Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 RJ 1956/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 RJ 77/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1952 geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Zuletzt war sie seit Oktober 1984 als Pflegehelferin in einem städtischen Altenheim tätig. Seit März 1999 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Ein vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung - MDK - am 15. September 1999 erstelltes Gutachten gelangte zu der Einschätzung, es liege eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor.
Nachdem die Klägerin einen Rehabilitationsantrag gestellt hatte, veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Arzt für Innere Medizin Dr. R, der die Durchführung eines psychosomatischen Heilverfahrens für Suchtgefährdete empfahl (Gutachten vom 3. Januar 2000). Dieses wurde vom 28. März bis 9. Mai 2000 durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 17. Mai 2000 der Klinik S in B D wurden die Diagnosen
rezidivierende depressive Störung,
chronische Alkoholkrankheit (trocken seit 10/99),
arterieller Hypertonus,
Nikotinabusus
gestellt. Zum Leistungsvermögen der Klägerin heißt es, sie sei als arbeitsfähig entlassen worden. Es bestünden keine Einschränkungen des Leistungsvermögens, so dass sie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Altenpflegerin oder gleichwertige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig aufnehmen könne.
Im Juli 2000 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und machte dazu geltend, sie leide an Hypertonie, Depressionen und Panikattacken. Die Beklagte prüfte das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rentenart, zog Berichte über stationäre Behandlungen im Krankenhaus N vom 21. März bis 10. April 1999 sowie im J Krankenhaus vom 7. bis 30. Oktober 1999 bei und holte eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. R (vom 20. Juli 2000) ein, der angab, die Klägerin könne noch mittelschwere und zeitweise schwere Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten verrichten. Eine Alkoholgefährdung müsse ausgeschlossen werden.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Im Widerspruchsverfahren reichte die Klägerin eine Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin - Psychotherapie - H vom 21. August 2000 ein. Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2000 zurück. Die Klägerin sei nach den getroffenen medizinischen Feststellungen weder erwerbs- noch berufsunfähig. Nach ihrem beruflichen Werdegang seien ihr alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes zumutbar. Unbeachtlich für einen Rentenanspruch sei, ob Arbeitsunfähigkeit vorliege.
Mit der dagegen am 22. September 2000 erhobenen Klage hat die Klägerin unter Überreichung eines Entlassungsberichts des W-Krankenhauses vom 26. Januar 2001 (stationärer Aufenthalt vom 14. bis 26. Januar 2001) geltend gemacht, sie fühle sich nicht imstande, eine Tätigkeit auszuüben. Sie benötige Hilfe im Haushalt etc ... Das Sozialgericht hat den Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. B zum Sachverständigen ernannt. In seinem psychiatrischen Fachgutachten vom 12. Februar 2001 stellte er die Diagnosen
Alkohol- und Medikamentenmissbrauch bei Verdacht auf g-Alkoholismus in der chronischen Phase, derzeit abstinent,
asthenisch/dysphores Zustandsbild,
Fettleber,
arterieller Bluthochdruck leichter Ausprägung,
Spannungskopfschmerz
und gelangte zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch regelmäßig mittelschwere Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen im Gehen, Stehen oder Sitzen vollschichtig verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten unter Zeitdruck sowie in Nachtschichten. Wechselschicht sei zumutbar. Auf hohen Leitern und Gerüsten solle die Klägerin nicht mehr tätig sein. Ihre Fingergeschicklichkeit sei nicht eingeschränkt. Sie könne, da körperlich ganz untrainiert, nur leichte bis mittelschwere Gewichte heben und tragen. In der Ausübung geistiger Arbeiten sei sie nicht beschränkt. Sie könne die gewöhnlichen Wege zur Arbeitsstelle zurücklegen und benötige keine betriebsunüblichen Arbeitspausen.
Das Sozialgericht hat den Chefarzt Prof. Dr. F im Termin vom 18. Oktober 2001 über den Verlauf stationärer Behandlungen der Klägerin im Krankenhaus N vom 24. März bis 3. Mai, 3. bis 9. Juni und 23. Juli bis 11. August 2001 befragt und dazu eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B vom 5. November 2001 eingeholt. Die Klägerin hat Bescheinigungen des Arztes H vom 24. Februar und 4. September 2002 zum Verfahren gereicht.
Mit Urteil vom 27. September 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist dem Gutachter Dr. B gefolgt und hat im Wesentlichen ausgeführt, mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen sei die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Gegen das ihr am 31. Oktober 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 21. November 2002 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung trägt sie unter Überreichung einer Bescheinigung des Arztes H vom 2. März 2003 vor, dem Gutachten von Dr. B könne nicht gefolgt werden. Sie sei nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zudem habe sich ihr Gesundheitszustand nach der Begutachtung durch Dr. B verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 8. September 2000 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr seit dem 1. Juli 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Befundberichte vom Arzt H vom 14. April 2003 sowie vom Arzt für Innere Medizin St vom 25. Juni 2003 eingeholt. Zu diesen ärztlichen Unterlagen hat der Sachverständige Dr. B im Auftrag des Gerichts eine weitere ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 1. August 2003 abgegeben, auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Die die Klägerin betreffenden Renten- und Rehabilitationsakten der Beklagten sowie die Prozessakten des Sozialgerichts Berlin zum Az.: S 22 RJ 1956/00-25 haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 27. September 2001 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich gleichfalls nicht aus der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Neufassung des § 43 SGB VI oder aus § 240 SGB VI n. F.
Das vor dem 1. Januar 2001 geltende Recht kann hier - auch - angewandt werden, weil der Rentenantrag bereits im Juli 2000 gestellt wurde und auch Leistungen seither begehrt werden (vgl. §§ 300 Abs. 2, 302 b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 44 Abs. 1 SGB VI a. F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin erfüllt zwar die sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rentenart, sie ist aber nicht erwerbsunfähig. Erwerbsunfähig sind nach Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, sie erfüllt nicht einmal die weniger strengen Kriterien der Berufsunfähigkeit.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a. F.).
Zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt, dass die Klägerin keinen Berufsschutz beanspruchen und daher sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des sogenannten allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann. Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist oder der Arbeitnehmer sich von einer früher ausgeübten höherwertigen Tätigkeit gelöst hat. Danach ist der "bisherige Beruf" der Klägerin der einer Alterpflegehelferin. Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob sie diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen noch ausüben kann. Denn ein Versicherter ist nicht schon dann berufsunfähig, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn er auch in keinem zumutbaren anderen Beruf mehr tätig sein kann. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit sind von der Rechtsprechung des BSG bezüglich der Arbeiterberufe verschiedene Berufsgruppen entwickelt worden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Ausbildung überragende Bedeutung für die Qualität eines Berufes hat. Ausgehend von der am geringsten qualifizierten Tätigkeit gibt es die Gruppen mit dem Leitberuf des "ungelernten Arbeiters", des Arbeiters mit einer Ausbildung von bis zu 2 Jahren (angelernter Arbeiter) und des Arbeiters mit einer mehr als 2 jährigen Ausbildung (Facharbeiter). Die Gruppe der angelernten Arbeiter wird in einen oberen und einen unteren Bereich zusätzlich unterteilt. Dem oberen Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen. Grundsätzlich darf der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe im Verhältnis zu seinem bisherigen Beruf verwiesen werden, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 12. September 1991 - 5 RJ 34/90 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17). Die Klägerin ist auch unter Berücksichtung der Dauer der Berufsausübung als Altenpflegehelferin allenfalls in den unteren Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter einzustufen, da sie keine über eine bloße Einweisung und Einarbeitung hinausgehende echte betriebliche Ausbildung von mehr als einem Jahr durchlaufen hat. Nach ihren Angaben im Rentenantrag betrug die Anlernzeit lediglich ein viertel Jahr. Als angelernte Arbeiterin - des unteren Bereichs - sind der Klägerin alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar und es bedarf nicht der generellen Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit.
Jedenfalls für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verfügt die Klägerin noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Zu dessen Beurteilung folgt der Senat ebenso wie bereits das Sozialgericht den nachvollziehbaren und damit überzeugenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B, die erkennbar auf einer sorgfältigen Meinungsbildung aufgrund eingehender Untersuchung der Klägerin und umfänglicher Berücksichtigung der in den Gerichts- und Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen beruhen. Das genannte Gutachten ist auch deshalb überzeugend, weil darin das Leistungsvermögen der Klägerin ähnlich wie bereits durch Dr. R im Gutachten vom 6. Januar 2000 in Verbindung mit seiner prüfärztlichen Stellungnahme vom 20. Juli 2000 und durch die Ärzte der Rehabilitationsklinik im Entlassungsbericht vom 17. Mai 2000 beurteilt wird. Dabei kommt der Einschätzung der zuletzt genannten Stelle nach Auffassung des Gerichts besondere Bedeutung zu, da es sich um eine Fachklinik für die Erkrankungen der Klägerin mit entsprechend hoher Beurteilungskompetenz handelt. Zudem befand sich die Klägerin dort über einen längeren Zeitraum in stationärer Behandlung, so dass auch aus diesem Grund ihre Beschwerden sowie das verbliebene Leistungsvermögen umfänglich festgestellt bzw. beurteilt werden konnten.
Der abweichenden Beurteilung des Leistungsvermögens durch den behandelnden Arzt H vermochte sich das Gericht nicht anzuschließen. Mit dessen Einschätzung hat sich der Sachverständige Dr. B, der als unabhängiger Gutachter in keinem engen Arzt-Patienten-Verhältnis zur Klägerin steht, ausführlich in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 5. November 2001 und 1. August 2003 auseinandergesetzt und dargelegt, warum ihnen nicht zu folgen ist. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Entscheidend ist insoweit, dass nach den gutachterlichen Feststellungen der Substanzmissbrauch dem Einfluss der Klägerin nicht entzogen ist, da ihre Willensbestimmung nicht krankheitsbedingt aufgehoben ist.
Vom Sachverständigen ist zudem nachvollziehbar dargelegt worden, dass es auch unter Berücksichtigung der häufigen stationären Behandlungen in 2001 zu keiner bedeutsamen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin gekommen ist. Die Klägerin macht zwar eine solche Verschlechterung ohne nähere Angaben geltend, diese wird aber selbst durch die zur ergänzenden Berufungsbegründung vorgelegte Bescheinigung des Arztes H vom 2. März 2003 nicht nachvollziehbar belegt, denn darin heißt es, das Krankheitsbild bestehe unverändert fort. Unter Berücksichtigung dieser Einschätzung ist es nicht überzeugend, wenn der Arzt in der gleichen Bescheinigung auch eine allmähliche und zunehmende Verschlechterung des Zustandes behauptet. Zudem gab er im Befundbericht vom 14. April 2003 an, die von ihm erhobenen Befunde seien etwa gleichbleibend. Die vom Arzt St im Befundbericht vom 25. Juni 2003 angegebene progrediente Verschlechterung der psychischen Situation der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn gegenüber dem Gerichtsgutachter und auch dem Arzt H verfügt der Arzt für Innere Medizin St über eine geringere Fachkompetenz zur Beurteilung dieser Beschwerden.
Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung seit dem 1. Januar 2001 nach §§ 43, 240 SGB VI in der geltenden Fassung. Die Klägerin ist nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert, weil sie noch Arbeiten vollschichtig ausüben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1952 geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Zuletzt war sie seit Oktober 1984 als Pflegehelferin in einem städtischen Altenheim tätig. Seit März 1999 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Ein vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung - MDK - am 15. September 1999 erstelltes Gutachten gelangte zu der Einschätzung, es liege eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor.
Nachdem die Klägerin einen Rehabilitationsantrag gestellt hatte, veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Arzt für Innere Medizin Dr. R, der die Durchführung eines psychosomatischen Heilverfahrens für Suchtgefährdete empfahl (Gutachten vom 3. Januar 2000). Dieses wurde vom 28. März bis 9. Mai 2000 durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 17. Mai 2000 der Klinik S in B D wurden die Diagnosen
rezidivierende depressive Störung,
chronische Alkoholkrankheit (trocken seit 10/99),
arterieller Hypertonus,
Nikotinabusus
gestellt. Zum Leistungsvermögen der Klägerin heißt es, sie sei als arbeitsfähig entlassen worden. Es bestünden keine Einschränkungen des Leistungsvermögens, so dass sie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Altenpflegerin oder gleichwertige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig aufnehmen könne.
Im Juli 2000 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und machte dazu geltend, sie leide an Hypertonie, Depressionen und Panikattacken. Die Beklagte prüfte das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rentenart, zog Berichte über stationäre Behandlungen im Krankenhaus N vom 21. März bis 10. April 1999 sowie im J Krankenhaus vom 7. bis 30. Oktober 1999 bei und holte eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. R (vom 20. Juli 2000) ein, der angab, die Klägerin könne noch mittelschwere und zeitweise schwere Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten verrichten. Eine Alkoholgefährdung müsse ausgeschlossen werden.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Im Widerspruchsverfahren reichte die Klägerin eine Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin - Psychotherapie - H vom 21. August 2000 ein. Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2000 zurück. Die Klägerin sei nach den getroffenen medizinischen Feststellungen weder erwerbs- noch berufsunfähig. Nach ihrem beruflichen Werdegang seien ihr alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes zumutbar. Unbeachtlich für einen Rentenanspruch sei, ob Arbeitsunfähigkeit vorliege.
Mit der dagegen am 22. September 2000 erhobenen Klage hat die Klägerin unter Überreichung eines Entlassungsberichts des W-Krankenhauses vom 26. Januar 2001 (stationärer Aufenthalt vom 14. bis 26. Januar 2001) geltend gemacht, sie fühle sich nicht imstande, eine Tätigkeit auszuüben. Sie benötige Hilfe im Haushalt etc ... Das Sozialgericht hat den Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. B zum Sachverständigen ernannt. In seinem psychiatrischen Fachgutachten vom 12. Februar 2001 stellte er die Diagnosen
Alkohol- und Medikamentenmissbrauch bei Verdacht auf g-Alkoholismus in der chronischen Phase, derzeit abstinent,
asthenisch/dysphores Zustandsbild,
Fettleber,
arterieller Bluthochdruck leichter Ausprägung,
Spannungskopfschmerz
und gelangte zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch regelmäßig mittelschwere Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen im Gehen, Stehen oder Sitzen vollschichtig verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten unter Zeitdruck sowie in Nachtschichten. Wechselschicht sei zumutbar. Auf hohen Leitern und Gerüsten solle die Klägerin nicht mehr tätig sein. Ihre Fingergeschicklichkeit sei nicht eingeschränkt. Sie könne, da körperlich ganz untrainiert, nur leichte bis mittelschwere Gewichte heben und tragen. In der Ausübung geistiger Arbeiten sei sie nicht beschränkt. Sie könne die gewöhnlichen Wege zur Arbeitsstelle zurücklegen und benötige keine betriebsunüblichen Arbeitspausen.
Das Sozialgericht hat den Chefarzt Prof. Dr. F im Termin vom 18. Oktober 2001 über den Verlauf stationärer Behandlungen der Klägerin im Krankenhaus N vom 24. März bis 3. Mai, 3. bis 9. Juni und 23. Juli bis 11. August 2001 befragt und dazu eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B vom 5. November 2001 eingeholt. Die Klägerin hat Bescheinigungen des Arztes H vom 24. Februar und 4. September 2002 zum Verfahren gereicht.
Mit Urteil vom 27. September 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist dem Gutachter Dr. B gefolgt und hat im Wesentlichen ausgeführt, mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen sei die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Gegen das ihr am 31. Oktober 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 21. November 2002 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung trägt sie unter Überreichung einer Bescheinigung des Arztes H vom 2. März 2003 vor, dem Gutachten von Dr. B könne nicht gefolgt werden. Sie sei nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zudem habe sich ihr Gesundheitszustand nach der Begutachtung durch Dr. B verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 8. September 2000 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr seit dem 1. Juli 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Befundberichte vom Arzt H vom 14. April 2003 sowie vom Arzt für Innere Medizin St vom 25. Juni 2003 eingeholt. Zu diesen ärztlichen Unterlagen hat der Sachverständige Dr. B im Auftrag des Gerichts eine weitere ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 1. August 2003 abgegeben, auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Die die Klägerin betreffenden Renten- und Rehabilitationsakten der Beklagten sowie die Prozessakten des Sozialgerichts Berlin zum Az.: S 22 RJ 1956/00-25 haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 27. September 2001 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich gleichfalls nicht aus der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Neufassung des § 43 SGB VI oder aus § 240 SGB VI n. F.
Das vor dem 1. Januar 2001 geltende Recht kann hier - auch - angewandt werden, weil der Rentenantrag bereits im Juli 2000 gestellt wurde und auch Leistungen seither begehrt werden (vgl. §§ 300 Abs. 2, 302 b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 44 Abs. 1 SGB VI a. F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin erfüllt zwar die sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rentenart, sie ist aber nicht erwerbsunfähig. Erwerbsunfähig sind nach Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, sie erfüllt nicht einmal die weniger strengen Kriterien der Berufsunfähigkeit.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a. F.).
Zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt, dass die Klägerin keinen Berufsschutz beanspruchen und daher sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des sogenannten allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann. Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist oder der Arbeitnehmer sich von einer früher ausgeübten höherwertigen Tätigkeit gelöst hat. Danach ist der "bisherige Beruf" der Klägerin der einer Alterpflegehelferin. Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob sie diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen noch ausüben kann. Denn ein Versicherter ist nicht schon dann berufsunfähig, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn er auch in keinem zumutbaren anderen Beruf mehr tätig sein kann. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit sind von der Rechtsprechung des BSG bezüglich der Arbeiterberufe verschiedene Berufsgruppen entwickelt worden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Ausbildung überragende Bedeutung für die Qualität eines Berufes hat. Ausgehend von der am geringsten qualifizierten Tätigkeit gibt es die Gruppen mit dem Leitberuf des "ungelernten Arbeiters", des Arbeiters mit einer Ausbildung von bis zu 2 Jahren (angelernter Arbeiter) und des Arbeiters mit einer mehr als 2 jährigen Ausbildung (Facharbeiter). Die Gruppe der angelernten Arbeiter wird in einen oberen und einen unteren Bereich zusätzlich unterteilt. Dem oberen Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen. Grundsätzlich darf der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe im Verhältnis zu seinem bisherigen Beruf verwiesen werden, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 12. September 1991 - 5 RJ 34/90 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17). Die Klägerin ist auch unter Berücksichtung der Dauer der Berufsausübung als Altenpflegehelferin allenfalls in den unteren Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter einzustufen, da sie keine über eine bloße Einweisung und Einarbeitung hinausgehende echte betriebliche Ausbildung von mehr als einem Jahr durchlaufen hat. Nach ihren Angaben im Rentenantrag betrug die Anlernzeit lediglich ein viertel Jahr. Als angelernte Arbeiterin - des unteren Bereichs - sind der Klägerin alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar und es bedarf nicht der generellen Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit.
Jedenfalls für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verfügt die Klägerin noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Zu dessen Beurteilung folgt der Senat ebenso wie bereits das Sozialgericht den nachvollziehbaren und damit überzeugenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B, die erkennbar auf einer sorgfältigen Meinungsbildung aufgrund eingehender Untersuchung der Klägerin und umfänglicher Berücksichtigung der in den Gerichts- und Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen beruhen. Das genannte Gutachten ist auch deshalb überzeugend, weil darin das Leistungsvermögen der Klägerin ähnlich wie bereits durch Dr. R im Gutachten vom 6. Januar 2000 in Verbindung mit seiner prüfärztlichen Stellungnahme vom 20. Juli 2000 und durch die Ärzte der Rehabilitationsklinik im Entlassungsbericht vom 17. Mai 2000 beurteilt wird. Dabei kommt der Einschätzung der zuletzt genannten Stelle nach Auffassung des Gerichts besondere Bedeutung zu, da es sich um eine Fachklinik für die Erkrankungen der Klägerin mit entsprechend hoher Beurteilungskompetenz handelt. Zudem befand sich die Klägerin dort über einen längeren Zeitraum in stationärer Behandlung, so dass auch aus diesem Grund ihre Beschwerden sowie das verbliebene Leistungsvermögen umfänglich festgestellt bzw. beurteilt werden konnten.
Der abweichenden Beurteilung des Leistungsvermögens durch den behandelnden Arzt H vermochte sich das Gericht nicht anzuschließen. Mit dessen Einschätzung hat sich der Sachverständige Dr. B, der als unabhängiger Gutachter in keinem engen Arzt-Patienten-Verhältnis zur Klägerin steht, ausführlich in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 5. November 2001 und 1. August 2003 auseinandergesetzt und dargelegt, warum ihnen nicht zu folgen ist. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Entscheidend ist insoweit, dass nach den gutachterlichen Feststellungen der Substanzmissbrauch dem Einfluss der Klägerin nicht entzogen ist, da ihre Willensbestimmung nicht krankheitsbedingt aufgehoben ist.
Vom Sachverständigen ist zudem nachvollziehbar dargelegt worden, dass es auch unter Berücksichtigung der häufigen stationären Behandlungen in 2001 zu keiner bedeutsamen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin gekommen ist. Die Klägerin macht zwar eine solche Verschlechterung ohne nähere Angaben geltend, diese wird aber selbst durch die zur ergänzenden Berufungsbegründung vorgelegte Bescheinigung des Arztes H vom 2. März 2003 nicht nachvollziehbar belegt, denn darin heißt es, das Krankheitsbild bestehe unverändert fort. Unter Berücksichtigung dieser Einschätzung ist es nicht überzeugend, wenn der Arzt in der gleichen Bescheinigung auch eine allmähliche und zunehmende Verschlechterung des Zustandes behauptet. Zudem gab er im Befundbericht vom 14. April 2003 an, die von ihm erhobenen Befunde seien etwa gleichbleibend. Die vom Arzt St im Befundbericht vom 25. Juni 2003 angegebene progrediente Verschlechterung der psychischen Situation der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn gegenüber dem Gerichtsgutachter und auch dem Arzt H verfügt der Arzt für Innere Medizin St über eine geringere Fachkompetenz zur Beurteilung dieser Beschwerden.
Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung seit dem 1. Januar 2001 nach §§ 43, 240 SGB VI in der geltenden Fassung. Die Klägerin ist nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert, weil sie noch Arbeiten vollschichtig ausüben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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