L 30 AL 9/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AL 603/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 AL 9/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 20. November 2002 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 03. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2000 wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 19. April 2000 auf Gewährung von ESF-Unterhaltsgeld auch für die Zeit vom 01. Oktober 2000 bis zum 02. Januar 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterhaltsgeld für die Zeit vom 01. Oktober 2000 bis 02. Januar 2001 aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF).

Der 1974 geborene Kläger war zuletzt Berufssoldat auf Zeit bei der Bundeswehr vom 01. April 1996 bis zum 31. März 2000 (Grundwehrdienst vom 01. April 1996 bis 28. Januar 1997). Für die Zeit vom 01. April 2000 bis zum 30. September 2000 erhielt er Übergangsgebührnisse nach § 11 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Höhe von 2 025,68 DM monatlich. Einen am 02. März 2000 gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. April 2000 mit der Begründung ab, der Kläger habe einen Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe erworben. Einen weiteren am 13. Juni 2000 mit Wirkung zum 01. Juli 2000 (nach Beendigung einer vom 24. Mai 2000 bis 30. Juni 2000 dauernden befreisteten Beschäftigung als Kraftfahrer) gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03. August 2000 mit der Begründung ab, der Leistungsanspruch ruhe wegen des Bezuges der Übergangsgebührnisse vom 01. April 2000 bis zum 30. September 2000.

Vom 01. Juli 2000 bis zum 28. Mai 2001 (ursprünglich vorgesehenes Ende: 29. Juni 2001) nahm der Kläger an einer beruflichen Bildungsmaßnahme (Lehrgang "Projektleiter L. N." bei der W. GmbH Bad F.) teil.

Auf seinen bereits am 30. März 2000 gestellten Antrag förderte das Kreiswehrersatzamt Cottbus - Berufsförderungsdienst - mit Fachausbildungsbescheid vom 07. Juni 2000 die Teilnahme des Klägers an der Berufsbildungsmaßnahme nach §§ 5, 5 a SVG für die Zeit vom 03. Juli 2000 bis 02. Januar 2000 durch Erstattung von Ausbildungsgebühren bis zu 4.500,00 DM, wobei die Bewilligung unter dem Vorbehalt einer Restkostenfinanzierung durch die Beklagte und den Kläger selbst stand. Über Art und Höhe von Nebenkosten (Reisekosten und Trennungsgeld) sollte nach Rücksendung beigefügter Formblätter durch den Kläger entschieden werden. Außerdem bewilligte das Kreiswehrersatzamt Cottbus - Berufsförderungsdienst - dem Kläger einen Ausbildungszuschuss nach § 5 Abs. 4 Satz 2 SVG für die Zeit vom 03. Juli 2000 bis zum 02. Januar 2001.

Durch weiteren Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Cottbus vom Juni 2000 wurde der Bescheid vom 07. Juni 2000 nach §§ 5, 5 a SVG ergänzt bzw. geändert. Unter anderem wurde die Bewilligung der Lehrgangskosten für den Zeitraum vom 03. Juli 2000 bis 02. Januar 2001 auf 4.500,00 DM begrenzt, weil der Förderhöchstbetrag damit ausgeschöpft worden sei. Darüber hinaus wurde die Höhe des Ausbildungszuschusses auf 15 % der letzten Dienstbezüge des Klägers für den Zeitraum vom 03. Juli 2000 bis 02. Januar 2001 festgelegt. Im Übrigen verblieb es im Wesentlichen bei den Regelungen des Fachausbildungsbescheides vom 07. Juni 2000.

Übergangsgebührnisse wurden dem Kläger ab 01. Oktober 2000 nicht mehr gezahlt.

Bereits am 30. März 2000 führte der Kläger auch ein Beratungsgespräch beim Arbeitsamt Cottbus betr. die Förderung der beruflichen Bildungsmaßnahme "Projektleiter Lotus Notes". Die Verwaltungsakten der Beklagten enthalten hierzu folgende Beratungsvermerke (Bl. I 37):

"Beratung FbW; möchte an der BM Projektleiter Lotus Notes bei mibeg in Bad F. vom 030700-290601 teilnehmen. Besitzt bereits einige Kenntnisse im EDV-Bereich, die er erweitern möchte, um so eine dauerhafte berufl. Eingliederung zu erreichen. G. war zuletzt Soldat auf Zeit bei der BW. G. bezieht noch bis zum 300900 Übergangsgebührnisse, gefördert wird eine BM bis zur Dauer von 6 Monaten, Kosten werden bis zur Höhe von 4 500,- DM übernommen, RK und Trennungsgeld werden für den bewilligten Zeitraum gewährt.

300300/21 Noack.

Fortsetzung: Nach Ablauf der Übergangsgeb. Kann ab 011000 ESF-Uhg und KV/PV gewährt werden, über FK und Pausch. Für Unterk./Verpfl. Informiert. Die Vorauss. Gemäß 3 80 SGB III liegen vor, Anmeldebesch., Merkbl. ESF und M6 ausgehändigt, Antragstellungsverfahren, erläutert. Maßn. Bei I 011.2 Freu Heimann angemeldet (037/0310/00 AA Frankfurt/O.)

300300/21/Noack."

Auf seinen am 19. April 2000 gestellten Antrag auf Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme bewilligte die Beklagte dem Kläger u. a. mit Bescheid vom 03. August 2000 nach § 4 Abs. 1 ESF-Richtlinien für die Zeit vom 03. Januar 2001 bis zum 29. Juni 2001 ESF-Unterhaltsgeld in Höhe von 1 110,00 DM monatlich.

Den Widerspruch des Klägers vom 14. August 2000, mit dem er ESF-Unterhaltsgeld bereits ab 01. Oktober 2000 begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2000 als unbegründet zurück. Das Kreiswehrersatzamt Cottbus habe dem Kläger u. a. einen Ausbildungszuschuss in Höhe von 15 % seiner letzten Dienstbezüge für die Zeit vom 03. Juli 2000 bis 02. Januar 2001 nach § 5 Abs. 4 S. 2 SVG bewilligt. Diese Leistung sei eine gleichartige Leistung einer anderen öffentlich-rechtlichen Stelle und schlösse - ohne Rücksicht auf deren Höhe - den Anspruch auf Unterhaltsgeld für die Zeit vom 01. Oktober 2000 bis 02. Januar 2001 gemäß § 22 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) aus.

Am 21. November 2000 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Ihm sei in einem Beratungsgespräch am 30. März 2000 zugesichert worden, dass er nach Auslaufen der Übergangsgebührnisse ab 01. Oktober 2000 Unterhaltsgeld aus dem Europäischen Sozialfonds erhalte. Nur wegen dieser Zusicherung habe er die berufliche Weiterbildungsmaßnahme angetreten. Er sei davon ausgegangen, er erhalte im Zeitraum vom 01. Oktober 2000 bis zum 02. Januar 2001 ESF- Unterhaltsgeld. Wenn die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführe, dass zunächst andere öffentlich-rechtliche Stellen vorrangig Leistungen zu erbringen hätten, so sei dies zwar zutreffend. Der Beklagten sei es jedoch nicht verwehrt, Leistungen insoweit zu gewähren, als die andere öffentlich-rechtliche Stelle nur einen Teil übernehme. Insbesondere bei Unterhaltsgeldern müsse dies der Fall sein, da ansonsten auch die 15-prozentige Förderung nach dem SVG ins Leere liefe. Als Grundunterhaltsgeld habe er vom Kreiswehrersatzamt im fraglichen Zeitraum 407,00 DM monatlich erhalten. Hieraus habe er seinen Lebensunterhalt aber nicht bestreiten können, so dass er auf eine Aufstockungsförderung angewiesen gewesen sei. Bis in den Sommer 2000 hinein sei anderen Anspruchsstellern in vergleichbaren Fällen ein Aufstockungsunterhalt gewährt worden.

Die Beklagte hat auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, eine schriftliche Zusage zur Gewährung von Unterhaltsgeld ab 01. Oktober 2000 habe der Kläger anlässlich der Beratung am 30. März 2000 nicht erhalten. Anlässlich dieser Vorsprache habe der Kläger nur die Gewährung von Lehrgangskosten und Nebenkosten, die Reise- und Trennungsauslagen, mitgeteilt. Über den Erhalt eines Ausbildungszuschusses habe der Kläger sie nicht informiert, so dass am 30. März 2000 nach Darstellung des Klägers nur von einer den Weiterbildungskosten vergleichbaren Erbringung von Leistungen auszugehen gewesen sei, wonach dann in Form einer Ergänzungsförderung die Gewährung von Unterhaltsgeld möglich gewesen wäre. Im Falle des Klägers habe es sich jedoch um eine Anschlussförderung gehandelt, und zwar ab 03. Januar 2001. Mit der Gewährung des Ausbildungszuschusses habe eine andere öffentlich-rechtliche Stelle eine gleichartige Leistung erbracht, so dass ohne Rücksicht auf deren Höhe eine Aufstockung nach dem SGB III ausgeschlossen sei.

Das Sozialgericht Cottbus hat durch Urteil vom 20. November 2002 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe für die Zeit vom 01. Oktober 2000 bis zum 02. Januar 2001 einen Ausbildungszuschuss nach dem SVG bezogen. Dies sei eine vorrangige Leistung einer anderen öffentlich-rechtlichen Stelle gewesen. Die Leistungen anderer öffentlich-rechtlicher Stellen schlössen die Leistungen nach dem SGB III nicht nur bis zu deren Höhe, sondern in vollem Umfang aus.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. Dezember 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Januar 2003 Berufung eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Eine Gleichartigkeit der von ihm erhaltenen Zahlungen nach dem SVG mit dem ESF-Unterhaltsgeld liege nicht vor. Die Zahlungen nach dem SVG beträfen lediglich einen Teil der Sachkosten. Insoweit sei die Beklagte nicht an der Gewährung von ESF-Unterhaltsgeld gehindert. Ihm sei in dem Beratungsgespräch am 30. März 2000 die Gewährung von ESF-Unterhaltsgeld in Aussicht gestellt worden. Dies habe auch seinerzeit der ständigen Praxis des Arbeitsamtes Cottbus dargestellt. Ihm stünde unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung diese Leistung ab 01. Oktober 2000 zu. Des Weiteren werde ESF-Unterhaltsgeld nicht aus dem Haushalt der Beklagten, sondern aus EU-Mitteln gezahlt. Damit sei die Anwendung des § 22 Abs. 1 SGB III vorliegend ausgeschlossen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 20. November 2002 sowie den Bescheid der Beklagten zum ESF-Unterhaltsgeld vom 03. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2000 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 19. April 2000, ESF-Unterhaltsgeld auch für die Zeit vom 01. Oktober 2000 bis zum 02. Januar 2001 bewilligt zu erhalten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger habe in dem Zeitraum vom 01. Oktober 2000 bis zum 02. Januar 2001 einen Ausbildungszuschuss nach § 5 SVG erhalten, der eine gleichartige Leistung darstelle. Eine Gleichartigkeit liege nicht nur vor, wenn es sich nach Voraussetzungen und Gegenstand um Leistungen handele, die den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung des SGB III völlig gleichartig seien. Entscheidend sei vielmehr der Zweck der Leistungen. Bei Zuschüssen zu den Lehrgangsgebühren einer ergänzenden Fachausbildung nach § 5 SVG sei diese Zweckbindung beispielsweise gegeben, so dass diese eine vorrangige Leistung einer anderen öffentlich-rechtlichen Stelle darstellten. Ein Anspruch auf ESF-Unterhaltsgeld ergebe sich auch nicht aufgrund des Beratungsgesprächs vom 30. März 2000. Eine rechtsverbindliche Zusicherung, die einen derartigen Anspruch begründen könnte, sei hierin nicht zu sehen. Es fehle an der Schriftform gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Im Beratungsvermerk sei zwar der Hinweis enthalten, ab 01. November 2000 könne ESF- Unterhaltsgeld gewährt werden. Eine Zusicherung werde aber erst wirksam, wenn sie dem Empfänger auch zugehe. Bei einem Beratungsvermerk handele es sich lediglich um eine interne Protokollierung. Hiervon erhalte der Ratsuchende keine Ausfertigung. Es fehle an einem entsprechenden Rechtsbindungswillen ihrerseits, dem Kläger bereits am 01. Oktober 2000 ESF-Unterhaltsgeld zu gewähren. Im Beratungsvermerk sei lediglich die Formulierung "kann gewährt werden" enthalten. Eine rechtlich verbindliche Zusage könne hieraus also nicht abgeleitet werden. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Unterhaltsgeld. Sollte das Arbeitsamt tatsächlich Unterhaltsgeld in Fällen entgegen § 22 Abs. 1 SGB III bewilligt haben, so würden diese Bewilligungen rechtswidrig sein. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten sowie die Leistungsakten der Beklagen (Stamm-Nr. ) verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht Cottbus hat die zulässige (Bescheidungs-) Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Bewilligung von ESF-Unterhaltsgeld für den Kläger für den streitbefangenen Zeitraum (01. Oktober 2000 bis 02. Januar 2001) ermessensfehlerhaft abgelehnt.

Nach Abs. 1 der hier anzuwendenden ab 01. Januar 2000 geltenden Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes (ESF-BA-Programm – im Folgenden: ESF-Richtlinien) vom 20. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 22 S. 1529) kann die Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach diesen Richtlinien in Verbindung mit den von der BA hierin erlassenen Durchführungsanweisungen, den §§ 23, 44 BHO, § 47 Abs. 2, § 50 Abs. 2 a SGB X und den hierzu ergangenen vorläufigen Verwaltungsvorschriften in den Jahren 2000 bis 2006 aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) Leistungen für die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung und Hilfen bei Beschäftigungsaufnahme erbringen (Satz 1). Die Richtlinien gelten in den alten und neuen Bundesländern (Satz 2).

Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 der ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 können Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB III, die die Voraussetzungen nach § 80 SGB III oder § 101 Abs. 3 Satz 3 SGB III erfüllen und an die Unterhaltsgeld nach §§ 153 und 154 SGB III oder Übergangsgeld nach §§ 160 und 162 SGB III nicht erbracht wird, ein ESF-Unterhaltsgeld erhalten.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 ESF-Richtlinien in der Fassung vom 20. Januar 2000 sind vorliegend im Falle des Klägers erfüllt. Hiervon geht auch die Beklagte, zumindest für die Zeit ab 03. Januar 2001, aus, indem sie dem Kläger ESF-Unterhaltsgeld ab diesem Zeitpunkt bewilligt hatte. Die Voraussetzungen sind aber auch für den hier streitbefangenen Zeitraum (01. Oktober 2000 bis 02. Januar 2001) erfüllt. § 22 SGB III ist insoweit, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht anwendbar.

§ 22 Abs. 1 SGB III regelt: Leistungen der aktiven Arbeitsförderung dürfen nur erbracht werden, wenn nicht andere Leistungsträger oder andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet sind. Die Vorschrift ist aber - wie bereits ausgeführt - nach Ansicht des Senats nicht anwendbar, denn die ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 enthalten keinen Verweis darauf, nach dem diese Regelung anwendbar ist.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 gelten die Vorschriften des SGB III über das Unterhaltsgeld oder Empfänger dieser Leistung, mit Ausnahme des § 156 SGB III entsprechend, soweit die Besonderheiten gemäß dieser Richtlinie nicht entgegen stehen. Die Regelung des § 156 SGB III betr. die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Anschluss-Unterhaltsgeld ist hiernach schon nicht anwendbar. Die weiteren Regelungen des SGB III über das Unterhaltsgeld (§§ 153 bis 155 und 157 bis 159) enthalten keinen Verweis auf § 22 Abs. 1 SGB III. Schon der Wortlaut des § 4 Abs. 5 ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 spricht somit für eine Nichtanwendung dieser Vorschrift. Vielmehr deutet § 5 Abs. 5 der ESF-Richtlinien somit darauf hin, dass der Richtliniengeber bewusst in § 4 Abs. 5 Satz 1 ESF-Richtlinien einen allgemeinen Verweis auf die Vorschriften des SGB III nicht hat vornehmen wollen. § 5 Abs. 5 ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 regelt allein für die darin in § 5 Abs. 1 bis 4 genannten "weiteren Leistungen bei beruflicher Qualifizierung", dass die Vorschriften des SGB III in Verbindung mit den von der Bundesanstalt für Arbeit dazu erlassenen Anordnungen und Durchführungsanweisungen für Leistungen nach § 5 Abs. 1 bis 4 ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 entsprechend gelten.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 besteht auf die in den Richtlinien vorgesehenen Leistungen kein Rechtsanspruch. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), der vorliegend für die Durchführung der Richtlinien entsprechend anzuwenden ist (vgl. § 8 ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000), haben die durch eine leistungsrechtliche Ermessensnorm des Sozialgesetzbuches (hier der ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000) Begünstigten gegen den zuständigen Leistungsträger einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, wenn die Voraussetzungen für die Pflicht des Leistungsträgers zur Ermessensbetätigung vorliegen. Nur die Eingangsvoraussetzungen unterliegen uneingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung. Hinsichtlich der Ermessensbetätigung und ihres Ergebnisses, der Ermessensentscheidung, sind die Gerichte jedoch darauf beschränkt zu kontrollieren, ob der Leistungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), mit seiner Ermessensentscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, d.h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt (Ermessensüberschreitung) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch). In jedem Fall entsteht die Pflicht des Leistungsträgers zur Ermessensbetätigung und das damit korrespondierende Recht des Bürgers auf fehlerfreien Ermessensgebrauch nur, wenn alle Voraussetzungen für die Ermessensbetätigungspflicht vorliegen (BSG SozR 3-1200 § 39 Nr. 1; Niesel, a.a.O., § 7 RdNr. 11 m.w.N.). Der Senat hat deswegen (nur) zu prüfen, ob die Beklagte ihr Ermessen ermessensfehlerfrei ausgeübt hat. Das ist nicht der Fall, denn die Beklagte hat vorliegend das ihr nach den ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 eingeräumte Ermessen überhaupt nicht ausgeübt. Im Rahmen der von der Beklagten vorzunehmenden (Neu-)Bescheidung könnte aber – etwa im Zusammenhang mit einer Prüfung des entsprechend anzuwendenden § 159 Abs. 2 Nr. 2 SGB III - zu erwägen sein, ob und in welcher Höhe der vom Kläger bezogene Ausbildungszuschuss für den streitbefangenen Zeitraum auf das ESF-Unterhaltsgeld anzurechnen ist.

Nach alledem ist die Berufung im Sinne der (Neu-)Bescheidung über den Antrag des Klägers erfolgreich.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision ist zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzung von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gegeben waren.
Rechtskraft
Aus
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