L 15 A 27/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 A 27/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2003. Mit diesem Beschluss hat das Sozialgericht seinen Antrag, den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. JB als Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen.

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kann ein Sachverständiger nach § 118 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 406 der Zivilprozessordnung (ZPO) aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Wegen der Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung nach § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 ZPO mithin statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich hierbei nicht nach der subjektiven Sicht des Ablehnenden. Maßgeblich ist vielmehr, ob vom Standpunkt des Beteiligten aus bei vernünftiger Betrachtung objektiv die Besorgnis begründet ist, der Sachverständige habe sein Gutachten nicht unparteilich erstellt. Dabei sind gemäß § 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 406 Abs. 3 Satz 1 ZPO bzw. § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 44 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz ZPO die Ablehnungsgründe glaubhaft zu machen.

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Ebenso wie schon das Sozialgericht kann auch der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte feststellen, die im vorgenannten Sinne für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen Dr. B zum Nachteil des Klägers sprechen könnten.

Entgegen seiner Auffassung begründet die vom Kläger erhobene Rüge, der abgelehnte Sachverständige habe mit seinen Ausführungen auf Seite 15 seines Gutachtens vom 16. April 2003 die Tatsachen verdreht und unangemessen bewertet, die Besorgnis der Befangenheit nicht. Soweit es in der beanstandeten Passage heißt, der Kläger habe eine Psychotherapie aufgrund einer "enormen Anspruchshaltung an die Ausbildungsqualität des Therapeuten" bisher nicht durchgeführt, erscheint bereits zweifelhaft, ob der Sachverständige hiermit das Vorbringen des Klägers falsch wiedergegeben hat. Der Sachverständige hat zwar auf Seite 7 seines Gutachtens die Angaben des Klägers im Rahmen der Anamnese dahingehend referiert, dass der Kläger es nicht gut gefunden habe, "wie" ihm von Seiten des Instituts eröffnet worden sei, dass ein Psychotherapeut in Ausbildung die Therapie habe übernehmen sollen. Die Verwendung der modalen Konjunktion "wie" deutet jedoch nicht zwingend darauf hin, dass hiermit die Art und Weise der Eröffnung und nicht ihr Inhalt angesprochen werden sollte. Denn die gesamte Passage ist ersichtlich am Sprachgebrauch des Klägers orientiert und könnte - wofür sich die Bewertung auf Seite 15 auch als Indiz auffassen ließe - auch auf eine vom Kläger geäußerte Kritik an der Qualifikation des vorgeschlagenen Therapeuten hinweisen. Diese Frage kann hier indes auf sich beruhen, weil eine falsche Wiedergabe der Angaben des Klägers und/oder ihre fehlerhafte Interpretation für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen können. Da es nicht Aufgabe des Ablehnungsverfahrens, sondern des Verfahrens in der Sache selbst ist, die inhaltliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Gutachtens zu überprüfen, und das Ablehnungsverfahren im Falle der Sachverständigenablehnung allein dazu dient, die Beteiligten eines Rechtsstreits vor der Unsachlichkeit des als Gehilfe des Gerichts in das Verfahren eingebundenen Gutachters aus einem in seiner Person liegenden Grund zu bewahren, müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die auf ein unsachliches oder willkürliches Verhalten des abgelehnten Sachverständigen schließen lassen. An derartigen Umständen fehlt es hier jedoch. Insbesondere ist bei vernünftiger Betrachtung nicht ersichtlich, dass der Sachverständige die Angaben des Klägers bewusst verfälscht haben könnte, um auf diese Weise zu einem bestimmten Ergebnis zu gelangen. Denn das Gutachten ist sprachlich neutral und sachlich formuliert und hält sich darüber hinaus im Rahmen der gerichtlichen Vorgaben.

An dem vorstehenden Ergebnis ändert nichts, dass der abgelehnte Sachverständige das von ihm möglicherweise falsch wiedergegebene oder fehlerhaft interpretierte Vorbringen des Klägers im Rahmen seiner Beurteilung als "enorme" Anspruchshaltung an die Ausbildungsqualität eines eventuellen Therapeuten bewertet hat. Denn entgegen der Auffassung des Klägers hat der Sachverständige auch mit dieser Bewertung den Boden einer neutralen Begutachtung nicht verlassen. Es mag sein, dass sich der Wunsch eines Erkrankten, von einem voll ausgebildeten Therapeuten behandelt zu werden, nicht als "enorme" Anspruchshaltung an die Ausbildungsqualität des Therapeuten bewerten lässt. Die beanstandete Einschätzung kann jedoch nicht im Ablehnungsverfahren überprüft werden, weil es sich hierbei um eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und Überzeugungskraft des Gutachtens handelt, die - wie oben bereits ausgeführt - im Rahmen der Beweiswürdigung in der Sache selbst geklärt werden muss. Eine unsachliche Einstellung des abgelehnten Sachverständigen, die zu einem anderen Ergebnis führen würde, lässt sich aus der Einschätzung entgegen der Sichtweise des Klägers nicht herleiten. Denn der Verwendung des Adjektivs "enorm" fehlt auch in seiner Bedeutung als Superlativ jeglicher diskriminierender Charakter. Eine "Verärgerung" des abgelehnten Sachverständigen über den Wunsch, von einem voll ausgebildeten Therapeuten behandelt zu werden, lässt sich der beanstandeten Formulierung bei vernünftiger Betrachtung nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige die "enorme" Anspruchshaltung als lediglich ein Indiz unter mehreren für die von ihm bei dem Kläger festgestellte Persönlichkeitsstörung angeführt hat.
Rechtskraft
Aus
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