Frau Dr. P vom 13. Mai 2002 beigezogen und ergänzend bei der AOK Berlin nachgefragt, ob die bisherigen ärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen in das dortige Gutachten eingeflossen seien. In der Antwort dazu ist ausgeführt worden, dass die Bewertung allein auf Grund eines Hausbesuches und ohne Kenntnis eines anhängigen Rentenverfahrens und diesbezüglich bereits vorliegender ärztlicher Bewertungen nach einer orientierenden Untersuchung mit Durchführung von Funktionsprüfungen erfolgt sei. Ferner hat der Senat erneut nach Anerkennung eines Grades der Behinderung von 80 (Bescheid vom 23. August 2002) die Schwerbehindertenakte beigezogen.
In der anschließend vom Senat veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 2002 hat Dr. W sich ausführlich mit dem weiteren medizinischen Aktenmaterial auseinandergesetzt und dargelegt, dass und weshalb den daraus ersichtlichen ärztlichen Bewertungen nicht gefolgt werden könne; so könne insbesondere auch dem Pflegegutachten von Frau Dr. P nicht gefolgt werden, weil es Diagnosen nenne, die so nicht zuträfen und im Übrigen die auch schon vom Vorgutachter Dr. A erwähnten neurologisch-psychiatrischen Aspekte völlig unberücksichtigt lasse. Ebenso wenig gebe die neue Einstufung des Versorgungsamtes Anlass zu einer abweichenden Beurteilung, da darin entscheidend nur auf das Pflegegutachten abgestellt werde.
Schließlich ist noch das nach Aktenlage erstattete arbeitsamtsärztliche Gutachten vom 23. Januar 2003 zur Akte gelangt.
Die Klägerin beantragt nach dem Inhalt ihres Vorbringens,
das Urteil des SG Berlin vom 9. Mai 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. November 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. August 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Vers.Nr. ) sowie die beigezogenen Akten des Versorgungsamtes Berlin (Az.: ) und des Arbeitsamtes Berlin-Mitte (), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Weder nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (SGB VI a.F.) noch nach den §§ 43, 240 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) besteht der geltend gemachte Anspruch.
Berufsunfähig ist nach § 43 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VI a.F. der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F.). Hingegen besteht Erwerbsunfähigkeit bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 SGB VI a.F.). Da der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als derjenige der Berufsunfähigkeit, folgt aus der Verneinung von Berufsunfähigkeit ohne Weiteres das Fehlen von Erwerbsunfähigkeit.
Für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist danach zunächst der "bisherige Beruf" zu bestimmen, der in aller Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 126). Dies ist die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer (ungelernten) Verkaufshilfe in einem Postshop der P S GmbH (laut SG - die Klägerin war dort zum Termin erschienen - Zeitungsverkäuferin). Denn die bis zur Wende ausgeübte Beschäftigung als angelernte Galvaniseurin (Hilfsgalvaniseurin) hat sie nach Kurzarbeit aus betrieblichen Gründen verloren; gesundheitliche Gründe sind insofern nicht ersichtlich. Ob die Klägerin den danach maßgebenden Beruf einer einfachen Verkaufskraft unter Beachtung der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen noch ausüben kann, bedarf keiner abschließenden Prüfung. Denn selbst bei Verneinung einer solchen Einsatzmöglichkeit ist die Klägerin nicht berufsunfähig.
Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit steht einem Versicherten nicht schon dann zu, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Hinzu kommen muss vielmehr, dass für den Versicherten auch keine zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. mehr vorhanden ist, die er mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch ausfüllen kann. Das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. entwickelte Mehrstufenschema untergliedert die Angestelltenberufe in Anlehnung an die Rechtsprechung bezüglich der Arbeiterberufe in verschiedene Berufsgruppen. Ausgehend von der am geringsten qualifizierten Tätigkeit gibt es die Gruppen mit dem Leitberuf des "unausgebildeten Angestellten", des Angestellten mit einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren (angelernter Angestellter), des Angestellten mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung und des Angestellten, dessen hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (BSG, Urteil vom 22. Februar 1990 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 1). Grundsätzlich darf ein Versicherter lediglich auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe im Verhältnis zu seinem bisherigen Beruf verwiesen werden, soweit sie ihm weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern.
Die Klägerin kann unter Beachtung dieser Grundsätze nur als angelernte Angestellte eingestuft werden. Ihre vorangehenden beruflichen Tätigkeiten lassen bezüglich dieser Beschäftigung nicht den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten erkennen, die eine höhere Einstufung zuließen. Mithin ist die Klägerin sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisbar. Solche Tätigkeiten kann die Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung auch unter Beachtung ihrer Gesundheitsstörungen verrichten.
Dass die Klägerin die danach noch (sozial) zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit ihren gesundheitlichen Einschränkungen vollschichtig ausüben kann, ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere aus dem von Dr. W auf Grund einer umfassenden Untersuchung der Klägerin erstatteten Gutachten. Dadurch sind die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen und deren Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit hinreichend geklärt. Durchgreifende Bedenken, diese Bewertung zur Grundlage der Entscheidung zu machen, sieht der Senat nicht. Dass für die Beurteilung des Leistungsvermögens wesentliche Gesundheitsstörungen unbeachtet geblieben sind, vermag der Senat nicht zu erkennen und ergibt sich auch nicht aus dem klägerischen Vorbringen. Auf die seitens der AOK Berlin (Pflegekasse) und seitens des Versorgungsamtes getroffenen Beurteilungen lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht gründen. Der Senat folgt insofern der Auffassung des Gutachters Dr. W, dass die diesbezüglichen Einschätzungen ohne ausreichende fachärztlich kompetente Abklärung getroffen worden sind. So hätte eine angemessene und eventuell Zweifel am Ergebnis der Bewertungen des Rentenverfahrens weckende Begutachtung seitens der Pflegekasse mindestens erfordert, die hier vorliegenden Erkenntnisse und damit auch die Beschwerdeschilderungen der Klägerin kritisch zu würdigen. Dass dies auf Grund des offensichtlich zielgerichteten Verhaltens der Klägerin unterblieben ist (umgekehrt hat sie ihr günstig erscheinende Hinweise fortlaufend gegeben), belegt, dass die vom Gutachter Dr. W dargestellten Bedenken berechtigt sind. Auch die Wertung seitens des Versorgungsamtes basiert auf unvollständigen ärztlichen Unterlagen, weil die im Rentenverfahren erhobenen ärztlichen Feststellungen offensichtlich nicht berücksichtigt worden sind und eine eigene Untersuchung in jüngerer Zeit von dort jedenfalls nicht erfolgt ist. Die Darlegungen von Dr. W in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 2002 zur Unzulänglichkeit der angeführten anderslautenden Bewertungen hält der Senat daher für plausibel. Es deutet auch nichts darauf hin, dass in jüngerer Vergangenheit eine wesentliche das Leistungsvermögen verringernde Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin eingetreten sein könnte. Ein eingeholter Befundbericht vom 24. Oktober 2001 nennt eine bedeutsame Änderung in den Jahren 1995 bis 1999, nicht aber danach. Mithin legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde, dass die Klägerin jedenfalls noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen verrichten kann. So kann die Klägerin unter Ausschluss von besonderen Umgebungsbelastungen, ohne Zeitdruck, nicht in Nachtschicht, ohne besondere Fingergeschicklichkeit und ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten arbeiten. Da sich daraus im Sinne der Rechtsprechung weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. dazu die Beschlüsse des großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 1-4/95 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 - sowie die nachfolgenden Entscheidungen des BSG, u.a. Urteil vom 20. August 1997 - 13 RJ 39/96 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 17, vom 24. März 1998 - B 4 RA 44/96 R -, vom 25. März 1998 - B 5 RJ 46/97 R - und vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R in SozR 3-2600 § 44 Nr. 12) ergibt, bedarf es im Hinblick auf das vollschichtige Leistungsvermögen auch nicht der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit.
Mithin steht fest, dass die Klägerin nicht berufsunfähig und damit auch nicht erwerbsunfähig ist, so dass ein Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI a.F. nicht zusteht. Angesichts ihres verbliebenen vollschichtigen Leistungsvermögens ergibt sich auch keine andere Beurteilung für die Zeit ab 1. Januar 2001 auf Grund der durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) geänderten Rechtslage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Klägerin beansprucht eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1952 geborene Klägerin hat eine Berufsausbildung nicht erhalten. Sie arbeitete ausweislich des Sozialversicherungsausweises seit 1968 als ungelernte Arbeiterin in verschiedenen Betrieben und verschiedenen Branchen im Beitrittgebiet, zuletzt als Hilfsgalvaniseurin, Postzustellerin, Fahrgastbetreuerin und schließlich vom 1. Dezember 1992 bis 30. Juni 1994 als Verkaufskraft bei der P. Seit dem 8. Juli 1994 bezieht sie Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit, unterbrochen durch einen Kuraufenthalt vom 23. Juli bis 20. August 1996 und Zeiten des Krankengeldbezuges vom 30. Januar bis 11. Mai 1997 und 28. Mai bis 9. Juni 1999.
Im August 1998 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente unter Hinweis auf ihren Gesundheitszustand und gab dazu an, unter Rückenschmerzen und Zittern der Hände zu leiden. Die Beklagte zog die Unterlagen zu dem vorangegangenen Rehabilitationsverfahren bei und nahm neuere medizinische Unterlagen zur Akte. Sie veranlasste anschließend ein Gutachten vom 23. Oktober 1998 durch den Sozialmediziner Dr. H, der bei der Klägerin ein HWS/LWS-Syndrom bei Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen sowie einen Tremor feststellte und unter Beachtung der daraus resultierenden Beschwerden die Klägerin noch für fähig hielt, leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten mit geringen qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Außerdem veranlasste die Beklagte auf seinen Hinweis die Erstattung eines neurologisch/psychiatrischen Gutachtens vom 17. November 1998 durch Dr. Sch, die ausführte, bei der Klägerin lägen ein HWS- und LWS-Syndrom ohne neurologische Defizite bei degenerativen Veränderungen, ein Tremor bei Verdacht auf extrapyramidale Erkrankung und eine Polyneuropathie leichter Ausprägung unklarer Genese (durch EMG bestätigt) vor. Die Gutachterin hielt die Klägerin noch für fähig, körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen mit gewissen qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Dementsprechend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. November 1998 den Rentenantrag ab und blieb auch nach Durchsicht der im Widerspruchsverfahren vorgelegten weiteren Unterlagen durch ihren beratungsärztlichen Dienst bei ihrer ablehnenden Entscheidung (Widerspruchsbescheid vom 31. März 1999).
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der sie weiterhin eine Rente beansprucht, weitere Unterlagen vorgelegt und ergänzend darauf verwiesen hat, dass sie nach einer durch das Sozialamt veranlassten amtsärztlichen Untersuchung für erwerbsunfähig befunden worden sei.
Das SG hat die Schwerbehindertenakte beigezogen sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Innere Medizin Dr. A durchführen lassen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 21. Dezember 1999 bei der Klägerin folgende Krankheiten festgestellt:
1. chronisch rezidivierendes Schmerzsyndrom der Wirbelsäule,
2. Polyneuropathie beider Beine mit Verdacht auf toxische Genese,
3. ungeklärter rezidivierender Tremor mit Koordinationsstörungen beim Schreiben,
4. Verdacht auf psychosomatische Überlagerung bei Konversionstendenz mit Gefühl der Luftnot,
5. Verdacht auf Arzneimittel-Nebenwirkung bei habituellem Gebrauch von Dosieraerosolen fraglicher Indikation.
Er hat die Klägerin noch für fähig erachtet, vollschichtig körperlich leichte und mittelschwere Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen ohne besondere Umgebungsbelastungen im Wechsel der Haltungsarten oder überwiegend im Sitzen, ohne einseitige körperliche Belastung mit weiteren qualitativen Einschränkungen zu verrichten; zusätzliche Pausen benötige die Klägerin nicht. Er hat im Falle einer zielgerichteten ärztlichen Behandlung eine Besserungsmöglichkeit gesehen.
In ihrer Stellungnahme dazu hat die Klägerin auf ihr Verfahren beim Versorgungsamt Berlin verwiesen, in dem ihr mit Bescheid vom 9. Februar 2000 ein Grad der Behinderung von 60 zuerkannt worden sei.
Sodann hat das SG mit Urteil vom 9. Mai 2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe keine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu. Die Klägerin sei unter Berücksichtigung ihres "bisherigen Berufes" und des von der Rechtsprechung zu zumutbaren Verweisungstätigkeiten entwickelten Mehrstufenschemas bereits nicht berufsunfähig. Sie sei der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzurechnen und auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedürfe. Sie könne zwar nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung nicht mehr ihre letzte Tätigkeit ausführen, sei jedoch noch in der Lage, leichte Tätigkeiten unter Beachtung der aus dem Gutachten von Dr. Aersichtlichen qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Das SG folge dem Gutachten, dem eine überzeugende Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand der Klägerin und insbesondere mit den psychischen Aspekten zu entnehmen sei. Da die Klägerin nicht berufsunfähig sei, sei sie auch weitergehend nicht erwerbsunfähig, wobei die Frage, ob die Klägerin einen leidensgerechten Arbeitsplatz finde, für den Rechtstreit ohne Belang sei, da damit das Risiko der Arbeitslosenversicherung angesprochen werde.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Berufung gewandt, mit der sie weiterhin eine Rente wegen Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit beansprucht und eine unzutreffende Würdigung ihres Gesundheitszustandes gerügt hat.
Nach Vorliegen weiterer aktueller ärztlicher Unterlagen (u.a. Befundberichte der behandelnden Ärzte) hat der Senat von dem Gutachter Dr. A eine ergänzende Stellungnahme vom 19. April 2001 eingeholt, in der dieser in Kenntnis dieser Unterlagen eine Änderung seiner Einschätzung nicht für erforderlich gehalten hat. Nach Vorliegen weiterer nervenärztlicher Unterlagen und erneuter Beiziehung der Schwerbehindertenakte (gemäß Bescheid vom 6. November 2001 Grad der Behinderung 70) hat der Senat schließlich eine Untersuchung und Begutachtung durch Dr. W veranlasst. Dieser hat in seinem neurologischen und psychiatrisch-psychosomatischen Gutachten vom 9. Februar 2002 festgestellt, dass bei der Klägerin keine geistigen Erkrankungen vorlägen. Seelische Beeinträchtigungen lägen zum Teil persönlichkeitsimmanent im Sinne einer Konversionssymptomatik, d.h. dem Auftreten körperlicher Symptome als Ausdruck eines seelischen (unbewussten) Konflikts vor; dies gelte besonders bezüglich der Gang-Standstörungen und des psychogenen, wahrscheinlich phobischen Schwindels, wobei sich auch hier Diskrepanzen zwischen den objektiven Feststellungen und den anamnestischen Schilderungen der Klägerin ergeben hätten. An körperlichen Beeinträchtigungen fänden sich leichte degenerative Veränderungen im Bereich des Achsenskeletts; das Bestehen einer extrapyramidal-motorischen Erkrankung habe bei der Klägerin aus dem Verlauf und klinisch nicht als bestehend angesehen werden können; es bestehe eine Polyneuropathie eher leichter Ausprägung, von der keine schwerwiegende Leistungseinschränkung ausgehe und es bestehe eine Alterssichtigkeit. Daraus ergäbe sich, dass die Klägerin noch regelmäßig leichte, vorübergehend auch mittelschwere körperliche Arbeiten verrichten könne ohne besondere Umgebungsbelastungen. Die Tätigkeiten könnten im Gehen, Stehen, Sitzen oder im Wechsel dieser Haltungsarten ausgeübt werden, wobei ein bestimmter Wechsel der Haltungsarten nicht erforderlich sei. Einseitige körperliche Belastungen seien möglich. Arbeiten unter Zeitdruck, in Nachtschicht, auf Leitern und Gerüsten sowie solche, die Fingergeschicklichkeit voraussetzen, seien nicht möglich. Er hat die Klägerin für fähig erachtet, noch vollschichtig mit den üblichen Pausen und ohne Besonderheiten für den Arbeitsweg tätig zu sein und eine Besserung sowie Durchführung eines Heilverfahrens bei entsprechender Motivation, die jedoch gegenwärtig nicht erkennbar sei, für möglich erachtet. Abschließend hat er ausgeführt, dass bei den festgestellten seelischen Störungen und den dadurch bedingten Einschränkungen des Leistungsvermögens persönlichkeitsimmanente Züge einer deutlichen Hypochondrie, aber auch einer Psychasthenie und einer Hysterie-Ausprägung, wie auch in dem testpsychologischen Befund, hätten herausgearbeitet werden können; diese böten die Basis für die klinisch-manifeste konversionsneurotische Symptomatik in Form einer psychisch bedingten Gang- und Standstörung und eines psychisch bedingten Schwindels. Dabei werde dieses Geschehen von einer Begehrenshaltung, hier dem Begehren der Rente, überlagert. Des Weiteren bestehe eine verbalisierte Haltung, "es bleibt alles wie es ist", so dass hier die Gegebenheit eines Krankheitswertes beziehungsweise einer anteiligen Graduierung letztlich nicht eindeutig gegeben werden könne, zumal auch Aspekte eines sozialen Fehlverhaltens bestünden.
Im Hinblick auf eine zwischenzeitlich von der AOK Berlin mit Bescheid vom 31. Mai 2002 anerkannte Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 1 hat der Senat anschließend das dem zu Grunde liegende und auf einer Untersuchung am 22. April 2002 beruhende Gutachten von Frau Dr. P vom 13. Mai 2002 beigezogen und ergänzend bei der AOK Berlin nachgefragt, ob die bisherigen ärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen in das dortige Gutachten eingeflossen seien. In der Antwort dazu ist ausgeführt worden, dass die Bewertung allein auf Grund eines Hausbesuches und ohne Kenntnis eines anhängigen Rentenverfahrens und diesbezüglich bereits vorliegender ärztlicher Bewertungen nach einer orientierenden Untersuchung mit Durchführung von Funktionsprüfungen erfolgt sei. Ferner hat der Senat erneut nach Anerkennung eines Grades der Behinderung von 80 (Bescheid vom 23. August 2002) die Schwerbehindertenakte beigezogen.
In der anschließend vom Senat veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 2002 hat Dr. W sich ausführlich mit dem weiteren medizinischen Aktenmaterial auseinandergesetzt und dargelegt, dass und weshalb den daraus ersichtlichen ärztlichen Bewertungen nicht gefolgt werden könne; so könne insbesondere auch dem Pflegegutachten von Frau Dr. P nicht gefolgt werden, weil es Diagnosen nenne, die so nicht zuträfen und im Übrigen die auch schon vom Vorgutachter Dr. A erwähnten neurologisch-psychiatrischen Aspekte völlig unberücksichtigt lasse. Ebenso wenig gebe die neue Einstufung des Versorgungsamtes Anlass zu einer abweichenden Beurteilung, da darin entscheidend nur auf das Pflegegutachten abgestellt werde.
Schließlich ist noch das nach Aktenlage erstattete arbeitsamtsärztliche Gutachten vom 23. Januar 2003 zur Akte gelangt.
Die Klägerin beantragt nach dem Inhalt ihres Vorbringens,
das Urteil des SG Berlin vom 9. Mai 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. November 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. August 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Vers.Nr. ) sowie die beigezogenen Akten des Versorgungsamtes Berlin (Az.: ) und des Arbeitsamtes Berlin-Mitte (), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Weder nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (SGB VI a.F.) noch nach den §§ 43, 240 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) besteht der geltend gemachte Anspruch.
Berufsunfähig ist nach § 43 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VI a.F. der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F.). Hingegen besteht Erwerbsunfähigkeit bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 SGB VI a.F.). Da der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als derjenige der Berufsunfähigkeit, folgt aus der Verneinung von Berufsunfähigkeit ohne Weiteres das Fehlen von Erwerbsunfähigkeit.
Für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist danach zunächst der "bisherige Beruf" zu bestimmen, der in aller Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 126). Dies ist die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer (ungelernten) Verkaufshilfe in einem Postshop der P S GmbH (laut SG - die Klägerin war dort zum Termin erschienen - Zeitungsverkäuferin). Denn die bis zur Wende ausgeübte Beschäftigung als angelernte Galvaniseurin (Hilfsgalvaniseurin) hat sie nach Kurzarbeit aus betrieblichen Gründen verloren; gesundheitliche Gründe sind insofern nicht ersichtlich. Ob die Klägerin den danach maßgebenden Beruf einer einfachen Verkaufskraft unter Beachtung der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen noch ausüben kann, bedarf keiner abschließenden Prüfung. Denn selbst bei Verneinung einer solchen Einsatzmöglichkeit ist die Klägerin nicht berufsunfähig.
Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit steht einem Versicherten nicht schon dann zu, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Hinzu kommen muss vielmehr, dass für den Versicherten auch keine zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. mehr vorhanden ist, die er mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch ausfüllen kann. Das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. entwickelte Mehrstufenschema untergliedert die Angestelltenberufe in Anlehnung an die Rechtsprechung bezüglich der Arbeiterberufe in verschiedene Berufsgruppen. Ausgehend von der am geringsten qualifizierten Tätigkeit gibt es die Gruppen mit dem Leitberuf des "unausgebildeten Angestellten", des Angestellten mit einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren (angelernter Angestellter), des Angestellten mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung und des Angestellten, dessen hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (BSG, Urteil vom 22. Februar 1990 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 1). Grundsätzlich darf ein Versicherter lediglich auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe im Verhältnis zu seinem bisherigen Beruf verwiesen werden, soweit sie ihm weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern.
Die Klägerin kann unter Beachtung dieser Grundsätze nur als angelernte Angestellte eingestuft werden. Ihre vorangehenden beruflichen Tätigkeiten lassen bezüglich dieser Beschäftigung nicht den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten erkennen, die eine höhere Einstufung zuließen. Mithin ist die Klägerin sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisbar. Solche Tätigkeiten kann die Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung auch unter Beachtung ihrer Gesundheitsstörungen verrichten.
Dass die Klägerin die danach noch (sozial) zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit ihren gesundheitlichen Einschränkungen vollschichtig ausüben kann, ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere aus dem von Dr. W auf Grund einer umfassenden Untersuchung der Klägerin erstatteten Gutachten. Dadurch sind die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen und deren Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit hinreichend geklärt. Durchgreifende Bedenken, diese Bewertung zur Grundlage der Entscheidung zu machen, sieht der Senat nicht. Dass für die Beurteilung des Leistungsvermögens wesentliche Gesundheitsstörungen unbeachtet geblieben sind, vermag der Senat nicht zu erkennen und ergibt sich auch nicht aus dem klägerischen Vorbringen. Auf die seitens der AOK Berlin (Pflegekasse) und seitens des Versorgungsamtes getroffenen Beurteilungen lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht gründen. Der Senat folgt insofern der Auffassung des Gutachters Dr. W, dass die diesbezüglichen Einschätzungen ohne ausreichende fachärztlich kompetente Abklärung getroffen worden sind. So hätte eine angemessene und eventuell Zweifel am Ergebnis der Bewertungen des Rentenverfahrens weckende Begutachtung seitens der Pflegekasse mindestens erfordert, die hier vorliegenden Erkenntnisse und damit auch die Beschwerdeschilderungen der Klägerin kritisch zu würdigen. Dass dies auf Grund des offensichtlich zielgerichteten Verhaltens der Klägerin unterblieben ist (umgekehrt hat sie ihr günstig erscheinende Hinweise fortlaufend gegeben), belegt, dass die vom Gutachter Dr. W dargestellten Bedenken berechtigt sind. Auch die Wertung seitens des Versorgungsamtes basiert auf unvollständigen ärztlichen Unterlagen, weil die im Rentenverfahren erhobenen ärztlichen Feststellungen offensichtlich nicht berücksichtigt worden sind und eine eigene Untersuchung in jüngerer Zeit von dort jedenfalls nicht erfolgt ist. Die Darlegungen von Dr. W in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 2002 zur Unzulänglichkeit der angeführten anderslautenden Bewertungen hält der Senat daher für plausibel. Es deutet auch nichts darauf hin, dass in jüngerer Vergangenheit eine wesentliche das Leistungsvermögen verringernde Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin eingetreten sein könnte. Ein eingeholter Befundbericht vom 24. Oktober 2001 nennt eine bedeutsame Änderung in den Jahren 1995 bis 1999, nicht aber danach. Mithin legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde, dass die Klägerin jedenfalls noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen verrichten kann. So kann die Klägerin unter Ausschluss von besonderen Umgebungsbelastungen, ohne Zeitdruck, nicht in Nachtschicht, ohne besondere Fingergeschicklichkeit und ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten arbeiten. Da sich daraus im Sinne der Rechtsprechung weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. dazu die Beschlüsse des großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 1-4/95 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 - sowie die nachfolgenden Entscheidungen des BSG, u.a. Urteil vom 20. August 1997 - 13 RJ 39/96 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 17, vom 24. März 1998 - B 4 RA 44/96 R -, vom 25. März 1998 - B 5 RJ 46/97 R - und vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R in SozR 3-2600 § 44 Nr. 12) ergibt, bedarf es im Hinblick auf das vollschichtige Leistungsvermögen auch nicht der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit.
Mithin steht fest, dass die Klägerin nicht berufsunfähig und damit auch nicht erwerbsunfähig ist, so dass ein Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI a.F. nicht zusteht. Angesichts ihres verbliebenen vollschichtigen Leistungsvermögens ergibt sich auch keine andere Beurteilung für die Zeit ab 1. Januar 2001 auf Grund der durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) geänderten Rechtslage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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