L 13 SB 77/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 40 SB 354/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 77/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2003 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Berechtigung des Beklagten, den Grad der Behinderung (GdB) auf weniger als 100 herabzusetzen.

Auf einen Neufeststellungsantrag der 1948 geborenen Klägerin nahm der Beklagte einen Arztbrief der Ch vom 8. April 1999 über einen stationären Aufenthalt seit dem 28. Februar 1999 sowie einen Heilverfahrensentlassungsbericht der Fachklinik W vom 26. Juli 1999 über stationäre Aufenthalte vom 12. April 1999 bis 3. Mai 1999 und vom 14. Juni bis zum 12. Juli 1999 zur Akte. In einer gutachtlichen Stellungnahme vom 25. August 1999 gelangte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestehe eine zunehmende Polyneuropathie. Sie sei zwar zum Abschluss der Kur in der Lage gewesen, einige Schritte allein mit dem Rollator zurückzulegen, nicht aber zum selbständigen Platzwechsel vom Rollstuhl auf die Toilette und zurück.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1999 stellte der Beklagte das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "B", "aG", "H" und "T" fest und erkannte einen GdB von 100 wegen folgender Behinderungen zu:

a. Polyneuropathie, beinbetont b. chronisch obstruktive Lungenkrankheit, Herzminderleistung c. chronische Gastritis d. Bluthochdruck.

Dabei war das Leiden zu a. verwaltungsintern mit einem GdB von 100, das zu b. mit einem GdB von 20 und die Leiden zu c. und d. mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 bewertet worden.

Anlässlich der Nachprüfung von Amts wegen im November 2000 holte der Beklagte einen Befundbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 2. Januar 2001 ein und nahm einen Arztbrief der Ch vom 31. Mai 2000 sowie ein Pflegegutachten des MdK vom 27. Juli 1999 zur Akte.

Auf der Grundlage einer Untersuchung der Klägerin vom 21. April 2001 führte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G in ihrem Gutachten vom selben Tage aus, die Polyneuropathie habe sich gebessert. Es hätten sich nur noch Reststörungen an den oberen Extremitäten, aber erhebliche Störungen an den unteren Extremitäten mit Gehunfähigkeit ergeben. Bei im Übrigen gleichbleibenden Behinderungen betrage der Einzel-GdB für die Polyneuropathie nur noch 80. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" seien nicht mehr erfüllt.

Nach Anhörung der Klägerin zu einer beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 80 und Entziehung des Merkzeichens "H" stellte der Beklagte mit Bescheid vom 7. August 2001 einen GdB von 80 wegen folgender Behinderungen fest, deren Einzel-GdB sich aus den Klammerzusätzen ergibt: a. Polyneuropathie, beinbetont (80) b. chronisch obstruktive Lungenkrankheit, Herzminderleistung (20) c. chronische Gastritis (10) d. Bluthochdruck (10).

Nach § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) X sei ein Bescheid nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass sich die unter a) aufgeführte Behinderung gebessert habe und der Einzel-GdB nunmehr niedriger zu bewerten sei und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "H" nicht mehr erfüllt seien.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin ergänzend zu den Ausführungen im Anhörungsverfahren darauf verwies, auf ständige Hilfe angewiesen zu sein, wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2002 zurück.

Mit der dagegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin sich zuletzt gegen die Herabsetzung des GdB gewandt und geltend gemacht, Versuche, einige Tätigkeiten allein zu verrichten, hätten zu Stürzen geführt. Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. B und dem behandelnden Internisten Dr. G eingeholt und anschließend die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser gegenüber hat die Klägerin angegeben, während des Krankenhausaufenthaltes und der Rehabehandlung im Jahr 1999 sei ihr Zustand wesentlich schlechter gewesen. Seinerzeit sei sie bei nahezu allen Tätigkeiten auf Fremdhilfe angewiesen gewesen. Durch intensive krankengymnastische und ergotherapeutische Übungen habe sich der Zustand zwischenzeitlich gebessert. Seit etwa einem Jahr sei der Hilfebedarf unverändert. Die Gutachterin hat in ihrem Gutachten vom 21. Oktober 2002 eine distal betonte Schwäche des rechten Beines bei distal betonter Hypästhesie des gesamten Beines, einen erhöhten Muskeltonus und schwere Störungen der Tiefensensibilität beidseits festgestellt. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, die Greiffunktion der Hände und die Fortbewegungsfähigkeit hätten sich gegenüber dem Zustand im Oktober 1999 deutlich gebessert. Die bestehende Polyneuropathie habe zu schweren Gangstörungen geführt, die mit denjenigen bei beidseitiger Oberschenkelamputation vergleichbar seien. Die Klägerin könne sich nur im Rollstuhl fortbewegen oder höchstens wenige Schritte durch Abstützen an Möbeln zurücklegen. Zusätzlich bestünden mittelgradige Störungen der Feinmotorik der Hände. Für die Polyneuropathie sei ein GdB von 100 angemessen.

In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21. November 2002 hat die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie H die Auffassung vertreten, der Annahme eines GdB von 100 könne nicht gefolgt werden. Die Beeinträchtigungen der Arme beträfen im Wesentlichen die Sensibilität und mitbedingt die Koordination, motorische Einschränkungen seien nicht mehr festgestellt worden. Eine Parese werde nur in einem Bein beschrieben. Da Einschränkungen sowohl der Arme als auch der Beine vorlägen, sei das Behinderungsbild in Bezug zu setzen mit der Einstufung der Rückenmarkschäden gemäß Ziffer 26.3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) 1996. Danach sei ein GdB von 100 für eine unvollständige Halsmarkschädigung mit gewichtigen Teillähmungen beider Arme und Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion vorgesehen, die bei der Klägerin nicht vorlägen. Vielmehr sei ein GdB von 80 angemessen.

Durch Urteil vom 28. April 2003 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 7. August 2001 und den Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2002 insoweit aufgehoben, als der Klägerin ein GdB von 100 nicht mehr zuerkannt worden ist. Gegenüber den bei Erlass des Bescheides vom 21. Oktober 1999 vorliegenden Verhältnissen sei hinsichtlich der Höhe des Grades der Behinderung keine wesentliche Änderung eingetreten. Zwar ließen sich den medizinischen Unterlagen Verbesserungen im Gesundheitszustand der Klägerin entnehmen, diese seien jedoch nicht so gravierend, dass ein GdB von unter 100 angesetzt werden könne. Der von der Sachverständigen erhobene Befund spreche für eine weitgehende Gebrauchsunfähigkeit der Beine, die mit der Fortbewegungsfähigkeit eines Doppeloberschenkelamputierten vergleichbar sei. Der vom Beklagten in Ansatz gebrachte Vergleichsmaßstab mit der Bewertung von Rückenmarkschäden mit einem GdB von 80 überzeuge nicht. Bei der Klägerin seien zum einen auch sensomotorische Defizite in den oberen Extremitäten vorhanden, zum anderen könne das Fehlen von Störungen der Darmfunktion nicht dazu führen, dass kein GdB von 100 vorliege. Die in den AHP verwandte Formulierung " gewichtige Teillähmung" beinhalte in Abgrenzung zu den ebenfalls verwandten Begriffen der (einfachen) Teillähmung und der vollständigen Lähmung ein Spektrum verschiedener Lähmungsintensitäten. Der nächst niedrigere Behinderungskomplex werde mit einer einfachen Teillähmung beider Beine definiert, während das Vorliegen gewichtiger Teillähmungen beider Beine ohne das Vorliegen gewichtiger Teillähmungen beider Arme nicht vorgesehen sei. Das danach vorgesehene Stufenschema deute an, dass bei gleichzeitigem Vorliegen von Teillähmungen der Arme und Beine und gegebenfalls Störungen der Blasen- und Darmfunktion die Intensitäten der einzelnen Auswirkungen insgesamt zu berücksichtigen seien. Wenn nun gewichtige Teillähmungen beider Beine vorlägen, die zu Funktionsbeeinträchtigungen führten, die mit dem Verlust beider Beine im Oberschenkel vergleichbar seien, sei dies mit einem entsprechenden GdB in Ansatz zu bringen.

Gegen das am 5. Juni 2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 20. Juni 2003. Er macht geltend, dass der von der Gutachterin herangezogene Vergleich mit Doppeloberschenkelamputierten nicht nachvollziehbar sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. B vom 16. Oktober 2003 eingeholt. Diese hat dargelegt, dass in Ziffer 26.3, S. 63 der AHP 1996 hinsichtlich der Einordnung von Polyneuropathien ausdrücklich auf Analogien zu peripheren Nervenschäden nach Nr. 26. 18, S. 147 f und 154 verwiesen werde, so dass am ehesten ein Vergleich mit Doppeloberschenkelamputierten gegeben sei. Es fehle wegen der schweren Gefühlsstörungen wie bei einem Oberschenkelamputierten das Gefühl für den Bodenkontakt. Anders als ein Doppel-oberschenkelamputierter, der häufig in der Lage sei, mit Gehstützen raumgreifend zu gehen, sei dies der Klägerin wegen der Störungen der Arme nicht möglich. Der Vergleich mit Rückenmarkschäden überzeuge nicht, weil bei der Klägerin eine Störung der peripheren Nerven vorliege.

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf nervenfachärztliche Stellungnahmen von Frau H vom 8. Dezember 2003 und 16. März 2004 hiergegen eingewandt, dass die von Frau Gausführlich beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen, distal betonte Paresen in beiden Beinen, außerdem peripher betonte Gefühlsstörungen unvollständigen Ischiadicusparesen entsprächen, die mit einem GdB von 70 zu bewerten seien. Die überwiegend sensiblen Störungen an den Händen erhöhten den GdB auf 80. Da im Gutachten von Dr. Beine weitere Besserung beschrieben werde, sei ein GdB von 100 für die Polyneuropathie nicht nachvollziehbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des Sozialgerichts) und der Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig und begründet.

Der Bescheid vom 7. August 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat den zuvor in dem Bescheid vom 21. Oktober 1999 festgestellten GdB von 100 zu Recht auf 80 herabgesetzt.

Rechtsgrundlage für die Herabsetzung ist § 48 Abs.1 S.1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Herabsetzung des GdB setzt danach voraus, dass in dem Gesundheitszustand der Klägerin, wie er im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 21. Oktober 1999 bestand, eine Besserung eingetreten ist, die den Ansatz eines um 20 geringeren Behinderungsgrades rechtfertigt.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung des Herabsetzungsbescheides ist derjenige des Erlasses des Widerspruchsbescheides, während spätere Ereignisse, insbesondere eine Änderung der Sach- und Rechtslage im Verlauf des Gerichtsverfahrens, im Rahmen der Anfechtungsklage unbeachtlich sind. Zu diesem Zeitpunkt waren die bei der Klägerin bestehenden Funktionseinschränkungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit einem GdB von 80 zu bewerten.

Die durch die Polyneuropathie hervorgerufenen Funktionsstörungen sind für die Zeit ab August 2001 mit einem GdB von 80 zutreffend bewertet worden. Der Senat folgt den Einschätzungen von Frau G in ihrem Gutachten vom 21. April 2001. Deren Einschätzung einer Besserung insbesondere der Gebrauchsfähigkeit der oberen Extremitäten gegenüber dem Zustand vom Oktober 1999, den die Gutachterin aus dem von ihr erhobenen neurologischen Untersuchungsbefund abgeleitet hat, wird durch die vom Sozialgericht eingeholten Befundberichte und das Gutachten von Dr. B bestätigt. Nur die Frage, welchen GdB diese übereinstimmend beschriebenen Funktionseinbußen bedingen, wird von den Versorgungsärzten und Dr. B unterschiedlich eingeschätzt.

Zur Begründung eines weiterhin anzunehmenden GdB von 100 vergleicht die Gutachterin die von ihr erhobenen Befunde mit den durch eine beidseitige Oberschenkelamputation bedingten Funktionseinbußen. Zur Begründung verweist sie auf die Vorgaben in Ziffer 26. 3, S. 63 der Anhaltspunkte. Danach ist der GdB - Grad motorischer Ausfälle in Analogie zu den peripheren Nervenschäden ( Nr. 26.18, S. 147 f und 154) einzuschätzen. Entgegen der Annahme der Gutachterin kann daraus aber keine Vergleichbarkeit mit einem Verlust beider Beine im Oberschenkel hergeleitet werden. Denn der Verweis auf die peripheren Nervenschäden umfasst nur die für die oberen Gliedmassen auf S. 147f aufgeführten Nervenausfälle, nicht aber die sich auf S. 148 in einem neuen Untergliederungspunkt anschließenden GdB -Einschätzungen für "Schäden der unteren Gliedmaßen". Die GdB - Grade für Nervenausfälle an den unteren Gliedmaßen sind nämlich auf S. 154 aufgeführt. Die fehlende Vergleichbarkeit mit einem totalen Verlust von Gliedmaßen hat die Versorgungsärztin H für den Senat auch nachvollziehbar damit begründet, dass neben der völlig fehlenden Funktion der Beine, die bei der Klägerin nicht vorliegt, auch das Körpergleichgewicht beeinträchtigt sei. Mit einer derartigen Einschränkung seien die neurologischen Ausfälle, die bei der Klägerin noch festzustellen seien, nicht vergleichbar. Daraus folgt, dass eine Einschätzung in Anlehnung an diejenigen der (vollständigen) Nervenausfälle zu erfolgen hat. Hierzu hat Frau H schlüssig dargelegt, dass ein vollständiger Ausfall des Nervus ischiadicus distal einen GdB von 50 bedinge, so dass unvollständige Ausfälle beidseitig mit einem GdB von 70 zu veranschlagen seien. Die daneben vorliegenden überwiegend sensiblen Störungen an den Händen erhöhen den GdB auf 80.

Auch wenn im Hinblick darauf, dass beide Beine betroffen sind, ein Vergleich der durch die Polyneuropathie verursachten Funktionseinschränkungen mit Rückenmarkschäden vorgenommen wird, ist eine Herabsetzung des GdB von 100 auf 80 zutreffend. Zwar weist das Sozialgericht zu Recht darauf hin, dass der Fall einer gewichtigen Teillähmung beider Beine bei gleichzeitigem Vorliegen einer (einfachen) Teillähmung beider Arme nicht geregelt ist. Dem dort aufgeführten Stufenschema ist jedoch zu entnehmen, dass erst gewichtigen Teillähmungen beider Arme und Beine bei gleichzeitigem Vorliegen von Störungen der Blasen- und /oder Mastdarmfunktion ein GdB von 100 zugeordnet wird, während Teillähmungen beider Beine und Störungen der Blasen- und/ oder Mastdarmfunktion einen GdB von 60 bis 80 bedingen. Diesem Stufenverhältnis entspricht eine Zuordnung gewichtiger Teillähmungen beider Beine ohne Störungen der Blasen- oder Mastdarmfunktion bei gleichzeitig bestehenden sensomotorischen Defiziten der Hände zu einem GdB von 80.

Als weitere Leiden waren die chronisch obstruktive Lungenkrankheit, Herzminderleistung mit einem GdB von 20, sowie der Bluthochdruck und die chronische Gastritis mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 zu bewerten. Insoweit haben die im Verfahren zur Akte gelangten Unterlagen keine Anhaltspunkte für eine unzutreffende Bewertung ergeben.

Die bei der Klägerin im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorliegenden Behinderungen zu a. bis c. bedingen einen Gesamt-GdB von 80. Dies entspricht der Vorschrift des § 69 Abs.3 SGB IX. Danach ist dann, wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegen, der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen.

Die Vorschrift stellt klar, dass der Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen oder Behinderungen unabhängig davon, ob sie in einem oder mehreren medizinischen Fachbereichen vorliegen, nicht durch bloße Zusammenrechnung der für jede Funktionsbeeinträchtigung oder Behinderung nach den Tabellen in den Anhaltspunkten festzustellenden oder festgestellten Einzel-GdB zu bilden ist, sondern durch eine Gesamtbeurteilung. In der Regel ist von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, um dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft größer wird. Dabei führen grundsätzlich leichte Funktionsbeeinträchtigungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtauswirkung, die bei dem Gesamt-GdB berücksichtigt werden könnte. Dies gilt selbst dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Funktionsbeeinträchtigungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen ( vgl. AHP 1996, Nr. 19 S. 33 bis 35 und AHP 2004 S. 24 ff und BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 9). Der Beklagte ist bei der Bildung des Gesamt-GdB nach diesen Grundsätzen verfahren.

Die Berufung des Beklagten war nach alledem erfolgreich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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