L 9 B 133/04 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 920/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 133/04 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Mai 2004 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2004 zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Der Gegenstandswert wird für beide Instanzen auf jeweils 1.508,02 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Mai 2004 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. April (richtig: August) 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2004 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache angeordnet. Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Fall einer kraft Gesetzes nicht bestehenden aufschiebenden Wirkung ist hier gegeben, weil es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Beitragsbescheid handelt, für den nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt. Der gesetzlich vorgegebene Maßstab für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ergibt sich aus § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG. Hiernach soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Diese Voraussetzungen sind indes im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Weder bestehen hinsichtlich der mit dem Bescheid vom 20. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2004 ausgesprochenen Beitragsnachforderung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, noch ist eine besondere, die Antragstellerin unbillig belastende Härte im Sinne des Gesetzes ersichtlich.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28 p Abs. 1 Satz 5 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches. Danach erlässt die Antragsgegnerin im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe gegenüber den zur Zahlung verpflichteten Arbeitgebern. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, Beiträge für tariflich geschuldeten, aber tatsächlich nicht gezahlten Stundenlohn zu fordern, ist nicht zu beanstanden. Denn für die Beitragspflicht und die Beitragshöhe ist allein das tariflich geschuldete, nicht aber das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt maßgebend. Es gilt insoweit das Entstehungs- und nicht das Zuflussprinzip. Das tariflich geschuldete Entgelt führt unabhängig davon zur Beitragspflicht, ob es tatsächlich gezahlt worden ist. Unmaßgeblich ist auch, ob dieses tariflich geschuldete Entgelt von den Beschäftigten eingefordert wurde oder nicht (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R, B 12 KR 10/03 R, B 12 KR 7/03 R und B 12 KR 7/04 R, zitiert nach der Pressemitteilung Nr. 37/04 vom 15. Juli 2004 und Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 9. August 2004 - L 9 B 86/04 KR ER -).

Soweit die Antragstellerin diese Beitragsnachforderung, die sich aus der Differenz der Beiträge zwischen tatsächlich gezahltem Stundenlohn und tariflichem Mindestlohn der einschlägigen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ergibt, mit der Begründung angreift, dass sie den tariflichen Mindestlohn nicht unterschritten habe, weil sie ihren Arbeitnehmern unwiderrufbare Zulagen (Pünktlichkeits-, Anwesenheits- und Leistungsprämien) gehaltswirksam gezahlt habe und diese Zulagen auf den tariflichen Stundenlohn anzurechnen seien, vermag sie mit diesem Vorbringen nicht durchzudringen. Denn ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten hat zumindest ein Vertragspartner der genannten Tarifverträge, die Industriegewerkschaft Bauen- Agrar-Umwelt, auf ausdrückliche Nachfrage der Antragsgegnerin dieser mit Schreiben vom 15. Dezember 2003 mitgeteilt, dass die von der Antragstellerin genannten Prämien, ebenso wie andere Zuschläge oder Prämien (Mehrarbeits-, Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge, Akkord- und Qualitätsprämien u.a.) keine Bestandteile des Mindestlohnes und damit nicht auf diesen anrechnungsfähig seien, sondern zusätzlich zu diesem Mindestlohn zu zahlen seien. Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig, was bereits für ein Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin spricht. Jedenfalls muss eine abschließende Prüfung der dargelegten streitgegenständlichen Fragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Schließlich hat die Antragstellerin auch nicht glaubhaft gemacht, dass die sofortige Vollziehung, d.h. die vorläufige Zahlung des von ihr geforderten Betrages in Höhe von 3.016,05 Euro, für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. An eine derartige unbillige Härte ist zwar zu denken, wenn die Zahlung dem Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt, so etwa wenn die Zahlung die Insolvenz herbeiführt oder sonst zur Existenzvernichtung führt. Dass letzteres bei der Antragstellerin der Fall sein wird, ist jedoch weder näher dargelegt noch sonst glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit §§ 13 und 20 des Gerichtskostengesetzes a.F. und trägt dem Umstand Rechnung, dass vorliegend nicht die Hauptsache, sondern eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren streitbefangen ist.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved