L 24 KR 47/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 4 KR 72/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 47/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 06. August 2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Erstattung der für die Inanspruchnahme eines an der ambulanten zahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers geleisteten Zuzahlung in Höhe von 10,00 EUR sowie Feststellung, dass er zukünftig dazu nicht verpflichtet ist.

Der im ... 1965 geborene Kläger, der bei der Beklagten versichert ist, wurde am 06. Januar 2004 von der Zahnärztin Dr. M. behandelt. Er zahlte hierfür 10,00 EUR (so genannte Praxisgebühr) unter Vorbehalt.

Am 07. Januar 2004 beantragte er bei der Beklagten Erstattung dieses Betrages, da die Zuzahlung verfassungswidrig und sozial unausgewogen sei. Er werde gegenüber gesunden Versicherten, die weniger zum Arzt gingen, ungleich behandelt. Die Zuzahlung verstoße gegen die Systematik der solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung, wonach sich die Belastung nicht nach dem Risiko, sondern nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richte.

Mit Bescheid vom 13. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger einen Verstoß gegen das Solidarprinzip und Art. 3 Grundgesetz (GG) geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2004 zurück: Die Krankenkasse dürfe Kosten nur erstatten, soweit es das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorsehe. In § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V sei jedoch gerade eine Zuzahlungspflicht normiert. Es handele sich dabei um eine Eigenbeteiligung des Versicherten an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Wegen der in § 62 SGB V geregelten Belastungsgrenze sei sichergestellt, dass eine Belastung des Versicherten "über Gebühr" vermieden werde.

Dagegen hat der Kläger am 06. April 2004 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben.

Er hat die Ansicht vertreten, die Erhebung der so genannten Praxisgebühr sei wegen Verstoßes gegen die Verfassung unzulässig. Art. 3 Abs. 1 GG verbiete jedwede Unterscheidung von Bürgern, was bedeute, dass Personen, die wesentlich gleich seien, nicht ungleich behandelt werden dürften. Außerdem untersage Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG explizit jegliche Benachteiligung wegen Behinderungen. Es liege in der Natur der Dinge, dass Versicherte mit schweren und insbesondere mit langandauernden oder dauerhaften Erkrankungen und/oder Behinderungen häufigerer medizinischer Behandlung bedürften, als dies bei im Wesentlichen gesunden Versicherten der Fall sei. Allein die Häufigkeit notwendiger medizinischer Behandlungen lasse jedoch keinen Rückschluss darauf zu, ob dadurch zwangsläufig höhere Kosten für die Solidargemeinschaft entstünden als beispielsweise bei zwar wenigen, aber extrem kostenintensiven Behandlungen, zum Beispiel nach schweren Verkehrs- oder Sportunfällen, oder bei Untersuchungen wie der nicht selten durchgeführten Magnetresonanztomografie. Durch die Erhebung der so genannten Praxisgebühr erhöhten sich die für die gesetzliche Krankenversicherung aufzubringenden Zuzahlungen der Versicherten. Da diese Kostenbelastung jedoch nicht abhängig vom individuellen wirtschaftlichen Leistungsvermögen überbürdet werde, treffe sie vor allem schwer und langdauernd Kranke sowie Behinderte. Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinen Rechtfertigungsgrund, da wie vorgetragen, allein die Häufigkeit medizinischer Behandlung nicht zwangsläufig höhere Kosten bedeuten müsse. Auch die Verhinderung eines so genannten Arzthopping sei kein rechtfertigender Grund, zumal umstritten sei, ob eine deswegen möglicherweise unterlassene rechtzeitige ärztliche Konsultation nicht gerade das Gegenteil für die Kostenentwicklung bedeuten könne. Der Kläger sei schwerbehindert.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid vom 13. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

1. die bereits entrichtete Praxisgebühr zu erstatten,

2. festzustellen, dass der Kläger zukünftig nicht zur Erstattung der Praxisgebühr verpflichtet ist.

Mit Urteil vom 06. August 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen: Der Anspruch der Beklagten ergebe sich aus § 28 Abs. 4 SGB V. Die Voraussetzungen für eine Befreiung gemäß der §§ 61 und 62 SGB V lägen im Fall des Klägers noch nicht vor. Eine Verletzung des Grundgesetzes sei nicht zu erkennen. Das Sozialstaatsprinzip enthalte lediglich einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber. Es verpflichte den Staat, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Die Auferlegung von Eigenbeteiligungen an Leistungen der Krankenversicherung sei nicht zu beanstanden. Es handele sich nicht um Sonderabgaben zur Finanzierung von Aufgaben, die dem Staat oblägen. Vielmehr sei die Praxisgebühr eine den Sozialversicherungsbeiträgen angenäherte Finanzierungsform. Zur Finanzierung der Sozialversicherung sei sie daher unbedenklich. Es gebe keinen grundgesetzlich geschützten Anspruch auf eine Versorgung mit jeweils der bestmöglichsten und weitentwickeltsten Sach- und Dienstleistung. Ebenso verlange das Sozialstaatsprinzip keine vollständige Übernahme sämtlicher Krankheitskosten. Die zu erwartenden Leistungen stünden immer unter dem Vorbehalt ihrer Finanzierung. Da die eingeführten differenzierten Belastungsgrenzen eine differenzierte und an den Belastungen des Einzelnen ausgerichtete Beteiligung sichere, sei Art. 3 GG ebenfalls nicht verletzt.

Gegen das ihm am 04. November 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 09. November 2004 eingelegte Berufung des Klägers.

Er trägt vor: Es sei unbeachtlich, ob die Erhebung der Praxisgebühr ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Konsolidierung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Sie stelle jedenfalls kein geeignetes Steuerungsmittel für Schwerkranke dar, da diese auf ärztliche Behandlung angewiesen seien. Nach den Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses seien gerade diejenigen Versicherten als schwerwiegend chronisch krank anzusehen, die jedes Quartal zum Arzt gehen müssten. Es würde den beabsichtigten Ausgleich für diese überdurchschnittlichen Belastungen dieser Versicherten - und damit den Regelungszweck - ins Leere laufen lassen, wenn unter Verweis auf die niedriger festgesetzte Belastungsgrenze damit die Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden solle. Zahlreiche weitere Leistungsausschlüsse belasteten zusätzlich diesen Personenkreis. Die so genannte Praxisgebühr führe mithin zu einer einseitigen Mehrbelastung der Gruppe der schwerwiegend chronisch Kranken.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 06. August 2004 zu ändern und

1. unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2004 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10,00 EUR zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Kläger zukünftig nicht zur Zahlung der Praxisgebühr verpflichtet ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte an ihn 10,00 EUR zahlt. Der Kläger ist verpflichtet, die so genannte Praxisgebühr zu leisten, so dass seine Feststellungsklage ebenfalls keinen Erfolg hat.

Mit der Anfechtungs- und Leistungsklage wird keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung begehrt. Eine solche Leistung hat die Beklagte auch nicht abgelehnt, so dass § 13 Abs. 1, Abs. 3 SGB V als Anspruchsgrundlage von vornherein ausscheidet. Der Kläger macht vielmehr geltend, die Beklagte habe von ihm etwas erhalten, das ihr nicht zusteht und demzufolge herauszugeben ist. Als Rechtsgrundlage für ein solches Begehren kommt allein der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht.

Dieser Anspruch wird wegen seiner identischen Zielsetzung als Parallele zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch bezeichnet. Er beruht allerdings nicht auf einer Analogie zu den §§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern ist ein eigenständiges Rechtsinstitut. Der Anspruch bezweckt den Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses. Er kann einerseits zwischen Verwaltung und Zivilperson, andererseits zwischen Zivilperson und Verwaltung und zum Dritten zwischen zwei Verwaltungsträgern bestehen (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 7. Auflage, § 51 Rdnr. 66; Wolff, Bachof, Stober, Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Auflage, § 55 III 4 Rdnrn. 19, 19 a, 20).

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt mithin bei vorliegendem Sachverhalt voraus, dass die Beklagte als Versicherungsträger im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses etwas vom Kläger ohne Rechtsgrund erlangt hat.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V leisten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, je Kalendervierteljahr für jede erste Inanspruchnahme eines an der ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers, die nicht auf Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr erfolgt, als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 2 SGB V ergebenden Betrag an den Leistungserbringer. Der in § 61 Satz 2 SGB V genannte Betrag lautet auf 10,00 EUR.

Der Kläger zahlte im Hinblick auf diese Vorschrift 10,00 EUR an die Zahnärztin Dr. M., so dass ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zugrunde liegt, denn es handelt sich bei den genannten Vorschriften um Normen des öffentlichen Rechts.

Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist zwar der Betrag an den Leistungserbringer zu zahlen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Leistungserbringer als Anspruchgegner des öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruchs oder gar eines zivilrechtlichen Bereicherungsanspruches anzusehen und mithin Klage ihm gegenüber zu erheben wäre. Der Leistungserbringer ist zwar die Stelle, an den der Versicherte die Zuzahlung zu leisten hat, um die von § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V angeordnete Verpflichtung zu erfüllen. Er ist jedoch nicht Empfänger dieser Leistung im Rechtssinne. Dies ist vielmehr die Beklagte als Krankenkasse.

Dem steht nicht entgegen, dass der Versicherte mit der Zahlung an den Leistungserbringer vornehmlich einen eigenen Zweck diesem gegenüber verfolgt. Sie ist Voraussetzung für eine Behandlung durch den Leistungserbringer. Bei Nichtentrichtung der Zuzahlung steht dem Leistungserbringer grundsätzlich das Recht zu, die Leistung zu verweigern (vgl. für den Bereich der ärztlichen Versorgung § 13 Abs. 7 Bundesmantelvertrag Ärzte - BMV-Ä). In diesem Zusammenhang ist ebenfalls nicht von Bedeutung, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers keine Pflicht und möglicherweise auch kein Recht zur Einziehung der so genannten Praxisgebühr durch die Krankenkassen besteht, wenn diese ausnahmsweise nicht vor der Behandlung gezahlt wurde (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB V; Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Höfler, § 28 Rdnr. 36; Bundestagsdrucksache 15/1525, Seite 91 zu Nr. 34 [§ 43 b SGB V]). Wesentlich ist ebenfalls nicht, dass eine Weiterleitung der einbehaltenen Praxisgebühr an die Krankenkasse nicht erfolgt, der Leistungserbringer, soweit er Arzt oder Zahnarzt ist, die Zuzahlung behalten darf (Kasseler Kommentar, a. a. O., § 28 Rdnr. 36).

Letzteres folgt aus § 43 b SGB V. Danach haben Leistungserbringer Zahlungen, die Versicherte zu entrichten haben, einzuziehen und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrechnen. Zahlt der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht, hat die Krankenkasse die Zahlung einzuziehen (§ 43 b Abs. 1 SGB V). Gegenüber dieser Regelung wird in § 43 b Abs. 2 SGB V jedoch in Bezug auf Zuzahlungen nach § 28 Abs. 4 SGB V abgewichen. Danach hat der Leistungserbringer Zuzahlungen, die Versicherte nach § 28 Abs. 4 SGB V zu entrichten haben, einzubehalten; sein Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse, der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung verringert sich entsprechend.

Die mit der Zahlung beabsichtigte eigene Zweckverfolgung gegenüber dem Leistungserbringer und die dargestellten Rechtsfolgen mögen zwar im Allgemeinen dafür sprechen, ein Leistungsverhältnis zwischen dem Zahlenden und dem Zahlungsempfänger, hier also zwischen dem Kläger und der behandelnden Zahnärztin, anzunehmen. Dies auch insbesondere deswegen, weil der Versicherte mit der Zuzahlung weder eine Verpflichtung der Krankenkasse, die nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zu entrichtende Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V), noch die Verpflichtung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, die Gesamtvergütungen an die jeweiligen Vertragsärzte zu verteilen (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V), erfüllen will. Die Rechtsverhältnisse, einerseits zwischen den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen und andererseits zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Vertragsärzten, werden von der Verpflichtung des Versicherten, eine Zuzahlung zu leisten, unmittelbar gerade nicht berührt. Gleichwohl folgt aus der Stellung des Vertragsarztes im System der gesetzlichen Krankenversicherung und der Vorschrift des § 43 b Abs. 2 SGB V, dass das maßgebliche Leistungsverhältnis und damit der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse besteht.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das SGB IX nicht Abweichendes vorsehen. Zwar können nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V Versicherte anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Soweit Versicherte eine solche Kostenerstattung gewählt haben, gilt jedoch nach § 28 Abs. 4 Satz 3 SGB V hinsichtlich der Zuzahlung etwas anderes; die Zuzahlung ist dann gemäß § 13 Abs. 2 Satz 9 SGB V, also im Rahmen des in der Satzung der Krankenkasse zu regelnden Verfahrens der Kostenerstattung (§ 13 Abs. 2 Satz 8 SGB V), von der Krankenkasse in Abzug zu bringen. Soweit die Leistungen von den Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen sind, bedienen sie sich dazu der Leistungserbringer nach den §§ 69 bis 140 e SGB V. Dazu gehören auch Ärzte und Zahnärzte (§ 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V), die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V ärztliche oder zahnärztliche Behandlung erbringen. Ob die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherten und dem Vertragarzt insgesamt oder teilweise dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht (vgl. dazu Kasseler Kommentar, a. a. O., § 15 Rdnr. 23 m. w. N.; speziell zur Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V Rixen in SGb 2004, 2, 10), zuzuordnen sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Der Versicherte nimmt die Behandlung durch den Vertragsarzt jedenfalls ausschließlich aufgrund seines Rechtsverhältnisses, der Mitgliedschaft, gegenüber seiner Krankenkasse in Anspruch, so dass im Umfang dieser Rechtsbeziehungen keine weiteren Rechtsbeziehungen unmittelbar zwischen dem Versicherten und dem Vertragsarzt bestehen können. Dies gilt damit zugleich hinsichtlich all solcher Umstände, die insbesondere als Voraussetzungen für eine solche Behandlung vorliegen müssen. Dazu zählt mithin auch die Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Fehlt es jedoch diesbezüglich an einem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Vertragsarzt, scheidet der Vertragsarzt als Empfänger einer Leistung im Rechtssinne aus. In einem solchen Fall muss darauf abgestellt werden, wem diese Leistung im Ergebnis rechtlich zugute kommt. Dies ist derjenige, der dadurch im Übrigen von einer Verbindlichkeit befreit wird, also wegen § 43 b Abs. 2 Satz 2 SGB V die Krankenkasse. Nach dieser Vorschrift verringern sich die nach § 83 SGB V (von den Krankenkassen) zu entrichtenden Vergütungen in Höhe der Summe der von den mit der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrechnenden Leistungserbringern einbehaltenen Zuzahlungen. Die ein(zu)behaltenden Zuzahlungen sind damit ein vorweggenommener Anteil an der angemessenen Vergütung, die mit der Gesamtvergütung für alle gesamtvertraglich gebundenen Leistungserbringer erzielt werden soll. Die um den Gesamtbetrag der Zuzahlungen abgesenkte Gesamtvergütung ist sodann Gegenstand der Honorarverteilung in der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (vgl. Rixen, a. a. O., Seite 10).

Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches ist damit die Krankenkasse als Empfänger der Leistung anzusehen. Sie hat die Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V erhalten (vgl. insgesamt zur so genannten Praxisgebühr: Rixen, SGb 2004, 2, sowie Weimar, Elsner, Gesundheitsrecht 2004, 120).

Die Beklagte hat die Zuzahlung nicht ohne Rechtsgrund erhalten. Die Verpflichtung des Klägers, diese zu leisten, ergibt sich aus der bereits genannten Vorschrift des § 28 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Satz 2 SGB V. Die dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor.

Es ist im Hinblick auf die von der Zahnärztin Dr. M. ausgestellte Quittung über den Erhalt von 10,00 EUR vom 06. Januar 2004 weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen, dass bei Inanspruchnahme der zahnärztlichen Behandlung die Belastungsgrenze des § 62 SGB V bereits erreicht wurde. Der Kläger behauptet auch nicht, dass es sich bei der zahnärztlichen Behandlung um eine zahnärztliche Untersuchung nach § 30 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V, also um eine zahnärztliche Vorsorgeuntersuchung zur Verhütung von Zahnerkrankungen, handelte.

§ 28 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Satz 2 SGB V ist nicht verfassungswidrig, so dass eine Aussetzung des Verfahrens zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 GG, wie vom Kläger angeregt, nicht in Betracht kommt.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.

Diese Vorschrift gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Dieses Grundrecht ist vielmehr nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE 102, 41, 54; 96, 315, 325; 95, 143, 154; 92, 53, 68; 87, 1, 36; 75, 382, 386; 63, 152, 166; 55, 72, 88). Die Anwendung dieser Verfassungsnorm bedingt daher stets einen Vergleich von Lebensverhältnissen, die allerdings nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sein können. Welche Elemente für eine Regelung maßgebend sein sollen, liegt hierbei grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers. Nur dort, wo sich sachliche Unterschiede von Gewicht nicht mehr feststellen lassen, sind die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens überschritten. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Jedoch setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass diese Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (BVerfGE 84, 348, 360; 87, 234, 255), lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 63, 119, 128; 84, 348, 360). Eine gesetzliche Regelung kann anhand Art. 3 Abs. 1 GG hingegen nicht dahingehend überprüft werden, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gewählt hat (BVerfGE 15, 167, 201; 26, 302, 310).

§ 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V wurde durch Art. 1 Nr. 15 Buchstabe b Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GMG) - BGBl. 2003 Seite 2190 - mit Wirkung zum 01. Januar 2004 (Art. 37 Abs. 1 GMG) in das SGB V eingefügt. Nach dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen (Bundestagdrucksache 15/1525) hat der Gesetzgeber eine grundlegende Reformierung des Sozialsystems der gesetzlichen Krankenversicherung für erforderlich gehalten, um diese auch in Zukunft leistungsfähig zu erhalten. Es wird im Eingang dieses Entwurfes ausgeführt, dass gerade im Bereich der großen Volkskrankheiten, die die höchsten Kosten verursachen, mangelnde Effektivität und Qualität zu verzeichnen seien, weshalb die vorhandenen Mittel effektiver eingesetzt und die Qualität der medizinischen Versorgung deutlich gesteigert werden müsse. Außerdem führten der medizinische Fortschritt und die zunehmende Zahl älterer Menschen zu einem Ausgabenanstieg, hinter dem die Entwicklung der Einnahmen zurückbleibe. Diese Finanzierungslücke könne nicht durch weitere Beitragssatzsteigerung finanziert werden, denn dies erhöhe die Arbeitskosten und trage zu einer steigenden Arbeitslosigkeit bei. Ziel dieser grundlegenden Reformierung ist es danach, ein hohes Versorgungsniveau bei angemessenen Beitragssätzen auch in Zukunft zu gewährleisten. Der Gesetzgeber hat hierbei auch eine Rationierung von Leistungen zu Lasten von Patientinnen und Patienten erwogen; eine solche Lösung jedoch nicht weiter ernsthaft verfolgt. Der sozial gerechte Weg sei es, durch strukturelle Reformen Effektivität und Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern und gleichzeitig alle Beteiligten maßvoll in Sparmaßnahmen einzubeziehen. Hierzu gehöre auch eine angemessene Beteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten, bei der auf soziale Belange Rücksicht genommen werde (vgl. Bundestagsdrucksache, a. a. O., Begründung A. Allgemeiner Teil I 1, Seite 71). Zu diesem Zweck würden Zuzahlungsregelungen neu gestaltet. Überforderungsregelungen schützten dabei vor unzumutbaren finanziellen Belastungen. Chronisch Kranke würden besonders geschützt (vgl. Bundestagsdrucksache, a. a. O., A. Allgemeiner Teil I 2, Seite 71; B. Besonderer Teil zu Art. 1, Nr. 15, Seiten 83, 84).

Zur Schließung der vom Gesetzgeber erkannten Finanzierungslücke werden nicht nur die Versicherten herangezogen, sondern die diese berührenden Maßnahmen sind Teil eines Bündels von Maßnahmen, die auch die Leistungserbringer und die Krankenkassen hinsichtlich deren Verwaltungskosten betreffen (Bundestagsdrucksache, a. a. O., A. Allgemeiner Teil I 2, Seite 71).

Das vom Gesetzgeber mit dem GMG verfolgte Ziel, die gesetzliche Krankenversicherung als solidarische Gemeinschaft mit umfassender medizinischer Versorgung zu erhalten, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wenn der Gesetzgeber zur Verwirklichung dieses Ziels nicht den Weg einer weiteren Steigerung der Beitragssätze, sondern den Weg der Beseitigung von strukturellen Mängeln und Einsparungen innerhalb dieses Systems gegangen ist, obliegt dies seinem auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstandenden Ermessen. Es handelt sich um keine willkürliche Maßnahme, denn sie wird von der nachvollziehbaren Erkenntnis getragen, dass bei steigender Arbeitslosigkeit infolge steigender Beitragssätze die Zahl der Beitragszahler weiter abnimmt, wodurch eine erneute Finanzierungslücke entsteht beziehungsweise die vorhandene vertieft wird. Die Versicherten können angesichts dessen nach Maßgabe des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht verlangen, von Maßnahmen, die dem Erhalt des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dienen, verschont zu bleiben.

Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich von Zuzahlungen. Diese sind ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Konsolidierung. Damit soll die Eigenverantwortung des Versicherten gestärkt werden. Zuzahlungen dienen zum einen dazu, Versicherte von der Inanspruchnahme an sich nicht notwendiger Leistungen abzuhalten. Die Erfahrung zeigt, dass solche Leistungen, die nichts kosten, teilweise ohne tatsächlich vorhandenes Bedürfnis in Anspruch genommen werden. Dabei wird von solchen Versicherten darauf verwiesen, dass diese Leistungen bereits durch die Beiträge "bezahlt" worden seien und sie deswegen auch in vollem Umfang bis zur äußersten Grenze ausgeschöpft werden dürften. Bei einem solchen Verständnis einer solidarischen Krankenversicherung wird deutlich, dass gerade die sich vernünftig verhaltenden Versicherten, die nur solche Leistungen in Anspruch nehmen, die auch tatsächlich notwendig sind, die Kosten letztendlich für solches Fehlverhalten zu tragen haben. Dem genannten Fehlverständnis kann jedenfalls teilweise durch die Zuzahlungen begegnet werden, denn solche Versicherten scheuen oftmals solche zusätzlichen Kosten. Hinsichtlich dieses Personenkreises bewirken Regelungen über eine Zuzahlung, dass nicht notwendige Leistungen der Krankenversicherung nicht in Anspruch genommen werden. Dass durch die Einsparung solcher Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zugleich deutliche Kosten eingespart werden, dürfte offensichtlich sein. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG kann darin nicht gesehen werden, soweit dadurch Missbrauch vorgebeugt wird.

Zu dem genannten Personenkreis gehört der Kläger allerdings als Schwerbehinderter nicht.

Soweit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung notwendig sind, bewirken Zuzahlungsregelungen die angemessene Beteiligung des Versicherten an seinen Krankheitskosten. Zuzahlungen sind daher auch insoweit ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Konsolidierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Da dem Gesetzgeber das Ermessen eingeräumt ist, die Finanzierungslücke außerhalb von Beitragserhöhungen zu schließen, darf ihm dieses Mittel nicht verwehrt sein. Es ist daher entgegen der Ansicht des Klägers nicht unbeachtlich, dass mit dem Instrument der Zuzahlung das gesetzgeberische Ziel mit erreicht werden kann. Es obliegt gerade nicht seiner Einschätzung oder der Beurteilung durch die Rechtsprechung darüber zu befinden, ob der Gesetzgeber das zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Mittel gewählt hat. Vielmehr ist die Wahl ausschließlich Sache des Gesetzgebers. Die Grenze ist nur dort überschritten, wo er willkürlich handelt, es also keinen sachgerechten Grund für die gewählte Maßnahme gibt. Davon geht ersichtlich auch der Kläger nicht aus.
Rechtskraft
Aus
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