L 5 RA 50/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 RA 4540/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RA 50/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. April 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für seine Tätigkeit als selbständiger Dozent.

Der am 24. September 1949 geborene Kläger ist in der DDR aufgewachsen und hat dort nach einer kurzen Tätigkeit als Mechaniker von September 1966 bis Ende August 1967 eine Ausbildung zum Baufacharbeiter durchlaufen und Ende August 1970 abgeschlossen. Vom 1.September 1973 bis 31. August 1976 besuchte er eine Fachschule für Bauwesen mit dem Abschluss Ingenieur; in diesem Beruf arbeitete der Kläger anschließend. Ab 1. Juni 1990 bestand Arbeitslosigkeit. Seit dem 13. März 1991 übte der Kläger nach eigenen Angaben unregelmäßig, aber dann mehr als 15 Stunden pro Woche, eine selbständige Tätigkeit als Dozent, Designer bzw. Bauingenieur aus.

Für seine Dozententätigkeit, in deren Rahmen er keinen Arbeitnehmer beschäftigte, beantragte der Kläger am 13. September 2001 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige. Ausweislich des eingereichten Einkommenssteuerbescheides 1998 erzielte er aus seiner selbständigen Tätigkeit 1998 Einkünfte in Höhe von 14.805,00 DM.

Nachdem der Kläger auf ausdrückliche Nachfrage keine vor dem 10. Dezember 1998 abgeschlossene private Altersabsicherung angeben konnte, lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag mit Bescheid vom 15. November 2001 ab, weil nicht nachgewiesen sei, dass eine anderweitige Vorsorge vor dem 10. Dezember 1998 betrieben worden sei. Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, er habe von 1966 bis 1990 Beiträge in die staatliche Altersvorsorge der ehemaligen DDR eingezahlt, verfüge also über eine Altersversorgung, auch wenn er noch nicht wisse, wie hoch die künftige Rente sein werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Er habe keine Lebens- bzw. Rentenversicherung nachgewiesen, die vor dem 10. Dezember 1998 abgeschlossen worden sei. Die Einzahlungen zur staatlichen Rentenversicherung der DDR seien keine Vorsorge im Sinne von § 231 Abs. 5 SGB VI.

Hiergegen hat der Kläger am 9. Juli 2002 Klage erhoben und sein Vorbringen wiederholt. Auf die ausdrückliche Frage, ob er nach 1990 eine private Altersvorsorge getroffen habe, verwies er erneut darauf, dass er Beiträge in die staatliche Rentenversicherung gezahlt habe. Mit Urteil vom 14. April 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Der Kläger sei seit dem 13. März 1991 als Dozent selbständig tätig und übe damit eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit aus. Von dieser Versicherungspflicht könne er sich nicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI befreien, denn er habe vor dem 10. Dezember 1998 keine anderweitige Vorsorge getroffen. Die Beiträge zur staatlichen Altersversorgung der ehemaligen DDR stellten keine solche Vorsorge dar, die auch Leistungen für den Fall der Invalidität vorsehen müsse. In der Vergangenheit geleistete Beiträge zur Rentenversicherung sicherten aber nicht gegen den Versicherungsfall der Invalidität ab, denn hierfür seien drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung erforderlich. Sinn und Zweck der Befreiungsmöglichkeit des § 231 Abs. 6 SGB VI sei die Vermeidung einer Doppelversicherung. Sei eine adäquate Vorsorge nicht vorhanden, könne der selbständig Tätige nur durch die gesetzliche Rentenversicherung hinreichend abgesichert werden; eine Befreiung hiervon sei nicht möglich.

Gegen das ihm am 7. Juni 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Juni 2003 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, es sei zwar richtig, dass die in die Rentenkasse der DDR eingezahlten Beiträge keine Altersvorsorge im Sinne des SGB VI darstellten, aber dies sei für ihn wie für alle Bürger der ehemaligen DDR die allein vorhandene Altersvorsorge, die anerkannt werden müsse. Die Beklagte könne auch nicht nachweisen, dass sich seine Altersvorsorge durch weitere Beiträge überhaupt erhöhen würde. Schließlich sei er seit 1978 geschieden und habe einen erwachsenen Sohn, so dass er für niemanden sorgen müsse; im Übrigen zahle er seit 1993 in eine Unfallversicherung mit Versorgung bei Invalidität ein. Seine Dozententätigkeit werde durch staatliche Sparmaßnahmen immer weiter reduziert, so dass er ohnehin kaum davon leben könne. Wenn die Beklagte hiervon noch Beiträge abziehe, sinke sein Einkommen unwiderruflich unter Sozialhilfeniveau.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. April 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2001 in der Fassung des Widerspruchsbe- scheides vom 5. Juni 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn gemäß § 231 Abs. 6 SGB VI für die Dozententätigkeit von der Versicherungs- pflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Rentenakte des Klägers bei der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, denn der Kläger ist auf diese Möglichkeit mit der Ladung hingewiesen worden (§ 110 Absatz 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger fällt als selbständig tätiger Dozent unter die Versicherungspflicht des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Von dieser Versicherungspflicht kann er nicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI befreit werden.

Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind selbständig tätige Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keine Arbeitnehmer beschäftigen, versicherungspflichtig in der Rentenversicherung. Der Kläger als selbständiger Dozent fällt unter den Begriff des selbständig tätigen Lehrers, denn dieser Begriff ist in weitem Sinne zu verstehen und umfasst jede Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, gleich auf welchem Gebiet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 2000 in SozR 3/2600 § 2 SGB VI Nr. 5). Dass die Anordnung der Versicherungspflicht für selbständig tätige Lehrer in der Rentenversicherung verfassungsgemäß ist, hat bereits das Bundessozialgericht (a.a.O.) mit zutreffenden Gründen entschieden.

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hinsichtlich seiner Tätigkeit als selbständiger Dozent kommt für den Kläger nicht in Betracht.

Eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI scheidet von vornherein aus, denn diese Vorschrift gilt nur für beschäftigte Lehrer und daher nicht für den Kläger als selbständig tätigen Dozenten.

Eine Befreiung kommt aber auch nicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI in Betracht. Die Vorschrift lautet: Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ... versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, werden auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie 1. glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten und 2. vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder 3. vor dem 10. Dezember 1998 eine anderweitige Vorsorge im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 oder Satz 2 für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene getroffen haben; Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und 3 und Satz 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Datums 30. Juni 2000 jeweils das Datum 30. September 2001 tritt. Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.

Diese Vorschrift ist angefügt durch Artikel 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des SGB IV vom 3. April 2001 (BGBl. 2001 I Nr. 14, 467) und seit dem 7. April 2001 in Kraft. Sie hat den darin bezeichneten Selbständigen eine dem Abs.5 des § 231 SGB VI nachgebildete und zeitlich bis zum 30. September 2001 befristete Befreiungsmöglichkeit eröffnet, da viele Selbständige erst im Zuge der zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Einführung der Rentenversicherungspflicht für so genannte arbeitnehmerähnliche Selbständige nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erstmals erfahren haben, dass sie schon vor In-Kraft-Treten dieser Neuregelung rentenversicherungspflichtig waren; dies galt insbesondere für viele nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI seit dem 1. Januar 1992 versicherungspflichtige selbständige Lehrer (vgl. Bundestags-Drucksache 14/5095).

Die Vorschrift ist für den Kläger nicht einschlägig. Zwar hat er am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt; er hat auch rechtzeitig bis zum 30. September 2001 den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Weiterhin ist glaubhaft, dass er bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von der Versicherungspflicht hatte, was nicht weiter vertieft werden muss. Da der Kläger jedoch nicht vor dem 2. Januar 1949 geboren ist, kann er nur von der Rentenversicherungspflicht befreit werden, wenn er die Voraussetzungen einer entsprechenden anderweitigen Vorsorge im Sinne des § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 SGB VI erfüllt. Das ist entgegen der Auffassung des Klägers jedoch nicht der Fall. Der Kläger hätte vor dem Stichtag 10. Dezember 1998 mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abschließen müssen, in dem die Risiken der Invalidität, des Alters und des Todes abgesichert sind (vgl. § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Mit Gesetz vom 20. Dezember 1999 wurde die als Befreiungsvoraussetzung notwendige Vorsorge auf den Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 vergleichbare Formen der Vorsorge ausgedehnt (vgl. § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 SGB VI), die aber dementsprechend nicht nur die Altersvorsorge betreffen dürfen, sondern auch den Fall der Invalidität und des Todes absichern müssen (vgl. hierzu Kasseler Kommentar - Gürtner § 231 SGB VI Rdnr. 14 ff.).

Eine entsprechende anderweitige Vorsorge hat der Kläger nicht getroffen, denn er kann weder eine mit einem öffentlichen oder privaten Unternehmen abgeschlossene Lebens- oder Rentenversicherung noch eine betriebliche Altersvorsorge oder eine Vorsorge durch Vermögenswerte oder z.B. einen entsprechenden Sparvertrag vorweisen. Die von dem Kläger in der Zeit von 1966 bis 1991 geleisteten Beiträge in die Rentenkasse der DDR stellen schon deshalb keine entsprechende Vorsorge dar, weil sie nicht in einem Zusammenhang mit der selbständigen Dozententätigkeit des Klägers stehen. Dies ist aber erforderlich, denn die anderweitige Vorsorge im Sinne des § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 SGB VI soll eine Kompensation für die grundsätzlich für die Dozententätigkeit bestehende Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung darstellen. Auch die erstmals im Berufungsverfahren von dem Kläger angegebene 1993 abgeschlossene Unfallversicherung stellt keine anderweitige Versorgung im Sinne des Gesetzes dar, denn sie sichert ausdrücklich nur den Versicherungsfall der Invalidität ab und ist daher schon deshalb nicht ausreichend. Eine Befreiungsmöglichkeit von der gesetzlichen Rentenversicherung besteht daher für den Kläger nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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