L 24 KR 5/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 KR 57/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 5/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Oktober 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um anlässlich einer vom 12. September bis 07. November 2002 durchgeführten Krankenhausbehandlung entstandene Mehrkosten.

Der im ... 1927 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, wurde am 11. Juli 2002 wegen Vorhofflattern beziehungsweise Vorhoffflimmern in der Klinikum N. GmbH stationär aufgenommen. Die Krankenhausbehandlung wurde über die vorgesehenen Entlassungstermine hinaus mehrmals wegen eines diabetischen Fußsyndroms mit Großzehengangrän bei diabetischer Angiopathie zur Erhaltung der Extremität verlängert. Gleichwohl erfolgte am 01. August 2002 eine Großzehenamputation, die eine Wundheilungsstörung zur Folge hatte, weswegen am 22. August 2002 eine Zehenendamputation und am 04. September 2002 eine Vorfußamputation jeweils rechts erfolgte.

Am 10. September 2002 sprach die Tochter des Klägers bei der Beklagten wegen der Verlegung in die Parkklinik W. B. vor. Es solle dort versucht werden, die von der Klinikum N. GmbH beabsichtigte Amputation des Fußes zu vermeiden. Nach den von der Beklagten eingeholten Auskünften betrugen die Krankenhauskosten täglich in der Parkklinik W. 389,44 EUR, in der Klinikum N. GmbH 290,46 EUR und im C.-T.-Klinikum C. 263,66 EUR. Die Beklagte bot eine Behandlung im Krankenhaus F., im C.-T.-Klinikum C. und im H. Klinikum in Bad S. an. Sie veranlasste außerdem eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK).

Mit Bescheid vom 10. September 2002 erteilte sie die Zusage der Kostenübernahme für eine Behandlung im C.-T.-Klinikum C ... Sie kündigte außerdem an, dass Kosten einer Krankenhausbehandlung, die darüber hinaus gingen, in Rechnung gestellt würden.

Am 12. September 2002 wurde der Kläger aus der Klinikum N. GmbH entlassen und am selben Tag auf eigene Veranlassung über die dortige Rettungsstelle als Notfallpatient in der P. W. aufgenommen und bis zum 07. November 2002 stationär behandelt.

Mit einem am 23. September 2002 eingelegten Widerspruch wurde geltend gemacht, der Kläger habe kein Vertrauen mehr in die Klinikum N. GmbH, da nacheinander die Zehen und der halbe Fuß amputiert worden seien. Auch seien die Verbände nur alle drei bis vier Tage gewechselt worden. Für den Kläger komme kein gleichwertiges, sondern nur ein besseres Krankenhaus in Betracht. Die Untersuchung in der P. W. sei anders als in der Klinikum N. GmbH ohne Schmerzen erfolgt. Auch andere Patienten hätten bereits vorzeitig die Klinikum N. GmbH verlassen. Infolge eines nicht regelmäßigen Verbandwechsels sei es zu Bakterieninfektionen gekommen. Wäre der Kläger zeitiger gegangen, wäre die zwischenzeitlich in der P. W. erfolgte Unterschenkelamputation wohl nicht nötig geworden.

Die Beklagte holte den Bericht der P. W. vom 21. Oktober 2002, die Stellungnahme des MDK der Dr. M.l-L. und nach Beiziehung des Entlassungsberichtes der Klinikum N. GmbH das Gutachten des MDK des Arztes P. vom 15. November 2002 ein.

Nach dem von der Beklagten vorgenommenen Vergleich betrugen die Gesamtkosten in der P. W. 22 676,51 EUR, während sie in der Klinikum N. GmbH 16 970,47 EUR und im C.-T.-Klinikum C. 14 699,16 EUR betragen hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Mehrkosten für die stationäre Behandlung in B.-W. könnten nicht übernommen werden, da für die dortige Behandlung keine Notwendigkeit bestanden habe. Nach dem Gutachten des MDK hätte die Behandlung auch im C.-T.-Klinikum C. erfolgen können.

Mit Bescheid vom 07. April 2003 forderte die Beklagte Zahlung von 5 706,04 EUR. Diesen Bescheid hob die Beklagte im anschließenden Klageverfahren wieder auf.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 hat der Kläger am 29. April 2003 Klage beim Sozialgericht Cottbus erhoben.

Er hat vorgetragen: Wegen der mehrfachen Amputationen und der schlechten Nachsorge habe er das Vertrauen in die Klinikum N. GmbH verloren gehabt. Es sei dort nicht gelungen, der zunehmenden Entzündung des rechten Fußes nach Nagelverletzung entgegenzuwirken. Er habe sich nicht ohne zwingenden Grund, sondern erst nach der dargelegten erfolglosen Behandlung in die P. W. begeben. Die dort erfolgte Behandlung wäre weder in der Klinikum N. GmbH noch im C.-T.-Klinikum C. möglich gewesen. Seinerzeit sei es nicht zumutbar gewesen, erst ein anderes, insbesondere das von der Beklagten angebotene C.-T.-Klinikum C., auszutesten. In der Klinikum N. GmbH sei ihm damals eindeutig mitgeteilt worden, als weiterer Schritt komme eine Oberschenkelamputation in Frage. Wenn ihm eine Weiterbehandlung im H. Klinikum in Bad S. angeboten worden wäre, hätte er diese akzeptiert.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid vom 10. September 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Krankenhausbehandlung dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliege. Dem Kläger sei eine Wahlmöglichkeit zwischen dem C.-T.-Klinikum C. und dem H. Klinikum Bad S. eingeräumt worden. Da er davon keinen Gebrauch gemacht habe, werde er mit den Mehrkosten belastet. Unabhängig davon bestehe kein Hinweis darauf, dass er in der Klinikum N. GmbH falsch behandelt worden sei. Die Rechnung der P. W. über 22 676,51 EUR habe sie zwischenzeitlich bezahlt. Die Differenz in Höhe von 5 706,04 EUR ergebe sich im Vergleich gegenüber einer Behandlung in der Klinikum N. GmbH. Außerdem sei anzumerken, dass der Kläger ab 12. November 2002 erneut im Klinikum N. stationär behandelt worden sei. Die Beklagte hat eine Übersicht über Pflegesätze von September bis November 2002 betreffend die P. W. und das Klinikum N. vorgelegt.

Mit Urteil vom 30. Oktober 2003 hat das Sozialgericht dem Antrag des Klägers entsprechend entschieden: Es könne dahinstehen, welches Krankenhaus in der ärztlichen Einweisung genannt worden sei, denn die Beklagte habe das ihr im Rahmen von § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eröffnete Ermessen in keiner Weise ausgeübt. Weder sei erkennbar, aufgrund welcher Gesichtspunkte sich die Beklagte überhaupt entschlossen habe, dem Kläger die Mehrkosten aufzuerlegen, noch, aus welchen Gründen ihm die Mehrkosten vollständig, statt - was auch möglich gewesen wäre - nur teilweise auferlegt worden seien. Die Zahlungsforderung könne auch nicht auf § 50 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestützt werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen eine von der Krankenkasse zu Unrecht erbrachte Sachleistung von dem Versicherten zurückverlangt werden könne. Im Falle des Klägers ließe sich die Behandlung in der P. W. nur als von Anfang an rechtswidrige Sachleistung einstufen. Die aufgrund dessen gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 45 SGB X erforderliche Ermessensausübung sei auch insoweit nicht erfolgt.

Gegen das ihr am 08. Dezember 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 08. Januar 2004 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie ist der Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf Behandlung in der P. W. gehabt habe, da es sich nicht um das nächsterreichbare Krankenhaus gehandelt habe. Die P. W. sei etwa drei- bis viermal so weit entfernt vom Ort der letzten stationären Behandlung des Klägers wie das C.-T.-Klinikum C ... Auch wenn objektiv keine Gründe für den geltend gemachten Vertrauensverlust vorlagen, habe die Beklagte gleichwohl dem Wunsch des Klägers mit dem Angebot einer Krankenhausbehandlung im C.-T.-Klinikum C. entsprechen wollen, welches jedoch ohne Begründung zurückgewiesen worden sei. Ein Ermessensfehler liege nicht vor, da mit dem angefochtenen Bescheid Mehrkosten hätten ohnehin nicht auferlegt werden können, da deren Höhe noch gar nicht bekannt gewesen sei. Die Auferlegung der Mehrkosten sei vielmehr einem gesonderten Bescheid vorbehalten. Selbst wenn es sich bei dem Bescheid vom 10. September 2002 bereits um den Bescheid zur Auferlegung von Mehrkosten gehandelt hätte, hätte keine Aufhebung erfolgen dürfen, da die Gründe für die Entscheidung im erstinstanzlichen Verfahren dargelegt seien und eine Verletzung der Begründungspflicht somit geheilt worden sei. Im Bescheid vom 10. September 2002 sei als Vorabentscheidung konkludent geregelt worden, dass es sich beim vom Kläger gewünschten Krankenhaus nicht um eines der nächsterreichbaren Krankenhäuser handele und dass keine Gründe vorlägen, die die Nichtinanspruchnahme der nächsterreichbaren Krankenhäuser rechtfertigen würden. Für solche Entscheidungen bestehe ein Bedürfnis, damit der Betroffene frühzeitig disponieren könne. Lediglich die Höhe der zu erstattenden Mehrkosten bliebe damit einem weiteren Verwaltungsakt vorbehalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Oktober 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Es könne nicht allein ausschlaggebend sein, dass der Tagessatz für die P. B.-W. wesentlich höher als der Tagessatz des Klinikums N. liege. Außerdem fehlten Ermessenserwägungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ( ...), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Bescheid vom 10. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 aufgehoben.

Soweit der Bescheid vom 10. September 2002 eine Regelung enthält, nämlich die Zusage der Kostenübernahme für eine Krankenhausbehandlung im C.-T.-Klinikum C., wird der Kläger dadurch nicht beschwert, denn ihm wird insoweit eine Sachleistung - Krankenhausbehandlung - bewilligt. Mangels Beschwer wäre eine darauf gerichtete Anfechtungsklage bereits unzulässig (§ 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Darauf ist das Klagebegehren tatsächlich auch nicht gerichtet gewesen. Die vom Sozialgericht ausgesprochene Aufhebung dieses Verfügungssatzes im Bescheid vom 10. September 2002 ist mithin zu Unrecht erfolgt.

Die Anfechtungsklage ist, soweit sich der Kläger damit gegen eine Auferlegung von Mehrkosten wendet, unzulässig. Weder der Bescheid vom 10. September 2002 noch der Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 enthält eine Regelung, die solches bestimmt. Mangelt es jedoch an einem Verwaltungsakt, führt dies zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 7. Auflage, § 54 Rdnr. 8).

Im Bescheid vom 10. September 2002 wird bezüglich von Mehrkosten Folgendes mitgeteilt: "Der Unterschied zwischen der Parkklinik Berlin und dem Klinikum N. GmbH weist einen Mehrkostenanteil in Höhe von 98,98 EUR täglich auf. Weist die Rechnung höhere Kosten als im Vergleichskrankenhaus auf, stellen wir Ihnen die Differenz in Rechnung, die Sie dann bitte an uns überweisen."

Damit wird zum einen mitgeteilt, dass die täglichen Behandlungskosten in der Parkklinik Berlin gegenüber der Klinikum N. GmbH um 98,98 EUR höher sind. Zum anderen wird angekündigt, dass höhere Kosten für den Fall dem Kläger in Rechnung gestellt werden, dass die - überhaupt noch nicht erteilte - Rechnung der Parkklinik Berlin höhere Kosten als im Vergleichskrankenhaus ausweist.

Die von der Beklagten behauptete konkludente Regelung, dass es sich bei dem vom Kläger gewünschten Krankenhaus nicht um eines der nächsterreichbaren Krankenhäuser im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB V handele und dass keine Gründe vorlägen, die die Nichtinanspruchnahme der nächsterreichbaren Krankenhäuser rechtfertigen würden, findet sich darin auch nicht nur andeutungsweise wieder.

Weder eine Mitteilung noch eine Ankündigung des Erlasses eines Verwaltungsaktes stellen einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt dar.

Es erscheint auch zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt befugt wäre, die von ihr behauptete Vorabentscheidung zu treffen. In dem von ihr zitierten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Juli 2000 - B 1 KR 14/99 R (abgedruckt in SozR 3-1300 § 39 Nr. 7) wird zwar ausgeführt: Vorabentscheidungen oder Teilvorabentscheidungen, also Regelungen, mit denen die Behörde bestimmte Elemente eines zukünftigen Anspruchs oder Rechtsverhältnisses schon vor der Entstehung des Anspruchs beziehungsweise des Rechtsverhältnisses verbindlich bejaht oder verneint, sind indessen grundsätzlich möglich. Für ihre Zulassung besteht oftmals ein Bedürfnis, weil die Betroffenen frühzeitig Dispositionen treffen und dazu wissen müssen, auf welche Rechtslage sie sich einzustellen haben. Vorgezogene Regelungen sind deshalb teilweise im Gesetz selbst vorgesehen (§ 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI, § 147 a Abs. 6 Satz 2 SGB III), ansonsten aber auch ohne gesetzliche Ermächtigung zulässig, soweit sich aus den einschlägigen Vorschriften oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht etwas anderes ergibt. In dem vom BSG zu entscheidenden Fall standen die dortigen Kläger vor der Wahl, ihre gesetzliche Krankenversicherung bei der Beklagten fortzusetzen oder sich zugunsten einer privaten Versicherung von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. In dieser Situation mag eine Vorabentscheidung zulässig sein. Ob solche Vorabentscheidungen ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage erlassen werden dürfen, bedarf hier indessen keiner abschließenden Entscheidung. Voraussetzung für solche Vorabentscheidungen ist, wie auch aus dem genannten Urteil des BSG ersichtlich wird, dass hierfür ein Bedürfnis besteht. Ein solches Bedürfnis wird regelmäßig bei der Anwendung des § 39 Abs. 2 SGB V nicht anzunehmen sein. Das Interesse des Versicherten geht in den Fällen des § 39 Abs. 2 SGB V dahin, von Mehrkosten verschont zu werden. Dem kann die Krankenkasse dadurch Rechnung tragen, indem sie eine Krankenhausbehandlung in dem vom Versicherten gewünschten Krankenhaus bewilligt. Ist die Krankenkasse dazu nicht bereit, könnte sie - die Rechtsansicht der Beklagten als zutreffend unterstellt - allenfalls einen ablehnenden Verwaltungsakt in dem oben genannten Sinn erlassen. Damit ist dem Versicherten jedoch nicht geholfen, denn eine bestandskräftige Entscheidung wird er bei einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren vor der Krankenhausbehandlung regelmäßig nicht erreichen können. Aus seiner Sicht ist daher belanglos, ob die Krankenkasse ihm lediglich mitteilt, wie hier geschehen, dass er mit Mehrkosten zu rechnen hat, oder ob sie einen Verwaltungsakt erlässt und damit die in § 39 Abs. 2 SGB V genannten Tatbestandsmerkmale feststellt, aufgrund derer die Ermessensentscheidung eröffnet wird. Mit einer solchen Vorabentscheidung würde mithin ein unnötiges Verwaltungsverfahren durchgeführt, ohne dass der Versicherte irgendeinen Nutzen davon hätte. Eine solche Vorabentscheidung kann sich insbesondere auch deswegen als sinnlos herausstellen und überflüssige Rechtsbehelfsverfahren provozieren, weil, wie die Beklagte selbst einräumt, erst nach Beendigung der Krankenhausbehandlung überhaupt feststeht, ob überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe Mehrkosten entstanden sind.

Angesichts dessen wird dem Bedürfnis des Versicherten, frühzeitig disponieren zu können, bereits genügt, wenn ihm die Krankenkasse mitteilt, dass er mit der Auferlegung von Mehrkosten rechnen muss. Er wird dadurch in die Lage versetzt abzuwägen, ob er sich diesem Risiko aussetzen will.

Auch der Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 enthält keine Regelung über eine Forderung von Mehrkosten. In diesem Bescheid werden die zwischenzeitlich bekannten Mehrkosten für den Aufenthalt in der P. W. zwar mit 5 706,04 EUR beziffert. Es wird allerdings nicht verfügt, dass dieser Betrag vom Kläger zu zahlen ist. Der Widerspruchsbescheid beschränkt sich allein darauf, den Widerspruch zurückzuweisen, und führt im Übrigen aus, dass "die Mehrkosten für die stationäre Behandlung in Berlin-Weißensee von der Krankenkasse nicht übernommen werden". Letzteres ist schon tatsächlich unmöglich, denn dem Kläger selbst sind wegen dieser Krankenhausbehandlung Behandlungskosten gar nicht entstanden.

Die Entscheidung im Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003, nämlich die Zurückweisung des Widerspruches als solche, ist rechtmäßig. Der Widerspruch kann deswegen keinen Erfolg haben, weil er mangels anfechtbarem Verwaltungsakt unzulässig ist. Die im Widerspruchsbescheid gegebene Begründung ist zwar unzutreffend. Dies berührt jedoch die Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides nicht, denn diese beurteilt sich ausschließlich nach dem Verfügungssatz. Die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 durch das Sozialgericht ist daher ebenfalls zu Unrecht erfolgt.

Würde entgegen der Ansicht des Senates angenommen, dass mit diesem Widerspruchsbescheid zugleich auch erstmalig vom Kläger Zahlung von 5 706,04 EUR gefordert worden wäre, wäre der Widerspruchsbescheid in diesem Umfang aufzuheben.

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Daraus folgt, dass die Widerspruchsstelle ausschließlich befugt ist, eine Entscheidung über einen bereits erlassenen Verwaltungsakt zu treffen. Sie ist hingegen nicht berechtigt, erstmals einen solchen Verwaltungsakt zu erlassen. Dies ist mangels sachlicher Zuständigkeit schlechthin ausgeschlossen. Dieser Mangel ist nach § 42 Satz 1 SGB X, da er nicht die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit betrifft, beachtlich und rechtfertigt bei einer den Widerspruchsführer belastenden Entscheidung bereits deswegen die Aufhebung des Widerspruchsbescheides (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 21. Juni 2000 - B 4 RA 57/99 R).

Wie dem Schriftsatz der Beklagten vom 08. Juni 2004 zu entnehmen ist, vertritt sie hinsichtlich des Regelungsinhalts des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 ersichtlich keine andere Auffassung als der Senat. Die Auferlegung der Mehrkosten sei, so die Beklagte, einem gesonderten Bescheid vorbehalten gewesen. Maßgebend ist insoweit § 39 Abs. 2 SGB V.

Danach gilt: Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden. Diese Vorschrift regelt abschließend, wie zu verfahren ist, wenn durch die Inanspruchnahme eines anderen Krankenhauses Mehrkosten entstanden sind.

§ 39 Abs. 2 SGB V knüpft an § 73 Abs. 4 SGB V an. Danach darf (vom Vertragsarzt) Krankenhausbehandlung nur verordnet werden, wenn eine ambulante Behandlung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist bei der Verordnung zu begründen. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben. Das Verzeichnis nach § 39 Abs. 3 SGB V ist zu berücksichtigen.

Nach § 39 Abs. 3 SGB V erstellen die Landesverbände der Krankenkassen, die Verbände der Ersatzkassen, die Bundesknappschaft und die See-Krankenkasse gemeinsam unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, dass sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, dass Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

Das Gesetz räumt damit den Versicherten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nur eine eingeschränkte Wahlfreiheit ein. Zwar ist die Bestimmung des Krankenhauses weitgehend dem Arzt übertragen. Dieser muss aber auf seiner Verordnung in geeigneten Fällen die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser angeben und dabei das genannte Verzeichnis berücksichtigen. Um Mehrkosten zu vermeiden, können die Versicherten lediglich zwischen den vom Arzt genannten Krankenhäusern wählen. Ob ein Krankenhaus nächsterreichbar ist, ist grundsätzlich anhand der räumlichen Entfernung zu bestimmen. Es muss ein Krankenhaus sein, durch dessen Inanspruchnahme keine höheren als geringfügige Mehrkosten entstehen. Es genügt daher nicht, dass ein Krankenhaus das zweitnächsterreichbare ist, gleichwohl aber weit entfernt liegt. In einem solchen Fall entfällt praktisch die Wahlfreiheit des Versicherten (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 45. Ergänzungslieferung, SGB V, Höfler, § 39 Rdnr. 31 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368 d Nr. 4).

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts stellt die Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, auch wenn dieses ein anderes als das in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus ist, keine zu Unrecht erbracht Sachleistung dar.

Der Anspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse auf Krankenhausbehandlung ergibt sich aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Es muss also Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen, worunter ein Krankheitszustand zu verstehen ist, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Die Verordnung durch einen Vertragsarzt ist zwar - von Notfällen abgesehen - Voraussetzung der von der Krankenkasse geschuldeten Krankenhausbehandlung. Sie schränkt die Therapiefreiheit des Krankenhausarztes grundsätzlich jedoch nicht ein. Es bleibt dem Krankenhausarzt überlassen, über Erforderlichkeit und Art der Krankenhausbehandlung zu entscheiden. Der im Gesetz geregelte Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung wird durch die Entscheidung des Krankenhausarztes über die Aufnahme erstmalig und durch die jeweils geplanten und durchgeführten Behandlungsschritte fortlaufend - wenn auch nicht hoheitlich - konkretisiert und erfüllt, und die Krankenkasse ist aufgrund des Sachleistungsprinzips verpflichtet, die entstehenden Kosten zu tragen. Dies folgt aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, wonach die Krankenkassen verpflichtet sind, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zu führen, in Verbindung mit dem oder den entsprechenden Vertrag beziehungsweise Verträgen. Dies ist insbesondere nicht von einer seitens der Krankenkasse abgegebenen Kostenübernahmeerklärung abhängig. Der Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung und der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondieren jeweils mit einander (BSG, Urteil vom 17. Mai 2000 - B 3 KR 33/99 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 112 Nr. 1).

Liegen mithin die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, hat der Versicherte Anspruch auf Krankenhausbehandlung und die entsprechend vom Krankenhaus gewährte Behandlung erfolgt als (rechtmäßige) Sachleistung durch die Krankenkasse.

Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung nicht vorlagen. Die Beklagte hat nach ihrem Vorbringen die Rechnung der P. W. bezahlt. Dies wäre nicht erfolgt, wenn sie Zweifel an der Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung gehabt hätte. Im Übrigen wurde durch Bescheid vom 10. September 2002 Krankenhausbehandlung von ihr bewilligt.

§ 39 Abs. 2 SGB V bedingt notwendigerweise, dass die Krankenkasse mit (Mehr)Kosten belastet ist, die aus dem Anspruch des behandelnden Krankenhauses ihr gegenüber entstanden sind. Fehlt es an solchen Kosten, können dem Versicherten keine Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

Die Auferlegung von Mehrkosten steht im pflichtgemäßen Ermessen der Krankenkasse. Es kann von den Gerichten nur nach den allgemeinen Maßstäben in begrenztem Umfang überprüft werden. Das Ermessen ist dann pflichtwidrig ausgeübt, wenn die Krankenkasse sich irrtümlich für gebunden gehalten hat, sie die für den Einzelfall wesentlichen Gesichtspunkte nicht gesehen und nicht berücksichtigt, das Ermessen nicht dem Zweck der Regelung entsprechend ausgeübt, das Ermessen nicht gleichmäßig orientiert an Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gegenüber vergleichbaren Sachverhalten ausgeübt oder das Übermaßverbot, wonach die getroffene Entscheidung und der aus dem Gesetz ersichtliche Zweck in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen, nicht beachtet hat.

Die Ermessensentscheidung ist nach § 39 Abs. 2 SGB V jedoch erst eröffnet, wenn kein zwingender Grund für die Wahl eines anderen Krankenhauses vorlag. Ein zwingender Grund ist dann gegeben, wenn das vom Vertragsarzt genannte Krankenhaus dem Versicherten nicht zuzumuten ist, zum Beispiel bei erheblichen negativen Erfahrungen des Versicherten oder seiner Angehörigen mit früheren Behandlungen, wenn das Verhältnis mit den behandelnden Krankenhausärzten gestört ist, oder wenn religiöse Bedürfnisse, denen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB V Rechnung zu tragen ist, nach Abwägung mit den Interessen der Versichertengemeinschaft überwiegen (Kasseler Kommentar, a. a. O., § 39 Rdnr. 32).

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Mehrkosten ist das in der ärztlichen Einweisung genannte Krankenhaus mit den höchsten Pflegesätzen (Kasseler Kommentar, a. a. O., § 39 Rdnr. 32).

Nach alledem ist nicht darauf einzugehen, ob die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 SGB V vorliegen, die Beklagte während des gerichtlichen Verfahrens Ermessenserwägungen im erforderlichen Umfang dargelegt hat und ob dies überhaupt während eines solchen gerichtlichen Verfahrens zur Heilung eines Begründungsmangels führen kann.

Die Berufung der Beklagten hat allerdings aus den dargelegten Gründen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Der Kläger ist zwar mit seinem Begehren nicht erfolgreich gewesen. Dies rührt jedoch allein daraus, dass die Beklagte wegen ihrer missverständlichen Äußerungen im Bescheid vom 10. September 2002 und im Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 den Kläger zu einem unnötigen Rechtsstreit veranlasst hat. Es ist daher angemessen, dass sie die daraus entstandenen Kosten trägt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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