L 16 RA 105/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 RA 5800/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 105/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Die 1938 in D geborene Klägerin hatte von 1946 bis 1954 in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der späteren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) die Grundschule besucht und anschließend den Beruf einer Industriekauffrau erlernt und ausgeübt. 1975 siedelte sie in die Bundesrepublik über. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1980 merkte die Beklagte u.a. die in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten als Tatbestände von Beitragszeiten nach dem FRG mit entsprechenden Leistungsgruppen und Tabellenwerten sowie die Zeit des Schulbesuchs vom 19. April bis 3. Juli 1954 als Tatbestand einer Ausfallzeit vor.

In einer Rentenauskunft vom 13. Februar 1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit (Anlage 10), dass auf Grund der Neuregelungen in § 259a Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), der durch das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (RÜ-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl. I S. 1038) eingefügt worden sei, das FRG nur noch auf Versicherte der Geburtsjahrgänge vor dem 1. Januar 1937 anzuwenden sei, zu denen die Klägerin nicht gehöre. Die im Bescheid vom 17. Oktober 1980 zu Grunde gelegten Tabellenwerte könnten daher nicht mehr berücksichtigt werden; vielmehr seien nach dem nunmehr anzuwendenden § 256a SGB VI Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet auf der Grundlage der tatsächlichen beitragspflichtigen Verdienste zu ermitteln. Mit Bescheid vom 28. April 1999 nahm die Beklagte eine entsprechende Änderung des Bescheides vom 17. Oktober 1980 in dem angefügten Versicherungsverlauf vor; die in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten merkte sie nunmehr als solche des SGB VI unter Zuordnung der in der Sozialpflichtversicherung der DDR und der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) versicherten Entgelte vor. Die Vormerkung des Tatbestandes einer Anrechnungszeit wegen des Schulbesuchs lehnte sie in einem weiteren Bescheid vom 28. April 1999 ab mit der Begründung, dass solche nunmehr nur noch ab Vollendung des 17. Lebensjahres zu berücksichtigen seien. Der Widerspruch der Klägerin, mit dem diese im Wesentlichen die Wiederherstellung der Rechtswirkungen des Bescheides vom 17. Oktober 1980 begehrte, blieb ebenso erfolglos wie die Klage und Berufung (Widerspruchsbescheid vom 9. August 1999; Urteil des Sozialgerichts -SG- Berlin vom 11. April 2000 -S 27 RA 4203/99-1-; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Berlin vom 4. September 2001 -L 12 RA 30/00- rechtskräftig).

Seit dem 1. Mai 2003 bezieht die Klägerin von der Beklagten Regelaltersrente (Bescheid vom 16. Dezember 2002). Mit Bescheid vom 12. Juni 2003 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 28. April 1999 gemäß § 44 SGB X ab, weil bei dessen Erteilung weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese nach wie vor eine Bewertung der von ihr in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten nach dem FRG wie im Bescheid vom 17. Oktober 1980 sowie die Zuerkennung von zwei rentenrechtlichen Jahren wegen eines aus Vertreibungsgründen entsprechend späteren Beginns der Schulausbildung geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2003 unter Hinweis auf das Urteil des SG Berlin vom 11. April 2000 und das Urteil des LSG Berlin vom 4. September 2001 zurück.

Das SG hat die Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt hat, mit Urteil vom 18. März 2004 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die Gründe des LSG-Urteils vom 4. September 2001 verwiesen.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Änderung der Bescheide vom 28. April 1999 ihre in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten weiterhin mit den Leistungsgruppen und Tabellenwerten des Bescheides vom 17. Oktober 1980, die Zeit vom 19. April bis 3. Juli 1954 als Ausbildungs-Anrechnungszeit sowie zwei weitere Jahre "rentenrechtliche Zeit" vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Rentenakten der Beklagten, die Akten des SG Berlin S 27 RA 4203/99-1 - L 12 RA 30/00 und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Das Gericht hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Es kann dahinstehen, ob nach Feststellung einer Rente (Bescheid vom 16. Dezember 2002) die Überprüfung der isolierten Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten überhaupt noch Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sein kann.

Die Klägerin hat jedenfalls gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rücknahme der Bescheide vom 28. April 1999 gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X und (erneute) Vormerkung ihrer in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten sowie einer Ausbildungs-Anrechnungszeit vom 19. April 1954 bis zum 3. Juli 1954 nach Maßgabe des Bescheides vom 17. Oktober 1980 und auf Vormerkung von zwei weiteren "rentenrechtlichen Jahren" wegen des aus Vertreibungsgründen verspäteten Beginns der Schulausbildung. Bei der Erteilung der Bescheide vom 28. April 1999 hat die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

Die Beklagte ist nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI i.V.m. Artikel 38 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) berechtigt gewesen, den Vormerkungsbescheid vom 17. Oktober 1980 durch die Neufeststellungsbescheide vom 28. April 1999 zu ersetzen.

Gemäß Artikel 38 Satz 1 RÜG sind Bescheide, die - wie hier der Bescheid vom 17. Oktober 1980 - außerhalb einer Rentenbewilligung auf Grund des Fremdrentenrechts Feststellungen getroffen haben, zu überprüfen, ob sie mit den zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden Vorschriften des SGB VI übereinstimmen. Die Beklagte hat diese gesetzliche Vorgabe mit den Bescheiden vom 28. April 1999 umgesetzt und die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten beanstandungsfrei nach den seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften des SGB VI festgestellt. Den Bescheiden vom 28. April 1999 lässt sich auch noch hinreichend bestimmbar (vgl. § 33 Abs. 1 SGB X) entnehmen, dass die Beklagte eine entsprechende Änderung des Bescheides vom 17. Oktober 1980, und zwar soweit der angefügte Versicherungsverlauf zum Nachteil der Klägerin von den Feststellungen im Bescheid vom 17. Oktober 1980 abwich, verlautbaren wollte. Auch im Zusammenhang mit der Rentenauskunft vom 13. Februar 1995 und dem Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 22. Juni 1999 kam damit hinreichend klar zum Ausdruck, dass die Beklagte insoweit an dem Bescheid vom 17. Oktober 1980 nicht festhalten wollte.

Die Beklagte hat in den Bescheiden vom 28. April 1999 die von der Klägerin in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten bis zum 9. Dezember 1974 beanstandungsfrei mit den jeweils erzielten Arbeitsentgelten der Klägerin, für die Beiträge zur Sozialpflichtversicherung und zur FZR gezahlt worden sind, unter Hochwertung auf die Werte der Anlage 10 zum SGB VI - gegebenenfalls bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze - vorgemerkt (vgl. § 256a Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI). Die Berücksichtigung von Leistungsgruppen und Tabellenwerten nach Maßgabe des FRG kommt bei der Klägerin nicht in Betracht, weil diese nicht zu den Geburtsjahrgängen vor 1937 zu zählen ist (vgl. § 259a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI). Auch die Vormerkung von Ausbildungs- und Anrechnungszeiten gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461) vor Vollendung des 17. Lebensjahres der Klägerin am 18. April 1955 hat die Beklagte zutreffend abgelehnt. Schließlich ist auch keine Rechtsgrundlage für die Vormerkung weiterer zwei Jahre rentenrechtlicher Zeiten auf Grund des aus Vertreibungsgründen entsprechend verspäteten Beginns der Schulausbildung der Klägerin ersichtlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des LSG im Urteil vom 4. September 2001 (L 12 RA 30/00) Bezug genommen (Seite 8 3. Absatz Zeile 1 bis Seite 9 Zeile 2), das zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits ergangen ist.

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzlichen Neuregelungen, die den Bescheiden vom 28. April 1999 zu Grunde lagen, sind ebenso wenig ersichtlich wie gegen Artikel 38 RÜG. Artikel 38 RÜG ist vielmehr lediglich Ausprägung des Rechtssatzes, dass über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung entschieden wird (vgl. § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI; § 104 Abs. 3 Satz 2 Angestelltenversicherungsgesetz).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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