L 2 RA 190/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 799/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RA 190/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten - auch der Beigeladenen - sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte von ihm Sozialversicherungsbeiträge aufgrund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages seiner Arbeitnehmer für Urlaubsgeld und betriebliche Sonderzahlungen geltend macht.

Der Kläger ist Klempner-, Installateur- und Heizungsbaumeister und betreibt ein entsprechendes Gewerbe in F ... Auf seinen Betrieb finden die durch die Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen für die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik vom 24. November 1997 für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge vom 20. Januar 1994 über die betriebliche Sonderzahlung für die Arbeitnehmer im Wirtschaftsbereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik im Lande Brandenburg und über Urlaubsgeld für die Arbeitnehmer der Innungsbetriebe im Wirtschaftsbereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik für den Zeitraum vom 05. August 1997 bis 31. Dezember 1999 Anwendung.

Der Kläger hatte von seinen Arbeitnehmern eine als Betriebsvereinbarung bezeichnete Vereinbarung unterschreiben lassen, in der wiederum eine so genannte Betriebsvereinbarung zum 01. August 1997 bestätigt wurde, die den Inhalt hatte:

Aus betriebswirtschaftlichen Gründen sowie der Verhinderung einer Zahlungsunfähigkeit wird innerbetrieblich Folgendes vereinbart:

Überstundenzuschläge können August 1997 bis auf Widerruf nicht mehr gewährt werden.

Urlaubs- und Weihnachtsgeld kann ab diesem Jahr bis auf Widerruf nicht ausgezahlt werden.

Für Baustellen im Bereich D. wird festgelegt, dass der Fahrer der betriebseigenen Fahrzeuge für Hin- und Rückfahrt pro Tag 20,00 DM erhält.

Im Februar 2001 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch und stellte fest, dass dieser seinen Mitarbeitern im Zeitraum vom 05. August 1997 bis zum 31. September 1999 weder Urlaubsgeld noch betriebliche Sonderzahlungen geleistet hatte.

Die Beklagte machte daraufhin mit Bescheid vom 04. Mai 2001 eine Beitragsnachforderung mit der Begründung geltend, die Höhe des Beitragsanspruches richte sich nicht nach dem tatsächlich gezahlten, sondern nach dem geschuldeten Lohn. Bei allgemeinverbindlichen Tarifverträgen werde der Tariflohn geschuldet, so dass er sozialversicherungspflichtig auch dann sei, wenn tatsächlich den Arbeitnehmern die entsprechenden Leistungen vorenthalten würden. Im Übrigen könne eine Betriebsvereinbarung Tarifvertragsrecht nicht abändern. Die Beitragsforderung im Bescheid vom 04. Mai 2001 belief sich auf 28 146,86 DM.

Mit dem Widerspruch hiergegen vom 11. Mai 2001 machte der Kläger geltend, diese Beitragsforderung bedrohte seine Existenz. Es handele sich bei dem Schriftstück trotz dessen Bezeichnung als Betriebsvereinbarung in Wirklichkeit um individuelle Änderungs-vereinbarungen. Der Kläger habe seinen Arbeitnehmern seit längerer Zeit übertariflichen Stundenlohn gezahlt und die Vereinbarungen hätten das Ziel gehabt, diesen übertariflichen Lohnzuschlag auf tarifliche Leistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Anrechnung zu bringen. Demgemäß seien die Vereinbarungen als Verzicht auf übertarifliche Lohnzuschüsse bis zur Höhe der neu hinzukommenden tariflichen Ansprüche, insbesondere auf Urlaubsgeld und Sonderzahlungen, anzusehen.

Mit dem am 22. Oktober 2001 zur Post aufgegebenen Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und begründet dies damit, eine Umlegung von Sonderzahlungen auf ein übertariflich gezahltes Entgelt sei aus beitragsrechtlicher Sicht nur dann hinnehmbar, wenn das gezahlte Arbeitsentgelt mindestens so hoch sei wie das tariflich geschuldete Arbeitsentgelt einschließlich der geschuldeten Sonderzuwendungen und der Arbeitnehmer der Umlegung zugestimmt habe. Dies könne dem als "Betriebsvereinbarung" bezeichneten Schriftstück nicht entnommen werden, vielmehr stelle diese einen Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld dar.

Hiergegen hat sich die am 23. November 2001 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Gelsenkirchen (S 24 KR 125/00) verwiesen hatte, in dem einem Arbeitgeber in einem ähnlichen Fall Vertrauensschutz für die Vergangenheit gewährt worden war.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2001, soweit es hierin um die Beitragsnachforderung für tarifliche Sonderzahlungen geht, aufzuheben.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen und darauf verwiesen, dass die Entscheidung des Sozialgerichts Gelsenkirchen nicht rechtskräftig sei.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. Mai 2003 die Klage abgewiesen und dabei auf die Rechtsprechung des hier erkennenden 2. Senats des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 24. September 2002 - L 2 RJ 55/02 - verwiesen. (Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig, das Bundessozialgericht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde insoweit zurückgewiesen.)

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 01. Juli 2003 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 01. August 2003, mit der sie unter Wiederholung ihrer Argumentation aus dem erstinstanzlichen Verfahren ihr Begehren weiter verfolgen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Mai 2003 zu ändern und den Bescheid vom 04. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2001 aufzuheben, soweit er Beitragsnachforderungen für tarifliche Sonder-zahlungen betrifft.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat mit Beschluss vom 28. Januar 2004 die betroffenen Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2001 sowie das dieses bestätigende Urteil des Sozialgerichts vom 27. Mai 2001 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beitragspflicht der Arbeitgeber in der Sozialversicherung folgt nicht aus dem tatsächlich gezahlten, sondern aus dem rechtlich geschuldeten Entgelt.

Für alle Sozialversicherungszweige gelten einheitlich hinsichtlich der Definition von Einnahmen und Arbeitsentgelten §§ 14, 15 SGB IV. Danach sind gemäß § 14 SGB IV alle laufenden Einnahmen aus einer Beschäftigung, Arbeitsentgelt, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus de Beschäftigung im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Der Kläger hat Beiträge für die in dem angefochtenen Bescheid genannten Arbeitnehmer auf der Grundlage des tatsächlich bezogenen Arbeitsentgeltes, also ohne Sonderzahlungen, geleistet. Aus den besonderen Vorschriften der Sozialgesetzbücher folgt nicht, dass entgegen § 14 SGB IV sich der Beitragsanspruch der Sozialversicherungsträger ausschließlich nach dem geleisteten, also dem Arbeitnehmer zugeflossenen Entgelt bemisst und dementsprechend die Beitragspflicht der Klägerin erfüllt worden ist.

Rechtsgrundlage der Feststellung der Beitragsforderung der Beiträge zur Sozialversicherung sind die §§ 28 p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschrift (SGB IV) in Verbindung mit § 28 e SGB IV. Gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Rentenversicherungsträger im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Krankenpflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Gemäß § 28 e Abs. 1 SGB IV haben die Arbeitgeber, hier also der Kläger, die gesamten Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Grundlage der Beitragsforderung und damit der Feststellung der Beitragspflicht sind die besonderen Vorschriften des Sozialgesetzbuches. Dabei knüpfen die besonderen Regelungen des Sozialgesetzbuches bei der Grundlage des Beitragsaufkommens an die Einnahmen des Arbeitnehmers an (§§ 226, 249 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -, §§ 54, 57 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI -, §§ 174 ff. 162 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - und §§ 341 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III - für die Beiträge in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung).

Wie die Beklagte zutreffend annimmt, folgt der Anspruch auf die Erhebung der Beiträge durch die Sozialversicherungsträger und damit auch der Anspruch der Beklagten auf Feststellung und Forderung der Beitragshöhe als zuständige Stelle gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV aus § 22 SGB IV.

Diese Norm (hier in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung - a. F.) regelt die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, ist mithin Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung, Feststellung und Forderung von Beiträgen. Danach entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre nach dem Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 Abs. 1 a. F. SGB IV). Die Höhe des Beitragsanspruches der Sozialversicherungsträger ist nach dieser Norm nicht an die Zahlung von Arbeitsentgelt geknüpft, sondern an die Voraussetzungen der besonderen Sozialgesetze. § 22 Abs. 1 a. F. SGB IV knüpft in Verbindung mit den besonderen Vorschriften der Sozialgesetzbücher damit an das öffentlich-rechtliche Versicherungs- oder Mitgliedschaftsverhältnis an, das kraft Gesetzes bei Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung entsteht. Damit entstehen die Beiträge der Sozialversicherungsträger dann, wenn eine versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 30. August 1994, Az.: 12 RK 59/93, SozR 3-2200 § 385 Nr. 5, NZA 1995, S. 701 bis 704). Auch die Fälligkeit der Beiträge gemäß § 23 SGB IV richtet sich nicht danach, ob ein Arbeitsentgelt tatsächlich ausgezahlt worden ist. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV werden laufende Beiträge, die geschuldet werden, entsprechend der Regelung der Satzung der Kranken- und Pflegekassen fällig. Mithin ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass sich die Höhe des Beitragsanspruches nicht nur danach richtet, welche Einnahmen der Versicherte tatsächlich erhält, sondern darüber hinaus auch Einnahmen erfasst werden, die zwar nicht zugeflossen sind, die aber für den genannten Zeitraum dem Arbeitnehmer geschuldet worden sind (BSG, Urteil vom 21. Mai 1996, Az.: 12 RK 94/94, SozR 3-2500 § 226 Nr. 2, BSGE 78, 224 bis 229). Dies folgt auch daraus, dass nach den besonderen Vorschriften der Sozialgesetzbücher Bemessungsgrundlage für die Beitragspflicht das Arbeitsentgelt aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ist. Das sind alle laufenden einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form sei geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 SGB IV). Das so genannte Zuflussprinzip, nach dem ausschließlich zugeflossene Entgelte und Einnahmen der Beitragspflicht zugrunde zu legen waren, gilt für die Zeit nach dem In-Kraft-Treten des SGB IV nicht mehr (vgl. BSG, Urteil vom 21. Mai 1996, a. a. O.). Nach § 22 SGTB IV stellt nämlich die Beitragsforderung der Sozialversicherungsträger eine öffentlich-rechtliche Forderung dar und unterliegt damit dem öffentlichen Recht. Genauso wie es den Arbeitsvertragsparteien nicht zusteht, durch Gestaltung eines zivilrechtlichen Vertrages das Entstehen eines Mitgliedschaftsverhältnisses in der gesetzlichen Krankenversicherung beziehungsweise eines Versicherungsverhältnisses in einem anderen Zweig der Sozialversicherung zu regeln, können die Arbeitsvertragsparteien auch nicht einzelvertraglich über die Höhe der Beitragsforderung in der Weise disponieren, dass sie durch Zahlungsmodalitäten Einfluss auf die Beitragshöhe nehmen.

§§ 22, 23 SGB IV regeln als öffentlich-rechtliche Normen für das Sozialversicherungsrecht und das Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Abs. 1 SGB IV), wann und - in Anknüpfung an arbeitsvertragliche Regelungen - auch in welcher Höhe eine Beitragsforderung für Versicherungsträger und die Bundesanstalt für Arbeit kraft Gesetzes entsteht. Abzustellen ist dabei auf das geschuldete Arbeitsentgelt. Der 12. Senat des BSG hat hierzu bereits am 26. Oktober 1982 unter Verweisung auf die frühere Rechtsprechung ausgeführt, dass Arbeitgeber Beiträge auch für solche Entgelte zu entrichten haben, die sie ihren Arbeitnehmern bei Fälligkeit nicht gezahlt haben (BSGE 54, 132). Der 12. Senat des BSG hat sich zur Vermeidung von Nachteilen für die Versicherten, besonders bei späteren Rentenansprüchen, insoweit ausdrücklich vom steuerrechtlichen Zuflussprinzip gelöst. Es wäre mit dem Schutzzweck der Sozialversicherung nicht vereinbar und würde für die betroffenen Versicherten zu offensichtlich unbilligen Ergebnissen führen, wenn sich ein Arbeitgeber dadurch, dass er geschuldetes Arbeitsentgelt bei Fälligkeit nicht auszahlt, beitragsrechtliche Vorteile verschaffen könnte. Die Nichtzahlung von fälligem Arbeitsentgelt schlösse somit nicht aus, dass dennoch die darauf enthaltenen Beiträge vom Arbeitgeber zu entrichten seien.

In seiner Entscheidung vom 25. November 1985 - 12 RK 51/83 - hat das BSG diese Rechtsprechung fortgesetzt und erneut bestätigt, dass es unerheblich sei, ob das geschuldete Arbeitsentgelt (zunächst) gezahlt worden sei oder nicht. Die Nichtzahlung oder die verspätete Zahlung von geschuldetem Arbeitsentgelt hindere das Entstehen der Beitragsforderung nicht. Ein Arbeitgeber, der das Arbeitsentgelt nicht (rechtzeitig) zahle, könne sich dadurch seiner Beitragspflicht nicht entledigen. Die Beitragsforderung sei unabhängig vom Arbeitsentgelt und dessen Zahlung, sie hänge auch nicht davon ab, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt werde. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Zur Überzeugung des Senats hatten die Beigeladenen von 4. bis 22. gegen den Kläger auch einen Anspruch auf das Arbeitsentgelt nach dem Tarifvertrag einschließlich der Sonderzahlungen. Gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 4 Tarifvertragsgesetz (TVG) gilt der allgemein verbindliche Tarifvertrag zwischen den Arbeitsvertragsparteien zwingend. Nach dem im Arbeitsrecht geltenden Günstigkeitsprinzip kommt es daher hinsichtlich der Höhe des Lohnanspruchs nicht auf die arbeitsrechtliche Regelung eines geringeren Lohnes bei der Geltung eines günstigeren Tarifvertrages an. Die Nichtbefolgung eines Tarifvertrages und der dort festgelegten, für die Arbeitsvertragsparteien zwingenden Entgelte hat nicht nur Auswirkungen auf das zivilrechtliche Arbeitsverhältnis. Wie ausgeführt, stellt die Beitragsforderung eine öffentlich-rechtliche Forderung dar, die an gesetzliche Tatbestandsmerkmale anknüpft. Es geht bei der Beitragshöhe nicht darum, wie die Parteien ihr Arbeitsverhältnis tatsächlich durchführen, sondern welche Forderungen rechtlich bestehen. Nach dem TVG und den Regelungen des Tarifvertrages bestand tatsächlich ein Arbeitsentgeltanspruch der Beigeladenen von 4. bis 22., aus dem sich die Höhe der Beiträge zur Sozialversicherung, wie sie von der Beklagten festgestellt worden sind, ergibt. Zwar entscheidet grundsätzlich die Höhe des Entgelts über die Höhe der Beiträge und die Arbeitsvertragsparteien haben es in der Hand, durch Vereinbarung des Beschäftigungsverhältnisses und der Entgelthöhe den Eintritt der öffentlich-rechtlichen Versicherung und Beitragspflicht aufgrund eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses mit entsprechenden Beitragsforderungen der Einzugsstellen in der gesetzlichen Sozialversicherung und dem Arbeitsförderungsrecht auszulösen (BSG, Urteil vom 30. August 1994, a. a. O.). Die Dispositionsbefugnis der einzelnen Arbeitsvertragsparteien jedoch ist eingeschränkt durch das Tarifvertragsrecht, wenn die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt sind. Es verbleibt auch dann bei einer dem Zivilrecht unterliegenden Abrede der Entgelthöhe, die allerdings durch die Tarifvertragsparteien mitgestaltet worden ist.

Gegen dieses einfach-rechtliche Ergebnis bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken: Das Bundesverfassungsgericht hat durch Kammerbeschluss vom 18. Juli 2000 - 1 BvR 948/00 - festgestellt, dass eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch Rechtsverordnung für den Mindestlohntarifvertrag die positive oder negative Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz - GG - nicht berühre. Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung.

Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG und der Rechtsprechung des BVerfG zu Einmalzahlungen ergeben sich keine Bedenken: In den vom BVerfG entschiedenen Fällen der Einmalzahlungen (insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld) führte die Gesetzeslage dazu, dass sich rechtstreu verhaltende Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit dem Ergebnis konfrontiert wurden, dass den geleisteten Beiträgen insoweit keine Gegenleistung gegenüber stand. Hier jedoch wird dieses Ergebnis nicht durch die Rechtsordnung, sondern durch ein im Widerspruch zu ihr stehendes Verhalten bewirkt. Befolgte der Kläger den Tarifvertrag, stünden allen Beiträgen auch Leistungen gegenüber.

Die Rechtsprechung des Sozialgerichts Gelsenkirchen zum Vertrauensschutz der Arbeitgeber darauf, dass sie rechtswidrig vorenthaltene Beiträge auch später nicht zu leisten haben, überzeugt den Senat nicht. Insoweit bietet die Verjährungsvorschrift des § 25 SGB IV hinreichenden Schutz, die in Abs. 1 Satz1 gerade von Gutgläubigkeit - und damit von Vertrauen - ausgeht. Im Übrigen bieten die gesetzlichen Vorschriften zum Beitragsrecht keinen Ansatz für die Berücksichtigung von Vertrauensgesichtspunkten.

Es war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG die Berufung zurückzuweisen.

§ 197 a SGG war nicht anzuwenden, da die Klage vor dem 02. Januar 2002 erhoben wurde; es war insoweit § 183 SGG in der alten Fassung anzuwenden - Art. 17 Abs. 1 6. SGG-ÄndG -.

Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 3. sind nicht zu erstatten (§ 193 Abs. 4 SGG). Kosten der Beigeladenen zu 4. bis 22. hat der Kläger nicht zu tragen, da diese keine Anträge gestellt und ihm gegenüber somit nicht obsiegt haben.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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