L 7 KA 64/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 30/99 KZA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 64/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Genehmigung zur Beschäftigung einer Entlastungsassistentin hätte erteilen müssen.

Der Kläger nimmt als niedergelassener Zahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung in Berlin teil. Am 30. Juni 1998 genehmigte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Beschäftigung der Vertragszahnärztin H.F. als Assistentin im Rahmen einer so genannten Nebenstelle zur stundenweisen Beschäftigung in der Zeit vom 22. Juni 1998 bis zum 30. Juni 1999; diese Genehmigung wurde später bis zum 30. Juni 2000 verlängert.

Unter dem 20. Juli 1999/9. August 1999 beantragte der Kläger sodann bei der Beklagten die Genehmigung, die vorgenannte Assistentin im Rahmen einer Halbtagsbeschäftigung bzw. im Umfang von 18 Stunden wöchentlich für die Zeit ab dem 1. Juli 1999 zu beschäftigen. Er begründete dies mit erhöhtem Fortbildungsumfang, eine Praxisausweitung werde nicht stattfinden. Mit Bescheid vom 19. August 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Genehmigung lägen nicht vor. Falls es sich bei der angestrebten Weiterbildung des Klägers um eine wissenschaftliche Tätigkeit handele, werde die Beklagte dies erneut prüfen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger neben der bereits angeführten geplanten Weiterbildung zusätzlich auch mit Gründen der Kindererziehung und mit gesundheitlichen Gründen. Mit formlosem Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1999 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die vom Kläger angegebenen Gründe für die Erteilung der Genehmigung zur Beschäftigung der Entlastungsassistentin reichten nicht aus.

Die hiergegen zum Sozialgericht Berlin erhobene Klage hat dieses durch Urteil vom 22. August 2001 abgewiesen: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Beschäftigung der Vertragszahnärztin H.F. als Entlastungsassistentin, denn die Voraussetzungen nach § 32 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) lägen hierfür nicht vor. Nach § 32 Abs. 2 Satz 2 Zahnärzte-ZV dürfe der Vertragszahnarzt aus Gründen der Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung einen Vertreter oder einen Assistenten beschäftigen. Die vom Kläger genannten Gründe - Fort- und Weiterbildung, Kinderbetreuung und gesundheitliche Gründe - seien indessen keine Gründe der Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung. Dies entspreche gefestigter Rechtsprechung und verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere auch nicht gegen das Gebot zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz. Die geplanten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die gesundheitlichen Gründe habe er auch nicht genügend substantiiert dargelegt.

Gegen dieses ihm am 26. Oktober 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. November 2001 Berufung zum Landessozialgericht Berlin eingelegt, in der er insbesondere geltend gemacht hat, seine Ehefrau beabsichtige eine Tätigkeit als Bühnenschauspielerin, weshalb er im verstärkten Maße mit Kindererziehung befasst sein werde. Auch habe er die geplanten Fortbildungsmaßnahmen hinreichend benannt.

Am 12. März 2003 hat die Beklagte dem Kläger auf dessen vorangegangenen Antrag die Genehmigung erteilt, die Zahnärztin S.N.-K. als Entlastungsassistentin in seiner vertragszahnärztlichen Praxis in der Zeit vom 15. April 2003 bis zum 14. April 2004 zu beschäftigen. Den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Beschäftigung der Zahnärztin H.F. hat der Kläger nicht aufrechterhalten.

Der Kläger beantragt nunmehr, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2001 aufzuheben und festzu- stellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 19. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1999 rechtswidig war und ihm eine Ge- nehmigung zur Beschäftigung der Vertrags- zahnärztin H. F. als Entlastungs- assistentin vom 1. Juli 1999 bis zum 31. März 2000 hatte erteilt werden müssen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil die Klage während des Berufungsververfahrens unzulässig geworden ist.

Nachdem die hier angefochtenen Bescheide und das ursprüngliche Begehren des Klägers auf Erteilung einer Genehmigung zur Beschäftigung der Zahnärztin Hannelore Fehrmann sich durch Erteilung der Genehmigung vom 12. März 2003, bezogen auf eine andere Zahnärztin, erledigt hatte, hat der Kläger sein Begehren umgestellt und die ursprüngliche Anfechtungsklage im Sinne einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fortgeführt. Bei dem Übergang vom Anfechtungs- zum Fortsetzungsfeststellungsantrag handelt es sich nicht um eine Klageänderung im Sinne von § 99 SGG, der Übergang ist auch im Rechtsmittelverfahren möglich (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002, B 6 KA 32/01 R, SozR 3-1500 § 54 Nr. 47).

Jedoch fehlt dem Kläger das für die Zulässigkeit dieser Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse. So kann er sich zunächst nicht auf den Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr berufen. Eine solche Wiederholungsgefahr ist etwa dann zu bejahen, wenn Änderungen in den Tatsachenumständen, die für die Entscheidung der Beklagten maßgeblich waren, ausgeschlossen erscheinen und die Entscheidung der Beklagten ansonsten maßgeblich von Rechtsfragen abhängt, die voraussichtlich künftig wieder relevant werden (BSG a.a.0.). Diese Voraussetzungen sind indessen im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Es ist nicht zu erkennen, dass der Kläger eine Genehmigungserteilung für die Zahnärztin Hannelore Fehrmann erneut begehren wird. Ob andere Zahnärztinnen oder Zahnärzte als Entlastungsassistentinnen oder Entastungsassistenten beschäftigt werden sollen, ist derzeit ebenso wenig sicher absehbar wie die Antwort auf die Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger zukünftig etwa mit der Kindererziehung befasst sein wird. Durch das fortschreitende Lebensalter der gegebenenfalls zu betreuenden Kinder verändern sich die Sachverhalte bereits so grundlegend, dass Entscheidungen der Vergangenheit für zukünftige Entscheidungen nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung sein können.

Der Kläger kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse aber auch nicht daraus ableiten, dass er möglicherweise im Falle eines Prozesserfolges im sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Beklagte mit Schadensersatzansprüchen vorgehen will. Ein derartiges Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn die beabsichtigte Schadensersatzklage, die hier allein auf die Vorschrift des § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gestützt werden könnte, offensichtlich aussichtslos ist, insbesondere dann, wenn offensichtlich das für einen Amtshaftungsanspruch erforderliche Verschulden fehlt (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - ,wohl zuletzt Entscheidung vom 3. Juni 2003, 5 C 50/02, NVwz 2004, S. 104). So liegen die Voraussetzungen im vorliegenden Fall.

In diesem Zusammenhang lässt der Senat ausdrücklich offen, ob die Aussichtslosigkeit der Amtshaftungsklage schon aus der so genannten "Kollegialgerichts-Richtlinie" folgt. In der Rechtsprechung ist weitestgehend anerkannt, dass eine Amtshaftungsklage jedenfalls dann offensichtlich aussichtslos ist, wenn ein mit mehreren rechtskundigen Richtern - in der Regel Berufsrichtern - besetztes Gericht, das heißt ein so genanntes Kollegialgericht, das Verwaltungshandeln als rechtmäßig beurteilt hat, und zwar auch dann, wenn diese Einschätzung nur in einem erstinstanzlichen Urteil enthalten war und durch Rechtsmittelurteile korrigiert wurde Bundesverwaltungsgericht a.a.0.). In der Rechtsprechung ist bislang nicht eindeutig geklärt, ob ein Sozialgericht erster Instanz, welches mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern - im vorliegenden Fall aus den Kreisen der Zahnärzte - besetzt ist und welches im vorliegenden Falle das Verwaltungshandeln der Beklagten als rechtmäßig beurteilt hatte, als Kollegialgericht im Sinne der vorgenannten "Kollegialgerichts-Richtlinie" zu beurteilen ist. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Zivilsachen in seinem Urteil vom 14. März 2002, III ZR 302/00, BGHZ 150, 172, im konkreten Fall das Urteil eines Sozialgerichts nicht als Entscheidung eines Kollegialgerichts im Sinne der vorgenannten Richtlinie bewertet, andererseits aber ausgeführt, dass auch eine erstinstanzliche sozialgerichtliche Entscheidung im Einzelfall bei der Würdigung, ob dem Amtsträger ein Schuldvorwurf zu machen sei, zu berücksichtigen sein könne. Umgekehrt hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 10. Juli 1996 (3 RK 27/95, SozR 3-2500 § 126 Nr. 2) die Anwendung der so genannten "Kollegialgerichts-Richtlinie" sogar im Hinblick auf ein Urteil des Landessozialgerichts, welches überwiegend mit Berufsrichtern besetzt ist, verneint, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der BGH in dem dort genannten Fall zu der Einschätzung kommen könne, der betreffende Amtsträger könne sich nicht auf den Entschuldigungsgrund eines kollegialgerichtlichen Urteils berufen.

Diese Fragen bedürfen vorliegend jedoch deswegen keiner Entscheidung, weil eine etwaige Amtshaftungsklage des Klägers bereits aus anderen Gründen offensichtlich aussichtslos wäre. So ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass nicht jeder objektive Rechtsirrtum ohne weiteres einen Schuldvorwurf für den handelnden Amtsträger begründen kann. Hat der Amtsträger die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft geprüft und hat er sich danach auf Grund objektiv vernünftiger Überlegungen eine Rechtsmeinung gebildet, die als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, so kann - selbst wenn die Rechtsauffassung des Amtsträgers später durch Gerichte missbilligt werden sollte - ein Schuldvorwurf jedenfalls nicht daraus hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 14. März 2002, III ZR 302/00, BGHZ 150, 172).

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Selbst wenn sich die Entscheidung des handelnden Amtsträgers im vorliegenden Fall in rückschauender Prüfung als objektiv rechtswidrig erweisen sollte, sofern sie gegen § 32 Abs. 2 Satz 2 Zulassungsverordnung für Zahnärzte (Zahnärzte-ZV) verstoßen sollte, könnte dem handelnden Amtsträger hieraus jedenfalls kein Schuldvorwurf gemacht werden. Denn § 32 Abs. 2 Satz 2 Zahnärzte-ZV setzt u.a. voraus, dass die Genehmigung zur Beschäftigung eines Entlastungsassistenten bzw. einer Entlastungsassistentin nur aus Gründen der Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung erteilt werden darf. Während des gesamten Verwaltungsverfahrens jedoch hat der Kläger dem handelnden Amtsträger bei der Beklagten nicht die Möglichkeit eröffnet, die Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmals sachgerecht zu prüfen. Er hat zwar auf Gründe der Kinderbetreuung, der Fortbildung und gesundheitliche Gründe Bezug genommen, er hat jedoch zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten deutlich gemacht, ob, in welchem Umfang und in welcher Hinsicht sich diese zunächst nur der persönlichen Lebens- und Arbeitsplanung zuzurechnenden Umstände tatsächlich auf die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung auswirken können. Er hat insbesondere zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten deutlich gemacht, warum die von ihm in Aussicht gestellte zeitaufwendige Kinderbetreuung einen Nachteil für die vertragszahnärztliche Versorgung darstellen sollte, das heißt insbesondere, warum er die Versorgung seines Patientenstammes zukünftig nicht mehr gewährleisten könne. Schon vor diesem Hintergrund kann, selbst wenn sich rückschauend die Entscheidung der Beklagten als objektiv rechtswidrig erweisen sollte, keinem der beteiligten Amtsträger ein Vorwurf im Sinne eines Verschuldens nach § 839 BGB gemacht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung, sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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