Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 RJ 581/97-24
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RJ 37/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juni 1999 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23. April 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1997 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. März 1996 zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist nur noch die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ab 1. März 1996, nachdem die Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 29. Februar 1996 hinaus auf Grund des Ergebnisses der weiteren medizinischen Ermittlungen nicht mehr beansprucht wird.
Der 1945 geborene Kläger hat eine dreijährige Lehre zum Dreher durchlaufen. Seit dem 8. April 1963 war der Kläger bei der Firma W und T zeitweise als Schlosser/Kranmonteur mit dem Auf- und Abbau von Kränen und Instandsetzungsarbeiten an diesen, dem Auf- und Abbau von Aufzügen sowie dem Verlegen von Krangleisen und im Übrigen als Kranführer beschäftigt. Vom 9. März bis 3. April 1964 nahm er an einem Grundlehrgang zum Turmkranführer teil. Mit Fertigkeitsnachweis vom 18. April 1979 wurde ihm bestätigt, dass er auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale als Baumaschinenführer im Hochbau erfülle. Am 15. Dezember 1979 bestand er die Prüfung zum Baumaschinenführer (Hochbau). Seit 1981 (so der Kläger) oder bereits seit dem 1. Mai 1979 (so der Arbeitgeber) war der Kläger auf Grund seiner guten Leistungen als Kranführer-Vorarbeiter beschäftigt und wurde nach der (zweithöchsten) Tarifgruppe M II des Lohntarifs des Baugewerbes entlohnt.
Nach vorangehenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nahm der Kläger vom 2. Februar bis 2. März 1994 an einem von der Beklagten gewährten Heilverfahren teil und war nach verschiedenen Arbeitsversuchen auch in anderen Einsatzbereichen seit dem 18. Mai 1994 erneut arbeitsunfähig krank. Auf seinen am 30. Mai 1994 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gewährte die Beklagte schließlich mit Bescheid vom 5. April 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit (nach einem Leistungsfall vom 18. Mai 1994) in der Zeit vom 1. Dezember 1994 bis 29. Februar 1996. Die Berentung beruhte im Wesentlichen auf Beschwerden des Klägers aus dem orthopädischen Bereich.
Am 29. November 1995 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte veranlasste ein Gutachten durch die Ärztin für Sozialmedizin Dr. H vom 18. Juni 1996 und den Orthopäden Dr. S vom 7. März 1996, die beide zu dem Ergebnis kamen, der Kläger könne noch zumindest körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen verrichten. Unter Hinweis auf diese Feststellungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 1996 den Rentenantrag ab, weil der Kläger mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch zumutbare Beschäftigungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte ein weiteres orthopädisches Gutachten vom 26. Februar 1997 durch Dr. Z, in dem ebenfalls noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen festgestellt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 1997 bestätigte die Beklagte anschließend ihre ablehnende Entscheidung.
Dagegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der er weiterhin unter Hinweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beansprucht hat.
Nach einem Arbeitsversuch in verschiedenen (allerdings körperlich belastenden) Bereichen seines Arbeitgebers hat der Kläger auf Grund erneuter Arbeitsunfähigkeit seit 7. November 1996 Krankengeld vom 19. Dezember 1996 bis 7. Mai 1998 bezogen, unterbrochen durch den Bezug von Übergangsgeld während eines weiteren von der Beklagten gewährten Heilverfahrens vom 18. Februar bis 11. März 1998. Ab 8. Mai 1998 hat der Kläger Arbeitslosengeld bezogen.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend Prof. Dr. S mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 9. November 1998 bei dem Kläger folgende Erkrankungen festgestellt:
1. Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit kleinem Bandscheibenvorfall im Bereich der mittleren HWS rechtsseitig mit geringgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen Degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5 rechts und Postnukleotomiesyndrom mit der Folge gering- bis gelegentlich mittelgradiger Nervenwurzelreizerscheinungen
2. Beginnende degenerative Veränderungen der Knie- und Fingergelenke
3. Senk-Spreiz-Knickfuß-Leiden
4. Nervenengpasssyndrom des N. cutaneus femoris rechts mit Taubheitsgefühl am rechten Oberschenkel.
Unter Berücksichtigung der daraus resultierenden Beschwerden hat der Gutachter den Kläger noch für fähig erachtet, vollschichtig körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen zu verrichten.
Sodann hat das SG die Klage mit Urteil vom 9. Juni 1999 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe über Februar 1996 hinaus ein Rentenanspruch nicht zu. Der Kläger sei bereits nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil er unter Berücksichtigung des maßgebenden bisherigen Berufs als Baumaschinenführer, der der Gruppe der Angelernten im unteren Bereich zugeordnet werden müsse, zumutbar verwiesen werden könne auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes, für die er nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen noch ein ausreichendes vollschichtiges Leistungsvermögen besitze. Mithin bestehe auch kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI, weil diese noch weitergehende Leistungseinschränkungen voraussetze.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewandt, mit der er zunächst weiterhin einen Anspruch auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beansprucht hat. Zur Begründung hat er angeführt, das SG habe nicht den ihm zustehenden Berufsschutz als Baumaschinenführer berücksichtigt und auch nicht beachtet, dass sein Gesundheitszustand wegen der schwerwiegenden Leiden auf orthopädischem Gebiet eine regelmäßige Berufstätigkeit nicht mehr zulasse.
Der Senat hat eine Auskunft des Arbeitgebers zu der bisherigen Beschäftigung eingeholt und aus der eingesehenen Leistungsakte des Arbeitsamtes Berlin West einige Kopien zur Akte genommen und anschließend auf Grund der nach Gutachtenerstattung zur Gerichtsakte gelangten weiteren medizinischen Unterlagen eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S vom 17. Oktober 2000 eingeholt, der keinen Anlass zu einer Änderung seiner Einschätzung gesehen hat.
Der Kläger hat ergänzend ein MDK-Gutachten vom 29. September 2000 vorgelegt, in dem ein nur noch halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen angenommen wird.
Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme hierzu auf die ihres Erachtens zutreffende gutachterliche Wertung verwiesen und gleichzeitig als zumutbare Verweisungstätigkeit auf die Tätigkeit eines Postbearbeiters und das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 1995 -L 2 J 248/94- verwiesen. Die danach erforderlichen kaufmännischen Grundkenntnisse, die nach gerichtlichem Hinweis nicht erkennbar sind, hat die Beklagte der klägerischen Angabe im Rehaverfahren, er sei als Kranfahrer-Sprecher tätig gewesen, entnommen.
Nach Hinweis des Klägers auf eine seit Dezember 1999 anerkannte Schwerbehinderung und Eingang des Befundberichtes des behandelnden Orthopäden hat der Senat Prof. Dr. N mit der erneuten Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat in seinem orthopädischen Gutachten vom 8. Oktober 2001 folgende Diagnosen gestellt:
Chronisches LWS-Syndrom bei Zustand nach Nukleotomie L4/L5.
Chronisches Zervikalsyndrom.
Depression.
Chronische Bronchitis.
Tinnitus.
Meralgia paraesthetica rechts.
Kontaktekzem beider Hände.
Herzrhythmusstörungen.
Hypercholesterinämie.
Initiale Gonarthrose beidseits.
Fingermittelgelenksarthrose (Bouchard-Arthrose) beidseits.
Er ist zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch vollschichtig körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten nicht in einseitiger Körperhaltung und ohne einseitige Belastung verrichten könne. Feuchtigkeit oder Zugluft sollten wegen der Bronchitis sowie Arbeiten unter Zeitdruck (wie Akkord- oder Fließbandarbeiten) wegen der rezidivierenden depressiven Stimmung vermieden werden. Ein kurzzeitiges Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg sei zumutbar; eine ständige Überkopfarbeit müsse vermieden werden. Ebenso sei ständiges oder gehäuftes Bücken, Hocken oder Knien zu vermeiden.
Ferner hat auf Veranlassung des Senats Dr. S-D ein nervenärztliches Gutachten vom 8. April 2002 erstattet und darin folgende bei dem Kläger bestehende Erkrankungen genannt:
1. Chronisches Schmerzsyndrom der Wirbelsäule nach operativ versorgtem Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule und Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule.
2. Somatisierungsstörung.
3. Abnutzungserscheinungen der Kniegelenke.
4. Fingergelenkspondylarthrose.
5. Zustand nach operativ versorgtem Ulnaris Syndrom beiderseits.
6. Asthmoide Bronchitis.
Unter Berücksichtigung der daraus resultierenden Beschwerden ist er zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne besondere Umgebungsbelastungen und nicht überwiegend im Stehen verrichten. Einseitige körperliche Belastungen, Tätigkeiten in festgelegtem Arbeitsrhythmus, unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten mit ständigem oder häufigem Bücken, Hocken oder Knien seien nicht zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg sei möglich. Einschränkungen auf geistig-seelischem Gebiet bestünden nicht. Besonderheiten für den Weg zur Arbeit seien nicht zu beachten.
Schließlich hat der Senat eine Auskunft des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes vom 5. Juni 2003 eingeholt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juni 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. April 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1997 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Renten- und Reha-Akten), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat im Anschluss an die bis zum 29. Februar 1996 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit Anspruch (nur noch) auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bestimmt sich nach § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, da der Kläger den Antrag auf Weitergewährung von Rente im Jahre 1995 gestellt hat.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind - was zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist - erfüllt, wie sich aus dem Versicherungsverlauf und dem vorausgehenden Rentenbezug ergibt.
Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger, da er mit dem festgestellten wieder bestehendem Restleistungsvermögen zwar wieder beruflich tätig sein kann und damit nicht länger erwerbsunfähig ist, aber seinen bisherigen Beruf als Kranführer nicht mehr ausüben kann und eine zumutbare Verweisungstätigkeit nicht ersichtlich ist.
Die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme eines im Ergebnis aufgehobenen Leistungsvermögens und damit das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit sind nach den gutachterlichen Feststellungen jedenfalls nicht über den 29. Februar 1996 gegeben, was der Kläger mit seiner zwischenzeitlichen Beschränkung seines Berufungsantrages ersichtlich einräumt. Denn nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen ist der Kläger wieder in der Lage, zumindest körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten, wenn diese u.a. nicht mit besonderen Umgebungsbelastungen, einseitiger Körperhaltung oder einseitiger Belastung oder Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten verbunden sind. Dass dem Kläger mithin die Ausübung seines bisherigen Berufes als Kranführer auch weiterhin nicht mehr möglich ist, bestreitet deshalb auch die Beklagte nicht.
Dies begründet die Berufsunfähigkeit des Klägers. Denn ihm ist von der Beklagten keine andere Tätigkeit benannt worden, die ihm sozial zumutbar ist und die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich zu bewältigen vermag. Auch für das Gericht ist eine derartige Tätigkeit nicht ersichtlich.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Prüfung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen unterteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung gebildet worden, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität des Berufes haben. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nur auf die nächst niedrigere Stufe verwiesen werden (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17 m.w.N.). Die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Ausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 27, 33).
Mithin ist es nicht entscheidend, dass der Kläger für seinen Beruf als Kranführer keinen entsprechenden förmlichen Abschluss einer (Facharbeiter-) Ausbildung nachweisen kann. Denn auch wenn es sich bei der Tätigkeit eines Kranführers nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf handelt (einen einschlägigen Berufsabschluss gibt es erst seit 1978 als Fortbildungsberuf [Verordnung vom 12. Dezember 1977, BGBl. I 2539] und seit 1991 als Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von drei Jahren [Verordnung über die Berufsausbildung zum Baugeräteführer vom 11. Juli 1991, BGBl. I 1492]), kann der Kläger Berufsschutz als Angelernter im oberen Bereich oder sogar als Facharbeiter genießen. Eine derartige Wertigkeit seines bisherigen Berufes kann sich insbesondere aus einer entsprechenden tarifvertraglichen Einstufung der betreffenden Tätigkeit herleiten lassen, wobei auch der individuellen Eingruppierung des Klägers durch seinen letzten Arbeitgeber Bedeutung zukommt (so zum Kranführer BSG, Urteil vom 25. August 1993 -13 RJ 61/92-; so auch BSG, Urteil vom 13. Mai 1995 -13 RJ 67/94- unter Hinweis auf das vorgenannte Urteil). Zur Gruppe der Arbeiter mit dem Leitberuf des Facharbeiters gehören daher auch diejenigen Versicherten, die in Tätigkeitsbereichen ohne anerkannte Ausbildung oder mit einer Ausbildung bis zu 2 Jahren arbeiten, wenn diese Tätigkeiten den anerkannten Ausbildungsberufen mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung - insbesondere wegen ihrer Bedeutung für den Betrieb - qualitativ gleichgestellt sind. Die hier zu beurteilende Einstufung seitens des Arbeitgebers in die Tarifgruppe M II (der zweithöchsten Tarifgruppe unterhalb des Meisters und oberhalb der Facharbeitergruppe M III) sowie die weiteren Angaben in der Arbeitgeberauskunft lassen nicht erkennen, dass die hohe Einstufung des Klägers auf qualitätsfremden Merkmalen (z.B. Schmutz- oder Erschwerniszulage) beruhen könnte. Gewürdigt wird vielmehr die besondere Bedeutung der klägerischen Leistungen für den Betrieb. Diese betriebliche Einschätzung anzuzweifeln besteht auch insofern kein Anlass, als der Kläger nicht etwa als ungelernte Hilfskraft ins Berufsleben getreten ist, sondern nach einer qualifizierten dreijährigen Facharbeiterausbildung zum Dreher begonnen und damit durchaus beachtliche Vorkenntnisse für die Arbeit mit Maschinen erworben hatte. Auch die vom Senat eingeholte Auskunft des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe lässt nicht erkennen, dass die vom Arbeitgeber vorgenommene tarifliche Einstufung fachlich nicht gerechtfertigt gewesen sein könnte; im Gegenteil wird darin der vom Kläger beanspruchte Facharbeiterstatus im Hinblick auf dessen beruflichen Werdegang und die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ausdrücklich befürwortet. Mithin hat der Kläger eine von der Qualität her der Facharbeitertätigkeit gleichgestellte Tätigkeit verrichtet.
Danach ist die Verweisbarkeit des Klägers auf Anlerntätigkeiten, d.h. solche Tätigkeiten, die eine echte betriebliche Ausbildung von mindestens drei Monaten Dauer erfordern (z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) oder die solchen Tätigkeiten tariflich gleich gestellt sind (BSG a.a.O.; BSG, Urteil vom 27. November 1991 -5 RJ 91/89-), beschränkt. Die von der Beklagten unter Hinweis auf ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (vom 26. Juni 1995 -L 2 J 248/94-) insoweit benannte Tätigkeit eines Postbearbeiters scheidet als zumutbare Verweisungstätigkeit aus. Zwar handelt es sich nach der dazu vorgelegten kurzen Stellenbeschreibung um eine nach Vergütungsgruppe VIII BAT bezahlte und damit nach der Rechtsprechung des BSG um eine auch einem Facharbeiter sozial zumutbare Tätigkeit. Doch ist nicht erkennbar, dass der Kläger eine solche Anlerntätigkeit, die regelmäßig eine mindestens dreimonatige Anlernzeit erfordert, auf Grund bei ihm vorhandener Vorkenntnisse innerhalb eines Zeitraumes von nicht mehr als drei Monaten würde verrichten können. Der Kläger weist keinerlei Vorkenntnisse oder berufliche Erfahrungen auf, die einen Bezug zu auch nur einfacheren Bürotätigkeiten belegen. Er war vielmehr durchgehend während seines Berufslebens im gewerblichen Bereich tätig. Woraus sich die auch in dem von der Beklagten angeführten Urteil geforderten kaufmännischen Grundkenntnisse, die auch nach Auffassung des Senats für die geforderte kürzere Einarbeitung vorliegen müssen, ableiten lassen sollten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die dazu von der Beklagten angeführte Funktion als Kranführersprecher beinhaltete jedenfalls, wie der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung erläutert hat, keine im Sinne einer beruflichen Erfahrung wertbare Bürotätigkeit, sondern lediglich die Organisation bzw. die Regelung des konkreten Arbeitsablaufs auf einer Baustelle. Ob der Kläger mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen dem Anforderungsprofil des von der Beklagten genannten Postbearbeiters entspricht, bedarf daher keiner weiteren Klärung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit ist nur noch die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ab 1. März 1996, nachdem die Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 29. Februar 1996 hinaus auf Grund des Ergebnisses der weiteren medizinischen Ermittlungen nicht mehr beansprucht wird.
Der 1945 geborene Kläger hat eine dreijährige Lehre zum Dreher durchlaufen. Seit dem 8. April 1963 war der Kläger bei der Firma W und T zeitweise als Schlosser/Kranmonteur mit dem Auf- und Abbau von Kränen und Instandsetzungsarbeiten an diesen, dem Auf- und Abbau von Aufzügen sowie dem Verlegen von Krangleisen und im Übrigen als Kranführer beschäftigt. Vom 9. März bis 3. April 1964 nahm er an einem Grundlehrgang zum Turmkranführer teil. Mit Fertigkeitsnachweis vom 18. April 1979 wurde ihm bestätigt, dass er auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale als Baumaschinenführer im Hochbau erfülle. Am 15. Dezember 1979 bestand er die Prüfung zum Baumaschinenführer (Hochbau). Seit 1981 (so der Kläger) oder bereits seit dem 1. Mai 1979 (so der Arbeitgeber) war der Kläger auf Grund seiner guten Leistungen als Kranführer-Vorarbeiter beschäftigt und wurde nach der (zweithöchsten) Tarifgruppe M II des Lohntarifs des Baugewerbes entlohnt.
Nach vorangehenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nahm der Kläger vom 2. Februar bis 2. März 1994 an einem von der Beklagten gewährten Heilverfahren teil und war nach verschiedenen Arbeitsversuchen auch in anderen Einsatzbereichen seit dem 18. Mai 1994 erneut arbeitsunfähig krank. Auf seinen am 30. Mai 1994 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gewährte die Beklagte schließlich mit Bescheid vom 5. April 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit (nach einem Leistungsfall vom 18. Mai 1994) in der Zeit vom 1. Dezember 1994 bis 29. Februar 1996. Die Berentung beruhte im Wesentlichen auf Beschwerden des Klägers aus dem orthopädischen Bereich.
Am 29. November 1995 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte veranlasste ein Gutachten durch die Ärztin für Sozialmedizin Dr. H vom 18. Juni 1996 und den Orthopäden Dr. S vom 7. März 1996, die beide zu dem Ergebnis kamen, der Kläger könne noch zumindest körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen verrichten. Unter Hinweis auf diese Feststellungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 1996 den Rentenantrag ab, weil der Kläger mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch zumutbare Beschäftigungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte ein weiteres orthopädisches Gutachten vom 26. Februar 1997 durch Dr. Z, in dem ebenfalls noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen festgestellt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 1997 bestätigte die Beklagte anschließend ihre ablehnende Entscheidung.
Dagegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der er weiterhin unter Hinweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beansprucht hat.
Nach einem Arbeitsversuch in verschiedenen (allerdings körperlich belastenden) Bereichen seines Arbeitgebers hat der Kläger auf Grund erneuter Arbeitsunfähigkeit seit 7. November 1996 Krankengeld vom 19. Dezember 1996 bis 7. Mai 1998 bezogen, unterbrochen durch den Bezug von Übergangsgeld während eines weiteren von der Beklagten gewährten Heilverfahrens vom 18. Februar bis 11. März 1998. Ab 8. Mai 1998 hat der Kläger Arbeitslosengeld bezogen.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend Prof. Dr. S mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 9. November 1998 bei dem Kläger folgende Erkrankungen festgestellt:
1. Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit kleinem Bandscheibenvorfall im Bereich der mittleren HWS rechtsseitig mit geringgradigen Nervenwurzelreizerscheinungen Degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5 rechts und Postnukleotomiesyndrom mit der Folge gering- bis gelegentlich mittelgradiger Nervenwurzelreizerscheinungen
2. Beginnende degenerative Veränderungen der Knie- und Fingergelenke
3. Senk-Spreiz-Knickfuß-Leiden
4. Nervenengpasssyndrom des N. cutaneus femoris rechts mit Taubheitsgefühl am rechten Oberschenkel.
Unter Berücksichtigung der daraus resultierenden Beschwerden hat der Gutachter den Kläger noch für fähig erachtet, vollschichtig körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen zu verrichten.
Sodann hat das SG die Klage mit Urteil vom 9. Juni 1999 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe über Februar 1996 hinaus ein Rentenanspruch nicht zu. Der Kläger sei bereits nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil er unter Berücksichtigung des maßgebenden bisherigen Berufs als Baumaschinenführer, der der Gruppe der Angelernten im unteren Bereich zugeordnet werden müsse, zumutbar verwiesen werden könne auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes, für die er nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen noch ein ausreichendes vollschichtiges Leistungsvermögen besitze. Mithin bestehe auch kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI, weil diese noch weitergehende Leistungseinschränkungen voraussetze.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewandt, mit der er zunächst weiterhin einen Anspruch auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beansprucht hat. Zur Begründung hat er angeführt, das SG habe nicht den ihm zustehenden Berufsschutz als Baumaschinenführer berücksichtigt und auch nicht beachtet, dass sein Gesundheitszustand wegen der schwerwiegenden Leiden auf orthopädischem Gebiet eine regelmäßige Berufstätigkeit nicht mehr zulasse.
Der Senat hat eine Auskunft des Arbeitgebers zu der bisherigen Beschäftigung eingeholt und aus der eingesehenen Leistungsakte des Arbeitsamtes Berlin West einige Kopien zur Akte genommen und anschließend auf Grund der nach Gutachtenerstattung zur Gerichtsakte gelangten weiteren medizinischen Unterlagen eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S vom 17. Oktober 2000 eingeholt, der keinen Anlass zu einer Änderung seiner Einschätzung gesehen hat.
Der Kläger hat ergänzend ein MDK-Gutachten vom 29. September 2000 vorgelegt, in dem ein nur noch halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen angenommen wird.
Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme hierzu auf die ihres Erachtens zutreffende gutachterliche Wertung verwiesen und gleichzeitig als zumutbare Verweisungstätigkeit auf die Tätigkeit eines Postbearbeiters und das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 1995 -L 2 J 248/94- verwiesen. Die danach erforderlichen kaufmännischen Grundkenntnisse, die nach gerichtlichem Hinweis nicht erkennbar sind, hat die Beklagte der klägerischen Angabe im Rehaverfahren, er sei als Kranfahrer-Sprecher tätig gewesen, entnommen.
Nach Hinweis des Klägers auf eine seit Dezember 1999 anerkannte Schwerbehinderung und Eingang des Befundberichtes des behandelnden Orthopäden hat der Senat Prof. Dr. N mit der erneuten Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat in seinem orthopädischen Gutachten vom 8. Oktober 2001 folgende Diagnosen gestellt:
Chronisches LWS-Syndrom bei Zustand nach Nukleotomie L4/L5.
Chronisches Zervikalsyndrom.
Depression.
Chronische Bronchitis.
Tinnitus.
Meralgia paraesthetica rechts.
Kontaktekzem beider Hände.
Herzrhythmusstörungen.
Hypercholesterinämie.
Initiale Gonarthrose beidseits.
Fingermittelgelenksarthrose (Bouchard-Arthrose) beidseits.
Er ist zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch vollschichtig körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten nicht in einseitiger Körperhaltung und ohne einseitige Belastung verrichten könne. Feuchtigkeit oder Zugluft sollten wegen der Bronchitis sowie Arbeiten unter Zeitdruck (wie Akkord- oder Fließbandarbeiten) wegen der rezidivierenden depressiven Stimmung vermieden werden. Ein kurzzeitiges Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg sei zumutbar; eine ständige Überkopfarbeit müsse vermieden werden. Ebenso sei ständiges oder gehäuftes Bücken, Hocken oder Knien zu vermeiden.
Ferner hat auf Veranlassung des Senats Dr. S-D ein nervenärztliches Gutachten vom 8. April 2002 erstattet und darin folgende bei dem Kläger bestehende Erkrankungen genannt:
1. Chronisches Schmerzsyndrom der Wirbelsäule nach operativ versorgtem Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule und Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule.
2. Somatisierungsstörung.
3. Abnutzungserscheinungen der Kniegelenke.
4. Fingergelenkspondylarthrose.
5. Zustand nach operativ versorgtem Ulnaris Syndrom beiderseits.
6. Asthmoide Bronchitis.
Unter Berücksichtigung der daraus resultierenden Beschwerden ist er zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne besondere Umgebungsbelastungen und nicht überwiegend im Stehen verrichten. Einseitige körperliche Belastungen, Tätigkeiten in festgelegtem Arbeitsrhythmus, unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten mit ständigem oder häufigem Bücken, Hocken oder Knien seien nicht zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg sei möglich. Einschränkungen auf geistig-seelischem Gebiet bestünden nicht. Besonderheiten für den Weg zur Arbeit seien nicht zu beachten.
Schließlich hat der Senat eine Auskunft des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes vom 5. Juni 2003 eingeholt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juni 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. April 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1997 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Renten- und Reha-Akten), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat im Anschluss an die bis zum 29. Februar 1996 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit Anspruch (nur noch) auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bestimmt sich nach § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, da der Kläger den Antrag auf Weitergewährung von Rente im Jahre 1995 gestellt hat.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind - was zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist - erfüllt, wie sich aus dem Versicherungsverlauf und dem vorausgehenden Rentenbezug ergibt.
Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger, da er mit dem festgestellten wieder bestehendem Restleistungsvermögen zwar wieder beruflich tätig sein kann und damit nicht länger erwerbsunfähig ist, aber seinen bisherigen Beruf als Kranführer nicht mehr ausüben kann und eine zumutbare Verweisungstätigkeit nicht ersichtlich ist.
Die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme eines im Ergebnis aufgehobenen Leistungsvermögens und damit das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit sind nach den gutachterlichen Feststellungen jedenfalls nicht über den 29. Februar 1996 gegeben, was der Kläger mit seiner zwischenzeitlichen Beschränkung seines Berufungsantrages ersichtlich einräumt. Denn nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen ist der Kläger wieder in der Lage, zumindest körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten, wenn diese u.a. nicht mit besonderen Umgebungsbelastungen, einseitiger Körperhaltung oder einseitiger Belastung oder Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten verbunden sind. Dass dem Kläger mithin die Ausübung seines bisherigen Berufes als Kranführer auch weiterhin nicht mehr möglich ist, bestreitet deshalb auch die Beklagte nicht.
Dies begründet die Berufsunfähigkeit des Klägers. Denn ihm ist von der Beklagten keine andere Tätigkeit benannt worden, die ihm sozial zumutbar ist und die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich zu bewältigen vermag. Auch für das Gericht ist eine derartige Tätigkeit nicht ersichtlich.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Prüfung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen unterteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung gebildet worden, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität des Berufes haben. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nur auf die nächst niedrigere Stufe verwiesen werden (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17 m.w.N.). Die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Ausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 27, 33).
Mithin ist es nicht entscheidend, dass der Kläger für seinen Beruf als Kranführer keinen entsprechenden förmlichen Abschluss einer (Facharbeiter-) Ausbildung nachweisen kann. Denn auch wenn es sich bei der Tätigkeit eines Kranführers nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf handelt (einen einschlägigen Berufsabschluss gibt es erst seit 1978 als Fortbildungsberuf [Verordnung vom 12. Dezember 1977, BGBl. I 2539] und seit 1991 als Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von drei Jahren [Verordnung über die Berufsausbildung zum Baugeräteführer vom 11. Juli 1991, BGBl. I 1492]), kann der Kläger Berufsschutz als Angelernter im oberen Bereich oder sogar als Facharbeiter genießen. Eine derartige Wertigkeit seines bisherigen Berufes kann sich insbesondere aus einer entsprechenden tarifvertraglichen Einstufung der betreffenden Tätigkeit herleiten lassen, wobei auch der individuellen Eingruppierung des Klägers durch seinen letzten Arbeitgeber Bedeutung zukommt (so zum Kranführer BSG, Urteil vom 25. August 1993 -13 RJ 61/92-; so auch BSG, Urteil vom 13. Mai 1995 -13 RJ 67/94- unter Hinweis auf das vorgenannte Urteil). Zur Gruppe der Arbeiter mit dem Leitberuf des Facharbeiters gehören daher auch diejenigen Versicherten, die in Tätigkeitsbereichen ohne anerkannte Ausbildung oder mit einer Ausbildung bis zu 2 Jahren arbeiten, wenn diese Tätigkeiten den anerkannten Ausbildungsberufen mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung - insbesondere wegen ihrer Bedeutung für den Betrieb - qualitativ gleichgestellt sind. Die hier zu beurteilende Einstufung seitens des Arbeitgebers in die Tarifgruppe M II (der zweithöchsten Tarifgruppe unterhalb des Meisters und oberhalb der Facharbeitergruppe M III) sowie die weiteren Angaben in der Arbeitgeberauskunft lassen nicht erkennen, dass die hohe Einstufung des Klägers auf qualitätsfremden Merkmalen (z.B. Schmutz- oder Erschwerniszulage) beruhen könnte. Gewürdigt wird vielmehr die besondere Bedeutung der klägerischen Leistungen für den Betrieb. Diese betriebliche Einschätzung anzuzweifeln besteht auch insofern kein Anlass, als der Kläger nicht etwa als ungelernte Hilfskraft ins Berufsleben getreten ist, sondern nach einer qualifizierten dreijährigen Facharbeiterausbildung zum Dreher begonnen und damit durchaus beachtliche Vorkenntnisse für die Arbeit mit Maschinen erworben hatte. Auch die vom Senat eingeholte Auskunft des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe lässt nicht erkennen, dass die vom Arbeitgeber vorgenommene tarifliche Einstufung fachlich nicht gerechtfertigt gewesen sein könnte; im Gegenteil wird darin der vom Kläger beanspruchte Facharbeiterstatus im Hinblick auf dessen beruflichen Werdegang und die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ausdrücklich befürwortet. Mithin hat der Kläger eine von der Qualität her der Facharbeitertätigkeit gleichgestellte Tätigkeit verrichtet.
Danach ist die Verweisbarkeit des Klägers auf Anlerntätigkeiten, d.h. solche Tätigkeiten, die eine echte betriebliche Ausbildung von mindestens drei Monaten Dauer erfordern (z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) oder die solchen Tätigkeiten tariflich gleich gestellt sind (BSG a.a.O.; BSG, Urteil vom 27. November 1991 -5 RJ 91/89-), beschränkt. Die von der Beklagten unter Hinweis auf ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (vom 26. Juni 1995 -L 2 J 248/94-) insoweit benannte Tätigkeit eines Postbearbeiters scheidet als zumutbare Verweisungstätigkeit aus. Zwar handelt es sich nach der dazu vorgelegten kurzen Stellenbeschreibung um eine nach Vergütungsgruppe VIII BAT bezahlte und damit nach der Rechtsprechung des BSG um eine auch einem Facharbeiter sozial zumutbare Tätigkeit. Doch ist nicht erkennbar, dass der Kläger eine solche Anlerntätigkeit, die regelmäßig eine mindestens dreimonatige Anlernzeit erfordert, auf Grund bei ihm vorhandener Vorkenntnisse innerhalb eines Zeitraumes von nicht mehr als drei Monaten würde verrichten können. Der Kläger weist keinerlei Vorkenntnisse oder berufliche Erfahrungen auf, die einen Bezug zu auch nur einfacheren Bürotätigkeiten belegen. Er war vielmehr durchgehend während seines Berufslebens im gewerblichen Bereich tätig. Woraus sich die auch in dem von der Beklagten angeführten Urteil geforderten kaufmännischen Grundkenntnisse, die auch nach Auffassung des Senats für die geforderte kürzere Einarbeitung vorliegen müssen, ableiten lassen sollten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die dazu von der Beklagten angeführte Funktion als Kranführersprecher beinhaltete jedenfalls, wie der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung erläutert hat, keine im Sinne einer beruflichen Erfahrung wertbare Bürotätigkeit, sondern lediglich die Organisation bzw. die Regelung des konkreten Arbeitsablaufs auf einer Baustelle. Ob der Kläger mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen dem Anforderungsprofil des von der Beklagten genannten Postbearbeiters entspricht, bedarf daher keiner weiteren Klärung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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