L 9 KR 759/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 87 KR 803/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 759/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 und der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2000 in der Ge- stalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2001 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die von ihr in Anspruch genommene Behandlungspflege vom 24. September bis zum 7. November 2000 in Höhe von 319,21 Euro zu erstatten. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Die 1931 geborene Klägerin ist als Rentnerin Mitglied der beklagten Krankenkasse. Infolge eines im Sommer 1999 erlittenen Schlaganfalls bedarf sie der Pflege. Sie bewohnt deshalb seit 1. Oktober 1999 ein 14 m² großes Zimmer in einer von dem D W B-K e.V. gemieteten Wohnung in der Wstraße in B-K (Mietvertrag vom 14./15. September 1999). Die Bruttokaltmiete der Klägerin beträgt monatlich 155,19 Euro (303,53 DM). Hinzu kommt eine monatliche Pauschale für Heizung und Nebenkosten sowie Warmwasserbereitung in Höhe von 28,87 Euro (56,47 DM). Für Stromkosten zahlt die Klägerin 25,56 Euro (50,00 DM) monatlich. Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, der Klägerin den Gebrauch der Mietsache (Zimmer Nr. 10 einschließlich der gemeinschaftlich genutzten Flächen [Bad, Küche, Wohnzimmer und Flur]) während der Mietzeit zu gewähren. Darüber hinaus ist der Vermieter lediglich zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache verpflichtet. Weitergehende Verpflichtungen enthält der Mietvertrag für den Vermieter nicht. In der insgesamt 145 m² großen Wohnung wohnen neben der Klägerin regelmäßig fünf weitere ältere Menschen, die wie die Klägerin ebenfalls an der Alzheimer Krankheit leiden und entsprechend pflegebedürftig sind. Alle Bewohner der Wohngemeinschaft zahlen monatlich 204,52 Euro (400,00 DM) in eine Haushaltskasse. Aus dieser Kasse werden u.a. die Lebensmitteleinkäufe bezahlt. Über die weitere Verwendung des Geldes entscheiden die Bewohner. Sie nehmen am Einkauf und auch an der Zubereitung der Speisen teil, sofern sie dazu gesundheitlich in der Lage sind. Über die Ausstattung und Möblierung der Wohnung entscheiden allein die Bewohner bzw. deren gesetzliche Vertreter. Die Einrichtungsgegenstände der Wohnung befinden sich entweder im Alleineigentum der Bewohner oder im Gemeinschaftseigentum sämtlicher Bewohner, sofern die Anschaffung mit Hilfe der Haushaltskasse vorgenommen worden ist. Bei Auszug oder Tod eines Bewohners der Wohngemeinschaft entscheiden die übrigen Bewohner bzw. deren gesetzliche Vertreter, wer neu einzieht. Es ist insoweit nicht Voraussetzung, dass ein Mieter pflegebedürftig sein muss, um ein Zimmer in der Wohngemeinschaft zu bekommen. Festgelegte Zeiten für die Bewohner wie Küchenöffnungszeiten, Essenszeiten, Weck- und Schlafengehenszeiten existieren nicht. Die Tagesstrukturierung erfolgt entsprechend ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen.

Für die Klägerin ist vom Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg eine Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vertretung gegenüber Behörden bestellt worden.

Mit Bescheid vom 26. November 1999 gewährte die A B - P - der Klägerin für die Zeit ab 1. Juni 1999 Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II. Danach werden die Pflegesätze durch professionelle Pflegekräfte zu den vereinbarten Sätzen bis zu 920,33 Euro (1.800,00 DM) je Kalendermonat gezahlt. Die Pflegeleistungen (kleine Körperpflege [20 Einsätze für vier Wochen], große Körperpflege [28 ...], Begleitung außer Haus [8 ...], kleine Reinigung [20 ...], große Reinigung [8 ...], Wäschepflege [8 ...], Einkaufen [8 ...], Zubereitung einer warmen Mahlzeit [28 ...], Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit [84 ...], psychosoziale Betreuung [28 ...], Haushaltsbuch [1 ...], Haushaltsbesuchspauschale [20 ...] und Hausbesuche Wochenende/Nacht [8 ...]) werden vom 1. August 2000 an von der Diakonie-Sozialstation S gGmbH aufgrund eines Pflegevertrages vom 14. Juli 2000 erbracht. Diese Gesellschaft hat drei, zeitweise vier Gesellschafter, die auch Mitglied des DW B-K e.V. sind. Insgesamt hat dieser Verein rund 27 Mitglieder.

Wegen eines Stauungsekzems erhielt die Klägerin aufgrund ärztlicher Verordnung vom 30. August bis zum 20. November 2000 häusliche Krankenpflege in Form von Behandlungspflege (Behandlung des Stauungsekzems und Medikamentenabgabe), zunächst wöchentlich täglich und anschließend zweimal in der Woche.

Die Beklagte übernahm zunächst die Kosten dieser Pflege bis zum 12. September 2000 (Bescheid vom 4. September 2000) sowie in der Folgezeit bis zum 23. September 2000. Mit Bescheid vom 25. September 2000 lehnte sie die Übernahme der Kosten für die Zeit vom 24. September 2000 an ab. Sie führte sinngemäß aus, dass Behandlungspflege nur in dem eigenen Haushalt des Versicherten gewährt werden könne. Da die Klägerin aber einen solchen nicht führe, sondern in einer Wohngemeinschaft lebe, könnten die entsprechenden Kosten nicht erstattet werden. Die offenen Rechnungen in Höhe von umgerechnet 319,21 Euro (624,33 DM) hat die Klägerin bezahlt. Den gegen die Entscheidung der Beklagten erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2001 mit der Begründung zurück, dass Bewohner therapeutischer Wohngemeinschaften keinen eigenen Haushalt führten, bzw. dass in festen Wohngemeinschaften nur dann eine eigene Haushaltsführung möglich sei, wenn diese Wohngemeinschaften nicht durch die Pflegenotwendigkeit der Bewohner geprägt werde. So habe auch das Sozialgericht Berlin in einem Urteil vom 18. August 2000 (S 72 KR 800/99) entschieden, dass in therapeutischen Wohngemeinschaften kein eigener Haushalt geführt werde. Da die Klägerin in einer solchen therapeutischen Wohngemeinschaft lebe und somit keinen eigenen Haushalt führe, könnten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht gewährt werden.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2001 lehnte die Beklagte die Erstattung weiterer Kosten in Höhe von 2.280,11 Euro (4.459,50 DM) für die der Klägerin seit dem 1. Februar 2001 verordnete und erbrachte Behandlungspflege ab.

Bereits am 26. Februar 2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Mit dieser begehrte sie die Erstattung der Kosten der Behandlungspflege vom 24. September 2000 (im erstinstanzlichen Verfahren irrtümlich vom 25. September 2000 an) in Höhe von 319,21 Euro und nach Erlass des Bescheides vom 19. Juni 2001 die Erstattung der weiteren Kosten in Höhe von 2.280,11 Euro, sowie sinngemäß die Gewährung von zukünftig verordneter Behandlungspflege als Sachleistung. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, dass sie entgegen der Auffassung der Beklagten einen eigenen Haushalt führe. Sie beteilige sich an den Kosten des täglichen Bedarfs der Bewohner der Wohnung und sie beteilige sich, wenn auch in einem geringen Umfang, an der Hausarbeit. Das Sozialgericht hat die Altenpflegerinnen HE-V und S F der Diakonie-Sozialstation SgGmbH über die Umstände der Wirtschaftsführung und der Pflege der Klägerin als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Anlagen zur Sitzungsniederschrift der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Juli 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2001 Gegenstand des Verfahrens geworden sei, weil Gründe der Prozessökonomie für eine Einbeziehung sprächen. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten, weil Voraussetzung für die Gewährung von Behandlungspflege sei, dass die Pflege in dem Haushalt des zu Pflegenden erbracht werde. Über einen solchen eigenen Haushalt verfüge die Klägerin aber nicht. Denn ein solcher Haushalt setze schon begrifflich ein gewisses Maß an eigenwirtschaftlichen Haushalten voraus. Hierzu sei die Klägerin aber nicht fähig. Dies habe die Beweisaufnahme ergeben.

Gegen das ihr am 28. August 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. September 2001 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, dass sie entgegen der von der Beklagten und dem Sozialgericht vertretenen Auffassung über einen eigenen Haushalt verfüge. Die Beweisaufnahme des Sozialgerichts habe ergeben, dass die Wohngemeinschaft so organisiert sei, dass sie im Rahmen des medizinisch Möglichen ein möglichst eigenständiges Leben führen und eine möglichst eigenständige Wirtschaftsführung vornehmen könne. Soweit sie aufgrund ihrer Erkrankung zu einem eigenständigen Leben und einer eigenständigen Wirtschaftsführung nicht mehr in der Lage sei, sei ihr eine Betreuerin zur Seite gestellt, die sie insoweit im Rechtssinne vertrete.

Die Klägerin hat den Streitgegenstand ihrer Klage im Berufungsverfahren auf die Erstattung der Kosten für die von ihr in der Zeit vom 24. September 2001 bis zum 7. November 2001 in Anspruch genommene Behandlungspflege in Höhe von 319,21 Euro beschränkt und die weiterführende Klage zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 1. Februar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verur- teilen, ihr die Kosten für die vom 24. September bis zum 7. November 2000 von ihr in Anspruch genommene Behandlungspflege in Höhe von 319,21 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

die sie für unbegründet hält.

Der Senat hat den Geschäftsführer der Diakonie-Sozialstation S gGmbH, Herrn K-M S, über die Umstände der Pflege der Menschen in der Wohnung in der Wstraße in B-Kals Zeugenvernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 5. Mai 2004 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die dem Senat vorlag und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht dadurch unzulässig geworden, dass durch die teilweise Rücknahme der Klage durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 2004 der Beschwerdewert der Klage die für die Zulassung der Berufung festgelegte Grenze von 500,- Euro (§ 144 Abs. 1 Satz Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) unterschreitet. Denn für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes ist in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebend (§ 202 SGG in Verbindung mit § 4 der Zivilprozessordnung). Zu diesem Zeitpunkt lag der Wert des Berufungsstreitwertes über der Grenze von 500,- Euro. Eine nachträgliche Einschränkung des Beschwerdewertes führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, weil die Rechtshandlung mit der Rechtsmitteleinlegung abgeschlossen war (Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit [Std.: 41 Lfg./Juli 2003] § 144 RdNr. 7). Die teilweise Rücknahme der Klage war im Übrigen auch sachgerecht und nicht willkürlich (vgl. Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. neu bearbeitete Auflage 2002, VIII. Kapitel, RdNr. 18, Bernsdorff in Hennig, SGG [Std.: 8 EL/Februar 2004] § 144 RdNr. 28 und Zeihe, SGG [8. Auflage, Std.: 1. April 2003], § 144 RdNr. 16 e). Denn sie beruht auf der nach der hier am 11. September 2001 erfolgten Berufungseinlegung ergangenen geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass Folgebescheide über die Ablehnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege für spätere Zeiträume nicht in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand eines anhängigen sozialgerichtlichen Prozesses werden (Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 28. Mai 2003 - B 3 KR 32/02 R -, SozR 4-2500 § 37 Nr. 2).

Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 ist aufzuheben. Der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten in Höhe von 319,21 Euro hinsichtlich der in der Zeit vom 24. September bis zum 7. November 2000 erhaltenen Behandlungspflege.

Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) hat die Krankenkasse dem Versicherten die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hatte in dem hier streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Gewährung von Behandlungspflege in dem geltend gemachten Umfang. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherstellung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die medizinische Notwendigkeit der Versorgung des Stauungsekzems der bei der Beklagten versicherten Klägerin ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Bei den der Klägerin verordneten Behandlungen handelt es sich auch um Maßnahmen der Behandlungspflege. Hierzu gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Erkrankung erforderlich werden, auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten bzw. Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (Urteil des BSG vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R -, SozR 3-2500 § 37 Nr. 5). Die der Klägerin ärztlich verordneten Maßnahmen (Verbandswechsel und Salbeneinreibung) dienten der Sicherung der ärztlichen Behandlung des Stauungsekzems der Klägerin.

Die Klägerin hat die hier streitbefangene Behandlungspflege auch in ihrem eigenen Haushalt erhalten. Unter einem Haushalt ist nach allgemeinem Sprachgebrauch die häusliche, wohnungsmäßige, familienhafte Wirtschaftsführung zu verstehen (Gerlach in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch (Std.: 58. Erg.-Lfg. I/02), § 37 SGB V RdNr. 27). Der Haushalt befindet sich an dem Ort, an dem oder von dem aus menschliche Grundbedürfnisse wie Ernährung, Kleidung, Körperpflege und Hygiene, Ruhe und Schlaf zumeist erfüllt werden, also regelmäßig in der Wohnung (Höfler in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht (Std.: EL 39/Dezember 2002), § 37 RdNr. 12). Das von der Klägerin angemietete Zimmer sowie die von ihr genutzten Gemeinschaftsflächen (Bad-Küche, Wohnraum und Flur) in der Wohnung Wstraße in B-K ist ihr Haushalt in diesem Sinne. An diesem Ort erfüllt sie ihre Grundbedürfnisse. Hier organisiert sie zusammen mit den anderen Bewohnern der Wohnung ihren Lebensalltag selbst. Dass sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage ist, eine Vielzahl von in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen selbständig zu treffen - der Senat kann offen lassen, in welchem Umfang dies der Fall ist - schließt nicht aus, dass das Tatbestandsmerkmal des eigenen Haushalts erfüllt ist. Der Senat vermag sich nicht der Auffassung des Sozialgerichts anzuschließen, dass ein gewisses Maß an eigenwirtschaftlichem Haushalten gegeben sein muss, damit im Rechtssinne ein Haushalt vorliegt. Denn insoweit ist der Klägerin eine Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vertretung gegenüber Behörden zur Seite gestellt worden. Zweck der Betreuung ist es gerade, die Selbstbestimmung des Betreuten soweit als möglich zu achten (Diederichsen in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl. 2003, Einf. v. § 1896 RdNr. 5 und Schwab in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl. 2002, Vor § 1896 RdNr. 12). Die Auffassung des Sozialgerichts hätte demgegenüber zur Folge, dass Versicherte mit einem der Erkrankung der Klägerin ähnlichen Krankheitsbild, die trotz ihrer Erkrankung in ihrer eigenen Wohnung verblieben sind und dort betreut und gepflegt werden, wegen der möglicherweise fehlenden Fähigkeit, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, Behandlungspflege selbst in ihrer eigenen Wohnung nicht erhalten könnten. Abgesehen davon, dass diese Folge nicht nur den Anspruch auf Krankenpflege in einer dem Normzweck des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, der Sicherung der mit der ambulanten ärztlichen Behandlung verfolgten Ziele im häuslichen Bereich (vgl. Höfler, a.a.O., § 37 RdNr. 2), widersprechenden Art und Weise verkürzen würde, würde dies auch dem gesetzgeberischen Zweck des Betreuungsrechts, dem zu Betreuenden ein Höchstmaß an Autonomie zu belassen, widersprechen.

Im Übrigen ging es dem Gesetzgeber bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten im Rahmen der Behandlungspflege vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Die Regelung geht davon aus, dass Behandlungspflege dort zu erbringen ist, wo die Versorgung des Versicherten mit Grundpflege und hauswirtschaftlicher Hilfe, vergleichbar der Versorgung bei stationärer Behandlung im Krankenhaus sichergestellt ist (Urteil des BSG vom 21. November 2000 - B 3 KR 13/02 R -, a.a.O., m.w.Nachw.). Der Anspruch der Versicherten auf Behandlungspflege kann deshalb ebenso wie im Bereich der Pflegeversicherung nicht davon abhängen, ob er sich zu Hause aufhält. Im Hinblick auf den vorrangigen Zweck der Behandlungspflege, das Ziel der ärztlichen Behandlung, also die Heilung, Besserung oder die Verhütung einer Verschlimmerung einer Krankheit zu sichern, ist der Aufenthaltsort des Versicherten - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliegt - ohne Belang (Urteil des BSG vom 21. November 2002, B 3 KR 13/02 R, a.a.O.).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Bei der der Klägerin gewährten Behandlungspflege handelt es sich nicht um eine (stationäre) Krankenhausbehandlung. Denn die von der Klägerin gewählte Wohnform erfüllt nicht den Krankenhausbegriff des SGB V. Krankenhäuser sind danach Einrichtungen, die

1. der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen,

2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten,

3. mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, pflege- funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheits- beschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen

4. die Patienten untergebracht oder verpflegt werden können.

Um eine solche Einrichtung handelt es sich bei der Wohngemeinschaft der Klägerin nicht. Denn weder werden dort Krankenhausbehandlungen durchgeführt noch steht die Wohngemeinschaft unter ärztlicher Leitung, und es steht auch nicht jederzeit ärztliches und pflegerisches Personal zur Verfügung. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Die der Klägerin gewährte Behandlungspflege erfolgte aber auch nicht im Rahmen einer Heimpflege. Die Heimunterbringung setzt schon begrifflich neben der Überlassung einer Unterkunft die Gewährung oder Vorhaltung von Verpflegung und Betreuung voraus (§ 1 Abs. 1 des Heimgesetzes [HeimG]). Zu einer solchen umfassenden Leistungserbringung "aus einer Hand" ist der Vermieter der Klägerin nicht verpflichtet. Seine vertragliche Pflicht erschöpft sich ausschließlich in der Gewährung und der Instandhaltung der Mietsache. Für ihre hauswirtschaftliche Versorgung und die Organisation der von ihr benötigten Pflege ist ausschließlich die Klägerin, mit Hilfe ihrer Betreuerin, verantwortlich. Der Vermieter hat insoweit keine Verpflichtungen.

Die von der Klägerin gewählte Form des Wohnens stellt schließlich auch keine unzulässige Umgehung des HeimG dar. Der Senat kann offen lassen, ob bei einer doppelten Funktion des Leistungsanbieters als Vermieter und als Pflegeanbieter (vgl. Pöld-Krämer in Lehr- und Praxiskommentar zum Sozialgesetzbuch XI, 2. Aufl. 2003, § 71 RdNr. 8) oder sofern der Vermieter die Versorgung und Betreuung durch Dritte erbringen lässt, mit denen entweder er selbst oder die Bewohner einen Vertrag über die Erbringung dieser Leistungen abschließen (vgl. Kunz/ Ruf/Wiedemann, Heimgesetz, 8. Aufl. 1998, § 1 RdNr. 2), von einer Heimbetreuung im Sinne des HeimG auszugehen ist (vgl. nunmehr § 1 Abs. 2 des HeimG in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes vom 5. November 2001, BGBl I S. 2970). Denn derartige Sachverhalte sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das DWB-K e.V. ist nach dem Mietvertrag vom 14./15. September 1999 ausschließlich verpflichtet, der Klägerin den Gebrauch der von ihr angemieteten bewohnten Zimmers und der von ihr mitgenutzten Gemeinschaftsflächen zu gewähren und diese gegebenenfalls instandzusetzen. Eine Verpflichtung, die Betreuung und Verpflegung der Bewohner der Wohnung sicherzustellen, besteht - wie ausgeführt - nicht. Dies müssen die Bewohner eigenverantwortlich organisieren. Der glaubwürdige Zeuge S hat insoweit glaubhaft ausgesagt, dass dies auch tatsächlich geschieht. Die Organisation des Essen und die Frage, was gegessen wird, entscheiden die Bewohner mit Hilfe der Pflegekräfte. Entsprechendes gilt auch für die Säuberung der Wohngemeinschaft. Der Zeuge hat insoweit weiter glaubhaft ausgeführt, dass zwischen dem Abschluss des Mietvertrages und dem Abschluss des Pflegevertrages kein zwingender Zusammenhang besteht. Der Bestand des Mietvertrages ist von dem Bestand des Pflegevertrages nicht abhängig. Die Bewohner der Wohnung in der Wstraße in B-K sind in der Wahl der Pflegeeinrichtung frei. Ein Bestimmungsrecht des Vermieters besteht nicht.

Gegen eine Umgehung des HeimG spricht im vorliegenden Fall auch der Umstand, dass der Umfang der von der Klägerin in Anspruch genommenen Pflegedienstleistung von der Pflegeleitung des Pflegeunternehmens nach ihrer individuellen Bedürftigkeit ermittelt worden ist, wie die konkrete Aufzählung der notwendigen Leistungen im vorliegenden Fall zeigt und auch vom Zeugen S bestätigt worden ist. Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte des Pflegeunternehmens oder gar des Vermieters fließen hier nicht mit ein. Anders als bei einer Heimunterbringung oder bei einer stationären Pflegeeinrichtung erfolgt die Vergütung der Pflege nicht in Form von Fallpauschalen bzw. Tages- oder Monatssätzen, sondern die Kosten der Pflege richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des Einzelfalles. Der Zeuge S hat insoweit glaubhaft ausgeführt, dass dies für das Pflegeunternehmen zur Folge hat, dass sie in verschiedenen Wohngemeinschaften, in denen sie ebenfalls tätig sind, defizitär arbeiten.

Die Leistungspflicht des Pflegeunternehmens beschränkt sich im Übrigen auf die Erbringung ambulanter Pflegeleistungen. Für die Organisation ihres eigenen Lebensumfeldes, wie beispielsweise die Einrichtung des angemieteten Zimmers, die Vorsorge gegen Lebensrisiken (Hausrats- und Glasversicherung) und die Renovierung ihres Zimmers ist ausschließlich die Klägerin allein verantwortlich und soweit es die gemeinschaftlich genutzten Flächen betrifft, die Bewohner der Wohnung als Gemeinschaft. Eine umfassende, alle Bereiche des täglichen Lebens abdeckende Versorgung und Betreuung der Klägerin erfolgt weder durch den Vermieter noch durch das Pflegeunternehmen. Es stellt zwar, wie der Zeuge S ausgesagt hat, eine Nachtwache, hierbei handelt es sich aber um einen Studenten und nicht um pflegerisches Personal. Aufgabe dieses Studenten ist es lediglich, dafür Sorge zu tragen, dass die an Alzheimer erkrankten Bewohner der Wohnung nicht ohne Aufsicht nachts die Wohnung verlassen. Nach der Aussage des Zeugen S besitzen die Pflegekräfte keinen separaten Aufenthaltsraum. Dies zeigt, dass die Einrichtung nicht dergestalt ausgelegt ist, dass eine "Rund-um-die- Uhr-Betreuung" der Bewohner der Wstraße in B-K, wie es bei einer Heimunterbringung regelmäßig der Fall ist, gewährleistet ist.

Nach alledem handelt es sich jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall der Klägerin deshalb nicht um eine Heimunterbringung, sondern um eine Form des so genannten "Betreuten Wohnens". Diese Art des Wohnens, bei dem ambulante Wohngruppen sich Pflege und Betreuung selbst organisieren (Pöld-Krämer, a.a.O., § 71 RdNr. 8 a) ist im Übrigen auch nach dem Willen des Gesetzgebers von der Heimunterbringung abzugrenzen (vgl. dazu auch BT-Drucks. 14/6366, S. 2).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat hat davon abgesehen, wegen der teilweisen Rücknahme der Klage durch die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu quoteln. Denn die Beklagte hat die Klägerin insoweit zur Klageerhebung veranlasst, weil sie den Bescheid vom 19. Juni 2001 mit einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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