L 22 RA 314/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 686/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 RA 314/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. September 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Entschädigung für eine infolge seines Dienstes von Mai 1952 bis November 1955 bei der Kasernierten Volkspolizei (KVP) erlittene Hörschädigung.

Der im ... 1934 geborene Kläger absolvierte von September 1949 bis Oktober 1949 und von Februar 1950 bis Mai 1952 eine Ausbildung als Steinsetzer bzw. Schlosser. Vom 15. Mai 1952 bis 30. November 1955 gehörte er der KVP an. Er war dort zuletzt im Range eines Feldwebels als Leiter der B-Technischen Werkstatt eingesetzt. Danach arbeitete er als Schlosser (November 1955 bis Februar 1956), Gleisarbeiter (Februar 1956 bis März 1956), Decksmann (April 1956 bis Mai 1956), E-Lok-Fahrer und KL-Fahrer (Mai 1956 bis März 1960), FDJ-Sekretär (April 1960 bis August 1960) und Lehrausbilder (September 1960 bis August 1961). Anschließend siedelte er von der DDR in die Bundesrepublik Deutschland über. Im Februar 1964 verzog er in die Schweiz. Dort arbeitete er als Mechaniker (Februar 1964 bis Juni 1965) und Konstruktionsschlosser (Juni 1965 bis Juni 1968), bevor er seinen Wohnsitz in die Südafrikanische Republik verlegte.

Mit Bescheid vom 02. April 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juli 1998 stellte die Wehrbereichsverwaltung VII die Zeit vom 15. Februar 1955 bis 30. November 1955 unter Berücksichtigung des tatsächlichen Arbeitsentgeltes, das den Betrag von 600,- DM monatlich nicht erreichte, als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Nationalen Volksarmee (NVA) fest: Vom 15. Februar 1952 bis 14. Februar 1955 seien Beiträge zur Sozialpflichtversicherung, nicht jedoch zu einem Sonderversorgungssystem einbehalten worden. Erst der Zeitraum ab Beginn des 37. Dienstmonats (15. Februar 1955) gelte als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem.

Im Mai 1999 beantragte der Kläger bei der Wehrbereichsverwaltung VII Leistungen wegen schwerster Gehörschäden (Kopfschmerzen und ständiges Ohrenpfeifen), die er durch das Anschießen von Waffen während seiner Dienstzeit bei der KVP erlitten habe. Dies sei von ihm nach einem in der Schweiz erlittenen Unfall festgestellt worden, weswegen er in Z. und 1965 im Universitätsklinikum T. behandelt worden sei. Während seiner Dienstzeit habe er ca. 100.000 Schüsse abgegeben oder habe mit seinem Werkstatttisch 8 bis 10 m hinter der Feuerlinie gestanden, um die Waffen zu korrigieren. Später sei er auch für die Korrektur aller Panzerabwehrkanonen verantwortlich gewesen. Zum Schutz habe er nur nasses Papier in den Ohren gehabt. Nach seiner Dienstzeit sei das Ohrenpfeifen immer vorhanden gewesen. Seit 1978 werde er jedes Jahr in Südafrika untersucht, wobei die Schädigung immer festgestellt worden sei. Die in der Schweiz gefertigten ärztlichen Unterlagen seien vernichtet worden. Der Kläger legte den Bericht des Arztes M. vom 07. Juni 1999 nebst Sprach- bzw. Ton-Audiogrammen von Januar 1995 und Juni 1999 vor.

Die Beklagte holte die Auskunft des Instituts für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen vom 11. August 1999 ein. Danach sind in diesem Institut keine medizinischen Unterlagen über den Kläger archiviert.

Mit Bescheid vom 09. September 1999 lehnte die Wehrbereichsverwaltung VII den Antrag auf Versorgungsleistung ab: Es sei nicht eindeutig bzw. zweifelsfrei bewiesen, dass eine mit der Dienstausübung im ursächlichen Zusammenhang stehende Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung vorliege.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er verfüge über keine anderen ärztlichen Unterlagen, da die Stärke der Schäden erst später bekannt geworden sei. Erst 1964 sei ihm bewusst geworden, dass die Schäden durch den Dienst verursacht worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1999 wies die Wehrbereichsverwaltung VII den Widerspruch unter Zurücknahme des Bescheides vom 09. September 1999 zurück: Sie sei sachlich nicht zuständig. Nach der am 01. Juli 1954 in Kraft gesetzten Versorgungsordnung des Ministeriums des Innern (VSO-MdI), die auch für die KVP anzuwenden gewesen sei, habe bei einem Ausscheiden aus dem Dienst vor Erreichen des Rentenalters die soziale Betreuung durch die Sozialversicherung zu erfolgen gehabt. Für den geltend gemachten Anspruch sei mithin die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung zuständig.

Dagegen hat der Kläger am 13. Dezember 1999 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.

Er ist allerdings nunmehr der Ansicht gewesen, dass er weder gegen die Beklagte Ansprüche auf Dienstbeschädigung noch solche nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) habe. Vielmehr sei die Beigeladene zuständig. Rechtsgrundlage sei das Fremdrentengesetz (FRG), denn der Kläger habe bereits 1961 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Gebietsstand vor dem 03. Oktober 1990) verlegt. Dies folge aus den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Februar 2000 - B 2 U 8/99 R und vom 18. Juni 1996 - 9 RV 6/94.

Der Kläger hat verschiedene ärztliche Unterlagen (u. a. das Sprach- bzw. Ton-Audiogramm vom 12. Juni 2000, das Ton-Audiogramm vom 16. November 2002) vorgelegt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09. September 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1999 zu verurteilen, dem Kläger Dienstbeschädigtenausgleich nach einem Körper- bzw. Gesundheitsschaden von mindestens 20 v. H. auf seinen Antrag vom 16. Mai 1999 zu zahlen und

2. die Beigeladene zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. auf seinen Antrag vom 16. Mai 1999 zu zahlen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass die Gewährung eines Dienstbeschädigungsausgleichs nur in Betracht komme, wenn am 31. Dezember 1996 Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsrente aus einem Sonderversorgungssystem bestanden oder deswegen nicht mehr bestanden habe, weil der Berechtigte vor dem 19. Mai 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegt habe. Der Kläger habe dem Grunde nach keinen Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsteilrente gehabt, da er nach der zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der KVP geltenden Versorgungsordnung im Falle einer Dienstbeschädigung nach § 30 dieser Versorgungsordnung keinen Anspruch auf eine Entschädigung aus dem Sonderversorgungssystem erworben gehabt habe, denn die soziale Betreuung sei danach bei vorzeitig ausgeschiedenen KVP-Angehörigen ausschließlich durch die Sozialversicherung erfolgt. Die Soldaten der NVA seien vor dem 01. Juli 1968 (Einführung von Dienstbeschädigungsteilrenten) in der allgemeinen Sozialpflichtversicherung der DDR unfallversichert gewesen. Mit dem Urteil des BSG vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R werde klargestellt, dass mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland die jeweiligen Unfallversicherungsträger nicht nur für die Weiterzahlung von Renten an ehemalige Wehrpflichtige der NVA zuständig seien, sondern abweichend von der bisher geübten Praxis in eigener Zuständigkeit für diesen Personenkreis auch das Vorliegen des Versicherungsfalles Dienstbeschädigung zu prüfen hätten. Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten der NVA, die vor dem 19. Mai 1990 in die damalige Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt seien, hätten weder Ansprüche nach § 89 BVG noch Ansprüche nach den Vorschriften des FRG in Verbindung mit der gesetzlichen Unfallversicherung.

Während die Beigeladene zunächst vorgetragen hatte, eine Entschädigung nach dem FRG komme nicht in Betracht, da der Kläger als Zeitsoldat nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört habe, hat sie später die Ansicht vertreten, für die Beurteilung der Frage, ob Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren seien, sei das FRG anzuwenden, denn der Kläger habe bis 1964 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland verlegt. Allerdings habe er keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, da er nach bundesdeutschem Recht als Soldat unfallversicherungsfrei gewesen wäre (Hinweis auf das Urteil des BSG vom 24. Februar 2000 - B 2 U 8/99 R). Möglicherweise bestehe jedoch ein Anspruch auf Härteausgleich nach § 89 BVG.

Mit Urteil vom 11. September 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Da die Beklagte den Bescheid vom 09. September 1999 aufgehoben habe, sei Streitgegenstand nunmehr nur noch der Widerspruchsbescheid vom 12. November 1999. Ein Anspruch gegenüber der Beklagten bestehe nicht, denn der Kläger habe keinen Anspruch auf Versorgung bei Dienstbeschädigung nach der Versorgungsordnung gehabt. Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von weniger als 600 Mark sei der Verletzte aus der Sozialversicherung zu entschädigen gewesen. Außerdem sei die Sozialversicherung zuständig gewesen, wenn der Volkspolizeiangehörige vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst ausgeschieden sei. Eine Entschädigung könne der Kläger aber auch nicht von der Beigeladenen erhalten. Es sei bereits fraglich, ob für den Kläger infolge seiner Ausreise nach Südafrika das FRG anzuwenden sei. Jedenfalls fehle es für einen Anspruch auf Entschädigung nach den Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung an der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Entstehung des Dienstbeschädigungsereignisses mit der unmittelbaren Dienstausübung. Nach den Besoldungsunterlagen seien während seiner Dienstzeit lediglich eine Erkrankung im Juni 1955 wegen Angina, von August bis September 1955 wegen Infektes und von September bis Oktober 1955 wegen Blutergusses aufgetreten. Die vorliegenden ärztlichen Berichte könnten keinen eindeutigen und zweifelsfreien Nachweis darüber geben, dass die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung mit der Dienstausübung im ursächlichen Zusammenhang stehe. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die eingetretene Hörschädigung durch Tätigkeiten als Steinsetzlehrling, als Schlosser, im Bergbau oder auf See verursacht worden sei. Zur weiteren Beweisaufnahme habe sich die Kammer deswegen nicht gedrängt gefühlt. Die Versorgungsverwaltung sei nicht beizuladen gewesen, denn dem Kläger sei unter dem Gesichtspunkt des Härteausgleiches Entschädigung nicht zu gewähren, da er freiwillig seinen Dienst geleistet habe.

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 28. November 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Dezember 2002 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er hat zusätzliche ärztliche Unterlagen (u. a. das Sprach- und Ton-Audiogramm vom 01. September 2003 und eine Aufzeichnung über Hörschwellenwerte aus Ton-Audiogramm aus den Jahren 1980 bis 2002) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. September 2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1999 zu verurteilen, dem Kläger Dienstbeschädigungs-ausgleich nach einem Körper- bzw. Gesundheitsschaden von mindestens 20 v. H. auf seinen Antrag vom 16. Mai 1999 zu zahlen,

hilfsweise

die Beigeladene zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v ...HH. H. auf seinen Antrag vom 16. Mai 1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Der Senat hat die Empfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Merkblatt - sowie Auszüge aus dem Handbuch für die Bearbeitung von Berufskrankheiten des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften zu Hörschäden und der Sonderschrift 4 der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin - Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer (1945-1990) beigezogen sowie Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Hals-Nasen-Ohren (HNO) Dr. R. vom 08. September 2004 nach Aktenlage.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird u. a. auf Blatt 212 bis 217 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid vom 12. November 1999, über den nach Rücknahme des Bescheides vom 09. September 1999 allein noch zu entscheiden ist, ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Dienstbeschädigungsausgleich, denn es bestand bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Dienstbeschädigungs(teil)rente. Ein Anspruch auf Verletztenrente aus der Unfallversicherung steht dem Kläger ebenfalls nicht zu, denn es lässt sich nicht feststellen, dass infolge von Einwirkungen während seiner Dienstzeit bei der KVP eine Hörschädigung eingetreten ist.

Wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist eine Beiladung desjenigen Bundeslandes, dessen Behörde das BVG auszuführen hat, nicht erforderlich, denn Ansprüche nach dem BVG kommen unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.

Nach § 82 Abs. 2 BVG kann Versorgung nach diesem Gesetz auch an Vertriebene im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), die deutsche oder deutsche Volkszugehörige sind, gewährt werden, wenn sie nach dem 08. Mai 1945 in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht nach den im Vertreibungsgebiet geltenden Vorschriften eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG erlitten haben; das gilt nicht, wenn sie aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen das Land, das die Dienstpflicht gefordert hat, haben und diesen Anspruch verwirklichen können. § 82 Abs. 2 Satz 1 BVG gilt auch für Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG.

Diese Voraussetzung ist deswegen nicht erfüllt, weil der Kläger keine gesetzliche Wehrpflicht leistete. Die Wehrpflicht wurde im Beitrittsgebiet erst am 25. Januar 1962, dem Tag der Verkündung des Gesetzes über die allgemeine Wehrpflicht (Wehrpflichtgesetz) vom 24. Januar 1962 (GBl DDR I 1962, 2) - WPG - eingeführt (§ 1 Abs. 1, § 35 WPG).

Nach § 89 Abs. 1 BVG kann zwar mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ein Ausgleich gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben. Ein Härteausgleich ist jedoch nur dann zu gewähren, wenn sich wegen der Umstände des Einzelfalles, die der Gesetzgeber nicht vorhergesehen hat, die Gesetzesanwendung in einer dem Zweck der begehrten aber abgelehnten Versorgung widersprechenden Weise auswirkt und dies besonders unbillig ist. Der Ausschluss der Versorgung wegen der gesundheitlichen Folgen eines im freiwilligen Wehrdienst erlittenen Unfalls stellt jedoch keine besondere Härte dar, die sich im Einzelfall aus der Anwendung des § 82 Abs. 2 BVG ergibt. Der Ausschluss beruht vielmehr darauf, dass das BVG planmäßig nur den Verletzten entschädigen will, dem der Wehrdienst im Vertreibungsgebiet als gesetzlich begründete Pflicht abgefordert worden ist. Dem kann auch ein ohne gesetzliche Dienstpflicht durch gesellschaftlichen Druck oder mittelbaren Zwang abverlangter Dienst nicht gleichgestellt werden (BSG, Urteil vom 18. Juni 1996 - 9 RV 6/94, abgedruckt in SozR 3-5050 § 5 Nr. 2 und BSGE 78, 265).

Ein Härteausgleich kommt für den Kläger somit ebenfalls deswegen nicht in Betracht, weil er seinen Dienst bei der KVP nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung leistete.

Mithin hat auch der Senat von einer Beiladung abgesehen.

Gegenüber der Beklagten hat der Kläger keinen Anspruch, denn es fehlt bereits an einer Rechtsgrundlage, die solches vorsieht.

Die Vorschriften der Versorgungsordnung der NVA oder des MdI können unmittelbar nicht herangezogen werden, denn nach Anlage II zum Einigungsvertrag (EV) Kap. VIII, Sachgebiet H, Abschnitt III, Nr. 9 Buchstabe e Satz 1 sind die in den Versorgungssystemen enthaltenen Regelungen über Versorgungsleistungen aufgrund vorzeitiger Entlassung bei Erreichen besonderer Altersgrenzen oder bestimmter Dienstzeiten (erweiterte Versorgung, Übergangsrente oder vergleichbare Leistungen) am 31. Dezember 1990 außer Kraft getreten.

An deren Stelle ist, soweit es um - jetzt erstmals geltend gemachte - erlittene Dienstbeschädigungen geht, das Gesetz über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (DBAusglG) getreten. § 1 DBAusglG bestimmt: Anspruch auf einen Dienstbeschädigungsausgleich haben vom 01. Januar 1997 an Personen, die am 31. Dezember 1996

1. Ansprüche auf Dienstbeschädigungsvoll- oder -teilrenten (Dienstbeschädigungsrenten) aus einem der Sonderversorgungssysteme nach Anlage 2 Nrn. 1 bis 3 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) nach dem bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Recht hatten oder aufgrund der Regelungen nach dem AAÜG oder nach den Sonderversorgungssystemen wegen des Zusammentreffens mit anderen Leistungen oder wegen der Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr hatten,

2. Ansprüche im Sinne der Nr. 1 nach dem bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Recht nicht mehr hatten, weil sie vor dem 19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegt haben.

Wurde am 31. Dezember 1996 eine Dienstbeschädigungsrente nicht gezahlt, wird der Dienstbeschädigungsausgleich auf Antrag gezahlt.

Der Kläger hatte dem Grunde nach keinen Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsvoll- oder -teilrente aus einem Sonderversorgungssystem.

Maßgebend ist insoweit die Versorgungsordnung des Ministeriums des Innern vom 01. Juli 1954 (VSO-MdI), die nach ihrer Einleitung Gültigkeit u. a. für länger dienende Unterführer der Kasernierten Volkspolizei hatte. Nach § 1 VSO-MdI standen für die Dauer der Dienstunfähigkeit Sach- und Geldleistungen den VP-Angehörigen zu, die während ihrer Dienstzeit erkrankten. Bei Erreichen der Altersgrenze, bei Krankheit, die zur Invalidität führte, bei Dienstbeschädigungen infolge Unfalls im Dienst oder Krankheit als Folge der Dienstausübung, durch die VP-Angehörige dienstunfähig geworden waren, wurde Fürsorge und Versorgung (Rente) nach den in der Versorgungsordnung festgelegten Bedingungen gewährt. Dienstbeschädigungen waren Körper- und Gesundheitsschäden, die durch einen mit dem Dienst in Verbindung stehenden Unfall oder als Folge der Dienstausübung eingetreten oder verschlimmert worden waren (§ 13 Abs. 1 VSO-MdI). Hatte die Dienstbeschädigung die volle Dienstuntauglichkeit zur Folge, erhielt der Dienstbeschädigte eine Unfallrente nach den Sätzen des § 24 VSO-MdI (§ 17 VSO-MdI). Bei einer Dienstbeschädigung, die einen teilweisen Verlust der Erwerbsfähigkeit zur Folge hatte und der Beschädigte weiter im Dienst der VP verblieb, konnte Unfallteilrente gezahlt werden (§ 18 Abs. 1 VSO-MdI). Voraussetzung zur Zahlung der Unfallteilrente war, dass eine Veränderung in der Dienststellung, die sich aus der Beschädigung ergeben hatte, eintrat (§ 18 Abs. 2 VSO-MdI). Trat keine Veränderung in der Höhe der Dienststellenbezüge ein oder wurden im Verlauf der weiteren Dienstausübung wieder Dienststellungsbezüge gezahlt, die in ihrer Höhe den vor Eintritt des Dienstunfalls gewährten Dienststellungsbezügen entsprachen, so erlosch die Zahlung der Unfallteilrente (§ 18 Abs. 4 VSO-MdI).

Die genannten Voraussetzungen der §§ 17 und 18 VSO-MdI waren beim Kläger nicht erfüllt. Wegen der behaupteten Dienstbeschädigung musste der Kläger weder infolge voller Dienstuntauglichkeit aus dem Dienst der KVP ausscheiden, noch trat deswegen eine Veränderung in der Dienststellung oder in der Höhe der Dienststellungsbezüge ein. Nach der vorliegenden Besoldungskarte erhöhten sich vielmehr die Dienstbezüge. Dienstunfähigkeit lag danach lediglich wegen Angina (21. bis 25. Juni 1955), eines Blutergusses (28. September bis 16. Oktober 1955) und eines fiebrigen Infektes (30. August bis 03. September 1955) vor.

Im Übrigen bestimmte § 30 VSO-MdI, dass für VP-Angehörige, die vor Erreichen der Altersgrenze - aus in Rentenfällen - aus dem Dienst der VP ausschieden, die soziale Betreuung durch die Sozialversicherung erfolgte.

Der Kläger war danach bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst der KVP am 30. November 1955 in der allgemeinen Sozialpflichtversicherung unfallversichert, denn die Voraussetzungen der §§ 17 und 18 VSO-MdI lagen nicht vor und sein Ausscheiden erfolgte vor Erreichen der Altersgrenze nach § 21 VSO-MdI (vgl. dazu auch Urteil des BSG vom 18. Juni 1996 - 9 RV 6/94, wonach - freiwillige dienende - Soldaten der NVA bei einem im Jahre 1960 erlittenen Unfall bei der allgemeinen Sozialpflichtversicherung unfallversichert gewesen sind und Dienstbeschädigungen von Soldaten erst ab 01. Juli 1968 aus dem bereits zum 01. Juli 1957 eingeführten Sonderversorgungssystem der NVA entschädigt wurden).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beigeladene auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zur Entschädigung eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit.

Nach § 547 Reichsversicherungsordnung (RVO) gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls, als solcher gilt auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO), nach Maßgabe der dortigen Vorschriften der RVO, insbesondere Verletztenrente. Der Verletzte erhält eine Rente, wenn die zu entschädigende Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO). Als Verletztenrente werden, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Versicherten um mindestens ein Fünftel gemindert ist, mindestens der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grad der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entspricht (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO).

Die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) über die gesetzliche Unfallversicherung sind nicht anzuwenden. Dies folgt aus § 212 SGB VII. Danach gelten die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII (nur) für Versicherungsfälle, die nach dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes (am 01. Januar 1997: Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 07. August 1996, BGBl I 1996, 1254) eintreten, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist.

Der Kläger macht einen vor dem 01. Januar 1997 eingetretenen Versicherungsfall (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit, § 7 Abs. 1 SGB VII) geltend. Damit finden weiterhin die Regelungen der RVO Anwendung. § 214 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ordnet lediglich an, dass die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes eingetreten sind. Dazu gehört § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente haben, nicht, denn diese Vorschrift ist Teil des Zweiten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII.

Auch § 215 Abs. 6 SGB VII trifft keine abweichende Regelung. Danach ist zwar für die Feststellung und Zahlung von Renten bei Versicherungsfällen, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind, § 1154 RVO in der am Tag vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes geltenden Fassung weiter anzuwenden mit der Maßgabe, dass an die Stelle der dort genannten Vorschriften der RVO u. a. § 56 SGB VII tritt. § 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVO bestimmt: Für Arbeitsunfälle, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind, ist für die Bemessung des Körperschadens § 581 RVO anzuwenden, wenn Renten nach dem 31. Dezember 1991 erstmals festgestellt werden. Damit wird die Anwendbarkeit des § 56 SGB VII jedoch lediglich hinsichtlich der Bemessung des Körperschadens angeordnet, während es im Übrigen, also hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen bei den o. g. Vorschriften der RVO verbleibt.

Darüber hinaus sieht § 215 Abs. 1 SGB VII vor, dass für die Übernahme der vor dem 01. Januar 1992 eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und 3 RVO in der am Tag vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes geltenden Fassung weiter anzuwenden ist. Diese Regelung betrifft auch den Kläger, denn nach seinem Vorbringen ist das schädigende Ereignis vor dem 01. Januar 1992 eingetreten.

Nach § 1150 Abs. 2 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches RVO (gesetzliche Unfallversicherung). Dies gilt nicht für Unfälle und Krankheiten,

1. die einem ab 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch nicht zu entschädigen wären,

2. die mit Wirkung für die Zeit vor dem 01. Januar 1992 als Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten nach dem FRG anerkannt worden sind, es sei denn, der Verletzte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 01. Januar 1992 in das Beitrittsgebiet verlegt.

Die Vorschriften des FRG sind daher vorliegend nicht (mehr) anzuwenden.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG wird nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften auch ein außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland eingetretener Arbeitsunfall entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war. Für Voraussetzungen, Art, Dauer und Höhe der Leistungen gelten die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung, die anzuwenden wären, wenn sich der Unfall an dem Ort ereignet hätte, an dem der zuständige Träger der Unfallversicherung (§ 9 FRG) am 01. Januar 1992 seinen Sitz hat (§ 7 FRG). Unfälle, gegen die der Verletzte an dem für das anzuwendende Recht maßgeblichen Ort (§ 7 FRG) nicht versichert gewesen wäre, gelten nicht als Arbeitsunfälle im Sinne des § 5 Abs. 1 FRG, es sei denn, der Verletzte hätte sich an diesem Ort gegen Unfälle dieser Art freiwillig versichern können (§ 5 Abs. 2 FRG). Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 FRG sind § 5 Abs. 1 und 2 FRG auf Berufskrankheiten entsprechend anzuwenden.

Von § 5 Abs. 2 FRG, der eine Entschädigung nach den Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung ausschließt, wird der Kläger nicht erfasst. Hätte sich der Unfall bzw. die Berufskrankheit in der Bundesrepublik Deutschland ereignet, so wäre die geltend gemachte gesundheitliche Schädigung bei Nachweis der vorgetragenen Tatsachen zwar eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) gewesen, für die nach § 80 SVG Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG gewährt wird. Die Gewährleistung von Versorgung hätte zur Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung geführt, ohne dass der Kläger sich als Soldat gegen Unfälle dieser Art freiwillig hätte versichern können. Daher sind ehemalige Soldaten der NVA, die in Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, von einer Eingliederung in das Arbeits- und Sozialgefüge der Bundesrepublik Deutschland nach dem FRG wegen § 5 Abs. 2 FRG ausgeschlossen. Dies betrifft jedoch nicht solche Soldaten, die einen freiwilligen Wehrdienst leisteten (BSG, Urteil vom 24. Februar 2000 - B 2 U 8/99 R und BSG, Urteil vom 18. Juni 1996 - 9 RV 6/94). § 5 Abs. 2 FRG bedarf insoweit einer einschränkenden Auslegung. Ansonsten würde nicht nur der Unfallort in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlegt und gefragt, ob der Verletzte nach dem hier geltenden Recht wegen des Unfalls versichert gewesen wäre. Darüber hinaus würde aus dem Soldaten der NVA ein Soldat der Bundeswehr. Eine solche Änderung des Sachverhaltes, die NVA-Soldaten generell von einer Eingliederung ausschlösse, lässt das FRG jedoch nicht zu. Dies gilt insbesondere deswegen, weil freiwillig Dienstleistende nach den obigen Ausführungen in der allgemeinen Sozialpflichtversicherung der DDR unfallversichert waren, sofern nicht ausnahmsweise beim Ausscheiden aus dem Dienst eine Rentenleistung aus einem Sonderversorgungssystem (hier der VSO-MdI) geleistet wurde (BSG, Urteil vom 18. Juni 1996 - 9 RV 6/94).

Mit Art. 24 § 1 Abs. 2 Gesetz zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. Juni 1990 (BGBl II 1990, 518) - StVtrG würde allerdings der Anwendungsbereich des FRG bereits eingeschränkt. Danach ist das FRG auf Arbeitsunfälle, die bis zum 18. Mai 1990 im Zuständigkeitsbereich eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich Berlin (Ost) eingetreten sind, nicht anzuwenden, wenn am 18. Mai 1990 ein gewöhnlicher Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes vorgelegen hat. Satz 1 gilt nicht, wenn am 18. Mai 1990 ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland vorlag und unmittelbar vor Beginn des Auslandsaufenthalts ein gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorhanden war; § 12 Abs. 1 FRG (wonach die Rente, die für einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit nach § 5 FRG zu gewähren ist, ruht, solange sich der Berechtigte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gewöhnlich aufhält), bleibt unberührt.

Der Kläger wurde allerdings von Art. 24 § 1 Abs. 2 StVtrG nicht berührt, denn vor seiner Auswanderung in die Schweiz bzw. nach Südafrika hatte er einen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet.

Durch das am 01. Januar 1992 in Kraft getretene Rentenüberleitungsgesetz (RÜG), mit dem § 1150 Abs. 2 in die RVO eingefügt wurde, erfolgte jedoch eine grundsätzliche Neuregelung der Konkurrenz von Ansprüchen nach dem FRG mit Ansprüchen nach dem Unfallversicherungsrecht der DDR. Danach sind die Vorschriften des FRG für den ehemals berechtigten Personenkreis der Übersiedler aus der DDR nicht mehr anzuwenden, denn § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO fingiert die Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren (unmittelbar) als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne der RVO. Damit ist auch eine ergänzende Heranziehung der Regelungen des FRG ausgeschlossen. Lediglich übergangsweise ist das FRG nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RVO noch auf Unfälle und Krankheiten anzuwenden, die mit Wirkung für die Zeit vor dem 01. Januar 1992 als Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten nach dem FRG anerkannt worden sind, es sei denn, der Verletzte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 01. Januar 1992 in das Beitrittsgebiet verlegt. Diese Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass es nicht auf den Entscheidungserfolg (also auf den einen Anspruch auf Entschädigung nach § 5 Abs. 1 FRG gewährenden Verwaltungsakt), sondern auf das rechtzeitige In-Gang-Setzen des auf Eingliederung gerichteten Verfahrens durch einen Antrag vor dem Stichtag des 01. Januar 1992 ankommt (BSG, Urteil vom 16. April 2002 - B 9 V 7/01 R, abgedruckt in SozR 3-3100 § 89 Nr. 9; BSG, Urteil vom 24. Februar 2000 - B 2 U 8/99 R, abgedruckt in SozR 3-2200 § 1150 Nr. 3; BSG, Urteil vom 11. September 2001 - B 2 U 41/00 R, abgedruckt in SozR 3-2200 § 1150 Nr. 5; BSG, Urteil vom 18. Juni 1996 - 9 RV 6/94).

Der Kläger hat zwar vor dem 01. Januar 1992 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in das Beitrittsgebiet verlegt. Er stellte jedoch vor diesem Zeitpunkt auch keinen Antrag auf Leistungen wegen eines eingetretenen Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit. Solche Leistungen beantragte er vielmehr erstmals im Mai 1999. Damit ist die Anwendung des FRG jedoch ausgeschlossen.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. R. liegt eine Berufskrankheit nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO nicht vor. Ein Arbeitsunfall kommt ohnehin nicht in Betracht. Nach § 220 Abs. 1 Arbeitsgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 16. Juni 1977 (GBl DDR I 1977, 185) - AGB - ist ein Arbeitsunfall die Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess. Die Verletzung muss durch ein plötzliches, von außen einwirkendes Ereignis hervorgerufen worden sein. Ein solches Ereignis ist nach dem Vortrag des Klägers ausgeschlossen, denn er führt seine Schädigung auf ein ständiges Ausgesetztsein gegenüber Lärm und nicht auf ein einmaliges Ereignis zurück.

Ein solcher Sachverhalt kann jedoch den Tatbestand einer Berufskrankheit erfüllen. Nach § 221 AGB ist eine Berufserkrankung eine Erkrankung, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird und die in der "Liste der Berufskrankheiten" genannt ist. Einzelheiten werden in Rechtsvorschriften festgelegt.

Nach § 220 Abs. 4 AGB gelten als Folge eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit auch durch Ausübung des Dienstes bei den bewaffneten Organen bzw. der Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik erlittene Körper- und Gesundheitsschäden. Diese Vorschrift knüpft mithin am bereits o. g. § 30 Abs. 1 VSO-MdI an (vgl. auch BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R, abgedruckt in SozR 3-8100 Art. 19 Nr. 5 und BSGE 84, 22).

Nach § 1 Durchführungsverordnung zum Befehl Nr. 28 des Obersten Chefs der SMAD vom 28. Januar 1947 über Berufskrankheiten (Zentralverordnungsblatt 1948, 62) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Durchführungsverordnung zu den Vorschriften über Berufskrankheiten vom 27. April 1950 (GBl DDR 1950, 389) sind Berufskrankheiten im Sinne der Verordnung über die Sozialpflichtversicherung die Krankheiten in Spalte II der Anlage I, wenn sie durch berufliche Beschäftigung in einem in Spalte III der Anlage neben der Krankheit bezeichneten Unternehmen durch entsprechende Tätigkeit und Einrichtungen verursacht sind. Als Beginn einer Berufskrankheit gilt der Zeitpunkt, an dem objektiv Heilbehandlungsbedürftigkeit vorlag oder Erwerbsunfähigkeit eintrat (§ 2 dieser Durchführungsverordnung). In Anlage I Nr. 34 wird als Berufskrankheit genannt: Durch Lärm verursachte Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit (Otitis interna).

Nach § 1 Satz 1 Verordnung über Melde- und Entschädigungspflicht bei Berufskrankheiten vom 14. November 1957 (GBl DDR I 1958, 1) sind Berufskrankheiten im Sinne dieser Verordnung die in der Anlage (Spalte II) festgelegten Krankheiten, wenn sie durch berufliche Beschäftigung in einem in der Anlage (Spalte III) bezeichneten Betrieb oder wenn sie durch eine in der Anlage (Spalte III) bezeichnete berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. Als Beginn einer Berufskrankheit gilt der Zeitpunkt, an dem aufgrund des ärztlichen Befundes objektiv Heilbehandlungsbedürftigkeit vorlag oder Arbeitsplatzwechsel erforderlich wurde oder nachweisbare Erwerbsminderung als Folge der Berufskrankheit eingetreten ist (§ 2 dieser Verordnung). In der Anlage wird unter Nr. 33 genannt: Durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung. Eine durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung liegt vor, wenn nachweislich eine durch Berufslärm erzeugte Hörschädigung eingetreten ist, die zu Verständigungsschwierigkeiten im Umgang mit mehreren Personen führt.
Rechtskraft
Aus
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