L 9 KR 149/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 883/99 W 00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 149/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels intracytoplasmatischer Spermainjektion (ICSI).

Aufgrund einer hochgradigen andrologischen Fertilitätsstörung besteht bei der 1962 geborenen und bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin und ihrem Ehemann keine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft auf herkömmliche Weise.

Die Beklagte erstattete der Klägerin deshalb die Kosten für Behandlungen (ICSI) im Oktober 1997, Februar 1998, Juli 1998 und September 2001 in Höhe von jeweils 2.187,00 DM bzw. einmal 1.011,23 DM. Darüber hinaus erstattete die Beklagte der Klägerin die Kosten für eine Behandlung (In vitro Fertilisation) im März 2000 in Höhe von 8.194,33 DM.

Die Erstattung der Kosten für eine am 7. April 1999 durchgeführte Behandlung lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 15. März 1999 und vom 1. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1999 mit der Begründung ab, eine ICSI-Behandlung könne nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden, weil eine solche Behandlung derzeit keine Maßnahme der künstlichen Befruchtung im Sinne der Richtlinien des Bundesausschusses über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung sei.

Im Juli 2000 und im Oktober 2000 führte die Klägerin weitere Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durch. Die Kosten hierfür wurden von der Beklagten nicht übernommen.

Mit ihrer am 14. Oktober 1999 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren, die Kostenerstattung für die am 7. April 1999 durchgeführte ICSI-Behandlung, weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass sie einen Anspruch auf Kostenübernahme für die ersten vier Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft habe und dass nach vier Versuchen ein Kostenübernahmeanspruch hinsichtlich dreier weiterer Versuche bestehe, wenn aufgrund ärztlicher Diagnose und Bewertung auch nach den vier fehlgeschlagenen Versuchen weiterhin eine hinreichende Aussicht auf Erfolg auf Herbeiführung einer Schwangerschaft bestehe. Eine solche medizinische Erfolgsaussicht sei seitens der behandelnden Ärzte festgestellt worden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Juli 2002 abgewiesen und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der im April 1999 durchgeführten Behandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, weil die Beklagte bereits die Kosten für fünf Behandlungen dieser Art übernommen habe. Einen darüber hinausgehenden Anspruch habe die Klägerin nicht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines geltend gemachten Anspruchs sei bei einer Verpflichtungs- und Leistungsklage - einerlei, ob diese allein oder in Verbindung mit einer Anfechtungsklage erhoben werde - der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Auf diesen Zeitpunkt sei auch hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsbegehrens der Klägerin abzustellen. Zwar sei im April 1999 die hinreichende Erfolgsaussicht der Behandlung noch nicht zu verneinen gewesen, weil es sich zum damaligen Zeitpunkt um die vierte Behandlung gehandelt habe. § 27 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 2. Halbsatz des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sei jedoch eine Konkretisierung des in § 12 SGB V enthaltenen und grundsätzlich im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach dem SGB V in jedem Zusammenhang zu berücksichtigenden Wirtschaftlichkeitsgebotes mit dem Inhalt, dass mehr als vier Versuche zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Regelfall durch die Krankenkasse nicht bezahlt werden sollen. Ein solcher Regelfall sei vorliegend gegeben. Es fehle an jeglichem Sachvortrag seitens der Klägerin, weshalb bei ihr irgendeine vom Regelfall abweichende Fallgestaltung vorliege.

Gegen das ihr am 25. September 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Oktober 2002 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt, dass die vom Gericht vorgenommene Gesamtbetrachtungsweise unzulässig sei. Sie begehre die Erstattung der Kosten für genau die vierte Behandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Hierzu sei die Beklagte grundsätzlich verpflichtet. Wenn sie darüber hinaus Kosten für weitere Versuche übernehme, so sei davon auszugehen, dass dies auch überprüft und zugeordnet worden sei. Die entsprechenden Zahlungen der Beklagten seien nicht allgemein als "irgendeine" beliebig zu verrechnende Kostenübernahme zu werten, sondern als eben über jene vier Behandlungen hinausgehende Zahlungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2002 und die Bescheide der Beklagten 15. März 1999 und vom 1. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die vierte ICSI-Behandlung im April 1999 in Höhe von 1.162,73 Euro (2.274,10 DM) zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, die sie für unbegründet hält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat, verwiesen.

II.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 15. März 1999 und vom 1. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1999 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB V - nur diese Alternative der genannten Norm kommt bei dieser Sach- und Rechtslage als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin in Betracht - auf Erstattung der Kosten für die im April 1999 durchgeführte Behandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe seiner Entscheidung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, der Klage zum Erfolg zu verhelfen. Die von ihr vertretene Auffassung, dass sie Anspruch auf Erstattung der Kosten für die ersten vier Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft habe, findet keine Stütze im Gesetz. Nach § 27 a Abs. 1 Nr. 2 SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn u.a. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht in der Regel nicht mehr, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Hiernach besteht entgegen der Auffassung der Klägerin kein Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung für die ersten vier Behandlungen dieser Art, sondern nur, soweit eine hinreichende Aussicht besteht, dass durch diese Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird. Diese hinreichende Erfolgsaussicht verneint der Gesetzgeber für den Regelfall, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt wurde.

Dies ist bei der Klägerin der Fall. Nicht nur diese vier erfolglosen Behandlungsversuche sind bereits durchgeführt worden, sondern weitere und die Beklagte hat ihr die Kosten für insgesamt fünf Behandlungen erstattet. Das Sozialgericht hat daher zutreffend ausgeführt, dass insoweit - wenn wie hier das Rechtschutzbegehren zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt wird - die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung maßgeblich ist und nicht der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. auch Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom 19. Juni 2001 - B 1 KR 4/00 R - und vom 25. März 2003 - B 1 KR 33/02 R; die letzte Entscheidung bislang nur als Pressemitteilung veröffentlicht).

Es sind auch weder Anhaltspunkte dafür ersichtlich noch wurde von der Klägerin hierfür eine besondere Begründung gegeben, dass in ihrem Fall ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt, der die Annahme rechtfertigt, dass trotz der erfolglosen und von der Beklagten bezahlten Behandlungen auch weiterhin die reale Chance der Herbeiführung einer Schwangerschaft besteht (Höfler in Kasseler Kommentar, SGB V, [ Std.: 40. El./Mai 2003], § 27 a RdNr. 14).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache selbst.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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