L 2 U 36/02 W 04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 857/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 36/02 W 04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalles als Arbeitsunfall. Streitig ist insbesondere, ob die Klägerin bei dem Unfallgeschehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Die bei der Beklagten gegen Unfall versicherte Klägerin betrieb als Selbständige die Gaststätte "H" in Berlin-M. Seit dem 5. Oktober 1998 war sie nach ihren Angaben arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

Am 23. Dezember 1998 wurde die Klägerin durch einen Rettungstransportwagen der Berliner Feuerwehr, die nach Angaben in einem Einsatzbogen um 0.50 Uhr alarmiert worden war, in das Krankenhaus L eingeliefert. In einem durch den Arzt im Praktikum R. Perstellten Bericht der Ersten Hilfe dieses Krankenhauses ist zu Unfallhergang bzw. Vorgeschichte vermerkt: " Ort: zu Hause Tag: 23.12. ca. 0.15, über Balkontürschwelle gestolpert, gestürzt und dabei das linke Kniegelenk verdreht". Mit der Diagnose einer Tibiaplateaufraktur links wurde die Klägerin sodann zur stationären Aufnahme weitergeleitet. In einem von Dr. F erstellten Durchgangsarztbericht vom 15. Januar 1999 gab dieser an, der Unfall habe sich nach den primären Angaben der Klägerin zu Hause ereignet. In dem Bericht findet sich außerdem ein Vermerk folgenden Inhalts:

"Bei nochmaliger Befragung am 18.1.99 aufgrund Ihres Schreibens vom 4.1.99 gibt die Versicherte an, daß sie in Ihrer Wohnung war und der Koch aus der Gaststätte anrief, daß er keinen Schlüssel zum Abschließen habe. Sie habe daraufhin Wohnung und Haus verlassen, um mit der Straßenbahn zur Gaststätte zu fahren und sei auf der Treppe vor ihrem Haus, R-S- Str. 24, gestolpert und gestürzt. Da uns diese Angaben bei der Erstvorstellung hier nicht mitgeteilt wurden, erfolgte keine Erstellung eines D 13-Berichtes, da aus unserer Sicht kein Arbeitsunfall vorlag."

Der Vorgang wurde seitens der Beklagten neu aufgenommen durch einen handschriftlichen Vermerk ihres Mitarbeiters S, dem nicht zu entnehmen ist, wann und von wem der Unfall - wie er in dem Vermerk aufgenommen wurde - angezeigt worden ist. Die Klägerin beschrieb in einem Anhang zu ihrer Unfallanzeige vom 8. Januar 1999 den Unfallhergang wie folgt: Sie sei am 22. Dezember 1998, gegen 23.30 Uhr, von dem in ihrer Gaststätte angestellten Koch, Herrn D P, angerufen worden, der mitgeteilt hätte, dass er den Schlüssel für das Restaurant vergessen hätte und dieses nicht abschließen könne. Da sie weder ihren Ehemann, der die Gaststätte aufgeschlossen habe, noch ihren Sohn habe erreichen können, habe sie sich mit der Straßenbahn zur Gaststätte begeben wollen, um diese abzuschließen. Sie habe ihren Mantel vom Balkon geholt und gegen 0.10 Uhr ihr Wohnhaus verlassen. Einige Schritte von ihrer Haustür entfernt vor dem Haus. sei sie gestolpert und hingefallen; dabei habe sie sich die Knieverletzung zugezogen. Dort habe sie ihr Sohn A T. aufgefunden, der sie hätte besuchen wollen. Er habe ihr geholfen, in ihre Wohnung zu kommen. Gegen 1.00 Uhr sei ihr Mann nach Hause gekommen; dieser habe einen Krankentransport gerufen, der sie gegen 1.20 Uhr in das Krankenhaus L eingeliefert habe.

Durch Bescheid vom 9. Februar 1999 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 23. Dezember 1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Klägerin habe bei ihrer Einlieferung in das Krankenhaus Langegeben, in ihrer Wohnung über eine Balkonschwelle gestolpert zu sein. Der Unfall habe sich damit im häuslichen Wirkungskreis der Klägerin ereignet; derartige Unfälle seien nicht nach § 8 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) versichert.

Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass die Angaben im Aufnahmebericht des Krankenhauses L auf einem Missverständnis beruhten. Möglicherweise habe sie sich mißverständlich ausgedrückt, möglicherweise habe der aufnehmende Arzt sie falsch verstanden. Sie hätte unter Schock gestanden und erhebliche Schmerzen gehabt. Da vor dem Unfall ihr rechtes Knie bereits in Behandlung gewesen und ihr "Sorgenkind" gewesen sei, hätte sie den Arzt darauf hingewiesen, sich das rechte Knie verdreht zu haben, als sie in der Wohnung über eine Balkontürschwelle gestolpert sei. Auf diesen Umstand hätte sie lediglich aufmerksam machen wollen. Warum der behandelnde Arzt dann aufgenommen hätte, dass das linke Kniegelenk verdreht sei, sei nicht mehr aufklärbar; dies könne jedoch nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 16. September 1999 zurück. Die Angaben der Klägerin seien widersprüchlich; den im Krankenhaus dokumentierten ersten Angaben zum Unfallgeschehen komme ein höherer Beweiswert zu als den im Laufe des Verfahrens davon abweichenden Darstellungen.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, der Erste-Hilfe-Bericht des Krankenhauses Lvom 23. Dezember 1998 gebe ihre seinerzeitige Sachverhaltsschilderung nicht richtig wieder. Sie habe darauf hingewiesen, dass sie sich ihr rechtes Knie in der Wohnung verdreht habe. Mit dem linken Knie sei sie dann außerhalb der Wohnung aufgeschlagen. Hierauf sei der Schienbeinkopfbruch zurückzuführen.

Das Sozialgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2000 die Klägerin persönlich über den Unfallhergang angehört und deren Sohn A., der sie nach seinen Angaben nach Mitternacht in der Nähe der Eingangstür ihres Wohnhauses aufgefunden habe, als Zeugen vernommen. In einem weiteren Termin vom 24. November 2000 hat es auch den früheren Einsatzarzt in der Ersten Hilfe des Krankenhauses L, Herrn R P, zum Inhalt des Erste-Hilfe-Berichtes vom 23. Dezember 1998 vernommen. Auf den Inhalt der Protokolle vom 30. Juni 2000 und vom 24. November 2000 wird Bezug genommen (Bl. 30 bis 33 und 64, 65 der Gerichtsakte). Das Sozialgericht hat ferner, nachdem es diverse von der Klägerin überreichte medizinische Unterlagen zur Gerichtsakte genommen hatte, den Chirurgen Dr. B zum medizinischen Sachverständigen ernannt, um insbesondere die Auswirkungen des Ereignisses vom 23. Dezember 1998 und die hierdurch bewirkte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Klägerin feststellen zu lassen. In dem Gutachten vom 2. Juli 2001 hat der Sachverständige als Unfallfolge eine schwere posttraumatische Arthrose beschrieben, die zusätzlich zu den vor dem Unfall bestehenden arthrotischen Veränderungen hinzugetreten sei und zu ganz erheblichen Einschränkungen der Beweglichkeit des linken Kniegelenks geführt habe. Darüber hinaus sei auch ein leichtes Wackelknie mit Lockerung des medialen und lateralen Seitenbandes nachweisbar gewesen. Die unfallmedizinische Fachliteratur sehe für eine Restbeweglichkeit des Kniegelenkes von 0/0/90 einen MdE-Satz von 20 v.H. vor. Da die Streckung geringfügig eingeschränkt sei und auch ein zusätzliches Wackelknie bestehe, welches allerdings nicht als erheblich angesehen werden müsse, sei ein MdE-Satz von 30 v.H. für die Folgen des Unfalles vom 23. Dezember 1998 anzusetzen.

Durch Urteil vom 11. Januar 2002 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. September 1999 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Geschehen vom 23. Dezember 1998 als Versicherungsfall und "einen Z. n. operativer Versorgung einer Schienbeinkopffraktur mit nachfolgender Infektion, nachfolgender Materialentfernung und Ausheilung mit schwerer posttraumatischer Arthrose unter Absenkung des äußeren Tibiaplateaus" als Folge desselben anzuerkennen und der Klägerin diesbezüglich Heilbehandlung sowie eine Verletztenteilrente nach einer MdE von 30 v.H. im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich die Klägerin ihre Verletzungen im Bereich des linken Kniegelenks durch einen Sturz vor dem Gebäude ihres Wohnhauses zugezogen habe, so dass ein vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich erfasstes Unfallgeschehen vorliege. Die Klägerin und der Zeuge A. seien nach dem persönlichen Eindruck der erkennenden Kammer glaubwürdig. Die Angaben bei der Aufnahme im Krankenhaus L seien auf mißverständliche Angaben der Klägerin, die in Anbetracht der schmerzhaften Unfallfolgen verwirrt gewesen sei und kurz davor gestanden habe, ohnmächtig zu werden, zurückzuführen. Auch der Zeuge P habe eingeräumt, dass es sein könne, dass Patienten unter dem Einfluss von Schmerzen missverständliche Angaben über den Unfallhergang machen könnten. Die Folgen des Unfalls und das Ausmaß der MdE seien durch das Gutachten des Dr. B vom 2. Juli 2001 im Sinne des Urteilsausspruchs erklärbar.

Gegen das am 22. April 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 8. Mai 2002.

Das Landessozialgericht (LSG) hat zunächst durch Urteil vom 14. Oktober 2003 das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der Folgen des Vorfalles vom 23. Dezember 1998, weil der volle Beweis für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht erbracht sei. Auf die hiergegen von der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht durch Beschluss vom 22. Juni 2004 das Urteil des LSG vom 14. Oktober 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Es sei nicht auszuschließen, dass das LSG nach persönlicher unmittelbarer Anhörung der Klägerin zu einer anderen Gesamtwürdigung gelangt wäre.

Die Beklagte verweist zur Begründung ihrer Berufung weiterhin auf - nach ihrer Auffassung - bestehende Diskrepanzen im Sachverhalt. Die Klägerin habe in der Erste-Hilfe-Stelle des Krankenhauses Langegeben, dass der Unfallort bei ihr zu Hause gewesen sei. Auch bei der erstmaligen telefonischen Unfallmeldung sei zum Unfallhergang mitgeteilt worden, dass die Klägerin über eine Schwelle gestürzt sei. Es sei sicherlich nachvollziehbar, dass Verletzte unter der Einwirkung von starken Schmerzen "wirre" Angaben zum Unfallhergang machten. Es sei jedoch relativ unglaubwürdig, dass man detailliert beschreibe, dass man über eine Balkontürschwelle gestolpert sei und sich dabei das Kniegelenk verdreht habe und den eigentlichen Unfallmechanismus, nämlich den Sturz auf der Straße, in keiner Form erwähne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat den Einsatzbogen der Berliner Feuerwehr vom 23. Dezember 1998 angefordert und zur Gerichtsakte genommen, eine Anfrage an die Beklagte über den Inhalt des ihre Verwaltungsakte beginnenden Neuaufnahmevermerks gerichtet und ärztliche Stellungnahmen des Beratungsarztes der Beklagten, Prof. Dr. N, und des Sachverständigen Dr. B vom 7. März 2003 zum Entstehen einer Tibiakopffraktur veranlasst. Auf das Ergebnis der Ermittlungen wird Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. November 2004 hat der Senat die Klägerin persönlich zum Unfallhergang angehört und A T. sowie den Koch D P als Zeugen vernommen. Auf den Inhalt des Protokolls wird Bezug genommen (Bl. 299 - 302 GA).

Verwiesen wird außerdem auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Unfall vom 23. Dezember 1998 als Versicherungsfall anzuerkennen und entsprechende Leistungen zu erbringen.

Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, SozR 3-2200 § 548 Nrn. 19 und 26, m.w.N.). Versicherte Tätigkeit ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Wege von der Wohnung zur versicherten Tätigkeit beginnen nach ständiger Rechtsprechung mit dem Verlassen des häuslichen Bereiches, das heißt mit dem Verlassen des vom Versicherten bewohnten Gebäudes mit Durchschreiten der dortigen Außentür, während sich der Versicherungsschutz nicht auf Wege in dem Gebäude, in dem z.B. die Wohnung liegt, erstreckt (BSG, Urteil vom 31. Mai 1988, SozR 2200 § 550 RVO Nr. 80, und BSG, Urteil vom 24. Juni 2003, Az. B 2 U 24/02 R, ZBR 2004, 274, m.w.N.).

Für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit bzw. die tatsächlichen Grundlagen der genannten Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können, d.h. es muss sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG, SozR 2200 § 555a Nr. 1 m. w. N; BSGE 61, 127, 128; Urteil vom 13. August 2002, Az. B 2 U 33/01 R, HVBG-INFO 2002, 2818). Für den Beweisgrad des Vollbeweises ist es zwar nicht erforderlich, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (BSG, Urteil vom 5. Mai 1993, Az. 9/9a RV 1/92, SozR 3-3100 § 38 Nr. 2 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben war vorliegend der Vollbeweis dafür als erbracht anzusehen, dass sich der streitige zur Tibiakopffraktur führende Sturz der Klägerin auf einem versicherten Weg, nämlich auf dem Weg zu ihrer Gaststätte vor ihrer Haustür und nicht mehr im häuslichen Wirkungskreis ereignet hat.

Der Senat stützt sich für dieses Ergebnis auf die Angaben der Klägerin und ihres als Zeugen vernommenen Sohnes, die insbesondere durch den Zeugen P bestätigt worden sind. Der Zeuge Pwar zwar nicht Augenzeuge des Sturzes der Klägerin, sondern insoweit nur ein sog. Zeuge vom Hörensagen. Auch derartige Zeugenaussagen sind jedoch zu würdigen (BSG, SozSich 1991, 27). Der Zeuge hat die weiteren Umstände der Geschehnisse vom 23. Dezember 1998, soweit er sie erlebt hat, aus seiner Sicht beschrieben und dabei geschildert, wie er in der Nacht, in der die Klägerin sich verletzt hat, lange darauf hätte warten müssen, dass jemand kam, um die Gaststätte abzuschließen. Schließlich sei der Sohn der Klägerin gekommen und hätte - auch zur Entschuldigung - berichtet, dass die Klägerin einen Unfall gehabt hätte und erst von ihm in ihre Wohnung hätte getragen werden müssen. Die Schilderung des Zeugen wirkte insgesamt, auch auf Nachfragen und in Bezug auf Einzelheiten, z.B. dazu, was er während der Zeit des Wartens gemacht hätte, weshalb er nicht noch einmal bei der Klägerin angerufen hatte sowie weiter auch in der Schilderung seiner eigenen Empfindungen aufgrund seines langen Wartens in jeder Hinsicht glaubhaft.

Die Angaben der Klägerin zu ihrem Sturz auf der Straße sind ferner bestätigt worden durch ihren Sohn, den Zeugen T. Es war vorliegend kein Grund erkennbar, weshalb dessen Angaben nicht zu glauben sein sollte. Der Umstand, dass die Klägerin als seine Mutter ein Interesse am für sie positiven Ausgang des Verfahrens hat, war nicht ausreichend, um Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen hervorzurufen.

Die Angaben im Erste-Hilfe-Bericht des Krankenhauses L waren für sich genommen nicht geeignet, Zweifel daran zu wecken, dass die Klägerin vor ihrem Haus gestürzt war. Der den Bericht aufnehmende und vom Sozialgericht als Zeuge vernommene Arzt P vermochte sich an die Untersuchung und Befragung der Klägerin nicht mehr zu erinnern. Er hat zwar in seiner gerichtlichen Vernehmung ausgesagt, darauf konditioniert zu sein, einen Unfallhergang besonders sorgfältig zu dokumentieren, wenn sich der Verdacht eines Arbeitsunfalles aufdrängen würde. Ein derartiger Verdacht dürfte sich vorliegend jedoch gerade nicht aufgedrängt haben. Die Einlieferung der Klägerin in das Krankenhaus erfolgte nicht unter Umständen, die Anlass zur Annahme eines möglichen Arbeitsunfalles gaben. Die Klägerin war vielmehr in der Nacht, also nicht während typischer Arbeitszeiten, und weder z.B. in Berufsbekleidung noch in erkennbarer Begleitung eines Kollegen in das Krankenhaus eingeliefert worden. Angesichts der Umstände war auch nachvollziehbar, wenn der Klägerin selbst das Vorliegen eines Arbeitsunfalles im Zeitpunkt ihrer Einlieferung nicht bewusst war und sie auf genauere Angaben nicht drängte. Die Ortsangabe "zu Hause" umfasst im übrigen nach allgemeinem Sprachgebrauch auch einen Sturz direkt vor dem Haus. Der Hinweis auf den Sturz über die Balkontürschwelle lässt sich entsprechend den Angaben der Klägerin damit erklären, dass sie sich, als sie am selben Abend auf den Balkon ging, um ihren Mantel zu holen, das rechte Knie - ihr Sorgenkind - verdreht habe. Dass sich zur Untersuchung des rechten Knies keine weiteren Angaben finden, ist dadurch zu erklären, dass an diesem Knie keine neuen Verletzungen vorhanden waren. Die Klägerin hat ferner zu Recht darauf hingewiesen, den Bericht nicht unterschrieben und damit die Richtigkeit der Angaben auch nicht bestätigt zu haben.

Der "Neuaufnahme"-Vermerk der Beklagten war ebenfalls nicht geeignet, Zweifel am Unfallhergang, wie er durch die Klägerin geschildert wurde, zu wecken. Der Vermerk enthält keine Angaben zur Person des Anrufers oder zum Zeitpunkt des Anrufes oder zum Zeitpunkt der Aufnahme des Vermerkes. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass ihrerseits nicht mehr ermittelbar sei, wann und mit wem das Gespräch geführt worden sei. Damit handelte es sich bei dem Vermerk letztlich um eine anonym gebliebene Mitteilung, die keiner konkreten Person vorgehalten werden konnte. Obgleich ausweislich der Notiz "Betriebsweg ??" erkannt worden war, dass bei der Beurteilung dieser Frage Probleme entstehen könnten, waren die Angaben zum Unfallhergang sehr knapp und unergiebig zur Frage, über welche Schwelle die Klägerin gestolpert war. Eine nähere Überprüfung der Angaben war damit nicht möglich.

Nach allem bestanden damit an der Richtigkeit der Aussagen der Zeugen, nach denen die Klägerin den streitigen Unfall nach dem Durchschreiten ihrer Außenhaustür und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehend erlitten hat, keine Zweifel. Die Berufung der Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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