L 14 AL 3/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 70 AL 74/98
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 3/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch der Klägerin, den Richter am Landessozialgericht F wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die 1943 geborene Klägerin stand ausweislich der Arbeitsbescheinigung des D Werks Berlin-Brandenburg e.V. dort vom 15. August 1979 bis zum 31. Dezember 1994 als Sozialarbeiterin in einem Arbeitsverhältnis. Vom 1. September 1991 bis zum 31. Dezember 1994 war das Beschäftigungsverhältnis durch unbezahlten Urlaub unterbrochen.

Am 9. Oktober 1997 stellte die Klägerin unter Arbeitslosmeldung einen Antrag auf Arbeitslosengeld, zu dem sie angab, nach 1994 keine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt zu haben. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 24. Oktober 1997 die Gewährung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe ab, da die Anwartschaftszeiten für diese Leistungen nicht erfüllt seien. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1997, Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2001). Im Berufungsverfahren hat der Berichterstatter des 14. Senats, der Richter am Landessozialgericht F, am 29. August 2002 den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Dabei hat die Klägerin angegeben, dass sie seit ihrer Arbeitslosmeldung wöchentlich etwa 30 Stunden selbstständig erwerbstätig sei. Auf den Hinweis des Berichterstatters, dass danach ein Anspruch auf Arbeitslosengeld schon deshalb nicht ersichtlich sei, weil sie mehr als 18 Stunden wöchentlich tätig sei, hat die Klägerin erklärt, dass sie das Verfahren gleichwohl weiterführen wolle. Sie berufe sich zur Begründung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ihr sei klar, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Fall nicht individuell gegeben seien und als Härtefall nicht gewürdigt werden.

Daraufhin hat der Berichterstatter die Klägerin darauf hingewiesen, dass nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- die Möglichkeit bestehe, bei Fortführung des Rechtsstreits einem Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, wenn die Rechtsverfolgung missbräuchlich sei.

Mit Schriftsatz vom 5. September 2002 hat die Klägerin den Richter am Landessozialgericht F wegen Befangenheit abgelehnt, weil er "ihre Klagegründe ignoriere" und ihr gedroht habe, ihre Klage sei missbräuchlich.

Der abgelehnte Richter hat sich zu dem Ablehnungsgesuch wie folgt geäußert: "Der Ablauf des Erörterungstermins ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift vom 29. August 2002. Nachdem die Klägerin erkennen ließ, dass ihr klar sei, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit in ihrem Fall nicht erfüllt seien, sie aber gleichwohl die Klage nicht zurücknehmen wolle und werde, habe ich sie - um ihr auch insoweit rechtliches Gehör zu gewähren - auf die Möglichkeit hingewiesen, nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG bei missbräuchlicher Rechtsverfolgung Kosten aufzuerlegen."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist nicht begründet.

Nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 der Zivilprozessordnung -ZPO- kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dazu ist zwar nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist, bloße subjektive Empfindungen einer Partei reichen jedoch nicht aus. Vielmehr muss der Beteiligte von seinem Standpunkt aus nach gegenständlichen vernünftigen Erwägungen Bedenken haben können, der Richter werde das Rechtschutzbegehren nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Aufl. 2002, § 60 Rdnr. 7). Derartige Gründe sind vorliegend aber weder dargetan noch ersichtlich.

Soweit die Klägerin bemängelt, der Richter habe "ihre Klagegründe ignoriert", lassen sich daraus Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters nicht herleiten. Nachdem die Klägerin selbst angegeben hatte, während der Zeit, für die sie Leistungen beansprucht, wöchentlich mehr als 30 Stunden selbstständig erwerbstätig gewesen zu sein, kam es auf die Frage, ob die Anwartschaftszeiten erfüllt wären, nicht mehr entscheidend an, weil ein Leistungsanspruch bereits an der fehlenden Arbeitslosigkeit scheitert. Die "Ignorierung der Klagegründe" der Klägerin beruhte deshalb auf sachlich-rechtlichen Erwägungen im Rahmen einer zügigen Erörterung der entscheidungserheblichen Umstände und kann folglich bei Zugrundelegung vernünftiger Erwägungen bei einem Beteiligten nicht die Besorgnis begründen, der Richter werde nicht unparteiisch entscheiden.

Auch der Hinweis des Richters auf die Möglichkeit der Verhängung von Missbrauchsgebühren rechtfertigt eine solche Besorgnis nicht. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat die Klägerin selbst erklärt, ihr sei klar, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Fall nicht individuell gegeben seien und als Härtefall nicht gewürdigt würden. Die Weiterverfolgung eines Rechtsstreits trotz erkannter Aussichtslosigkeit kann jedoch einen Missbrauch der (kostenlosen) Rechtsverfolgung darstellen (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 192 Rdnr. 9). Für diesen Fall sieht das Gesetz einen entsprechenden Hinweis des Richters vor, damit sich der Beteiligte darauf einstellen kann (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Erteilung eines derartigen - vom Gesetz vorgesehenen - Hinweises ist deshalb nicht geeignet, bei dem Beteiligten Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters zu wecken.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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