L 5 RJ 7/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 RJ 1744/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RJ 7/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2002 geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Kosten des gesamten Rechts- streits nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß §§ 44, 43 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) a.F.

Der 1955 geborene Kläger hat von April 1970 bis September 1973 eine Lehre als Kfz-Mechaniker mit erfolgreicher Abschlussprüfung absolviert und nach kurzen Tätigkeiten als Verkaufsfahrer und Verkäufer von November 1975 bis 31. Dezember 1993 den erlernten Beruf in einer Kfz-Werkstatt der amerikanischen Streitkräfte ausgeübt. Seitdem war der Kläger nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt und zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes auf verschiedene Sozialleistungen angewiesen. Mit Bescheid vom 31. Mai 1995 wurde bei ihm ein Grad der Behinderung von 60 sowie das Merkzeichen "G" anerkannt wegen einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit und degenerativen Wirbelsäulenleiden mit wiederkehrenden Reizerscheinungen.

Wegen dieser Leiden absolvierte der Kläger Ende 1995 ein von der Beklagten gewährtes Heilverfahren, aus dem er mit der Empfehlung einer beruflichen Neuorientierung in Richtung auf mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung unter konstanten sauberen Raumluftbedingungen entlassen wurde. Aufgrund seines Antrages vom 21. August 1996 auf Gewährung berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation bewilligte die Beklagte dem Kläger in Abstimmung mit der Arbeitsverwaltung eine Maßnahme zur "Teilfeldqualifizierung in den Bereichen Lagerwesen/Bewachungs-gewerbe mit EDV-Ausbildung" vom 19. Januar 1998 bis zum 15. Januar 1999, die von der Bosch Bildungs- und Beratungsgesellschaft mbH durchgeführt wurde. Im Verlauf dieser Maßnahme wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um die Übernahme der Kosten für den Erwerb eines Omnibuspersonenbeförderungsscheines. Der Bildungsträger befürwortete dies mit Schreiben vom 10. September 1998 und 13. Januar 1999 zur Verbesserung der Vermittlungschancen des Klägers, für den verschiedene berufliche Perspektiven geprüft und verworfen worden seien. Eine Bürotätigkeit komme wegen fehlender beruflicher Qualifikation nicht in Betracht. Eine Arbeitsaufnahme im Bereich des Wach- und Sicherheitsgewerbes hätten alle angesprochenen Betriebe wegen der geringen körperlichen Belastbarkeit des Klägers abgelehnt. Der Versuch, ihn in einer Kfz-Werkstatt im Bereich der Lagerverwaltung oder Reparaturannahme zu platzieren, sei wegen der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen und der mangelnden fachlichen Qualifikation des Klägers ebenfalls gescheitert. Ein Betriebspraktikum als Haushandwerker im Hotel Sorat habe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen. Eine Einsatzmöglichkeit werde jedoch im Bereich der Personenbeförderung gesehen, wofür jedoch der P-Schein Voraussetzung sei. Unter dem 15. Januar 1999 bescheinigte der Bildungsträger dem Kläger sodann die erfolgreiche Teilnahme an der genannten Teilqualifizierungsmaßnahme. Ab 16. Januar 1999 war der Kläger arbeitslos gemeldet. Daraufhin lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für den P-Schein mit Bescheid vom 30. Juni 1999 ab, weil durch die erfolgreich durchgeführte Bildungsmaßnahme - auch nach Auffassung der Arbeitsverwaltung - ausreichende Vermittlungschancen gegeben seien und überdies ärztlicherseits Bedenken gegen die Ausübung einer Busfahrertätigkeit bestünden.

Vom 19. Januar bis 16. Februar 2000 unterzog sich der Kläger wegen seiner Atemwegserkrankungen und Rückenbeschwerden einem weiteren stationären Heilverfahren, aus dem er ausweislich des Entlassungsberichtes vom 13. März 2000 mit vollschichtigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten in wechselnder Haltung ohne inhallative Schleimhautiritantien und infektfördernde klimatische Einflüsse entlassen wurde. Gegen die vom Kläger weiterhin angestrebte Umschulung zum Busfahrer wurden keine Bedenken erhoben, da der Fahrersitz rückengerecht ausgerüstet werden könne. Nachdem die Beklagte die vom Kläger danach erneut beantragte Kostenübernahme für den Erwerb des P-Scheins mit Bescheid vom 7. August 2000 wiederum mit der Begründung abgelehnt hatte, dass die Tätigkeit als Busfahrer nach Auffassung ihres Ärztlichen Dienstes nicht leidensgerecht sei, beantragte der Kläger am 22. August 2000 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte stellte in seinem Versicherungsverlauf 359 Beitragsmonate fest, davon 55 in der Zeit vom 22. August 1995 bis zum 21. August 2000, und ließ den Kläger von der Ärztin für Allgemein- und Sozialmedizin Dr. G untersuchen. Diese diagnostizierte beim Kläger in ihrem am 20. November 2000 abgeschlossenen Gutachten ein Asthma bronchiale, ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Lendenwirbelsäulenveränderungen sowie Iliosacralgelenkalgie links und Übergewicht und hielt ihn für fähig, leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie Gefährdung durch Kälte, Nässe und Atemreizstoffe vollschichtig zu verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 4. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2001 im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne der § 43, 44 Sozialgesetzbuch - SGB - VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Mit dem medizinisch festgestellten Leistungsvermögen sei er zwar nicht mehr in der Lage, seinen bisherigen Beruf als Kfz-Mechaniker auszuüben, könne aber zumutbar auf Tätigkeiten eines Hausmeisters sowie eines Lagerverwalters oder einer Sicherheitsfachkraft verwiesen werden, zumal er für die letztgenannten Tätigkeiten im Rahmen einer Berufsförderungsmaßnahme erfolgreich qualifiziert worden sei.

Mit der am 26. Juli 2001 erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiterverfolgt und geltend gemacht, dass er für eine Tätigkeit als Lagerverwalter nicht hinreichend qualifiziert sei, weil die Ausbildung im Bereich Lagerwirtschaft nur vom 27. April bis 8. Mai 1998 gedauert habe. Die Tätigkeit sei auch mit körperlichen Anforderungen verbunden, denen er nicht gewachsen sei.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von dem behandelnden Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S angefordert und von der Bosch Bildungs- und Beratungsgesellschaft mbH eine Auskunft über Inhalt und Umfang der vom Kläger absolvierten Ausbildung hinsichtlich der Schwerpunktthemen berufsbezogenes Marketing, Grundlagenausbildung EDV und Qualifizierung im Bereich Lagerwesen/Bewachungsgewerbe eingeholt. Auf das Antwortschreiben vom 13. November 2001 nebst Auflistung der Unterrichtseinheiten sowie die ergänzende Stellungnahme vom 15. Januar 2002 (Bl. 32 - 40, 47 GA) wird verwiesen.

Mit Urteil vom 29. Januar 2002 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit seit dem 1. August 2000 zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Gericht im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die zulässige Klage sei teilweise begründet. Der Kläger habe Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI a.F. in der Fassung des Gesetzes vom 2. Mai 1996. Nach dem Gutachten der Rentenärztin Dr. G vom 20. November 2000 sei der Kläger nicht mehr in der Lage, im erlernten Beruf des Kfz-Mechanikers zu arbeiten. Allein daraus ergebe sich zwar noch nicht ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Es sei jedoch auch keine andere Tätigkeit erkennbar, auf die der Kläger körperlich und sozial zumutbar verwiesen werden könne. Zwar sei nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. stets zumutbar eine Tätigkeit, für die ein Versicherter durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sei, und bei formaler Betrachtungsweise habe der Kläger "erfolgreich" an der Qualifizierungsmaßnahme "Teil-qualifizierung im Bereich Lagerwesen/Bewachungsgewerbe mit EDV-Ausbildung" teilgenommen. Gleichwohl könne er weder auf die Tätigkeit eines Lagerverwalters noch auf die einer Sicherheitsfachkraft verwiesen werden. Voraussetzung für die Verweisung eines Facharbeiters im Sinne des Mehrstufenschemas auf eine andere als die erlernte Tätigkeit sei nach ständiger Rechtsprechung des BSG, dass es sich dabei um eine Tätigkeit handele, die auch für einen Facharbeiter eine Einarbeitungszeit von zumindest drei Monaten erfordere, um diese vollwertig verrichten zu können. Dies gelte auch für Tätigkeiten im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F., für die ein Versicherter durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sei. Auch insoweit sei Voraussetzung, dass es sich bei einer solchen Umschulung um eine Maßnahme handele, die eine Vermittlung von Kenntnissen oder Fertigkeiten nach einem bestimmten Ausbildungsplan vorsehe und sich über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten erstrecke. Vorliegend habe die Maßnahme insgesamt zwölf Monate angedauert. Aus dem vom Maßnahmeträger zur Verfügung gestellten Ausbildungsplan gehe jedoch hervor, dass die Ausbildungsabschnitte "Lagerverwaltung/Lagerwesen" sowie "Bewachung/Einlass- und Pförtnerdienste" jeweils lediglich 240 Unterrichtseinheiten umfasst hätten, d.h. sechs Wochen. Das im Rahmen der Maßnahme zur Verbesserung des Wissensstandes und der Fähigkeiten des Teilnehmers vorgesehene Praktikum habe im Falle des Klägers weder einen Bezug zur Tätigkeit eines Lagerverwalters noch zu der eines Mitarbeiters im Sicherheits- oder Pförtnerdienst gehabt, sondern eine Tätigkeit als Haushandwerker im Hotel Sorat beinhaltet. Die dem Ausbildungsabschnitt "Lagerverwaltung/Lagerwesen" zugerechnete EDV-Ausbildung habe nur 40 Unterrichtseinheiten entsprechend einer Woche umfasst, so dass die Ausbildung für beide Tätigkeitsbereiche jeweils für sich genommen nicht einmal acht Wochen gedauert habe. Dass die weiteren Ausbildungsabschnitte "Analyse der persönlichen Situation/Leistungsprofil", "Ausprägung des Selbstwertgefühls", "Die aktuelle Arbeitswelt - Grundaussagen" und "berufsbezogenes Marketing" keine Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt hätten, die einen konkreten Bezug zum Inhalt der Umschulungstätigkeiten hätten, läge auf der Hand. Ebenso habe es sich bei dem Ausbildungsabschnitt "Grundlagenausbildung EDV" nur allgemein um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Bereich der Textverarbeitung und Tabellenkalkulation gehandelt, ohne dass konkrete Ausbildungsinhalte in Bezug auf die Tätigkeiten eines Lagerverwalters oder Mitarbeiters im Sicherheitsdienst vermittelt worden wären. Da die Beklagte im Übrigen in keiner Weise inhaltlich dargelegt habe, dass und weshalb der Kläger in der Lage sein solle, die im Widerspruchsbescheid genannten Verweisungstätigkeiten vollwertig ausüben zu können, obwohl ihr insofern die Darlegungs- und objektive Beweislast obliege, sei dem Kläger die hilfsweise begehrte Rente wegen Berufsunfähigkeit im tenorierten Umfang zuzusprechen, zumal selbst der Geschäftsführer des Maßnahmeträgers bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt habe, dass der Kläger weder von seinen Kenntnissen, noch von seinen gesundheitlichen Verhältnissen her in der Lage sei, die mit der Umschulungsmaßnahme angestrebten Tätigkeiten auszuüben. Die Voraussetzungen für den vorrangig geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI a.F. erfülle der Kläger dagegen nicht, weil er ausweislich des Rentengutachtens der Dr. G noch vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen verrichten könne, was das Sozialgericht dann noch näher ausgeführt hat.

Gegen das ihr am 11. März 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. April 2002 eingegangene Berufung der Beklagten. Sie räumt im Hinblick auf die von ihr eingeholte Stellungnahme der Bosch Bildungs- und Beratungsgesellschaft vom 27. März 2003 ein, dass der Kläger wegen der jeweils höchstens 8-wöchigen Gesamtausbildungszeit auf Tätigkeiten eines Lagerverwalters oder einer Sicherheitsfachkraft nicht verwiesen werden könne, ist im Übrigen aber der Auffassung, dass das Sozialgericht der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen sei, weil es weder die im Widerspruchsbescheid genannte Tätigkeit eines Hausmeisters noch sonstige Verweisungstätigkeiten für den Kläger in Erwägung gezogen habe. Es sei auch unzutreffend, dass der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten verrichten könne, vielmehr liege nach dem allgemeinärztlichen Rentengutachten vom 20. November 2000 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten vor. Damit könne der Kläger auch noch als Mitarbeiter im Kfz-Teiledienst, als Kfz-Reparaturannehmer oder Kfz-Kundendienstberater tätig sein, wie das Sächsische Landessozialgericht in einem ähnlich gelagerten Fall mit Urteil vom 3. August 2000 - L 5 RJ 314/99 - entschieden habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es ergebe sich bereits aus dem Heilverfahrensentlassungsbericht vom 13. März 2000, dass er nur noch körperlich leichte Arbeiten verrichten könne. Sein Leistungsvermögen habe sich seitdem nicht gebessert, so dass die Rentengutachterin Dr. G von einem zu positiven Leistungsvermögen ausgegangen sei. Dies habe auch sein behandelnder Arzt Dr. S in seinem Befundbericht bestätigt. Die von der Beklagten jetzt noch eingeführten Verweisungstätigkeiten kämen nicht in Betracht. Ein Hausmeister müsse auch mittelschwere Arbeiten verrichten, wohingegen sich während seines Praktikums im Hotel Sorat herausgestellt habe, dass er der Tätigkeit eines Haushandwerkers gesundheitlich nicht gewachsen sei. Im Rahmen der Kfz-Reparaturannahme würden üblicherweise nur Meister eingestellt. Für einen Kundendienstberater fehlten ihm die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Elektronik. Die Tätigkeit im Kfz-Teiledienst komme für ihn ebenfalls nicht in Betracht, da hier auch schwere Teile gehoben und getragen werden müssten.

Der Senat hat die dem von der Beklagten zitierten Urteil des Sächsischen Landessozialgericht zugrunde liegenden berufskundlichen Unterlagen angefordert und die vom LSG Berlin in dem einem Kfz-Mechaniker betreffenden Verfahren - L 17 RJ 25/00 - herangezogenen Auskünfte des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e.V. - VME - u.a. zur Tätigkeit eines Arbeiters in Hochregallagern mit warenkundlichen Kenntnissen des üblichen Metallsortiments in das hiesige Verfahren eingeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Rentenakte sowie 3 Bände Reha-Akten) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.

Das erstinstanzliche Urteil ist zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2001 auch insoweit nicht zu beanstanden, als damit die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit abgelehnt worden ist, die allein noch streitig ist.

Maßgebend für die im August 2000 beantragte Rente wegen Erwerbsminderung sind gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch die Vorschriften dieses Gesetzes in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung.

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie

1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt ist.

Der Kläger erfüllt, bezogen auf den Zeitpunkt des Rentenantrages, zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die von ihm begehrte Erwerbsminderungsrente, wie die Beklagte anhand seines Versicherungsverlaufes zutreffend festgestellt hat. Er ist jedoch nicht berufsunfähig.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit der Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F.).

Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist danach der "bisherige Beruf" des Klägers. Das ist seine - mit Abschlussprüfung nach mehr als dreijähriger Ausbildung - erlernte und zuletzt bis Ende 1993 ausgeübte Tätigkeit als Kfz-Mechaniker. Diesen Beruf kann der Kläger unstreitig nicht mehr ausüben, weil damit auch die Bewältigung schwerer Lasten und eine Beeinträchtigung durch negative klimatische Einflüsse sowie Atemreizstoffe verbunden sein kann, was bei ihm auszuschließen ist. Dieser Umstand begründet jedoch keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Eine solche steht einem Versicherten nämlich erst dann zu, wenn es anstelle seines bisherigen Berufes keine andere Tätigkeit mehr gibt, auf die er gesundheitlich und sozial zumutbar verwiesen werden kann.

Die soziale Zumutbarkeit hängt von der Wertigkeit des bisherigen Berufes ab. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass der Kläger in dem vom BSG entwickelten Mehr-Stufen-Schema als gelernter Kfz-Mechaniker in der zweithöchsten von vier Gruppen einzustufen ist. Da er somit Berufsschutz als Facharbeiter genießt, kann er, da er als Kfz-Mechaniker nicht mehr einsetzbar ist, nur auf andere Facharbeitertätigkeiten oder auf qualifizierte Anlerntätigkeiten verwiesen werden, die konkret zu benennen sind. Hinsichtlich der Verweisungstätigkeit ist zu berücksichtigen, dass einerseits der Versicherte aufgrund seiner Vorkenntnisse und Fähigkeiten in der Lage sein muss, diese mit einer maximalen Anlern- bzw. Einarbeitungszeit von drei Monaten vollwertig zu verrichten, andererseits die Tätigkeit für jemanden ohne Vorbildung aber eine betriebliche Ausbildung von mehr als drei Monaten erfordert. Eine Tätigkeit, die jeder auch ohne Vorkenntnisse nach kurzer Einweisung und Einarbeitung von höchstens drei Monaten verrichten kann, kommt als Verweisungsberuf für einen Facharbeiter nicht in Betracht, weil sie insoweit sozial nicht zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 30. September 1987 - 5 b RJ 20/86 - SozR 2200 § 1246 Nr. 147).

Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger nicht auf eine Tätigkeit als Lagerverwalter oder Sicherheitsfachkraft verwiesen werden, für die er von der Bosch Bildungs- und Beratungsgesellschaft mbH in einer einjährigen, von der Beklagten mit Lehrgangsgebühren und Unterhaltsgeld geförderten Maßnahme qualifiziert worden sein soll. Zwar ist ein Versicherter gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F. grundsätzlich stets auf eine Tätigkeit verweisbar, für die er durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist. Die genannten Mindestanforderungen an eine für einen Facharbeiter zumutbare Verweisungstätigkeit gelten aber auch insoweit. Dem Sozialgericht ist darin beizupflichten, dass die lediglich formal "erfolgreiche" einjährige Teilqualifizierung des Klägers bei der Bosch Bildungs- und Beratungsgesellschaft nicht zu einer Anlerntätigkeit hingeführt hat, auf deren berufliche Ausübung der Kläger als Facharbeiter im rentenrechtlichen Sinne verwiesen werden könnte. Der Maßnahmeträger hat mit Schreiben vom 27. März 2003 gegenüber der Beklagten inzwischen selbst eingeräumt, dass die Gesamtausbildungszeit im Falle des Klägers in den Bereichen Lagerverwaltung und Bewachungsgewerbe jeweils höchstens acht Wochen betragen hat.

Bietet damit die vom Kläger absolvierte Bildungsmaßnahme keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt für eine ihm zumutbare Verweisungstätigkeit, hätte das Sozialgericht die Beklagte gleichwohl nicht ohne weiteres zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit verurteilen dürfen. Die Beklagte rügt insoweit zu Recht, dass die Kammer damit die ihr obliegende Amtsermittlungspflicht vernachlässigt hat, denn angesichts des noch nicht so fortgeschrittenen Alters des Klägers, seiner guten fachlichen Ausbildung und jahrzehntelangen Berufserfahrung sowie seines nur qualitativ eingeschränkten Leistungsvermögens hätte sich das Sozialgericht gedrängt fühlen müssen, von sich aus Beschäftigungsalternativen für ihn zu prüfen.

Die krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen des Klägers sind nicht ganz einheitlich beurteilt worden. Nach dem Rentengutachten der Allgemein- und Sozialmedizinerin Dr. G vom November 2000 soll der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie Gefährdung durch Kälte, Nässe und Atemreizstoffe vollschichtig verrichten können, was er jedoch für eine zu positive Beurteilung hält. Der Senat neigt wie offenbar auch das Sozialgericht zugunsten des Klägers dazu, wegen seiner im Wesentlichen unstreitigen chronischen Leiden auf orthopädischem und internistischem Gebiet eine Beschränkung seines Leistungsvermögens auf leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel anzunehmen, wovon nach immerhin mehrwöchiger stationärer Behandlung auch die Reha-Klinik in ihrem Entlassungsbericht vom 13. März 2000 und im Anschluss daran die Prüfärztin Dr. W in ihrer Stellungnahme vom 29. Mai 2000 ausgegangen sind, also wenige Wochen vor dem hier streitigen Rentenantrag. Letztlich vermag dies dem Rentenbegehren des Klägers aber nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil er auch mit diesem weitergehend eingeschränkten Leistungsvermögen nicht berufsunfähig im rentenrechtlichen Sinne ist.

Auf die von der Beklagten im Berufungsverfahren genannten Tätigkeiten, die an den Ausbildungsberuf des Klägers anknüpfen, kann er nach den hierzu vom Senat angestellten Ermittlungen nicht verwiesen werden, weil er ihnen entweder körperlich nicht gewachsen ist (Kfz-Teile-dienst) oder ihm das erforderliche Fachwissen eines Meisters fehlt (Kfz-Reparaturannehmer und Kundendienstberater).

Eine Tätigkeit, die der Kläger sowohl gesundheitlich als auch fachlich zu bewältigen vermag, ist jedoch die eines Arbeiters im Hochregallager mit warenkundlichen Kenntnissen des üblichen Metallsortiments. Dies ergibt sich aus den berufskundlichen Auskünften des VME in dem ganz ähnlich gelagerten Verfahren - L 17 RJ 25/00 -, die der Senat in das vorliegende Verfahren eingeführt hat. Danach steuert ein Arbeiter im Hochregallager mittels Computer und automatischer Regaltechnik die Ein- und Auslagerung von metallischen Rohstoffen, Halbzeugen und Fertigerzeugnissen. Eine körperliche Anstrengung erfolgt hierbei nicht, da ausschließlich automatische Transporttechnik zur Anwendung gelangt und ein Umpacken der Gegenstände nicht erforderlich ist. Die Tätigkeit wird überwiegend im Sitzen ausgeübt. Arbeiten in Zwangshaltungen oder auf Leitern und Gerüsten fallen nicht an. Häufiges Arbeiten in hockender Stellung oder häufiges Bücken ist mit dieser Tätigkeit nicht verbunden, so dass sie insgesamt als leichte körperliche Arbeit anzusehen ist. Dieser Arbeitsplatzbeschreibung entnimmt der Senat der Auskunft des VME vom 9. Dezember 1998. Die genannte Tätigkeit ist dem Kläger auch fachlich zumutbar, da er die für diesen Beruf erforderlichen Kenntnisse innerhalb einer Einarbeitungszeit von nicht mehr als drei Monaten erlernen kann. Nach der Auskunft des VME, der für die Tätigkeit eines Arbeiters in Hochregallagern mit warenkundlichen Kenntnissen des üblichen Metallsortiments als besonders sachkundige Stelle anzusehen ist, können von einem gelernten Kfz-Mechaniker, der - wie der Kläger - diesen Beruf ca. 20 Jahre ausgeübt hat, die für die genannte Verweisungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse nach einer nur kurzen Einarbeitungszeit erworben werden, was einleuchtet, weil er ebenfalls einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen mitbringt. Eine nur kurze Einarbeitungszeit gilt auch in Bezug auf die Tatsache, dass bei Ausübung der Tätigkeit Computer zu bedienen sind, denn aus der Auskunft des VME vom 19. März 2002 geht hervor, dass sich aufgrund der Einführung von anwenderfreundlicher Software die für diese Tätigkeit erforderlichen Computerkenntnisse auch Personen, die über keinerlei derartige Vorkenntnisse verfügen, innerhalb von drei Monaten aneignen können. In diesem zeitlichen Rahmen kann der Kläger auch das erforderliche Verständnis für die Lagerorganisation gewinnen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine längere als die übliche Einarbeitungszeit im Vergleich zu Personen mit vergleichbaren Vorkenntnissen benötigt, liegen nicht vor, zumal er im Rahmen der Teilqualifizierung bei der Bosch Bildungs- und Beratungsgesellschaft immerhin Grundkenntnisse des Lagerwesens und der EDV erworben hat.

Die soziale Zumutbarkeit der Tätigkeit eines Hochregallagerarbeiters für einen Facharbeiter folgt aus ihrer Einstufung in die Lohngruppe 4 oder 5 des Tarifvertrages für die Berliner Metallindustrie. Darunter fallen Tätigkeiten, die zumindest eine längere Anlernausbildung voraussetzen. Des Weiteren handelt es sich weder um sogenannte Schonarbeitsplätze noch sind derartige Arbeitsplätze so selten, dass praktisch von einem verschlossenen Arbeitsmarkt ausgegangen werden müsste (vgl. Schreiben des VME vom 23. Oktober 2001).

Da der Kläger noch vollschichtig leistungsfähig ist und bei ihm nach den obigen Ausführungen keine Berufsunfähigkeit vorliegt, besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §§ 43, 240 SGB VI in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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