L 5 RJ 16/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 24 RJ 530/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RJ 16/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der 1965 geborene Kläger absolvierte von September 1981 bis Mai 1984 eine Lehre als Maurer/Ausbaumaurer. Nach Abschluss seiner Ausbildung war er von Juni 1984 bis April 1995 bei verschiedenen Berliner Betrieben in diesem Beruf tätig. Im August 1993 bestand der Kläger bei der Industrie- und Handelskammer zu Berlin die Prüfung zum Werkpolier Maurer im Bereich Hochbau. Es ist nicht ersichtlich, dass er danach je als Werkpolier eingesetzt war.

Am 3. November 1994 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, als er von einem Gerüst stürzte. Er erlitt einen Bänderriss im rechten Sprunggelenk, der – wohl wiederholt – operativ zu versorgen war. Aufgrund dieses Unfalls erhält der Kläger eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H.

Nach eigenen Angaben ist der Kläger arbeitslos seit dem 31. Mai 1995. Er bezieht Arbeitslosenhilfe seit dem 10. Juni 1997.

Aufgrund eines Suchtmittelmissbrauchs befand der Kläger sich vom 29. April 1998 bis zum 29. Mai 1998 zur Entgiftung stationär in der Psychiatrischen Abteilung des U-Krankenhauses. In diesem Zusammenhang bewilligte ihm die Beklagte eine Maßnahme medizinischer Rehabilitation. Dieser unterzog der Kläger sich vom 11. August 1998 bis zum 25. November 1998 in der S-Klinik in LLaut Entlassungsbericht vom 16. Februar 1999 wurde er von dort als arbeitsfähig mit den Diagnosen Alkoholabhängigkeitssyndrom, paranoide Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung, Cannabisabhängigkeitssyndrom und Nikotinabhängigkeitssyndrom entlassen. Nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde die vollschichtige Verrichtung von mittelschweren körperlichen Arbeiten für zumutbar gehalten. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten bis maximal 20 kg sei möglich. Wegen der Einzelheiten des Entlassungsberichts wird auf Bl. 28 bis 38 des ärztlichen Teils der Rentenakte Bezug genommen.

Am 13. Juni 1999 beantragte der Kläger die Bewilligung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Zur Begründung führte er folgende gesundheitliche Leiden an: Gonarthrose rechts, Zustand nach Sprunggelenksfraktur (Arbeitsunfall) rechts,Bronchitis, Zustand nach Alkoholkrankheit, Wirbelsäulendegeneration, Depression, psychosomatischer Beschwerdekomplex, Allergien der Haut. Die Beklagte prüfte und bejahte das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. L. Diese diagnostizierte bei dem Kläger in ihrem am 8. September 1999 abgeschlossenen Gutachten eine Persönlichkeitsstörung mit narzistisch-paranoiden Zügen, eine Alkoholkrankheit mit Abstinenz seit 1998, Cannabisabhängigkeit mit Abstinenz seit Mai 1998 sowie einen Zustand nach wiederholten operativen Eingriffen am rechten Sprunggelenk. Die in den Vorbefunden beschriebene paranoide Symptomatik sei deutlich reduziert und nur noch in verdünnter Form nachweisbar. Eine Abstinenz werde seit Mai 1998 glaubhaft beschrieben. Positiv falle in diesem Zusammenhang die bei der Verletztenrente gefundene Regelung ins Gewicht. Das Leistungsvermögen des Klägers in seinem letzten Beruf als Maurer sei aufgrund der Alkoholgefährdung und der körperlichen Einschränkungen im rechten Sprunggelenk dauerhaft unter zwei Stunden aufgehoben. Berufsnah und für den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Haltung. Die Einleitung von Maßnahmen beruflicher Rehabilitation sei angeraten.

Intern vermerkte die Beklagte daraufhin, dass der Kläger aufgrund seiner Weiterbildung auf eine Beschäftigung als Werkpolier verwiesen werden könne. Ferner komme eine Beschäftigung als Baukalkulator bzw. Bauabrechner in Betracht. Mit Bescheid vom 12. Januar 2000 lehnte sie die Bewilligung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ab. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die erlernte Tätigkeit als Maurer zwar nicht mehr ausgeübt werden. Es könne jedoch eine Tätigkeit bzw. Beschäftigung, die unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs zumutbar sei, vollschichtig verrichtet werden.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die gesundheitlichen Einschränkungen nicht hinreichend berücksichtigt und den Sachverhalt nur unvollständig aufgeklärt. Ihrer Leistungseinschätzung müsse widersprochen werden. Er leide an einer schweren chronifizierten Depression und Persönlichkeitsstörung, einhergehend mit narzistisch-paranoiden Zügen, traurigen Zuständen, Affektlabilität, Schlafstörungen, Vergesslichkeit, Konzentrationsdefiziten, Selbstwertverlust, sozialem Rückzug, multiplen Körperfühlstörungen, verstärkter Suchtanfälligkeit und grundlosen Aggressionsausbrüchen. Außerdem führe ein psychosomatischer Beschwerdekomplex zu subjektiv erheblich verstärkten Schmerzempfindungen. Er sei krankheitsbedingt außerstande, selbst leichte Männerarbeiten zu verrichten. Ein positives Leistungsvermögen bestehe allenfalls für eine leichte stressfreie Halbtagsbeschäftigung. Aufgrund seiner erlernten Tätigkeit als Maurer bestehe qualifizierter Berufsschutz. Zumutbare Verweisungstätigkeiten seien nicht ersichtlich und müssten im Übrigen von der Beklagten konkret bezeichnet werden.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung heißt es in diesem Bescheid im Wesentlichen: Neue medizinische Unterlagen habe der Kläger mit seinem Widerspruch nicht beigebracht, so dass nach Aktenlage zu entscheiden gewesen sei. Unter Berücksichtigung der medizinischen Feststellungen insbesondere von Dr. L reiche das Leistungsvermögen des Klägers aus, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen zu verrichten. Zu vermeiden sei Leiter- und Gerüstarbeit. Mit dem ärztlicherseits festgestellten Leistungsvermögen sei der Kläger zwar nicht mehr in der Lage, seine Facharbeitertätigkeit als Maurer auszuüben. Mit den Kenntnissen und Fähigkeiten, die er erworben habe, könne er aber noch Tätigkeiten ausüben, die ihm nach ihrer tariflichen Bewertung bzw. Einordnung zumutbar seien, so z.B. die Tätigkeit eines Baustellenleiters oder Bauabrechners aufgrund seiner abgelegten Prüfung als Werkpolier. Der Kläger sei daher nicht berufsunfähig und erst recht nicht erwerbsunfähig.

Mit der am 13. März 2000 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die von der Beklagten genannten Arbeitsgelegenheiten eines Baustellenleiters oder Bauabrechners würden ihn schon gesundheitlich überfordern, denn bereits die Begehung unwegsamer Baustellen sei mit dem vorgeschädigten rechten Sprunggelenk ausgeschlossen. Außerdem besitze er trotz der Werkpolierprüfung bei weitem nicht die zur vollwertigen Ausübung solcher Berufe notwendige Qualifikation. Schließlich gehöre er zum Personenkreis derjenigen Versicherten, bei denen bereits eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu Berufs- und Erwerbsunfähigkeit führe.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. W (Orthopäde), Dr. S(Chirurg/Unfallchirurg),B(Internist) sowie Dr. K (Dermatologe) eingeholt. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 15 bis 18 und Blatt 23 bis 27 der Gerichtsakte Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 4. Mai 2001 hat der Kläger sein Begehren auf die Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit reduziert und die Klage im Übrigen zurückgenommen. Mit Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Gericht sehe von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folge der Begründung der angegriffenen Bescheide. Der Berufsschutz des Klägers als Maurer sei nicht bestritten. Als solcher könne er nicht mehr arbeiten. Weil er aber über ein Jahrzehnt Berufspraxis habe und außerdem Kenntnisse aus der Prüfung als Werkpolier im Jahre 1993 zur Verfügung stünden, könne er in den von der Beklagten genannten Verweisungsberufen tätig werden. Daher bestehe keine Berufsunfähigkeit. Die Bau-Berufsgenossenschaft habe das Tragen orthopädischer Stiefel angeregt, womit der Kläger der Maurertätigkeit vergleichbare Tätigkeiten ausüben könne. Der behandelnde Internist B habe ebenfalls ein bestehendes Leistungsvermögen für vollschichtige leichte Arbeiten bestätigt. Im Übrigen habe der Kläger seit dem 10. August 1999 offenbar keine ärztliche Hilfe mehr benötigt, denn keiner der von ihm benannten Ärzte habe ihn nach diesem Datum behandelt.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 23. Juni 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juli 2001 Berufung eingelegt. Er meint, auch das Sozialgericht habe den Sachverhalt nur unvollständig aufgeklärt. Vor allen Dingen hätten berufskundliche Ermittlungen zu den von der Beklagten benannten Verweisungsberufen angestellt werden müssen. Tatsächlich sei er aufgrund seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage, in dem für ihn zumutbaren Berufskreis tätig zu sein. Auf die Beschäftigungen eines Bauleiters bzw. Bauabrechners oder Werkpoliers könne er schon deshalb nicht mehr verwiesen werden, weil er diesen Beruf niemals verrichtet habe und somit keine aktuell verwertbaren Kenntnisse bestünden. Überhaupt schieden alle Tätigkeiten aus, bei denen die Gefahr bestehe, dass er sich erneut den Fuß verdrehe.

Parallel zum Rentenstreitverfahren hat die Beklagte bis heute umfangreiche Bemühungen zur beruflichen Rehabilitation des Klägers unternommen. So bewilligte sie zunächst mit Bescheid vom 6. April 2001 eine Berufsfindung und Arbeitserprobung, die am 27. August 2001 beginnen sollte. Aufgrund mangelnder Mitwirkung des Klägers stornierte die Beklagte diesen Termin jedoch. Mit weiterem Bescheid vom 2. August 2001 bewilligte die Beklagte daraufhin eine Berufsfindung und Arbeitserprobung vom 4. März 2002 bis 12. April 2002. Mit Bescheid vom 22. Februar 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation in Gestalt einer Ausbildung für den Beruf Fachinformatiker-Systemintegration im Zeitraum 25. Februar 2002 bis 20. Januar 2004. Mit Bescheid vom 22. März 2002 bewilligte die Beklagte hierfür Übergangsgeld ab dem 25. Februar 2002 in Höhe von 42,28 Euro kalendertäglich. Mit Bescheid vom 11. November 2002 brach die Beklagte jedoch die bewilligte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Ausbildung zum Fachinformatiker-Systemintegration ab. Der Bewilligungsbescheid werde aufgehoben. Auch der Bescheid über die Gewährung von Übergangsgeld werde mit Wirkung vom 11. November 2002 gegenstandslos. Gegenüber den für die Leistungsbewilligung maßgebenden Verhältnissen sei eine Änderung insoweit eingetreten, als nach Mitteilung der Ausbildungsstätte aufgrund der vom Kläger bisher erzielten Leistungen der Anschluss an das laufende Ausbildungsprogramm verloren gegangen und somit ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung nicht zu erwarten sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lägen daher nicht mehr vor. Der Kläger bezog mithin in diesem Zusammenhang Übergangsgeld vom 25. Februar 2002 bis zum 10. November 2002. Mit Bescheid vom 23. Mai 2002 schließlich bewilligte die Beklagte die Teilnahme an einem Reha-Vorbereitungslehrgang als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, dem der Kläger sich vom 26. Mai 2003 bis zum 22. August 2003 unterzog und für den er auch Übergangsgeld erhielt. Zuletzt hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger ab dem 31. Januar 2005 für 24 Monate an einer Ausbildung zum Bürokaufmann teilnehmen solle; Voraussetzung sei jedoch die vorherige Absolvierung einer dreimonatigen Fernvorförderung (Bescheid vom 13. Mai 2004).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juni 1999 – ausgenommen die Zeiträume 25. Februar 2002 bis 10. November 2002 und 26. Mai 2003 bis 22. August 2003 – Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte B, S, Sund Kum die Erstellung aktueller Befundberichte gebeten. Diese haben jedoch mitgeteilt, dass der Kläger sich bei ihnen aktuell nicht mehr in Behandlung befinde. Der den Kläger behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R hat in seinem Befundbericht vom 5. Januar 2002 (letzte Vorstellung: 17. Oktober 2001) eine larvierte Depression angegeben.

Der Senat hat den Praktischen Arzt, Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten Tmit der allgemeinmedizinischen Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem am 27. Februar 2004 erstellten Gutachten diagnostiziert dieser Gutachter bei dem Kläger: ein Abhängigkeitssyndrom, eine Dysthymie sowie eine posttraumatische Funktionseinschränkung des rechten Sprunggelenkes. Bei dem Kläger bestehe eine Alkoholabhängigkeit mit Beikonsum von Cannabis und LSD, die 1998 zu einer stationären Entwöhnungsbehandlung geführt habe. Seither bestehe im Wesentlichen Abstinenz. Der Kläger habe einen Rückfall im Jahre 2003 angegeben. Eine Krankheitseinsicht sei vorhanden. Die Abstinenz erscheine tragfähig, obwohl keine Teilnahme an Selbsthilfegruppen stattfinde. Alkoholtoxische Folgeschäden seien nicht zu objektivieren. Eine Funktionseinschränkung von Seiten des Abhängigkeitssyndroms in Bezug auf die berufliche Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit sei insoweit nicht gegeben. Außerdem sei die Persönlichkeit des Klägers narzistisch akzentuiert mit paranoiden Akzenten. Es bestünden Größenphantasien einerseits und ausgeprägte Ängste vor Versagen, Kränkung und Enttäuschung andererseits. Ursachen und Verantwortlichkeiten für die eigene Lebenssituation würden durchgehend externalisiert auf andere Personen, Behörden oder Institutionen, von denen er sich gleichfalls enttäuscht fühle. Tiefergehende Depressionen oder Ängste seien aktuell nicht spürbar gewesen. Entsprechende Behandlungsmaßnahmen würden gegenwärtig auch nicht durchgeführt. Der Leidensdruck sei geringgradig. Die Funktionseinschränkungen in Bezug auf die berufliche Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit seien insoweit geringgradig. Schließlich bestehe nach der Verletzung des rechten Sprunggelenkes eine Bewegungseinschränkung mit Schwellneigung, die bei Belastung zunehme. Die Funktionseinschränkung sei hier gering bis allenfalls mittelgradig. Ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, könne der Kläger damit täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich mittelschwere Arbeiten verrichten. Einseitige körperliche Belastungen seien nicht zumutbar. Der Kläger könne Lasten bis zu 20 kg heben und tragen. Arbeiten, die eine Belastbarkeit der Beine bzw. Füße voraussetzen, seien aufgrund des Sprunggelenkleidens nur eingeschränkt zumutbar. Wegen der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf Blatt 132 bis 149 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger vertritt auch unter Berücksichtigung dieses Gutachtens weiterhin die Auffassung, berufsunfähig zu sein.

Die Beklagte sieht ihre bisherige Leistungseinschätzung bestätigt. Die Facharbeiterschaft des Klägers werde nach wie vor nicht angezweifelt. Als Verweisungstätigkeiten würden zusätzlich benannt: Hausmeister, Magaziner, Kassierer an Selbstbedienungstankstellen. Hierfür hat die Beklagte eine Heftung berufskundlicher Unterlagen eingereicht, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände) und der Rentenakte der Beklagten nebst ärztlichem Teil Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, denn die (überaus knapp begründete) erstinstanzliche Entscheidung beurteilt die Sach- und Rechtslage im Ergebnis zutreffend. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente. Er ist zwar gesundheitlich nicht mehr in der Lage, in seinem bisherigen Beruf als Maurer tätig zu sein, kann aber zumutbar auf die Tätigkeit als Magaziner im Berufsfeld Hochbau verwiesen werden.

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI in der hier gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch anzuwendenden, bis 31. Dezember 2000 geltenden alten Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die letztgenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit hat der Kläger erfüllt.

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit ist danach der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (ständ. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82, SozR 2200 § 1246 Nr. 107). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Der bisherige Beruf des Klägers in diesem Sinne ist derjenige eines Maurers, als welcher er bis zu seinem Arbeitsunfall im November 1994 tätig war. Bisheriger Beruf ist dagegen nicht die Tätigkeit als Werkpolier, denn insoweit hat der Kläger zwar eine Fortbildung bestanden, doch in dieser Funktion ist er nie tätig geworden. Den Maurerberuf kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist und deshalb keiner besonderen Vertiefung bedarf. Schon in einem Gutachten des Arbeitsamtsärztlichen Dienstes vom 6. Februar 1997 wurde festgestellt, dass der Kläger zwar vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten in jeder Arbeitshaltung verrichten könne, dass die Weiterbeschäftigung als Maurer aber infolge der Sprunggelenksverletzung nicht für sinnvoll gehalten werde. Die Ärztin Dr. L hat in ihrem Gutachten für die Beklagte vom 8. September 1999 hervorgehoben, dass das Leistungsvermögen des Klägers in seinem letzten Beruf als Maurer aufgrund der Alkoholgefährdung und der körperlichen Einschränkungen im rechten Sprunggelenk dauerhaft unter zwei Stunden eingeschränkt sei. Der vom Senat beauftragte Gutachter Bschließlich hat Arbeiten, die eine Belastbarkeit der Beine und Füße voraussetzen, aufgrund des Sprunggelenkleidens nur für eingeschränkt zumutbar erklärt, womit die Tätigkeit als Maurer ausgeschlossen ist.

Allein deshalb besteht aber noch keine Berufsunfähigkeit. Eine solche liegt nämlich erst vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die dem Kläger sozial zumutbar und für er sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur Urteil vom 11. Mai 2000, B 13 RJ 43/99 R, m.w.N.; Urteil vom 24. März 1998, B 4 RA 44/96 R, jeweils zitiert nach juris) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. nur BSG, Urteil vom 11. Mai 2000, B 13 RJ 43/99 R, RegNr. 24877 [BSG-Intern], m.w.N. zur ständ. Rspr. des BSG, zitiert nach juris).

Mit seiner zweieinhalbjährigen Ausbildung zum Maurer und seiner daran anschließenden fachentsprechenden Berufstätigkeit bis November 1994 ist der Kläger unzweifelhaft – auch die Beklagte bestreitet dies nicht – auf der dritten Stufe des Mehrstufenschemas als Facharbeiter einzuordnen, so dass er Berufsschutz genießt. Zur Überzeugung des Senats ist er jedoch nicht berufsunfähig, weil er, wie die Beklagte zu Recht meint, sozial und gesundheitlich zumutbar auf den Beruf des Magaziners im Berufsfeld Hochbau verwiesen werden kann, welcher ebenfalls Facharbeitereigenschaft besitzt.

Das Krankheitsbild des Klägers hat der Gutachter Bin seinem schlüssigen und nachvollziehbaren und daher für den Senat maßgeblichen Gutachten vom 27. Februar 2004 beschrieben. Danach liegen bei dem Kläger ein Abhängigkeitssyndrom, eine Dysthymie sowie eine posttraumatische Funktionseinschränkung des rechten Sprunggelenkes vor. Nach dem Inhalt des Gutachtens befinde sich die Alkoholabhängigkeit mit Beikonsum von Cannabis und LSD seit 1998 im Stadium der Abstinenz; Krankheitseinsicht sei vorhanden, alkoholtoxische Folgeschäden seien nicht zu objektivieren. Außerdem habe der Kläger eine narzistisch akzentuierte Persönlichkeit mit paranoiden Akzenten. Tiefergehende Depressionen oder Ängste seien aktuell nicht spürbar gewesen. Entsprechende Behandlungsmaßnahmen würden gegenwärtig auch nicht durchgeführt. Der Leidensdruck sei geringgradig. Schließlich bestehe nach der Verletzung des rechten Sprunggelenkes eine Bewegungseinschränkung mit Schwellneigung, die bei Belastung zunehme.

Mit der Beschreibung dieses Krankheitsbildes bewegt der Gutachter B sich im Rahmen der sonst aktenkundigen Befunde. Weitgehende Übereinstimmung besteht insbesondere mit den im Gutachten von Dr. L am 8. September 1999 formulierten Diagnosen und Einschätzungen. Dort wurde etwa hervorgehoben, dass die in den Vorbefunden beschriebene paranoide Symptomatik deutlich reduziert und nur noch in verdünnter Form nachweisbar sei. Die Stimmungslage des Klägers sei ausgeglichen, nur situativ subdepressiv. Eine gravierende Gemütserkrankung des Klägers schließt der Senat auf dieser Grundlage aus. Weiter besteht auch kein wesentlicher Widerspruch zu Erklärungen der den Kläger behandelnden Ärzte. Überwiegend haben diese auf Anfrage des Senats erklärt, der Kläger sei schon seit Jahren nicht mehr in der Sprechstunde gewesen. Soweit der den Kläger behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R in seinem Befundbericht vom 5. Januar 2002 eine larvierte ("verkappte") Depression angegeben hat, vermag dies die Einschätzung des auch psychologisch versierten Gutachters B nicht zu entkräften, der tiefergehende Depressionen oder Ängste als nicht spürbar bezeichnet hat. Nicht nachvollziehbar ist insoweit die Behauptung des Klägers, er leide unter einer schweren Depression, denn sie findet schlechthin keine Bestätigung in den dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen. Die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 5. März 2000 wirken insoweit stark übertrieben. Zusammenfassend haben aktuellen und messbaren Krankheitswert die seelische Verstimmung des Klägers im Sinne einer Dysthymie sowie die posttraumatische Funktionseinschränkung des rechten Sprunggelenkes.

Hiervon ausgehend erscheint die vom Gutachter B getroffene Einschätzung einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für körperlich mittelschwere Tätigkeiten plausibel. Eine Funktionseinschränkung von Seiten des weitestgehend bewältigten bzw. beherrschten Abhängigkeitssyndroms sieht der Gutachter nicht. Die aus der Dysthymie folgende Funktionseinschränkung sieht der Gutachter als geringgradig an – was in jeder Hinsicht nachvollziehbar ist –, die aus der Sprunggelenksverletzung folgende als gering bis allenfalls mittelgradig. Schlüssig ist daher die Umschreibung folgender Leistungseinschränkungen: Einseitige körperliche Belastungen sind nicht zumutbar. Der Kläger kann Lasten bis zu 20 kg heben und tragen. Arbeiten, die eine Belastbarkeit der Beine bzw. Füße voraussetzen, sind ihm nur eingeschränkt zumutbar. Insgesamt sieht der Senat damit beim neununddreißigjährigen Kläger noch ein beachtliches Restleistungsvermögen, das ein Defizit im wesentlichen aufgrund der Sprunggelenksverletzung aufweist.

Nach den dem Senat vorliegenden Materialien ist der Kläger mit diesem Restleistungsvermögen noch in der Lage, als Magaziner im Berufsfeld Hochbau tätig zu sein, ohne dass diese Arbeit auf Kosten seiner Gesundheit ginge. Der Senat orientiert sich für diese Beurteilung an dem von der Beklagten in das Verfahren eingeführten und dem Kläger bekannten Gutachten des arbeitsmarkt- und berufskundigen Sachverständigen R für das Sozialgericht Neuruppin vom 15. Juli 2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 27. August 2002. Die darin enthaltenen Ausführungen hinsichtlich der Verweisbarkeit eines leistungsgeminderten Fliesenlegers sind auf den Fall des Klägers zu übertragen. Zur Tätigkeit eines Magaziners im Berufsfeld Hochbau gehören danach das Kennen und Lagern von Bau- und Werkstoffen, Werkzeugen und Geräten, das Bereithalten und Warten der Werkzeuge und Geräte sowie Schutzausrüstungen, das Führen von Bestandslisten sowie Kenntnisse über die Lagerung von explosiven und feuergefährlichen Stoffen. Es sind leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen, im Sitzen, im Gehen und Stehen. Gelegentliches Bücken und Hocken und gelegentliches Benutzen von Leitern wird gefordert. Insgesamt überwiegen die leichten Arbeiten; mittelschwere Arbeiten fallen etwa zu 30 % an. Für schwere Hebe- und Tragearbeiten im Einzelfall stehen in einem Magazin Hallen- oder Platzarbeiter ebenso zur Verfügung wie technische Hilfsmittel. Besondere PC-Kenntnisse sind nicht erforderlich; ein Magaziner arbeitet mit einfachen Anwenderprogrammen; etwa fehlende PC-Kenntnisse sind innerhalb von drei Monaten erlernbar.

Diesen Anforderungen wird der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen ohne weiteres gerecht. Insbesondere die leicht bis mittelgradig eingeschränkte Belastbarkeit der Beine ist mit der beschriebenen Tätigkeit des Magaziners vereinbar, weil diese im Sitzen, Gehen und Stehen geleistet wird, besondere einseitige Belastungen insoweit also ausscheiden. Nicht zuletzt deshalb hielt der Sachverständige den leistungsgeminderten Fliesenleger für auf diese Tätigkeit verweisbar, denn dieser sollte nicht anhaltend im Stehen arbeiten sowie längere einseitige körperliche Belastungen oder Zwangshaltungen vermeiden. Leiterarbeit, die im Beruf des Magaziners überdies nur gelegentlich anfällt, hat der medizinische Sachverständige Büberdies für zumutbar erklärt. Danach ist kein Aspekt körperlicher Belastung erkennbar, den der Kläger mit seinem Leistungsvermögen nicht erfüllen könnte.

Die bezeichnete Verweisungstätigkeit ist eine Facharbeitertätigkeit und dem Kläger damit ohne weiteres auch sozial zumutbar. Nach dem Gutachten des Sachverständigen R für das Sozialgericht Neuruppin vom 15. Juli 2002 kann ein gelernter Fliesenleger die Tätigkeit eines Magaziners im Berufsfeld Hochbau nach einer Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten konkurrenzfähig ausüben, was zur Überzeugung des Senats auf einen gelernten Maurer übertragbar ist, denn auch er besitzt notwendige Vorkenntnisse über Werkzeuge, Geräte und Werkstoffe im Bereich Hochbau. Die Einstufung in die Lohngruppe V des Tarifes für das Bauhauptgewerbe entspricht derjenigen eines Baufacharbeiters.

Ob dem Kläger noch ein solcher leidensgerechter Arbeitsplatz von der Arbeitsverwaltung vermittelt werden kann, ist für den Rentenrechtsstreit unerheblich, denn das Risiko der Arbeitslosigkeit ist der Arbeitslosenversicherung zuzuordnen und nicht der Rentenversicherung (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbs. SGB VI).

Der Berufung war damit der Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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