L 4 AL 1/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 78 AL 2215/00*57
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 1/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug).

Der am 1964 geborene Kläger war seit September 1996 bei der Firma H GmbH als Gas-Wasser-Installateur beschäftigt. Diese Firma war unter der Bezeichnung Heizungsbau? und Sanitärtechnik im Januar 1996 von der alleinigen Gesellschafterin und Geschäftsführerin, der Kauffrau H B gegründet worden. Da der Kauffrau B im Dezember 1996 die Gewerbeausübung wegen Unzuverlässigkeit untersagt wurde, wurde mit Änderungsbeschluss von Januar 1997 der Diplomwirtschafter H L zum alleinigen Geschäftsführer bestellt und die Firma am 26. März 1997 als H GmbH Holz? und Bautenschutz in das Handelsregister eingetragen. Im August 1997 wurde der Geschäftsführer L abberufen und zum neuen Geschäftsführer zunächst der Maurer O S und danach im Mai 1998 H A notariell bestellt. Eine Eintragung der beiden Zuletztgenannten als Geschäftsführer in das Handelsregister erfolgte nicht. Der Antrag der Firma vom 26. August 1997 betreffend die Eintragung des Wechsels ihres Geschäftsführers, der Verlegung des Firmensitzes nach A und der Änderung des Unternehmensgegenstandes (in "H GmbH Heizungsbau? und Sanitärtechnik") in das Handelsregister wurde abgelehnt (Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt [Oder] vom 14. August 1998, bestätigt durch Beschluss des Landgerichts Frankfurt [Oder] vom 13. Juli 1999). Im Juli 2001 teilte das Amtsgericht Charlottenburg mit, dass mit Zustimmung des Finanzamtes für Körperschaften beabsichtigt sei, die Firma H GmbH wegen fehlenden Vermögens zu löschen.

Ein am 24. Juli 1997 erstmals von dem Kläger gestellter Antrag auf Kaug wegen ausstehender Löhne (zuletzt lt. Schreiben des Klägers vom 12. Januar 1998: lediglich Abschlagszahlung für September 1997, noch offen Löhne für Oktober 1997 bis Januar 1998), war erfolglos. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestand fort, bis er schließlich von der Firma am 15. April 1999 zum 30. April 1999 fristgemäß (14 Werktage) wegen mangelnder Auftragslage gekündigt wurde. Am 19. April 1999 beantragte der Kläger die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Mai 1999, am 22. Juni 1999 stellte er den Antrag auf Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 1999. Ab Januar 1999 sei außer ihm noch ein weiterer Arbeitnehmer (L E) beschäftigt gewesen; Frau B sei nicht mehr in der Lage gewesen, Aufträge für die Firma zu beschaffen und habe ihn ständig vertröstet. Im Januar 1999 habe er nur eine Abschlagszahlung erhalten, ab Februar 1999 keinen Lohn mehr. Am 28. Juli 1999 habe er Frau B schriftlich aufgefordert, die ausstehenden Löhne zu zahlen. Klage habe er deswegen nicht erhoben. 1999 sei er noch an folgenden Tagen für die Firma tätig gewesen: Am 20. Januar (8 Stunden), am 28. Januar (9 Stunden), am 29. Januar (7 Stunden), am 21. April (8 Stunden). An dem zuletzt genannten Tag habe er Akten vom Firmensitz zur Wohnung von Frau B transportiert.

Mit Verdienstbescheinigung vom 12. Januar 2000 bestätigte die Gesellschafterin B noch ausstehendes Arbeitsentgelt für den Monat Februar 1999 in Höhe von 2.337,40 DM, für März 1999 in Höhe von 2.617,69 DM und für April 1999 in Höhe von 2.498,20 DM. Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit sei am 31. Dezember 1998 wegen Zahlungsunfähigkeit erfolgt. Der Zeitraum Februar bis April 1999 liege außerhalb des Kaug-Zeitraums.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2000 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kaug ab, da lt. Mitteilung des Arbeitgebers keine Ansprüche mehr auf Arbeitsentgelt im Kaug-Zeitraum bestünden.

Den Widerspruch, mit dem der Kläger die Beendigung der Betriebstätigkeit zum 31. Dezember 1998 bestritt, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2000 zurück: Insolvenztag sei der 31. Dezember 1998, der Zeitpunkt der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit. Kaug-Zeitraum sei daher die Zeit vom 31. Oktober bis 30. Dezember 1998; in dieser Zeit bestünden keine offenen Arbeitsentgeltansprüche. Soweit danach noch stundenweise Tätigkeiten in der Firma ausgeübt worden seien, habe es sich um Abwicklungsarbeiten gehandelt, die keine Berücksichtigung finden könnten.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Juni 2000 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ihm sei von Frau B zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass der Betrieb zum 31. Dezember 1998 vollständig eingestellt worden sei. Noch Ende Januar 1999 sei er mit dem Mitarbeiter E auf einer Baustelle beschäftigt gewesen und habe erst Mitte April 1999 die Kündigung erhalten. Die Beklagte sei allein den Angaben von Frau B gefolgt und habe es unterlassen, eigene Ermittlungen über das tatsächliche Ende der Firmentätigkeit anzustellen. Im Übrigen habe Frau B, die in einem Arbeitsrechtsstreit von dem Kollegen E in Anspruch genommen worden sei, in jenem Verfahren selbst erklärt, dass die Notiz zum Tag der Einstellung des Geschäftsbetriebes angeblich am 31. Dezember 1998 maßgeblich vom Arbeitsamt initiiert worden sei. Sie selbst habe weder einen Gesellschafterbeschluss mit dem Inhalt: "Betriebsstilllegung 31. 12. 1998" gefasst noch ? nach ihrer Kenntnis ? den Betrieb der GmbH tatsächlich zum 31. Dezember 1998 stillgelegt. Die GmbH habe sich vielmehr noch im Frühjahr 1999 um Aufträge bemüht und Aktivitäten entfaltet (vgl. Sitzungsprotokoll vom 20. Februar 2002 des LAG Brandenburg in Sachen E gegen B, Az.: 7 Sa 569/01, Bl. 53 f. der Gerichtsakte).

Auf Anfrage des Sozialgerichts hat das Gewerbeamt A unter dem 6. März 2001 (Bl. 29 GA) mitgeteilt, dass eine Gewerbeabmeldung der Firma H nicht erfolgt ist. Die vermögenslose Firma wurde im Handelsregister von Amts wegen gelöscht (Eintragung vom 30. August 2001, Bl. 34 GA). Das Sozialgericht hat die Handelsregisterakten der Firma H GmbH vom Amtsgericht Charlottenburg (Az. 89 HRB 62287) beigezogen und aus der Kaug-Betriebsakte der Beklagten Kopien zur Akte genommen (Bl. 23-25 GA); ferner ist die Gerichtsakte S 52 AL 2216/00, die den Kaug-Anspruch des Arbeitnehmers L E betrifft, beigezogen worden. Die dort durchgeführten Beweisaufnahmen (Sitzungsprotokoll vom 5. Juli 2001: Zeugin B, Sitzungsprotokoll vom 24. Januar 2002: Zeugen E, Ed und B und Sitzungsprotokoll vom 15. August 2002: Kläger E) sind zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Die 52. Kammer hat die Klage des L E mit Urteil vom 15. August 2002 abgewiesen. Das Berufungsverfahren hiergegen (Az.: L 14 AL 77/02) ist noch anhängig.

Mit Urteil vom 15. Oktober 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht die Gewährung von Kaug abgelehnt. Maßgebliches Insolvenzereignis sei vorliegend die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit zum 31. Dezember 1998 bei offensichtlicher Masselosigkeit. Hierfür sprächen zunächst die Angaben von Frau B im Verwaltungsverfahren. Mit Schreiben vom 30. September 1999 habe sie der Beklagten mitgeteilt, dass im Dezember 1998 die übernommenen Arbeiten zu Ende gegangen seien. Forderungen seien nicht beglichen worden. Wegen der Gewerbeuntersagung habe sie weder neue Verträge abschließen noch offene Forderungen eintreiben dürfen. Außerdem habe sie auf einem ebenfalls am 30. September 1999 unterzeichneten Vordruck der Beklagten die Einstellung der letzten dem Betriebszweck dienenden Tätigkeit am 31. Dezember 1998 angegeben. Dementsprechend habe sie auch in der am 12. Januar 2000 für den Kläger ausgestellten Verdienstbescheinigung die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit am 31. Dezember 1998 mitgeteilt. Entgegen der Auffassung des Klägers gebe es keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beklagte diese Angaben nachträglich geändert haben könnte, denn die Vordrucke und der Schriftsatz vom 30. September 1999 seien von Frau B eigenhändig unterschrieben worden. Außerdem habe sich die Ausübung von dem Betriebszweck dienenden Tätigkeiten nach dem 31. Dezember 1998 nicht feststellen lassen. Dies ergebe sich aus den in dem Verfahren S 52 AL 2216/00 durchgeführten Ermittlungen, was im Einzelnen dargelegt wird. Das Ausräumen des Büros von Frau B am 21. April 1999 stelle zweifelsfrei keine den Betriebszwecken dienende Tätigkeit dar. Der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit stehe nicht entgegen, dass die Gesellschafterin B am 20. Februar 2002 vor dem Landesarbeitsgericht Brandenburg im Verfahren zum Az. 7 Sa 569/01 angegeben habe, keinen entsprechenden Beschluss gefasst oder den Betrieb an diesem Tag tatsächlich stillgelegt zu haben. Diese Angaben stünden im Widerspruch zu allen früheren Angaben von Frau B und seien ebenso wenig nachvollziehbar wie die Behauptung, dass das Datum 31. Dezember 1998 nicht von ihr, sondern vom Arbeitsamt eingetragen worden sei. Die zuletzt gemachten Angaben von Frau B müssten auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass sie sich möglichen Schadensersatzansprüchen ihres früheren Arbeitnehmers L E ausgesetzt gesehen habe. Die weiterhin erforderliche offensichtliche Masselosigkeit sei ebenfalls zu dem Zeitpunkt 31. Dezember 1998 gegeben, denn die Gewerberäume seien vom Eigentümer Ende 1998 bis Anfang 1999 geräumt worden und es hätten Zahlungsschwierigkeiten bestanden. Nach einem Schreiben der AOK für das Land Brandenburg vom 2. Dezember 1999 an die Beklagte seien für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1998 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 8.366,08 DM offen gewesen; die Nichtzahlung sei mit Zahlungsunfähigkeit begründet worden. Wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Juli 1998 sei von der AOK Berlin bereits ein Vollstreckungsauftrag erteilt worden. Aufgrund der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masselosigkeit am 31. Dezember 1998 ohne vorherigen Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens umfasse der Konkursausfallgeldzeitraum die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. Dezember 1998. In dieser Zeit habe der Kläger jedoch bereits nach seinen eigenen Angaben keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen die H GmbH. Der Kläger könne auch nicht geltend machen, dass er in Unkenntnis des Insolvenzereignisses weitergearbeitet habe, da bei einem von zwei Arbeitnehmern der H GmbH nicht von Unkenntnis ausgegangen werden könne; im Übrigen sei spätester Zeitpunkt in jedem Fall die Betriebseinstellung.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 2. Dezember 2002 zugestellt worden ist, richtet sich seine Berufung vom 2. Januar 2003. Er trägt zur Begründung vor, die H GmbH sei bereits seit Anfang 1998 geschäftsführerlos gewesen, so dass sämtliche arbeitsrechtlich relevanten Entscheidungen durch die Einzelgesellschafterin Frau B getroffen worden seien. Diese habe als einzige Ansprechpartnerin für die Arbeitnehmer diese wiederholt vertröstet mit dem Hinweis, sie bemühe sich um weitere Aufträge und habe bereits Kontakte geknüpft. Frau B habe damit eben nicht darauf hingewiesen, dass sie den Betrieb stilllegen wolle, sondern im Gegenteil den Arbeitnehmern gegenüber mehrfach glaubhaft kundgetan, dass sie den Betrieb fortführen wolle. Er als Arbeitnehmer könne aber erst dann einen Antrag auf Insolvenzgeld stellen, wenn er Kenntnis von einem Konkursantrag oder der Betriebseinstellung habe. Die Ablehnung des klägerischen Antrages erscheine bereits deshalb treuwidrig, weil die Beklagte erst nach Vorliegen dieses Antrags den Beendigungszeitpunkt auf den 31. Dezember 1998 vorverlegt habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder beabsichtigt noch faktisch durch Abmeldung der Firma, Aufgabe des Firmensitzes oder Räumung des Betriebes eine Einstellung erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Konkursausfallgeld für die Zeit vom 1. Februar 1999 bis 30. April 1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist darauf, dass Frau B auch in zwei weiteren Verdienstbescheinigungen für andere Arbeitnehmer der H GmbH vom 20. Januar 2000 die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit mit dem 31. Dezember 1998 angegeben habe.

Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ? 22 Js 7568/02 ? beigezogen und hieraus Kopien gesondert zur Akte genommen (Strafanzeige des Geschäftsführers O S vom 4. März 2002 gegen Frau B wegen Verdachts des Betruges; das Verfahren ist gemäß § 154 Abs. 1 StPO im November 2002 eingestellt worden). Ferner hat der Senat die Gerichtsakte S 52 AL 2216/00 / L 14 AL 77/02 betreffend den Arbeitnehmer L E einschließlich der dort vorliegenden Beiakten, insbesondere der Kaug-Betriebsakte der Firma H GmbH und der Registerakte des Amtsgerichts Charlottenburg 89 HRB 62287, zum Verfahren beigezogen. Sämtliche Akten sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn der Beschwerdewert übersteigt 500,? Euro (§§ 143, 144 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn dem Kläger steht ein Anspruch auf Kaug nicht zu.

Nach § 430 Abs. 5 SGB III sind die Vorschriften des AFG über das Kaug in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn das Insolvenzereignis vor dem 1. Januar 1999 eingetreten ist. Maßgebliches Insolvenzereignis ist im vorliegenden Fall die Betriebseinstellung am 31. Dezember 1998.

Gemäß § 141 b Abs. 1 Satz 1 AFG hat ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Kaug. Nach § 141 b Abs. 3 stehen der Eröffnung des Konkursverfahrens gleich: 1. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse, 2. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Entscheidend ist das zeitlich erste Insolvenzereignis. Ist der Tatbestand des § 141 b Abs. 3 AFG erfüllt, bleibt er maßgebend, auch wenn später ? was hier nicht der Fall ist ? ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Das Insolvenzereignis der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit (Abs. 3 Nr. 2) beinhaltet zwei zusätzliche Tatbestandsmerkmale, nämlich das Fehlen eines Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens und die offensichtliche Masselosigkeit. Diese Tatbestandsmerkmale müssen im Zeitpunkt der Betriebseinstellung vorgelegen haben (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 1999 ? B 11/10 AL 3/98 R ? zitiert nach Juris). Erforderlich ist für die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit die Einstellung aller vom Arbeitgeber veranlassten und dem Betriebszweck dienenden Tätigkeiten, ausgenommen reine Erhaltungs?, Abwicklungs? und Liquiditätsarbeiten (BSG SozR 4100 § 141 b Nr. 19). Erhaltungsarbeiten dienen lediglich der Erhaltung der Betriebsanlagen, Abwicklungsarbeiten sind solche, die der Auflösung, nicht aber der Fortführung des Betriebszwecks dienen; solange Aufträge noch abgewickelt werden, kann von einer Beendigung der Betriebstätigkeit noch nicht ausgegangen werden (vgl. Peters-Lange in Gagel, § 183 SGB III Rdnr. 42).

Die Arbeitgeberin des Klägers hat ihre Betriebstätigkeit am 31. Dezember 1998 vollständig beendet. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts im erstinstanzlichen Urteil hierzu und nimmt hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Nachdem Frau B selbst sowohl gegenüber der Beklagten zweimal am 30. September 1999 und in den für ihre Arbeitnehmer ausgestellten Verdienstbescheinigungen, jeweils bestätigt durch eigene Unterschrift, das Datum der Betriebseinstellung mit dem 31. Dezember 1998 angegeben hatte, hat sich nach diesem Datum eine den Betriebszwecken dienende Tätigkeit auch nicht feststellen lassen. Der Kläger selbst hat ohnehin nur noch wenige Tage im Januar 1999 als tatsächliche Beschäftigungszeit bei seiner früheren Arbeitgeberin angegeben. Diese Angaben haben sich jedoch durch die in dem Verfahren S 52 AL 2216/00 durchgeführten Zeugenvernehmungen und die Anhörung des dortigen Klägers L E nicht nachweisen lassen. So hat der Arbeitskollege E in dem dortigen Termin am 5. Juli 2001 zwar ausgesagt, dass am 20. Januar 1999 Heizungseinstellungen auf der Baustelle K durchgeführt worden seien; dies widerspricht jedoch den eigenen Angaben des Klägers in seiner dortigen Vernehmung am 24. Januar 2002, wonach diese Arbeiten bereits am 14. Dezember 1998 durchgeführt und am 20. Januar 1999 Badmöbel bei dem Kunden E eingebaut worden sein sollen. Dem wiederum hat der Zeuge E in seiner Aussage vom 21. Januar 2002 vor der 52. Kammer widersprochen und seine Aussage durch die Angabe der Rechnungsdaten bereits im Dezember 1998 plausibel gemacht. Für den weiteren benannten Kunden E sind nach dessen schlüssiger Aussage vom 24. Januar 2002 Arbeiten durch die Firma H GmbH nach 1998 nicht mehr ausgeführt worden, denn deren Rechnungen wurden alle noch 1998 beglichen. Auch die Angaben von Frau B in ihrer Vernehmung am 5. Juli 2001 vor der 52. Kammer, wonach am 20. Januar 1999 noch Gewährs? und Garantiearbeiten für die Firma durchgeführt worden seien, haben sich somit nach den Aussagen der Zeugen E und E nicht bestätigen lassen. An von dem Kläger behauptete Arbeiten für die Firma am 28. und 29. Januar 1999 konnte sich Frau B ohnehin nicht erinnern. Die danach noch am 21. April 1999 durchgeführten Räumungsarbeiten waren jedenfalls eindeutig lediglich Abwicklungsarbeiten und dienten nicht mehr der Erhaltung des Betriebes. All dies spricht dafür, das Betriebsende auf den 31. Dezember 1998 festzulegen. Sowohl der Kläger als auch sein Arbeitskollege E haben 1999 keine Arbeitsaufträge mehr erhalten und sind von Frau B auf Nachfrage nur vertröstet worden. Ob Frau B die vollständige Betriebsbeendigung zum 31. Dezember 1998 ihren Arbeitnehmern mitgeteilt hat, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erheblich; vielmehr kommt es insoweit auf das objektive Gesamtbild, das im Übrigen sowohl für den Kläger als auch für seinen Arbeitskollegen erkennbar sein musste, an. Für eine Betriebsstilllegung zu dem angenommenen Zeitpunkt spricht neben den bereits genannten Gesichtspunkten im Übrigen auch, dass die Gewerberäume der Firma nach Angaben von Frau B in ihrer Vernehmung am 5. Juli 2001 vor der 52. Kammer Ende 1998 bis Anfang 1999 vom Eigentümer geräumt wurden.

Es bestand darüber hinaus eine offensichtliche Masseunzulänglichkeit im Sinne von § 141 b Abs. 3 Nr. 2 AFG, die auch ? was erforderlich ist ? im Zeitpunkt der Betriebsbeendigung vorlag (vgl. hierzu Peters-Lange in Gagel a.a.O. Rdnr. 46 m.w.N.). Der Insolvenzgeld-Versicherungsfall der offensichtlichen Masselosigkeit ist ein Auffangtatbestand, dessen Voraussetzungen ohne besondere insolvenzrechtliche Kenntnisse feststellbar sein müssen. "Offensichtlich" heißt nicht "zweifelsfrei" und erlaubt daher nicht, bei Betriebsbeendigung und Zahlungseinstellung diesen Insolvenztatbestand zu verneinen, weil keine Tatsachen vorliegen, die den zwingenden Schluss zulassen, dass ein Konkursverfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt. "Offensichtlich" bedeutet in diesem Verständnis, dass es ausreicht, wenn für einen unvoreingenommenen Betrachter alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masselosigkeit sprechen. Ein Insolvenzverfahren kommt "offensichtlich" mangels Masse demnach regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die Lohnzahlungen unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit eingestellt werden, der Arbeitgeber seine betriebliche Tätigkeit vollständig beendet hat und ein Insolvenzantrag zu der Zeit nicht gestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 1981 ? 10/8 b RAr 6/80 ? SozR 4100 § 141 b Nr. 21; bestätigt durch BSG, Urteil vom 4. März 1999 a.a.O.).

Ein Insolvenzantrag ist im vorliegenden Fall nicht gestellt worden; jedoch sind die Geschäftsräume der Firma Ende 1998/Anfang 1999 geräumt worden, was dem Kläger als einem von zwei Arbeitnehmern nicht entgangen sein dürfte. Auch wenn dem Kläger vermutlich die erheblichen Zahlungsrückstände seiner Arbeitgeberin bei den Sozialversicherungsbeiträgen für 1998, die mit Zahlungsunfähigkeit begründet worden waren, nicht bekannt gewesen sind, hatte er doch Kenntnis davon, dass sowohl sein Kollege E als auch er selbst ? nachdem auch zuvor schon die Löhne mehrfach verspätet gezahlt worden waren ? zuletzt im Dezember 1998 ihren Lohn erhalten hatten und beide seit Januar 1999 ohne Arbeit waren. Damit konnte der Kläger von Masselosigkeit bei seiner Arbeitgeberin ohne weiteres ausgehen.

Selbst wenn man unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger im Dezember 1998 noch seinen Lohn vollständig erhalten hat, Zweifel an der offensichtlichen Masselosigkeit bereits am 31. Dezember 1998 haben kann, so ist diese jedenfalls bis Ende Januar 1999 eingetreten, denn in diesem Monat haben sowohl der Kläger als auch sein einziger Arbeitskollege E nur noch eine Abschlagszahlung auf ihren Lohn erhalten und keine Arbeit für den Betrieb mehr verrichtet; außerdem waren die Geschäftsräume der Firma geräumt. Dass für einen Insolvenzfall im Januar 1999 die Vorschriften der §§ 183 bis 189 SGB III, in Kraft getreten ab 1. Januar 1999, gelten, ändert nichts am Ergebnis; nach § 183 Abs. 2 SGB III besteht Anspruch auf Insolvenzgeld allenfalls für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses, und Kenntnis von dem Insolvenzfall hatte der Kläger jedenfalls im Januar 1999. Anspruch auf Kaug bzw. Insolvenzgeld für die Zeit von Februar bis April 1999 steht dem Kläger daher in keinem Fall zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved