Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AL 1678/99 W 01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AL 97/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Berechtigung der Beklagten, bei der Ermittlung des Leistungsentgelts den Kirchensteuer-Hebesatz zu berücksichtigen und den Anspruch der Klägerin bereits mit Beginn des Monats, in dem sie geheiratet hat, Leistungen nach der Leistungsgruppe C zu beziehen.
Die 1951 geborene Klägerin, die keiner Kirche angehört, meldete sich zum 1. Februar 1999 arbeitslos. Mit Bescheid vom 16. Februar 1999 bewilligte die Beklagte ihr Arbeitslosengeld (Alg) für 668 Kalendertage nach einem Bemessungsentgelt von 730,- DM und einem wöchentlichen Leistungsentgelt von 499,67 DM. Dies führte zu einem wöchentlichen Leistungssatz von 334,81 DM. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch, den sie zunächst damit begründete, Einmalzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld seien bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts unberücksichtigt geblieben. Dem Widerspruch blieb der Erfolg versagt (Widerspruchsbescheid vom 10. März 1999; Poststempel vom 15. März 1999 auf dem Briefumschlag).
Auf die Klage zum Sozialgericht Berlin (S 53 AL 1678/99 W 01 Eingang am 16. April 1999) hat dieses auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 16. August 1999 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Am 21. November 1999 schloss die Klägerin mit ihrem derzeitigen Prozessbevollmächtigten die Ehe. Gegen den von der Beklagten daraufhin erlassenen Bescheid vom 3. Januar 2000 legte die Klägerin Widerspruch ein (Bl. 45 der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 21. Februar 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Widerspruch abgeholfen werde (Bl. 47 Verwaltungsakte). Im Übrigen wurde auf einen gesondert zugehenden Bescheid verwiesen.
Am 4. Februar 2000 erhielt die Klägerin einen weiteren Bewilligungsbescheid, mit dem ihr aufgrund eines Wechsels der Steuerklasse wegen Heirat für die Zeit vom 22. November 1999 bis 31. Dezember 1999 und für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 Alg nach der Leistungsgruppe C zuerkannt wurde. Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch vom 7. März 2000. Sie bemängelte, dass sie erst ab dem 22. November 1999 in die Leistungsgruppe C eingestuft worden sei. Ihr Ehegatte sei von seinem Arbeitgeber bereits zum 1. November 1999 in die Lohnsteuerklasse V eingruppiert worden. Sie verlange leistungsrechtlich die entsprechende Behandlung. Außerdem seien die Einmalzahlungen bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts nicht berücksichtigt worden. Auch sei die Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes bei der Ermittlung des Leistungsentgelts verfassungswidrig. Dem Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2000 (zur Post gegeben am 30. Mai 2000) der Erfolg versagt, wobei die Beklagte lediglich im Hinblick auf die Problematik der Einmalzahlungen darauf hinwies, dass der Bescheid vom 4. Februar 2000 Gegenstand des Sozialgerichtsverfahrens geworden sei. Gegen den Bescheid vom 4. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2000 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin (Eingang am 3. Juli 2000, Montag), die das Aktenzeichen erhielt.
Bereits am 16. Februar 2000 hatte die Klägerin eine Beschäftigung aufgenommen und sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet.
Mit den Änderungsbescheiden vom 21. November 2000 erhöhte die Beklagte das Bemessungsentgelt pauschal um 10 % aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung von Einmalzahlungen. Mit Schriftsatz vom 16. März 2001 erklärte sie die vorläufigen Bescheide im wieder aufgenommenen Verfahren S 53 AL 1678/99-W 01 für endgültig.
Die Klägerin erklärte das Verfahren nicht für erledigt sondern machte geltend, dass das gewährte Alg weiterhin zu niedrig bemessen sei, weil in verfassungswidriger Weise der Kirchensteuer-Hebesatz bei der Ermittlung des Leistungsentgelts berücksichtigt worden sei. Zum Verfahren wurde die Sozialgerichtsakte beigezogen; die angeregte Verbindung wurde nicht vorgenommen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 4. September 2001 die Klage gegen den Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. November 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei mit dem Grundgesetz vereinbar, dass nach § 136 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch / Drittes Buch (SGB III) bei Arbeitslosen unabhängig von der Frage der tatsächlichen Kirchenzugehörigkeit bei der Berechnung des Leistungsentgeltes ein Kirchensteuer-Hebesatz berücksichtigt werde. Zu dieser Feststellung sei bereits das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1994 (SozR 3-4100 § 111 Nr. 6) gelangt, die den Zeitraum bis 1985 betroffen habe. Das Bundessozialgericht habe in einem Urteil vom 10. August 2000 (Aktenzeichen B 11 AL 37/00 R) ausgeführt, dass der vom Verfassungsgericht geprägte Begriff einer deutlichen Mehrheit nicht starr im Sinne einer Zweidrittelmehrheit zu verstehen sei. Selbst wenn der Anteil der Kirchensteuerpflichtigen unter den Arbeitnehmern geringer als zwei Drittel wäre, bestünde keine Evidenz dafür, dass die vorgenannte Vorschrift mit dem vom Gesetzgeber gewählten Ansatz zur Typisierung nicht mehr vereinbar sei. Nach den Ermittlungen der erkennenden Kammer seien im Jahre 1998 27.398 Mill. Menschen Mitglied der evangelischen und 27.383 Mill. Menschen Mitglied der katholischen Kirche gewesen.
Gegen den ihr am 1. November 2001 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit der Berufung vom 19. November 2001. Daten aus 1998 könnten allenfalls für die Beurteilung der Rechtslage im Jahre 1999 herangezogen werden, nicht aber für das Jahr 2000, um das es vorliegend ebenfalls gehe. Die Zahl der im Gerichtsbescheid angegebenen Kirchenmitglieder sage nichts aus, soweit die Gesamtzahl der Deutschen nicht angegeben werde. Außerdem sei die Zahl der Nichtarbeitnehmer aus den Angaben herauszurechnen. Dies habe das Sozialgericht unterlassen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 4. September 2001 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 und des Änderungsbescheides vom 21. November 2000 sowie den Bescheid vom 4. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr das Arbeitslosengeld zu gewähren, das sich ohne Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes bei der Ermittlung des Leistungsentgelts ergibt, sowie ihr Arbeitslosengeld nach Leistungsgruppe C bereits ab dem 1. November 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Auskünfte des Statistischen Bundesamtes vom 15. April 2002 und 21. Mai 2003 in das Verfahren eingeführt. Danach waren von den Arbeitnehmern in Deutschland im Jahre 1995 59,9 % kirchensteuerpflichtig, im Jahre 1998 waren es noch 57,1 %.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren und auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Gewährung von Alg ohne Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes im Sinne von § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III bei der Ermittlung des Leistungsentgeltes noch einen Anspruch auf Gewährung von Alg nach der Leistungsgruppe C bereits im Zeitraum vom 1. bis 21. November 1999.
Gegenstand des Rechtsstreits sind zum einen die im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheide vom 16. Februar und 10. März 1999 sowie vom 21. November 2000. Zum anderen ist auch der Bescheid vom 4. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2000 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht mit dem Aktenzeichen S 53 AL 1678/99-W 01 geworden. Denn der Bescheid vom 4. Februar 2000 hat den in diesem Verfahren angefochtenen ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 1999 insoweit abgeändert, als nunmehr wegen des mit der Heirat verbundenen Lohnsteuerklassenwechsels Alg nach Leistungsgruppe C zu gewähren war. Der Bescheid ist daher Gegenstand des zum Zeitpunkt seines Erlasses schon anhängigen Verfahrens vor dem Sozialgericht gegen den Bescheid vom 16. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 geworden. Auf einen etwa entgegenstehenden Willen der Beteiligten kommt es für die Rechtsfolge des § 96 SGG ebenso wenig an, wie auf den Umstand, dass das SG nicht erkannt hat, dass im Verfahren S 53 AL 1678/99-W 01 auch über den Bescheid vom 4. Februar 2000 zu entscheiden war. Der Senat kann im Berufungsverfahren auch über den Bescheid vom 4. Februar 2000 entscheiden, obwohl ein Urteil erster Instanz zu diesem Bescheid nicht vorliegt, wenn dies, wie vorliegend, beantragt worden ist und die Beklagte nicht widersprochen hat (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 96, Rd-Nr. 12). Da ein erstinstanzliches Urteil insoweit nicht vorliegt, hatte der Senat nicht nur über die Berufung sondern auch über die Klage zu befinden.
Rechtsgrundlage der Festsetzung der Höhe des Alg sind die §§ 129 ff., hier insbesondere § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in Verbindung mit der SGB-III-Leistungsentgeltverordnung 1999 bzw. 2000. Insoweit streiten die Beteiligten allein um die Rechtmäßigkeit der pauschalen Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes nach dieser Vorschrift als gewöhnlich anfallender Abzug. Dies ist im Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden.
Das Bundesverfassungsgericht (SozR 3-4100 § 111 Nr. 6) hat in seiner Entscheidung vom 23. März 1994 ausgeführt, dass der Gesetzgeber sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität für eine pauschalierte Berechnung der Leistung entscheiden kann, die eine zügige Feststellung ermöglicht. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Lohnabzüge für die Ermittlung des Leistungsentgelts nicht individuell ermittelt werden, sondern der individuelle Bruttolohn um die durch Rechtsverordnung konkretisierten "gewöhnlich" anfallenden Abzüge vermindert wird. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, bei der Berechnung des Nettolohns auch Abgaben zu berücksichtigen, die an eine individuelle Entscheidung des Arbeitnehmers - hier die Kirchenmitgliedschaft - anknüpfen, solange er sich in den Grenzen zulässiger Typisierung hält. Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund statistischer Erkenntnisse davon ausgegangen werden kann, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer Kirchensteuer zahlt.
Das Bundessozialgericht hat bereits mit Urteil vom 5. September 1994 (SozR 3-4100 § 111 Nr. 8) zur Vorgängervorschrift (§ 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-) entschieden, dass diese solange als verfassungsgemäß anzusehen ist, als dem Gesetzgeber die durch den oben genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aufgegebene Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht möglich war.
In einem die Jahre 1998 und 1999 betreffenden Rechtsstreit hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 25. Juni 2002 (Az.: B 11 AL 55/01 R) in Fortsetzung der bisherigen Rechtssprechung (Urteil vom 21. März 2002, Az.: B 7 AL 18/01 R, BSGE 73, 195 ff.; BSG SozR 3-4100 § 249 e Nrn. 5 und 10, sowie Urteil vom 8. November 2001 [B 11 AL 43/01 R] und Urteil vom 10. August 2000 [B 11 AL 37/00 R]) entschieden, dass § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III bezogen auf den fraglichen Zeitraum nicht verfassungswidrig sei. Denn im Jahre 1998 gehörten noch 57,1 % der Arbeitnehmer einer steuererhebenden Kirche an. Daraus ergebe sich, dass noch eine überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer kirchensteuerpflichtig sei.
Es kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die ihm vom Bundesverfassungsgericht auferlegten Beobachtungs- und Handlungspflichten verletzt hat. Denn der Anteil der Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlen, kann nur über die Auswertung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik, die in einem dreijährigen Turnus ermittelt wird, festgestellt werden. Da hierbei die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung abzuwarten ist, liegt die Lohn- und Einkommensteuerstatistik erst gut drei Jahre nach Ablauf des Jahres, auf die sie sich bezieht, vor. Für die vermeintlich späte Erstellung der Statistik liegen daher sachliche Gründe vor. Unerheblich für den vorliegenden Rechtsstreit ist es, dass die Zahlen für die Jahre 1999 und 2000 (noch) nicht vorliegen. Die Handlungspflicht des Gesetzgebers wird erst dann ausgelöst, wenn dieser aufgrund statistischer Erkenntnisse annehmen muss, dass keine überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer mehr kirchensteuerpflichtig ist. Es ist in Erfüllung der Auflage des Bundesverfassungsgerichts ausreichend, wenn der Gesetzgeber die weitere Entwicklung aufgrund der tatsächlich bestehenden statistischen Möglichkeiten berücksichtigt. Es ist nicht erforderlich, dass der Gesetzgeber zur hier entscheidenden Frage der Kirchensteuerpflichtigkeit von Arbeitnehmern zusätzliche umfangreiche und komplizierte Ermittlungen anstellt. Zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Zustandes hat der Gesetzgeber nach der Auffassung des 11. Senats des Bundessozialgerichts im Urteil vom 25. Juni 2002 allerdings bereits dann zu handeln, wenn die Zahl der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer unter 55 % sinkt. Hierbei hat der erkennende 11. Senat des Bundessozialgerichts bereits berücksichtigt, dass die entsprechenden Statistiken jeweils mit mindestens drei Jahren Verzögerung vorliegen und nach derzeitiger Entwicklung davon auszugehen ist, dass die Anzahl der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer weiter abnehmen wird. Vorliegend steht allerdings fest, dass noch 57,1 % der Arbeitnehmer Kirchensteuer zu zahlen haben, so dass weder eine Pflicht zum Eingreifen des Gesetzgebers angenommen werden kann noch die Verfassungswidrigkeit der Norm zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, bereits ab dem 1. November 1999 Leistungen nach der Leistungsgruppe C zu erhalten. Denn die Voraussetzungen für den Eintrag der Lohnsteuerklasse III auf ihrer Steuerkarte lagen erst mit der Heirat am 22. November 1999 vor. Nach § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB III werden spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Dies ist hier der 22. November 1999. Unerheblich ist, dass der Arbeitgeber des Ehemannes der Klägerin diesen bereits mit Beginn des Monats November in die Lohnsteuerklasse V eingruppiert hat. Denn diese Eingruppierung hat einen völlig anderen Zweck als die Gewährung von Leistungen nach dem SGB III. Bei den Steuervorauszahlungen nach einer bestimmten Lohnsteuerklasse handelt es sich ohnehin nur um Vorauszahlungen auf die endgültige Steuerpflicht, die am Ende des gesamten Jahres im Rahmen der Lohn- bzw. Einkommensteuererklärung ermittelt wird. Bei der Leistungsgewährung hat sich der Gesetzgeber jedoch mit der Vorschrift des § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB III für eine Berücksichtigung mit Wirkung von dem Tag an entschieden, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Dies steht ihm ebenso frei wie in anderen Situationen aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität Pauschalierungen vorzunehmen.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Berechtigung der Beklagten, bei der Ermittlung des Leistungsentgelts den Kirchensteuer-Hebesatz zu berücksichtigen und den Anspruch der Klägerin bereits mit Beginn des Monats, in dem sie geheiratet hat, Leistungen nach der Leistungsgruppe C zu beziehen.
Die 1951 geborene Klägerin, die keiner Kirche angehört, meldete sich zum 1. Februar 1999 arbeitslos. Mit Bescheid vom 16. Februar 1999 bewilligte die Beklagte ihr Arbeitslosengeld (Alg) für 668 Kalendertage nach einem Bemessungsentgelt von 730,- DM und einem wöchentlichen Leistungsentgelt von 499,67 DM. Dies führte zu einem wöchentlichen Leistungssatz von 334,81 DM. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch, den sie zunächst damit begründete, Einmalzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld seien bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts unberücksichtigt geblieben. Dem Widerspruch blieb der Erfolg versagt (Widerspruchsbescheid vom 10. März 1999; Poststempel vom 15. März 1999 auf dem Briefumschlag).
Auf die Klage zum Sozialgericht Berlin (S 53 AL 1678/99 W 01 Eingang am 16. April 1999) hat dieses auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 16. August 1999 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Am 21. November 1999 schloss die Klägerin mit ihrem derzeitigen Prozessbevollmächtigten die Ehe. Gegen den von der Beklagten daraufhin erlassenen Bescheid vom 3. Januar 2000 legte die Klägerin Widerspruch ein (Bl. 45 der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 21. Februar 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Widerspruch abgeholfen werde (Bl. 47 Verwaltungsakte). Im Übrigen wurde auf einen gesondert zugehenden Bescheid verwiesen.
Am 4. Februar 2000 erhielt die Klägerin einen weiteren Bewilligungsbescheid, mit dem ihr aufgrund eines Wechsels der Steuerklasse wegen Heirat für die Zeit vom 22. November 1999 bis 31. Dezember 1999 und für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 Alg nach der Leistungsgruppe C zuerkannt wurde. Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch vom 7. März 2000. Sie bemängelte, dass sie erst ab dem 22. November 1999 in die Leistungsgruppe C eingestuft worden sei. Ihr Ehegatte sei von seinem Arbeitgeber bereits zum 1. November 1999 in die Lohnsteuerklasse V eingruppiert worden. Sie verlange leistungsrechtlich die entsprechende Behandlung. Außerdem seien die Einmalzahlungen bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts nicht berücksichtigt worden. Auch sei die Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes bei der Ermittlung des Leistungsentgelts verfassungswidrig. Dem Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2000 (zur Post gegeben am 30. Mai 2000) der Erfolg versagt, wobei die Beklagte lediglich im Hinblick auf die Problematik der Einmalzahlungen darauf hinwies, dass der Bescheid vom 4. Februar 2000 Gegenstand des Sozialgerichtsverfahrens geworden sei. Gegen den Bescheid vom 4. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2000 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin (Eingang am 3. Juli 2000, Montag), die das Aktenzeichen erhielt.
Bereits am 16. Februar 2000 hatte die Klägerin eine Beschäftigung aufgenommen und sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet.
Mit den Änderungsbescheiden vom 21. November 2000 erhöhte die Beklagte das Bemessungsentgelt pauschal um 10 % aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung von Einmalzahlungen. Mit Schriftsatz vom 16. März 2001 erklärte sie die vorläufigen Bescheide im wieder aufgenommenen Verfahren S 53 AL 1678/99-W 01 für endgültig.
Die Klägerin erklärte das Verfahren nicht für erledigt sondern machte geltend, dass das gewährte Alg weiterhin zu niedrig bemessen sei, weil in verfassungswidriger Weise der Kirchensteuer-Hebesatz bei der Ermittlung des Leistungsentgelts berücksichtigt worden sei. Zum Verfahren wurde die Sozialgerichtsakte beigezogen; die angeregte Verbindung wurde nicht vorgenommen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 4. September 2001 die Klage gegen den Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. November 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei mit dem Grundgesetz vereinbar, dass nach § 136 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch / Drittes Buch (SGB III) bei Arbeitslosen unabhängig von der Frage der tatsächlichen Kirchenzugehörigkeit bei der Berechnung des Leistungsentgeltes ein Kirchensteuer-Hebesatz berücksichtigt werde. Zu dieser Feststellung sei bereits das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1994 (SozR 3-4100 § 111 Nr. 6) gelangt, die den Zeitraum bis 1985 betroffen habe. Das Bundessozialgericht habe in einem Urteil vom 10. August 2000 (Aktenzeichen B 11 AL 37/00 R) ausgeführt, dass der vom Verfassungsgericht geprägte Begriff einer deutlichen Mehrheit nicht starr im Sinne einer Zweidrittelmehrheit zu verstehen sei. Selbst wenn der Anteil der Kirchensteuerpflichtigen unter den Arbeitnehmern geringer als zwei Drittel wäre, bestünde keine Evidenz dafür, dass die vorgenannte Vorschrift mit dem vom Gesetzgeber gewählten Ansatz zur Typisierung nicht mehr vereinbar sei. Nach den Ermittlungen der erkennenden Kammer seien im Jahre 1998 27.398 Mill. Menschen Mitglied der evangelischen und 27.383 Mill. Menschen Mitglied der katholischen Kirche gewesen.
Gegen den ihr am 1. November 2001 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit der Berufung vom 19. November 2001. Daten aus 1998 könnten allenfalls für die Beurteilung der Rechtslage im Jahre 1999 herangezogen werden, nicht aber für das Jahr 2000, um das es vorliegend ebenfalls gehe. Die Zahl der im Gerichtsbescheid angegebenen Kirchenmitglieder sage nichts aus, soweit die Gesamtzahl der Deutschen nicht angegeben werde. Außerdem sei die Zahl der Nichtarbeitnehmer aus den Angaben herauszurechnen. Dies habe das Sozialgericht unterlassen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 4. September 2001 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 und des Änderungsbescheides vom 21. November 2000 sowie den Bescheid vom 4. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr das Arbeitslosengeld zu gewähren, das sich ohne Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes bei der Ermittlung des Leistungsentgelts ergibt, sowie ihr Arbeitslosengeld nach Leistungsgruppe C bereits ab dem 1. November 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Auskünfte des Statistischen Bundesamtes vom 15. April 2002 und 21. Mai 2003 in das Verfahren eingeführt. Danach waren von den Arbeitnehmern in Deutschland im Jahre 1995 59,9 % kirchensteuerpflichtig, im Jahre 1998 waren es noch 57,1 %.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren und auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Gewährung von Alg ohne Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes im Sinne von § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III bei der Ermittlung des Leistungsentgeltes noch einen Anspruch auf Gewährung von Alg nach der Leistungsgruppe C bereits im Zeitraum vom 1. bis 21. November 1999.
Gegenstand des Rechtsstreits sind zum einen die im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheide vom 16. Februar und 10. März 1999 sowie vom 21. November 2000. Zum anderen ist auch der Bescheid vom 4. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2000 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht mit dem Aktenzeichen S 53 AL 1678/99-W 01 geworden. Denn der Bescheid vom 4. Februar 2000 hat den in diesem Verfahren angefochtenen ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 1999 insoweit abgeändert, als nunmehr wegen des mit der Heirat verbundenen Lohnsteuerklassenwechsels Alg nach Leistungsgruppe C zu gewähren war. Der Bescheid ist daher Gegenstand des zum Zeitpunkt seines Erlasses schon anhängigen Verfahrens vor dem Sozialgericht gegen den Bescheid vom 16. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 geworden. Auf einen etwa entgegenstehenden Willen der Beteiligten kommt es für die Rechtsfolge des § 96 SGG ebenso wenig an, wie auf den Umstand, dass das SG nicht erkannt hat, dass im Verfahren S 53 AL 1678/99-W 01 auch über den Bescheid vom 4. Februar 2000 zu entscheiden war. Der Senat kann im Berufungsverfahren auch über den Bescheid vom 4. Februar 2000 entscheiden, obwohl ein Urteil erster Instanz zu diesem Bescheid nicht vorliegt, wenn dies, wie vorliegend, beantragt worden ist und die Beklagte nicht widersprochen hat (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 96, Rd-Nr. 12). Da ein erstinstanzliches Urteil insoweit nicht vorliegt, hatte der Senat nicht nur über die Berufung sondern auch über die Klage zu befinden.
Rechtsgrundlage der Festsetzung der Höhe des Alg sind die §§ 129 ff., hier insbesondere § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in Verbindung mit der SGB-III-Leistungsentgeltverordnung 1999 bzw. 2000. Insoweit streiten die Beteiligten allein um die Rechtmäßigkeit der pauschalen Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes nach dieser Vorschrift als gewöhnlich anfallender Abzug. Dies ist im Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden.
Das Bundesverfassungsgericht (SozR 3-4100 § 111 Nr. 6) hat in seiner Entscheidung vom 23. März 1994 ausgeführt, dass der Gesetzgeber sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität für eine pauschalierte Berechnung der Leistung entscheiden kann, die eine zügige Feststellung ermöglicht. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Lohnabzüge für die Ermittlung des Leistungsentgelts nicht individuell ermittelt werden, sondern der individuelle Bruttolohn um die durch Rechtsverordnung konkretisierten "gewöhnlich" anfallenden Abzüge vermindert wird. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, bei der Berechnung des Nettolohns auch Abgaben zu berücksichtigen, die an eine individuelle Entscheidung des Arbeitnehmers - hier die Kirchenmitgliedschaft - anknüpfen, solange er sich in den Grenzen zulässiger Typisierung hält. Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund statistischer Erkenntnisse davon ausgegangen werden kann, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer Kirchensteuer zahlt.
Das Bundessozialgericht hat bereits mit Urteil vom 5. September 1994 (SozR 3-4100 § 111 Nr. 8) zur Vorgängervorschrift (§ 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-) entschieden, dass diese solange als verfassungsgemäß anzusehen ist, als dem Gesetzgeber die durch den oben genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aufgegebene Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht möglich war.
In einem die Jahre 1998 und 1999 betreffenden Rechtsstreit hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 25. Juni 2002 (Az.: B 11 AL 55/01 R) in Fortsetzung der bisherigen Rechtssprechung (Urteil vom 21. März 2002, Az.: B 7 AL 18/01 R, BSGE 73, 195 ff.; BSG SozR 3-4100 § 249 e Nrn. 5 und 10, sowie Urteil vom 8. November 2001 [B 11 AL 43/01 R] und Urteil vom 10. August 2000 [B 11 AL 37/00 R]) entschieden, dass § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III bezogen auf den fraglichen Zeitraum nicht verfassungswidrig sei. Denn im Jahre 1998 gehörten noch 57,1 % der Arbeitnehmer einer steuererhebenden Kirche an. Daraus ergebe sich, dass noch eine überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer kirchensteuerpflichtig sei.
Es kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die ihm vom Bundesverfassungsgericht auferlegten Beobachtungs- und Handlungspflichten verletzt hat. Denn der Anteil der Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlen, kann nur über die Auswertung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik, die in einem dreijährigen Turnus ermittelt wird, festgestellt werden. Da hierbei die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung abzuwarten ist, liegt die Lohn- und Einkommensteuerstatistik erst gut drei Jahre nach Ablauf des Jahres, auf die sie sich bezieht, vor. Für die vermeintlich späte Erstellung der Statistik liegen daher sachliche Gründe vor. Unerheblich für den vorliegenden Rechtsstreit ist es, dass die Zahlen für die Jahre 1999 und 2000 (noch) nicht vorliegen. Die Handlungspflicht des Gesetzgebers wird erst dann ausgelöst, wenn dieser aufgrund statistischer Erkenntnisse annehmen muss, dass keine überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer mehr kirchensteuerpflichtig ist. Es ist in Erfüllung der Auflage des Bundesverfassungsgerichts ausreichend, wenn der Gesetzgeber die weitere Entwicklung aufgrund der tatsächlich bestehenden statistischen Möglichkeiten berücksichtigt. Es ist nicht erforderlich, dass der Gesetzgeber zur hier entscheidenden Frage der Kirchensteuerpflichtigkeit von Arbeitnehmern zusätzliche umfangreiche und komplizierte Ermittlungen anstellt. Zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Zustandes hat der Gesetzgeber nach der Auffassung des 11. Senats des Bundessozialgerichts im Urteil vom 25. Juni 2002 allerdings bereits dann zu handeln, wenn die Zahl der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer unter 55 % sinkt. Hierbei hat der erkennende 11. Senat des Bundessozialgerichts bereits berücksichtigt, dass die entsprechenden Statistiken jeweils mit mindestens drei Jahren Verzögerung vorliegen und nach derzeitiger Entwicklung davon auszugehen ist, dass die Anzahl der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer weiter abnehmen wird. Vorliegend steht allerdings fest, dass noch 57,1 % der Arbeitnehmer Kirchensteuer zu zahlen haben, so dass weder eine Pflicht zum Eingreifen des Gesetzgebers angenommen werden kann noch die Verfassungswidrigkeit der Norm zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, bereits ab dem 1. November 1999 Leistungen nach der Leistungsgruppe C zu erhalten. Denn die Voraussetzungen für den Eintrag der Lohnsteuerklasse III auf ihrer Steuerkarte lagen erst mit der Heirat am 22. November 1999 vor. Nach § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB III werden spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Dies ist hier der 22. November 1999. Unerheblich ist, dass der Arbeitgeber des Ehemannes der Klägerin diesen bereits mit Beginn des Monats November in die Lohnsteuerklasse V eingruppiert hat. Denn diese Eingruppierung hat einen völlig anderen Zweck als die Gewährung von Leistungen nach dem SGB III. Bei den Steuervorauszahlungen nach einer bestimmten Lohnsteuerklasse handelt es sich ohnehin nur um Vorauszahlungen auf die endgültige Steuerpflicht, die am Ende des gesamten Jahres im Rahmen der Lohn- bzw. Einkommensteuererklärung ermittelt wird. Bei der Leistungsgewährung hat sich der Gesetzgeber jedoch mit der Vorschrift des § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB III für eine Berücksichtigung mit Wirkung von dem Tag an entschieden, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Dies steht ihm ebenso frei wie in anderen Situationen aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität Pauschalierungen vorzunehmen.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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