L 10 AL 22/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AL 718/00
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AL 22/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist nach Erteilung einer Arbeitsgenehmigung im laufenden Streitverfahren ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren.

Der 1964 geborene Kläger ist brasilianischer Staatsangehöriger, nach seinen Angaben Jurist und war beim Gesundheitsministerium im Staat Rio de Janeiro beschäftigt. Er reiste im Januar 1999 als Tourist in die Bundesrepublik Deutschland ein und schloss am 19. Februar 1999 mit seinem Lebensgefährten, dem deutschen Staatsangehörigen Dr. G, nach erklärter Absicht, in Berlin zukünftig zusammenzuleben, einen notariell beurkundeten Partnerschaftsvertrag. Darin heißt es u.a., dass die Partnerschaft auf Dauer angelegt sei und von jedem Partner jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit Wirkung zum folgenden Monatsersten gekündigt werden könne. Als Unternehmensberater mit einem Nettoverdienst von ca. 6.000,00 DM monatlich verpflichtete sich Dr. G, für die Dauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland dessen vollen Unterhalt sicherzustellen und auch eventuelle Ausreisekosten zu übernehmen. Das Landeseinwohneramt Berlin erteilte dem Kläger zunächst eine auf ein Jahr bis zum 15. Juli 2000 befristete Aufenthaltserlaubnis, die anschließend um zwei Jahre bis zum 15. Juli 2002 verlängert wurde.

Am 5. November 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitsgenehmigung. Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 5. November 1999 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2000 - wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ab. Zugleich stellte sie anheim, eine beschränkte Arbeitserlaubnis unter Angabe eines Arbeitgebers und einer konkreten Tätigkeit zu beantragen.

Während des Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin (SG) beantragte der Kläger (am 15. Mai 2000) eine solche beschränkte Arbeitserlaubnis für eine Beschäftigung als Haushaltshilfe bei Dr. G für ein Jahr. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 31. Juli 2000 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21. September 2000 - ab. Für die angestrebte Tätigkeit stünden bevorrechtigte Arbeitsuchende zur Verfügung. Dafür, dass eine Arbeitserlaubnis auch nicht unter Härtegesichtspunkten erteilt werden könne, nahm die Beklagte auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 26. Mai 2000 - L 10 B 84/00 AL ER - Bezug, mit dem dieser die Beschwerde des Klägers gegen die vorinstanzliche Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer (unbeschränkten) Arbeitserlaubnis im Wege der einstweiligen Anordnung zurückgewiesen hatte. Der Bescheid wurde bindend.

Die auf Erteilung einer unbefristeten und unbeschränkten, hilfsweise einer auf die Berufsgruppe des Hauswirtschafters beschränkten, hilfshilfsweise einer befristeten, auf die Tätigkeit als Hauswirtschafter bei Dr. G beschränkten Arbeitserlaubnis, weiter hilfsweise schließlich auf Neubescheidung im Sinne einer Ermessensentscheidung gerichtete Klage wies das SG durch Urteil vom 26. Januar 2001 ab. Dem Hauptantrag hätte nur aus Härtegründen entsprochen werden können. Solche lägen aber nicht vor. Dass das Selbstwertgefühl unter der unfreiwilligen Erwerbslosigkeit leide, treffe unabhängig von der sexuellen Neigung jeden vergleichbaren Ausländer in gleicher Weise und stelle keine besondere Belastung des Klägers dar. Die Hilfsanträge seien bereits unzulässig. Insoweit fehle es an einem anfechtbaren Verwaltungsakt.

Mit der Berufung hat der Kläger seinen Hauptantrag zunächst weiterverfolgt. Hilfsweise hat er eine befristete, auf bestimmte einzelne Wirtschaftszweige bzw. auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte Arbeitserlaubnis erstrebt. Als Härtegründe hat er angeführt, dass es ihm verwehrt sei, mit Dr. G eine Ehe zu schließen und auf diese Weise eine Arbeitsgenehmigung in Gestalt einer Arbeitsberechtigung zu erlangen. Ferner sei er ohne Arbeitserlaubnis und entsprechende Erwerbstätigkeit auf fremde Hilfe angewiesen. Zudem sei er außerordentlich integrationswillig (Belegung verschiedener Deutschkurse, Bestehen der Sprachprüfung für den Hochschulzugang, Beginn eines Hochschulstudiums, studienbegleitende Ausübung einer erlaubnisfreien - allerdings zeitlich auf 90 Tage begrenzten - Tätigkeit als Pflegekraft im Krankenheim der E-Stiftung, "Unmöglichkeit" der Rückkehr nach Brasilien nach Ablauf seiner dortigen unbezahlten dienstlichen Beurlaubung). Auch habe er anders als ein Ehegatte nicht die freie Wahl, ob er sich im Berufsleben betätigen und dadurch seinen partnerschaftlichen Beitrag leisten wolle oder nicht. Das verletze ihn in seiner durch Art. 2 Grundgesetz (GG) garantierten Freiheit, eine seiner sexuellen Identität gemäße, gleichberechtigte Partnerschaft zu leben, worunter sein Selbstwertgefühl erheblich leide. Darüber hinaus könne eine fünf- bis sechsjährige Erwerbslosigkeit - zumal bei einem Ausländer - zu einem dauerhaften Ausschluss aus dem Erwerbsleben führen. Schließlich sei davon auszugehen, dass eine Regelung für den Fall der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in der Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) angesichts der vermeintlich geringen Anzahl Betroffener vergessen worden sei. Gerade auch für solche Fälle habe der Gesetzgeber die Härtefallregelung getroffen. Diese Intention sei zu beachten.

Am 2. Mai 2002 hat der Kläger mit Dr. G nach Maßgabe des am 1. August 2001 in Kraft getretenen Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz -LPartG-) vom 16. Februar 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet. Seitdem gilt er kraft Gesetzes als Familienangehöriger von Dr. G. Mit Wirkung vom 21. Mai 2002 hat ihm die Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArGV eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitsberechtigung erteilt.

Daraufhin hat der Kläger erklärt, er sehe die ursprünglichen Anträge als erledigt an. Doch habe er ein erhebliches und berechtigtes Interesse an der Klärung der Frage, ob ein Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis aus Härtegesichtspunkten bestanden hätte. Er sehe sich auf den Gebieten des Staatsangehörigkeits-, des Ausländer- und des Steuerrechts dadurch benachteiligt, dass er nicht schon am 19. Februar 1999 - dem Zeitpunkt seiner notariell beurkundeten Partnerschaft - die Ehe oder eine Lebenspartnerschaft habe eingehen können. Wäre dies der Fall gewesen, lägen schon heute die Voraussetzungen für eine Einbürgerung sowie für eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung vor und hätte seine Lebenspartnerschaft schon seit dem 19. Februar 1999 jedenfalls nach § 33 a Einkommensteuergesetz (EStG) steuerrechtlich berücksichtigt werden können. Allerdings sei er der Meinung, dass ihm die vorgenannten Rechtspositionen bereits aufgrund seiner notariell beurkundeten Partnerschaft zustünden. Entsprechende Klagen auf Einbürgerung und unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erschienen jedoch nicht sinnvoll. Solche Streitverfahren würden sich angesichts ihrer Dauer noch vor ihrem Abschluss durch Vollzug der Einbürgerung und Erteilung der unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung nach Ablauf der maßgeblichen Zweijahresfrist erledigen. Auch wenn sich aus der im anhängigen Verfahren begehrten Feststellung des Landessozialgerichts keine zwingenden Folgen für die zuvor angesprochenen Rechtsbereiche ergäben, wäre sie dafür doch "wegweisend und hilfreich".

Nach Hinweis des Senats, dass dieser Vortrag das Feststellungsinteresse nicht zu begründen vermöge, hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er habe sich mit der Möglichkeit, einen Amtshaftungsprozess gegen die Beklagte zu führen, auseinandergesetzt und aus diesem Grunde bereits einschlägige Rechtsprechung im System JURIS abgefragt und für sich ausgewertet. Zur Glaubhaftmachung seiner Absicht, einen Amtshaftungsprozess zu führen, hat er die Ausdrucke aus dem System JURIS vorgelegt.

Der Kläger beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die beantragte unbefristete und unbeschränkte und durch Bescheid vom 5. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2000 abgelehnte Arbeitsgenehmigung zu erteilen, zumindest als "auf die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Arbeitsangebote beschränkte" Arbeitserlaubnis.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 55 AL 718/00 - und der das Eilverfahren S 55 AL 718/00 ER//L 10 B 84/00 AL ER betreffenden Akten) sowie die Sachakten der Beklagten (zwei Arbeitsgenehmigungsvorgänge) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig. Der Senat geht unter Zurückstellung von Bedenken und unter Verzicht auf weitere Ermittlungen davon aus, dass der Kläger für den Fall der gerichtlich festgestellten Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen Ablehnung der Arbeitsgenehmigung gegen die Beklagte einen Amtshaftungsprozess zu führen beabsichtigt. Er hält deshalb die Voraussetzung für den Feststellungsantrag nach § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat, für gegeben.

Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Die Ablehnung der Arbeitsgenehmigung durch Bescheid der Beklagten vom 5. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2000 war nicht rechtswidrig. Die Beklagte traf bis zur Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft des Klägers mit Dr. G im Mai 2002 keine Verpflichtung, ihm diese Genehmigung zu erteilen.

Eine solche Verpflichtung hätte sich - wie der Kläger nicht in Abrede stellt und worauf sich sein Feststellungsbegehren deshalb konzentriert - allein aus § 1 Abs. 2 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) ergeben können. Danach kann die Arbeitserlaubnis - als nachrangige Form der Arbeitsgenehmigung (§ 284 Abs. 4 Sozialgesetzbuch [SGB] III) - auch dann erteilt werden, wenn die Versagung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles eine besondere Härte bedeuten würde. Solche Härtegründe, die zu einer Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Arbeitserlaubnis verpflichtet hätten, lagen bis zur Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft bzw. der Erteilung der Arbeitsberechtigung im Mai 2002 nicht vor.

Der Kläger hielt sich weder bereits langjährig im Inland auf noch bestand im Hinblick auf die relative Kürze seines Aufenthaltes bereits eine gewachsene Bindung zum Inland oder eine feste Verwurzelung in den hiesigen Lebensverhältnissen. Die Integrationswilligkeit des Klägers war lediglich eine notwendige Voraussetzung auf dem Wege dorthin. Auch war dem Kläger die Rückkehr nach Brasilien nach Ablauf seiner dortigen dienstlichen Beurlaubung nicht unmöglich. Das Verstreichenlassen der befristeten dienstlichen Beurlaubung mag allenfalls den Verlust seiner bisherigen Arbeitsstelle nach sich gezogen haben, wobei der Kläger diesen Verlust selbst herbeigeführt hätte. Angesichts dessen bliebe als Härtegrund letztlich allein der auch vom Kläger in den Vordergrund gestellte Umstand, dass es ihm verwehrt gewesen sei, mit Dr. G eine Ehe zu schließen - bzw., wie zu ergänzen wäre, schon früher eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen -, mit den daraus sich ergebenden, vom Kläger geschilderten Nachteilen gegenüber heterosexuellen Partnerschaften. Auch dies stellt jedoch keinen Härtegrund dar.

Der Umstand, dass die gleichgeschlechtliche Partnerschaft den Kläger nicht wie das Eingehen einer Ehe dazu berechtigte, ohne Wartezeit (vgl. § 286 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b SGB III) eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, könnte nur dann als besondere Härte begriffen werden, wenn die bis zum In-Kraft-Treten des LPartG bestehende Gesetzeslage in Bezug auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften verfassungswidrig gewesen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar mag der Gesetzgeber durch die gleichgeschlechtlichen Paaren mit dem LPartG zuerkannten Rechte den Artikeln 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG) Rechnung getragen haben, indem er diesen Personen zu einer besseren Entfaltung ihrer Persönlichkeit verholfen und Diskriminierungen abgebaut hat (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01 und 2/01 - B. II. 1. b) bb)). Das heißt aber nicht, dass die Zuerkennung dieser Rechte im Hinblick auf die Grundrechte der freien Entfaltung der Persönlichkeit und auf Gleichbehandlung verfassungsrechtlich geboten gewesen wären. Denn dem Gesetzgeber ist es wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. BVerfG a.a.O. B. II. 1. c) cc)). Tatsächlich verhält es sich so, dass die Einführung der Rechtsform der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht nur nicht von Verfassungs wegen geboten war, sondern dass sich im Hinblick auf die in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Institutsgarantie der Ehe ernstlich die Frage der Verfassungswidrigkeit des LPartG stellte. Immerhin haben drei der Mitglieder des die Verfassungsmäßigkeit des LPartG mehrheitlich (mit fünf Stimmen) bejahenden zuständigen Senats des BVerfG diese Meinung vertreten (BVerfG a.a.O. C. und Sondervotum).

Schließlich gilt Folgendes: Selbst wenn die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 2 ArGV erfüllt gewesen wären, so hätte sich doch jedenfalls eine Verpflichtung der Beklagten, in Ausübung ihres Ermessens dem Kläger eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis zu erteilen, nicht begründen lassen. Die Erteilung einer "auf die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Arbeitsangebote beschränkte" Arbeitserlaubnis war hingegen kein zulässiger Gegenstand des Berufungsverfahrens. Darüber wäre sachlich nicht zu entscheiden gewesen. Eine solche beschränkte Arbeitserlaubnis war nicht Gegenstand des Bescheides vom 5. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2000 und konnte es nicht sein, weil dies vorausgesetzt hätte, dass der Kläger seinen Antrag entsprechend konkretisiert hätte. Dementsprechend hatte die Beklagte ihm anheim gestellt, eine beschränkte Arbeitserlaubnis unter Angabe eines Arbeitgebers und einer konkreten Tätigkeit zu beantragen. Dies hatte der Kläger dann auch getan, unter Verzicht auf die Durchführung eines Streitverfahrens die ablehnenden Bescheide jedoch bindend werden lassen. Soweit für den Kläger dann während des anhängigen Verfahrens weitere Arbeitsangebote vorlagen, hat er es versäumt, neue Arbeitserlaubnisanträge zu stellen und entsprechende rechtsmittelfähige Bescheide zu erwirken, die Gegenstand des Streitverfahrens hätten werden können.

Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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