L 3 RJ 36/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 RJ 2607/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 36/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung der ihr bewilligten Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung des ungeminderten Zugangsfaktors von 1,0 statt 0,937.

Die 1941 geborene Klägerin war zuletzt bis 30. Juni 1999 als Büfettier versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Juli 1999 bis 31. März 2002 bezog sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) von der Bundesanstalt für Arbeit. Am 6. Novem- ber 2001 beantragte die Klägerin Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und bestimmte, dass die Altersrente am 1. April 2002 beginnen solle. Sie wurde darüber belehrt, dass eine vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglich sei, die monatliche Rente dann jedoch - zeitlich unbegrenzt - für jeden vorgezogenen Monat um 0,3 % niedriger ausfalle. In einer "Bescheinigung nach § 428 Abs. 2 SGB III zur Vorlage beim Arbeitsamt" vom 6. November 2001 wurde von der Beklagten bescheinigt, dass die Klägerin dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Altersrente mit dem frühestmöglichen Rentenbeginn ohne Rentenabschläge nach § 237 a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab 1. Januar 2004 erfülle. Die Klägerin verwies demgegenüber auf die am 28. Dezember 1999 von der Beklagten ausgestellte "Bescheinigung nach § 428 Abs. 2 SGB III zur Vorlage beim Arbeitsamt", in der angegeben ist, dass sie dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Altersrente mit dem frühestmöglichen Rentenbeginn ohne Rentenabschläge nach § 237 SGB VI ab 1. April 2002 erfülle. Ergänzend führte die Klägerin aus, sie habe im Jahre 1998 bei einem Gespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin "die Vertrauensrente beantragen und auch die entsprechenden Anteile einzahlen" wollen. Sie habe von der Sachbearbeiterin, die zuvor noch ihre Vorgesetzte konsultiert habe, die Auskunft erhalten, dass dies nicht nötig sei, da ihr die Altersrente ohne Abschläge zustehe. Das ergebe sich auch aus der Bescheinigung vom 28. Dezember 1999, auf deren Richtigkeit sie vertraut habe. Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 14. November 2001 darauf hin, dass die Bescheinigung vom 28. Dezember 1999 wegen einer Änderung der Rechtslage ihre Gültigkeit verloren habe und dass nach der gegenwärtigen Rechtslage der frühestmögliche Rentenbeginn ohne Rentenminderung der 1. Januar 2004 sei. Bei einem vorzeitigen Rentenbeginn ab 1. April 2002 müsse die Klägerin einen Rentenabschlag von 21 Monaten x 0,3 % = 6,3 % in Kauf nehmen. Diese Rentenminderung gelte für die gesamte Dauer des Rentenbezuges, also auch über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus. In einem weiteren Schreiben vom 18. Dezember 2001 wurde die Klägerin unter ausführlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente auf die Möglichkeit hingewiesen, die Nachteile durch Ausgleichszahlungen gemäß § 187 a SGB VI ganz oder teilweise zu vermeiden. Die Klägerin hielt an dem Rentenantrag vom 6. November 2001 und dem dort bestimmten Rentenbeginn 1. April 2002 fest; von der Möglichkeit der Zahlung von Beiträgen nach § 187 a SGB VI machte sie keinen Gebrauch. Sie äußerte die Auffassung, dass die Beklagte an die Bescheinigung vom 28. Dezember 1999 gebunden sei, da deren Mitarbeiter sie ausgestellt hätten, ohne darauf hinzuweisen, dass sie bereits drei Tage später wegen einer Änderung der Rechtslage ungültig sein werde.

Durch Rentenbescheid vom 25. Februar 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 1. April 2002 Altersrente für Frauen in Höhe von 558,70 EUR monatlich. Bei der Berechnung der Rente wurde ein um (21 Kalendermonate x 0,003 =) 0,063 verminderter Zugangsfaktor von 0,937 zugrunde gelegt. Den Widerspruch, mit dem die Klägerin unter Hinweis auf den in der Bescheinigung vom 28. Dezember 1999 zugesicherten Rentenbeginn 1. April 2002 Altersrente ohne Abschläge begehrte, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 11. September 2002 mit der Begründung zurück, bei der genannten Bescheinigung handele es sich nicht um eine Zusicherung im Sinne des § 34 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X).

In dem die Klage abweisenden Urteil vom 12. Januar 2004 hat sich das Sozialgericht der Rechtsauffassung der Beklagten im Wesentlichen angeschlossen und ausgeführt, das Schreiben vom 28. Dezember 1999 sei schon deshalb nicht als Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X anzusehen, weil es sich nicht an die Klägerin gerichtet, sondern zur Vorlage beim Arbeitsamt gedient habe. Auch habe die Beklagte der Klägerin gegenüber nicht verbindlich erklärt, ihr ohne Berücksichtigung etwaiger Rechtsänderungen ab dem 1. April 2002 eine abschlagsfreie Rente zu gewähren. Aus der in der Bescheinigung verwendeten Formulierung, die Aussagen zu der Altersrente entsprächen der gegenwärtigen Rechtslage, in Verbindung mit dem Datum des Schreibens folge vielmehr, dass abschlagsfreie Rente ab 1. April 2002 nur bei unveränderter Rechtslage gewährt werden würde.

Gegen das am 2. März 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. d.M. Berufung eingelegt. Nach ihrer Auffassung ist das Schreiben der Beklagten vom 28. Dezember 1999, selbst wenn es nicht als unbedingte Zusicherung gewertet werden könne, unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs relevant. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten es versäumt, auf die am 1. Januar 2000 eintretende Änderung der Rechtslage hinzuweisen. Ihnen sei bekannt gewesen, dass sie, die Klägerin, beim Arbeitsamt arbeitsuchend gemeldet und die vorzeitige "Inanspruchnahmemöglichkeit" der Rente insbesondere auch mitentscheidend für die Ausübung der Option gewesen sei, unter den erleichterten Bedingungen des § 428 SGB III Arbeitslosengeld zu beziehen. Demzufolge habe das Arbeitsamt, weil die Bescheinigung nach § 428 Abs. 2 SGB III vorgelegt worden sei, keine Vermittlungsbemühungen mehr entfaltet. Dies habe dazu geführt, dass sie, die Klägerin, Arbeitslosenhilfe in Höhe von 97,51 EUR wöchentlich = 422,54 EUR monatlich bezogen habe. Wegen der dadurch bedingten schlechten finanziellen Situation habe sie die Altersrente von 558,70 EUR schon ab 1. April 2002 in Anspruch nehmen müssen. Wäre sie von der Beklagten seinerzeit über die ab 1. Januar 2000 geltende Rechtslage unterrichtet worden, hätte sie sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt und wäre mit großer Sicherheit auch in eine Arbeit als Büfettier, die sie noch bis 30. Juni 1999 ausgeübt habe, vermittelt worden. Wäre sie in Arbeit vermittelt worden, wäre sie nicht darauf angewiesen gewesen, zur Sicherung ihrer finanziellen Situation die vorgezogene Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen. Daher sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gehalten, sie so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn sie ihr seinerzeit eine zutreffende Auskunft erteilt hätte. Schadensersatzrechtlich wäre zumindest ab dem Zeitpunkt der regulären "Renteninanspruchnahmemöglichkeit" ohne Abschlag seitens der Beklagten die volle Altersrente zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2002 zu verurteilen, ihr ab 1. April 2002, hilfsweise ab 1. Januar 2004, Altersrente für Frauen ohne Rentenabschläge zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kein Raum, da weder unrichtige Auskünfte erteilt noch Hinweispflichten verletzt worden seien. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine abschlagsfreie Inanspruchnahme einer Altersrente nach § 237 SGB VI bzw. § 237 a SGB VI auch bei ununterbrochener Beschäftigung ab dem 1. Januar 2000 nicht hätten erfüllt werden können, da zum 31. Dezember 1999 lediglich 466 Kalendermonate mit Beitragszeiten belegt gewesen seien. Im Übrigen könne es auch nicht als wahrscheinlich oder sogar gesichert angesehen werden, dass die Klägerin, wenn sie sich der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt hätte, auch in Arbeit vermittelt worden wäre.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten lagen dem Gericht vor und waren am 16. Dezember 2004 Gegenstand der Erörterung und der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte gemäß § 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats durch den Vorsitzenden getroffen werden.

Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Rechtmäßigkeit des Rentenbescheides der Beklagten vom 25. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2002 zu Recht bestätigt. Der Klägerin steht - in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2004 - ein Anspruch auf eine Altersrente ohne Abschläge weder ab 1. April 2002 noch von einem späteren Zeitpunkt an zu.

Streitgegenstand ist ausschließlich, ob der Monatsbetrag der der Klägerin bewilligten Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors 1,0 zu ermitteln ist. Die Klägerin wendet sich nicht allgemein gegen die Festsetzung der Rentenhöhe, sondern sie begehrt, wie dies auch in ihrem Klageantrag zum Ausdruck kommt, die Festsetzung einer höheren Rente allein im Blick auf den begehrten Zugangsfaktor 1,0. Hierauf hat sich die richterliche Prüfung des angefochtenen Rentenbescheides zu beschränken.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines höheren Zugangsfaktors, insbesondere kann sie - nach der für die rechtliche Prüfung maßgeblichen gegenwärtigen Sach- und Rechtslage - nicht verlangen, dass ihr die gewährte Altersrente für Frauen ab 1. April 2002 oder von einem späteren Zeitpunkt an ohne Abschläge gezahlt wird.

Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 237 a Abs. 3 SGB VI in der ab 1. Januar 2000 geltenden Fassung, wonach ihr abschlagsfreie Zahlung der Altersrente bereits nach Ablauf von drei Monaten nach Vollendung des 60. Lebensjahres, also ab 1. April 2002, zustünde. Die Klägerin hat anstelle der erforderlichen 540 Monate (45 Jahre) lediglich 466 Monate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Auch bei Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von Januar 2000 durchgehend bis Dezember 2003 hätte die Klägerin, worauf von der Beklagten zutreffend hingewiesen worden ist, die Voraussetzungen des § 237 a Abs. 3 Nr. 3 SGB VI nicht erfüllen können. Sie hat deshalb gemäß § 237 a Abs. 2 SGB VI i.V.m. der Anlage 20 zum SGB VI eine Anhebung der Altersgrenze um 24 Kalendermonate in Kauf zu nehmen, so dass ihr abschlagsfreie Altersrente erst ab 1. Januar 2004 zustünde. Die Klägerin ist über diese Rechtsfolgen sowohl bei Rentenantragstellung am 6. November 2001 als auch im Laufe des Verwaltungsverfahrens mehrfach belehrt worden. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 wurde sie darauf hingewiesen, dass sich gemäß § 77 SGB VI der Zugangsfaktor für Renten wegen Alters für jeden vorzeitig in Anspruch genommenen Kalendermonat um 0,3 % pro Monat verringere und sich eine Minderung von 6,3 % ergebe, wenn die Altersrente für insgesamt 21 Monate vorzeitig in Anspruch genommen werde. Diese Auskunft entspricht der Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, wonach bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 ist.

Gleichwohl hat die Klägerin an dem von ihr im Rentenantrag vom 6. November 2001 bestimmten Rentenbeginn am 1. April 2002 festgehalten. Soweit sie sich zur Begründung ihrer Auffassung, ihr stehe abschlagsfreie Altersrente von diesem Zeitpunkt an, zumindest jedoch ab 1. Januar 2004 zu, auf die am 28. Dezember 1999 ausgestellte Bescheinigung der Beklagten bezieht, kann ihr auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im Berufungsverfahren nicht gefolgt werden.

Die vorgenannte Bescheinigung kann, wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, nicht als Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X gewertet werden. Es handelt sich vielmehr um eine an eine andere Behörde (das zuständige Arbeitsamt) gerichtete Mitteilung, deren Zweck darin besteht, diese andere Behörde von einer bestimmten Rechtslage in Kenntnis zu setzen, um sie zu einem (im Regelfall vom Versicherten gewünschten) Verhalten zu veranlassen. Die ausdrücklich als solche gekennzeichnete "Bescheinigung nach § 428 Abs. 2 SGB III zur Vorlage beim Arbeitsamt" stellt, obwohl sie der Klägerin (zur Vorlage beim Arbeitsamt) ausgehändigt und der Inhalt ihr zur Kenntnis gegeben wurde, keine Zusicherung im Sinne des § 34 Abs. 1 SGB X dar. Während eine Zusicherung in diesem Sinne einen Verwaltungsakt mit Verpflichtungswillen erfordert (BSGE 56, 249), handelt es sich bei der Bescheinigung gemäß § 428 Abs. 2 SGB III um eine "Wissenserklärung", der der Rechtscharakter einer Auskunft zukommt. Sie erschöpft sich in der Mitteilung des Wissens und unterscheidet sich von einem Verwaltungsakt durch das Fehlen eines Regelungswillens. Eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X ist eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Sie hat den Zweck und die Aufgabe, dem Adressaten als verbindliche Zusage über das zukünftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Verwaltungsaktes Gewissheit zu verschaffen. Die Zusicherung ist demnach eine Selbstverpflichtung der Behörde zu einem späteren Tun oder Unterlassen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 34 Nr. 2 m.w.N.). Der Bescheinigung vom 28. Dezember 1999 lässt sich eine der Klägerin gegenüber abgegebene Verpflichtungserklärung, ihr ab 1. April 2002 Altersrente ohne Abschläge zu gewähren, nicht entnehmen. Im Übrigen entsprach die von der Beklagten erteilte Auskunft dem bis 31. Dezember 1999 gültig gewesenen Recht und stand unter dem Vorbehalt, dass die Rechtslage unverändert blieb.

Allerdings weist die Klägerin mit Recht darauf hin, dass die Beklagte bei der Ausstellung der Bescheinigung vom 28. Dezember 1999 verpflichtet gewesen wäre, sie auf die bevorstehende Änderung des geltenden Rechts hinzuweisen und sie über die sich daraus für sie ergebenden Rechtsfolgen zu belehren. Geht man davon aus, dass dies, wie die Klägerin behauptet, nicht geschehen ist und dass die Klägerin in Unkenntnis der Rechtsänderungen auf die Richtigkeit der Auskunft vertraut hatte, könnte in der unterbliebenen Beratung ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten gesehen werden, das einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösen könnte. Dieser würde jedoch nicht unmittelbar zu einem Anspruch der Klägerin auf Altersrente ohne Abschläge ab 1. April 2002 oder von einem späteren Zeitpunkt an führen.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch beruht auf der Erwägung, dass mit der Begründung eines Sozialrechtsverhältnisses insbesondere nach dem Grundsatz von Treu und Glauben für den Versicherungsträger bestimmte Nebenpflichten, insbesondere die Pflicht zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) erwachsen. Voraussetzung für den Herstellungsanspruch ist, dass der Sozialleistungsträger aufgrund von Gesetzen oder eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt (vgl. BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2). Der Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte (vgl. BSG SozR 2100 § 27 Nr. 2). Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (BSGE 49, 76, 80). Voraussetzung ist also - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung -, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann (vgl. BSGE 51, 89, 92; Urteil vom 11. März 2004 - B 13 RJ 16/03 R - m.w.N.).

Im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könnte die Klägerin, wie sie selbst zutreffend ausgeführt hat, (nur) verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stehen würde, wenn sie seinerzeit von der Beklagten die richtige bzw. die vollständige Auskunft erhalten hätte, also darauf hingewiesen worden wäre, dass sie nach dem ab 1. Januar 2000 geltenden Recht bei einem Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2004 Abschläge hinnehmen müsse, und darüber belehrt worden wäre, dass diese Nachteile durch die Zahlung von Beiträgen nach § 187 a SGB VI vermieden werden könnten.

Das Vorbringen der Klägerin, bei Kenntnis der Rechtslage hätte sie sich der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt und wäre mit Sicherheit auch in Arbeit vermittelt worden, verhilft ihr in dem hiesigen Rechtsstreit nicht zu einem Anspruch auf Altersrente ohne Abschläge. Wie bereits dargelegt wurde, hätte die Klägerin auch bei durchgehender versicherungspflichtiger Beschäftigung ab Januar 2000 die Voraussetzungen des § 237 a Abs. 3 SGB VI für einen Anspruch auf abschlagsfreie Rente vor dem 1. Januar 2004 nicht erfüllen können. Der Schaden, welcher der Klägerin dadurch entstanden ist, dass sie ab Januar 2000 die Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes nicht mehr in Anspruch genommen hatte, kann nicht im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in der Weise ausgeglichen werden, dass ihr ab 1. April 2002 oder von einem späteren Zeitpunkt an Altersrente ohne Abschläge gewährt wird. Der Nachteil der Klägerin, der ihr durch die behauptete unvollständige bzw. unrichtige Beratung durch die Beklagte entstanden ist, besteht darin, dass sie es unterlassen hatte, durch Zahlung von Beiträgen gemäß § 187 a SGB VI die Voraussetzungen für einen Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente zu schaffen. Bejahte man einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der Klägerin wegen Verletzung der der Beklagten obliegenden Pflicht zur Auskunft und Beratung, hätte die Beklagte diesen Nachteil der Klägerin auszugleichen, d.h., ihr die Möglichkeit einzuräumen, die damals unterlassene Ausgleichszahlung gemäß § 187 a SGB VI nachzuholen und die Klägerin so zu stellen, wie wenn die Nachzahlung schon damals erfolgt wäre.

In dem hiesigen Verfahren jedoch konnte die Klägerin mit ihrem Begehren auf Gewährung von Altersrente ohne Abschläge keinen Erfolg haben, so dass ihre Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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