L 4 AL 78/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AL 2244/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 78/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2002 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2000 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. November 1998 dem Grunde nach Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger für das gesamte Verfahren die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum 30. Dezember 1994 bis 3. August 1995 und gegen die Rückforderung der in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitslosenhilfe sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Außerdem begehrt der Kläger Weitergewährung von Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998.

Der 1942 geborene Kläger ist Wissenschaftler der Fachrichtung Stadt- und Regionalplanung. Er war seit Januar 1981 alleiniges geschäftsführendes Vorstandsmitglied der im September 1979 errichteten Gesellschaft für Technologiefolgenforschung e.V. (GTF I). Durch Beschluss der Mitgliederversammlung vom 30. Oktober 1997 wurde dieser Verein aufgelöst. Der Kläger fungierte als Liquidator. Als Vorstandsmitglied war der Kläger laut Satzung alleinvertretungsberechtigt, ohne jedoch vom Verbot der Selbstkontrahierung befreit zu sein.

Im Dezember 1997 wurde die Gesellschaft für Technikgenese-Forschung e.V. (GTF II) errichtet, deren geschäftsführendes Vorstandsmitglied wiederum der Kläger war. Weitere Vorstandsmitglieder waren der Zeuge Universitätsprofessor Dr. H K sowie die Universitätsprofessoren Dr. P J Pund Dr. F V. Die drei letztgenannten Vorstandsmitglieder erklärten Mitte 1999 ihren Austritt aus der Gesellschaft. Der Kläger war wiederum alleinvertretungsberechtigt, ohne vom Verbot der Selbstkontrahierung befreit zu sein.

Seit Juni 1980 bezog der Kläger wiederholt Arbeitslosengeld (Juni 1980 bis August 1980, Februar 1982 bis Februar 1983, März 1986 bis Juni 1986 sowie November 1988 bis März 1989) sowie Arbeitslosenhilfe (Februar 1983 bis März 1985 und September 1986 bis Dezember 1986). Zuletzt bezog der Kläger Arbeitslosengeld vom 2. November 1992 bis zum 29. Dezember 1994. Vom 30. Dezember 1994 bis zum 31. Oktober 1998 bezog er durchgehend Anschluss-Arbeitslosenhilfe, zuerst nach einem Bemessungsentgelt von 1.770,- DM, zuletzt nach einem solchen von 1.870,- DM. Bei der erstmaligen Beantragung der Anschluss-Arbeitslosenhilfe gab der Kläger lediglich an, zusammen mit seiner Ehefrau über Bargeld bzw. Bankguthaben in Höhe von insgesamt 9.900,- DM zu verfügen. Beim Fortzahlungsantrag im Oktober 1995 gab der Kläger noch an, über ein Bankguthaben bei der Beamtenbank Berlin in Höhe von 1.200,- DM zu verfügen. In den Folgejahren, zuletzt im Antrag vom 7. September 1998 für die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998, gab der Kläger jeweils an, über kein eigenes Vermögen zu verfügen.

Im Zuge eines Datenabgleichs mit dem Bundesministerium für Finanzen erhielt die Beklagte im Oktober 1998 Kenntnis davon, dass auf den Namen des Klägers zwei Freistellungsaufträge für Kapitalerträge bestanden. Hierzu angehört erklärte der Kläger mit Schreiben vom 14. November 1998: Er habe im September 1997 persönlich eine Zinsgutschrift über den Betrag von 1.650,- DM erhalten. Dieser sei sofort der GTF II als Spende zur Verfügung gestellt worden. Der dieser Zinsgutschrift zugrunde liegende Sparbrief in Höhe von 30.000,- DM, der im August 2000 fällig werde, sei im Besitz der GTF II und könne nur für satzungsgemäße Aufgaben der Forschung Verwendung finden. Allein wegen der Befreiungsmöglichkeiten von der Kapitalsteuer sei der Sparbrief 1996 und 1997 in seinem persönlichen Besitz gewesen. Die GTF I sei ab 1993 notleidend gewesen. Von Seiten der Landeshauptkasse Berlin seien im Juli 1996 Zahlungsaufforderungen an die GTF I in Höhe von 97.446,91 DM geltend gemacht worden. Wegen Zahlungsunfähigkeit der GTF I prüfe der Senat von Berlin seit Jahren, ob er - der Kläger - persönlich zur Haftung herangezogen werden könne. Darüber hinaus würden Kapital und Ertrag des Sparbriefs ausschließlich für die Schaffung eines neuen Arbeitsverhältnisses für ihn selbst eingesetzt werden. Die Vermögenswerte hätten ihm persönlich gar nicht zur Verfügung gestanden. Im beigefügten Fragebogen gab der Kläger an, über kein eigenes Vermögen zu verfügen, jedoch aus einem Sparbrief im September 1997 Erträge in Höhe von 1.650,- DM erhalten zu haben. Im Dezember 1998 überreichte der Kläger der Beklagten eine Kopie des "CC-Sparbriefes" bei der CC-Bank, wonach in der Zeit vom 29. August 1996 bis zum 29. August 2000 30.000,- DM mit einem Zinssatz von 5,5 % jährlich angelegt waren. Auf der Rückseite dieses Sparbriefes befindet sich eine vom Kläger sowohl für den Schenker als auch für den Beschenkten unterschriebene Erklärung vom 5. November 1998, wonach der Sparbrief in voller Höhe an die Gesellschaft für Technikgenese-Forschung e.V. verschenkt werde. Die CC-Bank bestätigte diese Abtretung schriftlich. Auf Nachfrage der Beklagten zu den Verfügungsmöglichkeiten über diesen Sparbrief und seine Herkunft erklärte der Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 1999: Von den übrigen Vorstandskollegen könne die Schenkung des Sparbriefs an die GTF II nicht schriftlich bestätigt werden. Das Kapital in Höhe von 30.000,- DM zum Kauf des CC-Bank-Sparbriefs im August 1996 habe aus dem Verkauf eines vierjährigen Sparbriefs bei dieser Bank über 72.000,- DM gestammt, dessen Laufzeit sich vom August 1992 bis zum August 1996 erstreckt habe. Dieser 72.000,- DM-Sparbrief sei für den Fall als Rücklage gedacht gewesen, dass er bei der absehbaren Zahlungsunfähigkeit der GTF I als alleiniger Vorstand aufgrund persönlicher Haftung vom Berliner Senat in Regress genommen werden würde. Tatsächlich seien Rückzahlungsforderungen in Höhe von 97.446,91 DM geltend gemacht worden, als die GTF I schon zahlungsunfähig gewesen sei. Im Februar 1999 sei ihm allerdings telefonisch aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft mitgeteilt worden, dass diese Forderung unbefristet niedergeschlagen worden sei. Die im August 1996 ausgezahlten 72.000,- DM sowie Zinsen in Höhe von 6.840,- DM seien einerseits als Sparbrief über 30.000,- DM wieder angelegt worden, den Rest habe er dazu verwendet, die notwendigen Ausgaben der lebenden und der liquidierten GTF zu finanzieren. In einem weiteren Schreiben an die Beklagte vom 5. August 1999 erklärte der Kläger ergänzend, nicht nachweisen zu können, dass allein die GTF I/GTF II über den Sparbrief in Höhe von 30.000,- DM verfügungsberechtigt gewesen sei. Er könne lediglich Bescheinigungen vorlegen, aus denen sich ergebe, dass nach der vollzogenen Schenkung die Zinsen auf das Konto der GTF II zu überweisen waren. Hieraus ergebe sich deren alleinige Verfügungsberechtigung. Für die Zeit vor der Schenkung könne er eine Spendenbescheinigung für das Kalenderjahr 1997 vorlegen, mitgezeichnet vom Vorstand Dr. P, wonach er der Gesellschaft am 1. Oktober 1997 eine Sonderspende in Höhe von 1.650,- DM habe zukommen lassen. Außerdem legte der Kläger eine lediglich von ihm unterzeichnete "Erklärung des Vorstands zur Vorlage beim Finanzamt für Körperschaften" vor, die zur Mitzeichnung durch die übrigen drei Vorstandsmitglieder vorgesehen war, die diese Mitzeichnung aufgrund ihres Austritts aus der Gesellschaft jedoch nicht mehr vornahmen. Darin heißt es im Wesentlichen, der Vorstand des Vereins erkläre, dass die Mitglieder bislang gezwungen gewesen seien, den Verein mit Eigenmitteln zu fördern. Zu diesem Zweck habe insbesondere der Kläger seit dem Gründungsjahr 1997 die Zinserträge in Höhe von jährlich 1.650,- DM seines CC-Bank-Sparbriefs über 30.000,- DM zur Verfügung gestellt. Zur Deckung der laufenden Akquisitionskosten für Projekte und der Kosten der Vereinsarbeit in den Arbeitsgruppen habe der Kläger den Sparbrief schließlich am 5. November 1998 in Form einer Schenkung ganz an den Verein abgetreten. Kapital und Zinsen würden ausschließlich für satzungsmäßige Zwecke des Vereins verwendet, eine Rückübertragung des Sparbriefs auf den Kläger werde ausdrücklich ausgeschlossen.

Hierauf formulierte die Beklagte in einem Schreiben vom 8. September 1999 die Auffassung, dass der Sparbrief seit 1996 zum Vermögen des Klägers gehört habe, weil er nicht habe nachweisen können, dass er über das Vermögen seit 1994 nicht habe frei verfügen können. Außerdem forderte sie den Kläger auf, Nachweise zu seiner Bedürftigkeit bzw. Verfügbarkeit einzureichen; der Umfang seiner Tätigkeit stehe eventuell dem Leistungsbezug entgegen. Mit in Einzelheiten voneinander abweichenden Schreiben vom 17. und 21. September 1999 erklärte der Kläger daraufhin im Wesentlichen: Sämtliche Tätigkeiten für die GTF I bzw. II seien ehrenamtlich gewesen und seit 1992 weder von dieser noch von irgendeiner anderen Stelle finanziell oder auf andere Weise materiell honoriert worden. Die Anreize für seine diesbezüglichen Aktivitäten hätten allein darin gelegen, für sich ein bezahltes Angestelltenverhältnis herzustellen, auf dem aktuellen Stand der beteiligten Wissenschaften zu bleiben und die Kontakte zur Wissenschaft weiterzuführen und zielgerichtet auszubauen. Der Zeitaufwand für seine Tätigkeit als geschäftsführender Vorstand der GTF, als Initiator und Sprecher des Arbeitskreises "Paradigmenwechsel" und als Initiator des Arbeitskreises "Fragen an die Informationsgesellschaft" liege in der Regel unter fünf Stunden (bzw. bei zwei bis drei Stunden) pro Woche. In Zeiten notwendiger Restrukturierungsmaßnahmen könne der wöchentliche Zeitaufwand vorübergehend etwas höher liegen ("auch bis unter fünf Stunden"). Zeitaufwendiger seien seine Akquisitionsbemühungen zur Realisierung seiner angestrebten Stelle als Projektleiter des geplanten GTF-Vorhabens "Public Private Partnership Multimedia Berlin". Der diesbezügliche Zeitaufwand dürfe wöchentlich bis zu zehn Stunden betragen. Die Wahrnehmung von Einladungen zur Teilnahme an Kongressen, Messen und anderen wissenschaftlich-kulturellen Veranstaltungen nehme weitere Zeit in Anspruch. All diese Aktivitäten subsumiere er eher unter selbstorganisierter Weiterbildung oder alternativ genutzter Urlaubszeit, weil er seit 1992 keinen Urlaub mehr genommen habe.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1999 lehnte es die Beklagte auf dieser Grundlage ab, dem Kläger Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998 zu gewähren. Anspruch auf Leistungen habe nur, wer arbeitslos sei. Der Kläger habe aber erklärt, mehreren Tätigkeiten von zusammen mehr als 15 Stunden nachzugehen. Damit stehe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, sei nicht arbeitslos und habe keinen Leistungsanspruch. Dem trat der Kläger mit seinem Widerspruch vom 15. Oktober 1999 entgegen. Der Zeitaufwand für seine Tätigkeit als geschäftsführender Vorstand der GTF und Sprecher der Arbeitskreise liege in der Regel bei zwei bis drei Stunden pro Woche, zeitweilig auch bis unter fünf Stunden. Der Zeitaufwand für Akquisitionsbemühungen betrage wöchentlich bis zu 10 Stunden. Hieraus ergebe sich ein schwankender Zeitaufwand von 10 bis 14 Stunden wöchentlich. Ein solcher von mehr als 15 Stunden könne aus seinen Erklärungen nicht abgeleitet werden. Nur in seltenen Fällen betrage der wöchentliche Zeitaufwand für seine Arbeitsbeschaffung maximal 15 Stunden.

Nachdem die Beklagte dem Kläger am 10. Mai 2000 telefonisch mitgeteilt hatte, dass die Ablehnung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998 auch wegen fehlender Bedürftigkeit in Betracht komme und ihm Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu noch schriftlich oder mündlich zu äußern, wies sie den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14. Oktober 1999 mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2000 zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998, weil er nicht bedürftig sei. Er verfüge nämlich über einen Sparbrief im Werte von 30.000,- DM. Zwar habe er behauptet, diesen an die Gesellschaft für Technikgeneseforschung e.V. in Form einer Schenkung abgetreten zu haben, dies sei jedoch für die Frage der Bedürftigkeit unbeachtlich, weil insoweit auf den Zustand zum Zeitpunkt der Antragstellung, also auf den 1. November 1998, abzustellen sei. Selbst wenn am 5. November 1998 tatsächlich eine Schenkung erfolgt sein sollte, so liege diese nach der Antragstellung und schließe die Berücksichtigung des Sparbriefes als Vermögen nicht aus. Darüber hinaus dürfe die Schenkung ohnehin rechtsunwirksam sein, weil der Kläger als geschäftsführender Vorstand nicht vom Verbot der Selbstkontrahierung nach § 181 BGB befreit gewesen sei. Abzüglich eines Freibetrages von 8.000,- DM blieben damit 22.000,- DM als Vermögen zu berücksichtigen, woraus sich, ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.870,- DM, fehlende Bedürftigkeit für elf Wochen ergebe.

Hiergegen hat der Kläger am 23. Juni 2000 Klage erhoben (S 63 AL 2244/00).

Nach der Regelung des Bezuges von Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998 legte die Beklagte ihr Augenmerk auf die Frage, wie sich die Vermögensverhältnisse des Klägers bei Beginn des Arbeitslosenhilfebezuges am 30. Dezember 1994 ge-staltet hatten. Dabei griff die Beklagte die Information auf, dass der Kläger von August 1992 bis August 1996 einen Sparbrief über 72.000,- DM bei der CC-Bank besaß. Mit Schreiben vom 14. Juni 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er im Dezember 1994 über Vermögen von mindestens 72.000,- DM verfügt habe, woraus sich fehlende Bedürftigkeit für 31 Wochen ergeben könnte. Ihm werde insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 25. Juni 2000 gegeben. Mit Schreiben ebenfalls vom 14. Juni 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass für den 31wöchigen Zeitraum vom 30. Dezember 1994 bis zum 3. August 1995 Beiträge zur Kranken- und Pflegekasse in Höhe von 4.105,65 DM bzw. 250,25 DM entrichtet worden seien, deren Rückforderung ebenfalls in Betracht komme. Auf diese Anhörungsschreiben äußerte der Kläger sich nicht. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Juni 2000 nahm die Beklagte daraufhin gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung vom 30. Dezember 1994 bis zum 3. August 1995 ganz zurück. Der Kläger habe im Dezember 1994 über ein Vermögen von 72.000,- DM bzw. - unter Berücksichtigung der Freibeträge - von 56.000,- DM verfügt. Bei Teilung dieses Vermögens durch das seinerzeitige Bemessungsentgelt (1.770,- DM) ergebe sich fehlende Bedürftigkeit für 31 Wochen. Damit habe der Kläger Leistungen in Höhe von 19.604,60 DM zu Unrecht bezogen, welche gemäß § 50 SGB X zu erstatten seien. Mit Bescheid vom 28. Juni 2000 forderte die Beklagte schließlich die Erstattung der im Zeitraum 30. Dezember 1994 bis 3. August 1995 abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 4.355,90 DM.

In seinen hiergegen erhobenen Widersprüchen trug der Kläger vor, über das fragliche Vermögen - 72.000,- DM - nicht verfügt zu haben. Es sei zweckgebunden gewesen zur Sicherung von Rückforderungsansprüchen der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe in Höhe von 99.000,- DM. Fahrlässiges oder vorsätzliches Verschweigen dieses Vermögens liege insoweit nicht vor. Es bestehe Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X. Außerdem habe er die erbrachten und nunmehr zurückgeforderten Leistungen verbraucht.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2000 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 27. und 28. Juni 2000 zurück. Zur Begründung heißt es darin im Wesentlichen: Ab dem 30. Dezember 1994 habe kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestanden, weil der Kläger in Besitz von Vermögen über 72.000,- DM gewesen sei. Zinserträge seien dabei nicht einmal berücksichtigt. Soweit der Kläger vortrage, dieses Vermögen sei nicht verwertbar gewesen, weil es zweckgebunden für die Sicherung von Rückforderungsansprüchen der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe gewesen sei, könne dem nicht gefolgt werden. Der Sparbrief sei aus Eigenmitteln des Klägers erworben worden. Bei Fälligkeit des Sparbriefes sei der volle Erlös auf sein eigenes Konto überwiesen worden. Er allein sei Inhaber des Vermögens gewesen. Welcher Verwendungszweck dafür bestanden habe, könne für die Bedürftigkeitsprüfung nicht maßgeblich sein. Im Vordergrund stehe die Pflicht des Leistungsempfängers, alle Möglichkeiten zu nutzen, um für den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln aufzukommen. Der Kläger habe die Existenz des Sparbriefes erst im Nachhinein eingeräumt, weshalb die Bedürftigkeitsprüfung auch erst zu diesem Zeitpunkt habe stattfinden können. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 1994 sei damit unrechtmäßig ergangen und beruhe zumindest auf grob fahrlässigen Falschangaben des Klägers. Deshalb könne er sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Hiergegen hat der Kläger am 18. August 2000 Klage erhoben (S 56 AL 3059/00).

Mit Beschluss vom 3. September 2001 hat das Sozialgericht Berlin die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 63 AL 2244/00 verbunden.

Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Die Auffassung der Beklagten, er habe im Dezember 1994 über Vermögen in Höhe von 72.000,- DM verfügt, welches verwertbar und dessen Verwertung zumutbar gewesen sei, sei unzutreffend. Es sei ihm unmöglich gewesen, den Sparbrief über 72.000,- DM schon im Dezember 1994 in seine freie Verfügung zu nehmen. Das Sparguthaben sei nämlich auf vier Jahre fest angelegt gewesen, Fälligkeit sei erst am 25. August 1996 eingetreten. Davor habe er weder über das Guthaben noch über die Zinsen frei verfügen können. Außerdem habe das Kapital als Sicherheit für die geltend gemachten Rückforderungsansprüche der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe gedient. Auch soweit die Beklagte seine Verfügbarkeit bestreite, gehe sie von unzutreffenden Tatsachen aus. Für seine Tätigkeit als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der GTF II müsse er maximal einen Zeitaufwand von 12 bis 13 Stunden wöchentlich aufbringen. Außerdem komme es darauf, wie viele Stunden er tatsächlich für den Verein tätig sei, nicht an, weil die Tätigkeit als Vorstand ehrenamtlich sei. Fehl gehe die Beklagte zudem in ihrer Auffassung, er sei ab November 1998 nicht bedürftig. Er habe nämlich den Sparbrief über 30.000,- DM an die Gesellschaft für Technikgeneseforschung e.V. in Form einer Schenkung abgetreten. Seine Bedürftigkeit sei damit spätestens am 5. November 1998 mit Vollzug der Schenkung eingetreten. Sie sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unwirksam wegen Verstoßes gegen § 181 BGB, weil ein etwaiger Formmangel durch den Vollzug der Schenkung geheilt sei. Sofern tatsächlich für elf Wochen ab dem 1. November 1998 keine Bedürftigkeit vorliege, so hätte die Beklagte doch zumindest ab dem 18. Januar 1999 Arbeitslosenhilfe bewilligen müssen. Durch die am 5. November 1998 vollzogene Schenkung habe er auch nicht etwa seine Bedürftigkeit selbst herbeigeführt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Sparbrief im Werte von 30.000,- DM nämlich noch überhaupt nicht zur Auszahlung fällig gewesen. Im Hinblick auf die Bedürftigkeit hätte es keinen Unterschied gemacht, ob der Sparbrief nun in seinem Eigentum verblieben wäre oder an die Gesellschaft für Technikgeneseforschung e.V. abgetreten worden wäre. Eine Verfügbarkeit über das Auszahlungsguthaben habe jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bestanden. Damit sei der Sparbrief in seinen Händen zwei Jahre vor Auszahlung völlig wertlos gewesen. Seine Bedürftigkeit sei mit oder ohne Schenkung gleichermaßen gegeben gewesen. Durch die Hingabe des Sparbriefes im Jahre 1998 sei auch die Gesellschaft für Technikgeneseforschung e.V. nicht bereichert gewesen, weil auch sie über das Sparguthaben nicht sofort habe verfügen können. Die Schenkung der 30.000,- DM an die Gesellschaft habe dem Zweck gedient, dieser die Basis zu geben, Forschungsprojekte zu akquirieren. Auf diese Weise habe für ihn die Hoffnung bestanden, wieder für den Verein als Projektleiter tätig zu werden, mit der Folge, dass eine Inanspruchnahme öffentlicher Unterstützung entbehrlich werde. Damit sei die Zweckbestimmung dieser Mittel vergleichbar mit einer solchen für die Alterssicherung.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 19. Juli 2001 ist der Kläger zum Inhalt seiner Tätigkeit für die GTF I und die GTF II sowie zu seinen allgemeinen Vermögensverhältnissen befragt worden. Wegen des Ergebnisses der Befragung wird auf Bl. 38 und 39 der Gerichtsakte Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 17. Oktober 2001 hat der Kläger weitere Angaben zu seiner Tätigkeit für die beiden Gesellschaften gemacht. In seiner Sitzung am 23. Mai 2002 schließlich hat das Sozialgericht Berlin Prof. Dr. H K, bis Ende Juli 1999 Mitglied des Vorstandes der GTF II, zu den Umständen der Tätigkeit des Klägers für die GTF II als Zeugen befragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 113 bis 117 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Mit Urteil vom 23. Mai 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Klagen abgewiesen und zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 119 bis 128 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen angeführt: In der Zeit vom 30. Dezember 1994 bis zum 3. August 1995 und für die Zeit ab dem 1. November 1998 habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosenhilfe. Er sei seit 1981 nicht mehr als Arbeitnehmer tätig gewesen und habe daher keine Anwartschaften in der Arbeitslosenversicherung erworben. Etwaige Beitragszahlungen zur Arbeitslosenversicherung seien zu Unrecht erfolgt und hätten keine Anwartschaften begründet. Bei beiden Gesellschaften, GTF I und GTF II, handele es sich um gewerbliche Unternehmen des Klägers, die von ihm selbständig geführt worden seien. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger durchgehend unternehmerisch im Umfange von mehr als 18 Stunden pro Woche tätig gewesen sei. Zwar seien die beiden Vereine formal als gemeinnützig anerkannt gewesen und der Kläger sei in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und Vorstand dieser Vereine formal ehrenamtlich tätig gewesen. Die tatsächlichen Verhältnisse seien jedoch entscheidend von dieser formellen Bezeichnung abgewichen. Der Kläger habe nämlich während des Verfahrens ausdrücklich und mehrfach ausgeführt, dass die Vereine dazu gedient hätten, seine eigene wirtschaftliche Existenz zu sichern. Dies sei das Gegenteil einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die ja gerade nicht darauf gerichtet sei, eigene persönliche wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Gegenüber den Finanzbehörden habe der Kläger diese Zielsetzung verschwiegen, in seinem Bekanntenkreis sei sie jedoch durchaus bekannt gewesen. Soweit der Kläger in den vergangenen Jahren keine Einnahmen mehr aus dieser unternehmerischen Tätigkeit habe erzielen können, sei dies allein Ausfluss seines unternehmerischen Risikos. Letzteres habe er allein getragen. Denn nach seinen eigenen Angaben habe er sein gesamtes Vermögen investiert, um die unternehmerische Tätigkeit weiterführen zu können. Bereits vor der formalen Übereignung des Sparbriefes an den Verein habe er dieses Geld zur Bezahlung von drohenden Regressforderungen des Landes Berlin bereitgehalten. Außerdem habe sich das Büro der Gesellschaften bis zum heutigen Tage in seiner persönlichen Wohnung am Hohenzollerndamm befunden. Den Überlassungsvertrag für das Büro der Gesellschaften habe der Kläger auch nicht gekündigt, als das Vereinsvermögen erschöpft gewesen sei und keine Miete mehr an ihn habe gezahlt werden können. Als noch Drittmittel vorhanden gewesen seien, habe der Kläger auch nicht etwa einen Arbeitsvertrag mit sich selbst abgeschlossen, sondern sei ohne schriftlichen Vertrag als Projektleiter tätig gewesen. Auch eine Kündigung sei ihm gegenüber nie ausgesprochen worden. Wenn kein Geld da gewesen sei, so sei ihm auch keines ausgezahlt worden. Ein solches unternehmerisches Risiko hätte er als Arbeitnehmer gerade nicht getragen. Die unternehmerische Tätigkeit des Klägers zeige sich auch darin, dass er es als selbstverständlich angesehen habe, in der Phase fehlender Finanzierung weiterhin für das Unternehmen tätig zu sein, um neue Aufträge zu akquirieren. Als Geschäftsführer, einziger Vorstand und später auch Liquidator des Vereins habe der Kläger auch über die maßgebliche Entscheidungsbefugnis verfügt. Andere Personen hätten keinen entscheidenden Einfluss ausgeübt, auch nicht die sonstigen Vorstandsmitglieder. Dies ergebe sich vor allen Dingen aus den Schilderungen des Zeugen K. Angesichts der umfangreichen unternehmerischen Aktivitäten des Klägers bestünden keine ernsthaften Zweifel daran, dass er in der Zeit vom 30. Dezember 1994 bis zum 3. August 1995 und auch seit dem 1. November 1998 mehr als 18 Stunden pro Woche tätig gewesen sei. Die gegenteiligen schriftlichen Berechnungen des Klägers über den Umfang seiner Tätigkeit seien nicht glaubhaft, was sich insbesondere in Abgleich mit seinen Angaben in den mündlichen Verhandlungen vom 19. Juli 2001 und 23. Mai 2002 ergebe. Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe auch deshalb nicht vor, weil die Bereitschaft des Klägers fehle, sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen. Es sei nicht glaubhaft, dass er tatsächlich einem Stellenangebot der Beklagten Folge leisten würde, wenn ihm beispielsweise eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter vorgeschlagen werden würde. Weil er nach seinen eigenen Angaben sein gesamtes Vermögen in das Unternehmen investiert habe, entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass er seine gesamte Arbeitskraft daransetze, diese Investition durch einen unternehmerischen Erfolg zu amortisieren. Der Kläger habe stets deutlich gemacht, dass sich seine gesamten Bemühungen darauf konzentrierten, im Rahmen seines Unternehmens wieder Einkünfte zu erzielen. Dies werde be-stätigt durch die Schilderungen des Zeugen K, wonach der Kläger keinen Empfehlungen zu einem beruflichen Neubeginn zugänglich gewesen sei, sondern sich ausschließlich in sein Unternehmen verbissen habe. Vom 30. Dezember 1994 bis zum 3. August 1995 sei der Kläger nicht bedürftig gewesen. Er habe Vermögen in Höhe von mindestens 72.000,- DM besessen. Dieses Vermögen sei auch verwertbar gewesen. Die Anlage in Gestalt eines Sparbriefes habe die Verwertung nicht gehindert, weil der Kläger noch ungehinderten Zugriff darauf gehabt habe. Dass er mit diesem Geld eine Haftungsrücklage für Rückforderungen des Landes Berlin habe bilden wollen, hindere die Verwertbarkeit nicht. Außerdem sei eine solche verbindliche Zweckbindung vom Kläger nicht einmal glaubhaft gemacht worden. Tatsächlich habe er das Geld innerhalb der folgenden Jahre für andere Zwecke verbraucht und nicht für die Bezahlung der Rückforderung. Die Voraussetzungen von § 45 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe lägen danach vor. Das Vertrauen des Klägers auf den Bestand des Bewilligungsbescheides sei nicht schutzwürdig. Er habe nämlich Angaben gemacht, die vorsätzlich unrichtig oder jedenfalls unvollständig gewesen seien. Im Antrag vom 20. Dezember 1994 habe er den tatsächlichen Umfang seines Vermögens verschwiegen, obwohl er gewusst habe, dass er verpflichtet gewesen wäre, beispielsweise sein Eigentum an dem Sparbrief über 72.000,- DM anzugeben. Gegen eine unbeabsichtigte Falschangabe spreche etwa die Tatsache, dass der Kläger in seinem Antrag vom 24. Oktober 1995 angegeben habe, über ein Bankguthaben von 1.200,- DM zu verfügen. Außerdem habe der Kläger auch anderweitig Täuschungshandlungen vorgenommen, um einen finanziellen Vorteil zu erreichen. So habe er in seinem Schreiben vom 14. November 1998 selbst angegeben, dass er hinsichtlich des Sparbriefes von 30.000,- DM die Finanzbehörden wegen der Befreiungsmöglichkeiten von der Kapitalsteuer habe täuschen wollen; gegenüber der Beklagten habe er verschwiegen, dass er aus der Untervermietung seiner Wohnung an Studenten Einkommen erziele. Indem er gegenüber der Beklagten sein tatsächliches Vermögen verschwiegen habe, habe er diese überhaupt erst veranlasst, einen rechtswidrigen Bewilligungsbescheid zu erlassen und die Arbeitslosenhilfe an ihn auszuzahlen.

Gegen das ihm am 6. September 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. September 2002 Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Im Hinblick auf die angefochtenen Bescheide vom 27. und 28. Juni 2000 fehle es schon an einer ordnungsgemäßen Anhörung nach § 24 SGB X. Hinsichtlich der Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung habe er überhaupt kein Anhörungsschreiben erhalten. Im Übrigen sei die Anhörung mangelhaft, weil die Beklagte ihm keine Gelegenheit gegeben habe, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Es sei auch kein Hinweis darauf gegeben worden, dass die Rücknahme im Ermessen der Beklagten stehe. Eine Stellungnahme habe darauf kaum erfolgen können. Des Weiteren sei auch die Anhörungsfrist unangemessen kurz gewesen. Es habe allenfalls eine Frist zur Stellungnahme von zehn oder noch weniger Tagen bestanden. Abgesehen davon verkenne das Sozialgericht den Begriff der Arbeitslosigkeit, indem es nur darauf abstelle, dass er als Vereinsvorstandsvorsitzender selbständig und unternehmerisch tätig gewesen sei, was aber weder nach der Vereinssatzung noch nach den tatsächlichen Verhältnissen zutreffe. Indem das Sozialgericht ihn als Selbständigen eingeordnet habe, habe es unzutreffender Weise im Wesentlichen auf die Vergangenheit abgestellt, während jedoch eine Prognoseentscheidung erforderlich sei. Dabei sei von Bedeutung, dass der Verein GTF I seit 1992 über keine Projekte und damit über keine wirtschaftlichen Mittel mehr verfügt habe. Er habe stets eine mehr als nur kurzzeitige Beschäftigung aufnehmen wollen, um seine wirtschaftliche Existenz zu sichern. Er habe tatsächlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis eingehen wollen und sich auch aktiv um eine Arbeitsstelle beworben. In diesem Zusammenhang hat der Kläger Bewerbungen sowie Ablehnungsschreiben aus der Zeit vom 3. Juli 1995 bis zum 15. Februar 2002 zu den Akten gereicht, wegen deren Inhalt auf Bl. 171 bis Bl. 186 Bezug genommen wird. Daraus werde deutlich, so der Kläger, dass er durchaus der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Die Annahme des Sozialgerichts, er sei mehr als 18 Stunden wöchentlich für die GTF tätig gewesen, entbehre jeder sachlichen Grundlage. Konkrete Feststellungen zum Zeitaufwand fehlten. Dass seine Tätigkeit unter 15 Stunden wöchentlich betragen habe, habe er im Vorverfahren eingehend dargelegt. Seine ehrenamtliche Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender habe sich in der Regel in den späten Abendstunden abgespielt, weil auch die übrigen Mitglieder des Vereins und der Arbeitskreise selbst in Beschäftigungsverhältnissen stünden und daher nicht anders abkömmlich seien. Unzutreffenderweise habe das Sozialgericht auch angenommen, am 30. Dezember 1994 habe keine Bedürftigkeit vorgelegen. Dabei werde die wirtschaftliche Situation des Vereins und seine Haftungssituation übersehen. Angesichts drohender Rückforderungen des Senats von Berlin als Zuwendungsgeber habe er 72.000,- DM als Haftungsrücklage angelegt. So seien denn auch mit Bescheid vom 29. Juli 1997 Rückforderungen in Höhe von fast 100.000,- DM geltend gemacht worden. Daher erscheine es unbillig, den dafür fest angelegten Sparbrief von 72.000,- DM im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung der Arbeitslosenhilfegewährung einzusetzen. Deshalb sei die Nichterwähnung des Sparbriefes in den Arbeitslosehilfeanträgen auch nicht schuldhaft. Nach seiner Vorstellung sei er davon ausgegangen, dass es sich bei den 72.000,- DM nicht um sein Vermögen gehandelt habe. Ungeachtet dessen seien die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 27. und 28. Juni 2000 auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung kein Ermessen ausgeübt habe. Dies sei umso notwendiger gewesen, als er inzwischen sozialhilfebedürftig geworden sei. Seit Mitte 1999 beziehe er Sozialhilfe. Außerdem sei durch die Rückforderung von rund 25.000,- DM eine weitere Verschuldung verursacht worden. Schließlich bestehe auch ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998. Auch hier gelte, dass das Sparguthaben über 30.000,- DM einer Verwendung durch die GTF II gewidmet gewesen sei. Es habe nie für private Zwecke verbraucht werden sollen. Im Übrigen sei eine Ablehnung von Arbeitslosenhilfe nur für 11 Wochen gerechtfertigt. Außerdem verbiete sich eine erneute Anrechnung der 30.000,- DM auf seine Arbeitslosenhilfegewährung, weil damit nur ein Teil der bereits angerechneten 72.000,- DM erneut in Gestalt eines Sparbriefes bei der CC-Bank angelegt worden sei. Die erneute Berücksichtigung sei rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1999 in der Fassung des Widerspruchsbe- scheides vom 23. Mai 2000 und die Bescheide der Beklagten vom 27. und 28. Juni 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. November 1998 Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil für zutreffend. Ein Anhörungsmangel bestehe nicht. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei dem Kläger bekannt gewesen. Die gewährte mehr als einwöchige Frist sei ausreichend gewesen. Zudem habe der Kläger sich im sozialgerichtlichen Vorverfahren und im Klageverfahren ausführlich zum Sachverhalt äußern können, so dass selbst bei Vorliegen formeller Fehler Heilung durch das nachfolgende Verfahren erfolgt sei. Die vorgelegten Bewerbungsschreiben, von denen lediglich das Schreiben an die Technische Universität Berlin vom 3. Juli 1995 in den streitigen Zeitraum gehöre, seien nicht geeignet zu belegen, dass der Kläger die Aufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung angestrebt habe. Aufgrund seiner jeweiligen Vermögenswerte sei der Kläger auch nicht bedürftig gewesen. Eine Pflicht zur Ermessensausübung habe für die Beklagte angesichts des gegebenen Sachverhalts nach § 330 Abs. 2 SGB III nicht bestanden. Die seit 1999 bestehende Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers dürfe keinen Einfluss auf die zwingend vorzunehmende Rücknahme der Bewilligungsentscheidung haben. Sofern der Kläger aufgrund seiner momentanen Verhältnisse nicht in der Lage sei, seiner Erstattungspflicht nachzukommen, könne dies lediglich im Einziehungsverfahren in Gestalt einer Stundung oder eines Erlasses der Forderung Berücksichtigung finden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 22. Oktober 2004 hat der Kläger seine mündlichen Ausführungen vom 19. Juli 2001 ergänzt. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Leistungsakte der Beklagten (Band II, Stamm-Nr.) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat teilweise Erfolg. Die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2002 beurteilt die Sach- und Rechtslage zum Teil fehlerhaft. Die Bescheide der Beklagten vom 27. und 28. Juni 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2000 (betreffend den Leistungszeitraum 30. Dezember 1994 bis 3. August 1995) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (unten 1.). Rechtswidrig ist aber der Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2000, denn der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998 (unten 2.).

1. Rechtsgrundlage des den Leistungszeitraum 30. Dezember 1994 bis 3. August 1995 betreffenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheides ist § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein bestandskräftiger begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Satz 1). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Satz 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen (Satz 3), soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den 31wöchigen Zeitraum vom 30. Dezember 1994 bis zum 3. August 1995 war von Anfang an rechtswidrig, denn der Kläger hatte zumindest insoweit keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, weil er nicht bedürftig war. Nach § 134 Abs. 1 Nr. 3 des in den Jahren 1994 bzw. 1995 noch geltenden Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) war die Bedürftigkeit des Arbeitslosen eine unabdingbare Anspruchsvoraussetzung für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe. Der Arbeitslose ist bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht (§ 137 Abs. 1 AFG). Der Arbeitslose ist nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist (§ 137 Abs. 2 AFG). Nach § 6 Abs. 1 der auf der Grundlage von § 137 Abs. 3 AFG erlassenen Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (Alhi-VO, in der Fassung vom 10. Oktober 1990, BGBl. I, S. 2171) ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils achttausend Deutsche Mark übersteigt. Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Alhi-VO). Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO).

Gemessen an diesem Regelwerk war der Kläger in dem genannten Zeitraum nicht bedürftig, denn in Gestalt des von August 1992 bis August 1996 vorhandenen Sparbriefes bei der CC-Bank über 72.000,- DM besaß er Vermögen, das die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht rechtfertigte. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger Inhaber bzw. Eigentümer des genannten Sparbriefes war, es sich also um sein eigenes Vermögen handelte. Gegenteiliges ist auch von ihm nicht behauptet worden. Der Versuch, entsprechendes Vermögen aus der Hand zu geben, wurde erst im November 1998 in Gestalt der Schenkung des Sparbriefes über 30.000,- DM an die GTF II unternommen.

Dieses Vermögen war auch verwertbar, denn es konnte jedenfalls übertragen oder belastet werden (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Alhi-VO), wie sich ebenfalls im November 1998 zeigte, als ein entsprechender Sparbrief an die GTF II übertragen wurde.

Schließlich hält der Senat die Verwertung des Sparbriefes über 72.000,- DM auch für zumutbar. Als Maßstab kommt hier nur die Generalklausel aus § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO in Betracht, denn es ist keines der Regelbeispiele für Unzumutbarkeit aus § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 7 Alhi-VO einschlägig. Für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung des Sparbriefes ist weder etwas ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen. Der Senat ist auch der Auffassung, dass die Verwertung unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Klägers und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden konnte. Hierzu hat der Kläger lediglich angeführt, der Sparbrief habe dazu dienen sollen, sich ankündigende Regressforderungen der Senatsverwaltung für Wirtschaft als Zuwendungsgeber gegenüber der GTF I abzusichern. Unabhängig davon, ob eine solche Zweckbestimmung überhaupt die Annahme der "Unbilligkeit" begründen könnte, hat der Kläger nicht nachvollziehbar gemacht, warum diese Zweckbestimmung schon bei Einrichtung des Sparbriefes im Jahre 1992 maßgeblich gewesen sein soll, wie ernst mögliche Regressforderungen zu jenem Zeitpunkt drohten und warum er bereit war, sein Privatvermögen hierfür einzusetzen. Hiervon abgesehen kann der Senat nicht erkennen, warum es unzumutbar gewesen sein sollte, das Sparbriefvermögen zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts zu verwenden. Die vom Kläger behauptete Zweckbestimmung erscheint im Gegenteil unbillig zu Lasten der Allgemeinheit, die für die steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe aufkommt. Die "Rettung" der GTF I vor etwaigen Regressforderungen erscheint nicht als so dringend, dass die Verwertung des Sparbriefvermögens etwa unbillig wäre. Das weitere Schicksal der von Landesseite geltend gemachten Rückforderungen bestätigt diese Einschätzung, denn letztlich wurden die Forderungen gegenüber dem vermögenslosen Verein niedergeschlagen. Nach alledem bleibt es dabei, dass das Sparbriefvermögen über 72.000,- DM im Dezember 1994 verwertbar war und eine Verwertung dem Senat auch zumutbar erscheint. Mit Rücksicht auf dieses Vermögen war die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt (§ 137 Abs. 2 AFG).

Die fehlende Bedürftigkeit hat die Beklagte in Anwendung von § 9 Alhi-VO zutreffend auf 31 Wochen erstreckt, denn das zu berücksichtigende Vermögen beträgt unter Abzug der Freibeträge nach § 6 Abs. 1 Alhi-VO 56.000,- DM, welches durch das Bemessungsentgelt zu teilen ist, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe richtet, mithin durch 1770,- DM, woraus sich der Wert von 31 Wochen und fehlende Bedürftigkeit bis einschließlich 3. August 1995 ergeben.

Steht somit die schon anfängliche Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung fest, durfte die Beklagte die Leistungsbewilligung auch aufheben, denn der Kläger genießt keinen Vertrauensschutz. Er kann sich nämlich nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil die Leistungsbewilligung auf Angaben beruhte, die er zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat. Der Kläger hat bei erster Beantragung der Arbeitslosenhilfe im Dezember 1994 lediglich angegeben, seine Ehefrau und er besäßen Vermögen in Höhe von zusammen 9.900,- DM. Es hätte sich schlechthin aufdrängen müssen, hier auch den seit August 1992 bestehenden und auf den Kläger lautenden Sparbrief zu erwähnen, ganz zu schweigen von den jährlich neun Prozent Zinsen – immerhin 6.480,- DM – die daraus resultierten. Soweit der Kläger den Sparbrief tatsächlich nur deshalb unerwähnt gelassen haben sollte, weil er ihn aufgrund der oben erörterten "Zweckbestimmung" für unerheblich hielt, hat er jedenfalls die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer acht gelassen, denn es handelte sich um sein eigenes Vermögen, dessen Bestand er nicht hätte verschweigen dürfen und dessen Zweckbindung jedenfalls mit den Mitarbeitern der Beklagten im Arbeitsamt hätte erörtert werden müssen.

Auch im Übrigen begegnet die Aufhebung der Leistungsbewilligung keinen rechtlichen Bedenken. Sofern – wie hier – die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gegeben sind, durfte die Leistungsbewilligung bis zum Ablauf von zehn Jahren nach ihrer Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X). Beachtet hat die Beklagte zudem die Jahresfrist aus § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, denn durch am 29. Juni 1999 bei ihr eingegangene Unterlagen wurde sie zum ersten Mal auf den Sparbrief über 72.000,- DM aufmerksam; mit Schreiben vom 8. September 1999 stellte sie noch Nachfragen zur Bedürftigkeitsprüfung; mit Schreiben vom 14. Juni 2000 wurde der Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung angehört, wobei ihm eine (nicht zu kurze) zehntägige Stellungnahmefrist eingeräumt wurde, innerhalb derer er sich nicht äußerte. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 27. Juni 2000, bekannt gegeben am 29. Juni 2000, bewegte sich danach innerhalb der Jahresfrist aus § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X.

Ermessen hatte die Beklagte bei Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht; sie war zum Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts rechtlich verpflichtet (§ 152 Abs. 2 AFG bzw. § 330 Abs. 2 SGB III).

Die mit dem angefochtenen Aufhebungsbescheid verbundene Erstattungsforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die Erstattungsforderung über 19.604,60 DM ist damit dem Grunde, aber auch der Höhe nach (2 Leistungstage Arbeitslosenhilfe à 105,50 DM, 184 Leistungstage Arbeitslosenhilfe à 105,40 DM) nicht zu beanstanden.

Rechtmäßig ist schließlich auch der Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2000, mit dem sie die Erstattung der in der Zeit vom 30. Dezember 1994 bis 3. August 1995 geleisteten Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung in Höhe von 4.105,65 DM bzw. 250,25 DM, insgesamt 4.355,90 DM, forderte. Insoweit beruht die Erstattungsforderung auf § 335 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB III. Wurden danach von der Beklagten für einen Bezieher von Arbeitslosenhilfe Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bzw. zur sozialen Pflegeversicherung gezahlt, so hat der Bezieher dieser Leistungen der Beklagten die Beiträge zu ersetzen, soweit – wie hier – die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist.

Soweit der Kläger schon die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 27. und 28. Juni 2000 wegen eines Anhörungsmangels rügt, kann dies nicht durchgreifen. Einerseits sind Anhörungsschreiben vom 14. Juni 2000 aktenkundig. Andererseits wäre ein etwaiger Anhörungsmangel jedenfalls im Widerspruchs- und Klageverfahren geheilt worden, § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X.

2. Der Kläger hat jedoch Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 1. November 1998. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2000 ist rechtswidrig.

Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach dem ab dem 1. Januar 1998 geltenden § 190 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben, (3.) einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben, (4.) die besonderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt haben und (5.) bedürftig sind. Sämtliche Anspruchsvoraussetzungen - insbesondere: Arbeitslosigkeit und Bedürftigkeit - sind zur Überzeugung des Senats erfüllt.

Fehlende Bedürftigkeit kann für die Zeit ab dem 1. November 1998 – anders als im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2000 im Hinblick auf den Sparbrief über 30.000,- DM angeführt – nicht unterstellt werden. Grundsätzlich gilt nämlich das Verbot der Doppelverwertung: Vermögen des Arbeitslosen, das in der Bedürftigkeitsprüfung bereits berücksichtigt worden und nach Ablauf der gemäß § 9 Alhi-VO errechneten Dauer fehlender Bedürftigkeit noch vorhanden ist, kann nicht erneut berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 9. August 2001, B 11 AL 11/01 R, SozR 3-4300 § 193 Nr. 2; vgl. auch Urteil des Senats vom 25. Juni 2004, L 4 AL 52/02). So liegt es hier mit dem im August 1996 festgelegten Sparbriefvermögen über 30.000,- DM, das eine Weiteranlage aus dem bereits für 1994/95 berücksichtigten Sparbriefvermögen über 72.000,- darstellt.

Insoweit ist auch unerheblich, dass der Kläger den 30.000,- DM-Sparbrief am 5. November 1998 im Wege des In-sich-Geschäfts an die GTF II verschenkt hat. Zwar steht dem aus Sicht des Senats angesichts des konkreten Zeitablaufs – fraglicher Leistungsbeginn am 1. November 1998 – der Verdacht der Manipulation auf der Stirn geschrieben, doch muss dies nicht vertieft werden, weil dieses Vermögen aus den genannten Gründen unberücksichtigt bleiben muss.

In der Zeit ab dem 1. November 1998 war der Kläger zur Überzeugung des Senats auch arbeitslos (§ 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Arbeitslos ist nach § 198 Satz 2 Nr. 1 SGB III in Verbindung mit § 118 Abs. 1 SGB III, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungslosigkeit bzw. Beschäftigungssuche). Die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Mehrere Beschäftigungen werden zusammengerechnet (§ 118 Abs. 2 SGB III). Eine selbständige Tätigkeit steht einer Beschäftigung gleich. Die Fortführung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich, aber weniger als 18 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit, die unmittelbar vor dem Tag der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens zehn Monate neben der Beschäftigung, die den Anspruch begründet, ausgeübt worden ist, schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus (§ 118 Abs. 3 SGB III).

Der Kläger war beschäftigungslos, denn er stand in keinem Beschäftigungsverhältnis und ist – anders als nach Auffassung des Sozialgerichts – in seinem Engagement für die GTF II – auch nicht wie ein Selbständiger zu bewerten. Für die Beurteilung dieses besonders gelagerten Falls muss der Beruf des Klägers als unabhängiger Wissenschaftler ebenso berücksichtigt werden wie die spezifische Konstruktion und Aufgabe der GTF II. Gleichzeitig ist der einzige Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Beschäftigungslosigkeit des Klägers sein Engagement in der und für die GTF II, denn anderweitig war er jedenfalls nicht beschäftigt. Die im Dezember 1997 errichtete GTF II verfolgte nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung durch Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie der Bildung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung. Nach § 2 Abs. 3 der Satzung war der Verein selbstlos tätig und verfolgte nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke; seine Mitglieder durften keine Zuwendungen aus den Mitteln des Vereins erhalten. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass diese satzungsmäßig verbriefte Gemeinnützigkeit vom Kläger unterlaufen wurde, indem er den Verein tatsächlich etwa zu einem nach Gewinn strebenden, im Wirtschaftsleben werbenden Unternehmen umfunktioniert hätte. Dass er über den gemeinnützigen Verein bzw. in seinem Mantel Kontakt zu Wissenschaft, Forschung und potentiellen Zuwendungsgebern hielt, ist hiervon unabhängig und lediglich im Rahmen der weiter unten zu erörternden Beschäftigungssuche von Bedeutung. Das Sozialgericht ist danach einer Fehlbeurteilung unterlegen, wenn es den Kläger wie einen selbständig wirtschaftenden Unternehmer eingeordnet hat. Es hat die Unabhängigkeit des Klägers als Wissenschaftler verwechselt mit der Selbständigkeit eines Unternehmers. Denn von vornherein fehlt es an einem wesentlichen Moment der den Unternehmer auszeichnenden gewinnstrebenden Tätigkeit: Der Kläger war für die GTF II lediglich ehrenamtlich tätig und konnte – satzungsmäßig und tatsächlich – aus diesem Engagement unmittelbar keinen Gewinn schöpfen. Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Kläger nicht erst seit 1998 aus seiner Tätigkeit für die beiden Gesellschaften keine Einkünfte mehr bezog, denn seit Jahren war es nicht mehr gelungen, über GTF I oder GTF II Projekte und Förderung zu akquirieren, in deren Rahmen es dem Kläger möglich gewesen wäre, ein Gehalt zu beziehen. Hier liegt der entscheidende Unterschied: Der Kläger konnte und wollte zu keinem Zeitpunkt als Unternehmer mit der GTF II Geld verdienen, er wollte lediglich über diesen Verein an Fördermöglichkeiten gelangen, die ihm – wie in früheren Jahren – ein Auskommen gesichert hätten.

Dass der Kläger trotz seiner Tätigkeit für die GTF II als arbeitslos anzusehen ist, ergibt sich indirekt auch in Anlehnung an den seit 1. Januar 2002 geltenden § 118 a SGB III, wonach eine ehrenamtliche Tätigkeit Arbeitslosigkeit nicht ausschließt, wenn dadurch die berufliche Eingliederung des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird. Der Senat orientiert sich für die Beurteilung des vorliegenden Falles, dessen maßgeblicher Zeitpunkt der 1. November 1998 ist, an dieser jüngeren Vorschrift, weil der Gesetzgeber mit ihr die teilweise widersprüchliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Verhältnis von ehrenamtlicher Tätigkeit und Arbeitslosigkeit verarbeitet und die Rechtslage klargestellt hat (vgl. Steinmeyer in Gagel, SGB III, Stand Oktober 2002, Rdnr. 8 bis 12 zu § 118 a SGB III, m.w.N. zur Rechtsprechung des 7. und des 11. Senats des Bundessozialgerichts). Der Senat hält die Tätigkeit des Klägers für die GTF II für ehrenamtlich, weil sie sowohl gemeinwohlorientiert als auch unentgeltlich war (vgl. Steinmeyer, a.a.O., Rdnr. 24 ff. zu § 118 a SGB III). Die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Klägers ist erwiesen. Die Gemeinwohlorientierung ergibt sich daraus, dass die GTF II durch Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie der Bildung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgte. Die Tätigkeit des Klägers für die GTF II, deren Umfang unerheblich ist, schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn durch sie die berufliche Eingliederung des Klägers nicht beeinträchtigt wurde. Das Gegenteil ist der Fall, denn über die GTF II behielt der Kläger Kontakt zu Wissenschaft und Forschung und zu möglichen Zuwendungsgebern; gerade über seine ehrenamtliche Tätigkeit bemühte der Kläger sich um eine berufliche Eingliederung; für den Fall erfolgreicher Akquisition von Projektmitteln hätte der Kläger seine ehrenamtliche Tätigkeit beendet bzw. verringert und sich fortan seinem "Broterwerb" gewidmet.

Aus alledem ergibt sich gleichzeitig, dass der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt als beschäftigungssuchend anzusehen ist. Insoweit hat das Sozialgericht in seinem Urteil zutreffend darauf hingewiesen, das sich sämtliche Bemühungen des Klägers darauf konzentrierten, über die GTF I bzw. II wieder Einkünfte erzielen zu können. Gerade hierin liegt die notwendige und umfangreiche Beschäftigungssuche des Klägers, der etwa über Kontakte zur Wissenschaftsverwaltung, den Besuch von Fachkongressen und die Entwicklung des Konzepts für ein Webportal versuchte, "im Geschäft" bzw. "im Gespräch" zu bleiben und so gegebenenfalls Geldquellen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung erschließen zu können. Die Unterstellung des Sozialgerichts, der Kläger sei nicht bereit gewesen, etwa eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter aufzunehmen, entbehrt der tatsächlichen Grundlage. Die Beklagte hat dem Kläger nämlich über alle Jahre des Leistungsbezugs kein Vermittlungsangebot unterbreitet, so dass auch nicht gemutmaßt werden darf, dass der Kläger einem solchen nicht nachgekommen wäre. Seine Orientierung auch außerhalb der GTF II hat der Kläger im Übrigen durch die Vorlage von Nachweisen für verschiedene Bewerbungen belegt, die bei der Beurteilung der "Beschäftigungssuche" umso mehr Gewicht erlangen, als es an irgendeinem Vermittlungsangebot der Beklagten gerade mangelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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