L 15 A 27/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 A 27/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Klägers, die Richterin L wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts Berlin, Richterin L, hat keinen Erfolg.

Nach § 60 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) können Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Sicht des Ablehnenden, sondern danach, ob vom Standpunkt des Beteiligten aus bei vernünftiger Betrachtung objektiv die Besorgnis begründet ist, der Richter werde das Rechtsschutzbegehren nicht unparteilich bearbeiten und entscheiden. Dabei sind gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 44 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz ZPO die Ablehnungsgründe glaubhaft zu machen.

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Der Senat kann bei verständiger Würdigung des Sach- und Streitstandes glaubhaft gemachte Gründe für die behauptete Voreingenommenheit der Vorsitzenden der Kammer des Sozialgerichts Berlin zum Nachteil des Klägers nicht erkennen.

Soweit der Kläger rügt, die abgelehnte Richterin habe eine Fehlentscheidung getroffen, indem sie einen praktischen Arzt mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt habe, und habe zudem auf seinen Antrag, den beauftragten praktischen Arzt durch einen Orthopäden, Neurochirurgen oder Neurologen zu ersetzen, nicht ordnungsgemäß reagiert, verhilft dieses Vorbringen seinem Ablehnungsgesuch nicht zum Erfolg. Denn der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang, dass eventuelle Fehler bei der Bearbeitung des Rechtsstreits für sich genommen nicht ausreichen, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Da jedem Richter nicht nur bezüglich der Entscheidung selbst, sondern auch schon im Vorfeld dieser Entscheidung hinsichtlich der prozessleitenden Verfügungen und Aufklärungsanordnungen im Rahmen der ihm nach Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verliehenen Unabhängigkeit ein weiter Ermessensspielraum zusteht, sind derartige Fehler grundsätzlich nur für ein eventuelles Rechtsmittelverfahren von Bedeutung. Für das Ablehnungsverfahren haben sie Relevanz demgegenüber nur dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die bei vernünftiger Betrachtung objektiv den Eindruck hervorrufen können, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des abgelehnten Richters oder auf Willkür beruht. Anhaltspunkte hierfür liegen indes im Fall des Klägers nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist zunächst nicht ersichtlich, dass die abgelehnte Richterin seinen Antrag auf Auswechslung des von ihr beauftragten Sachverständigen bei Abfassung ihres Schreibens vom 5. August 2004 bewusst außer Betracht gelassen haben könnte. Vielmehr ist bereits nach dem Eingangssatz des beanstandeten Schreibens davon auszugehen, dass sie mit ihrem Schreiben allein auf die ihr zuvor per Telefon gemachte Mitteilung des von ihr beauftragten Sachverständigen reagieren wollte, der Kläger wolle sich von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht untersuchen lassen. Dies wird nachhaltig dadurch bestätigt, dass die abgelehnte Richterin den Kläger unter Bezugnahme auf seinen Antrag auf Auswechslung des Sachverständigen unter dem 6. August 2004 nochmals gesondert angeschrieben und unter Hinweis auf die Ausführungen in ihrem Schreiben vom Vortag darauf hingewiesen hat, es sei nicht beabsichtigt, einen orthopädischen Gutachter von Amts wegen zu benennen. Dieses Schreiben wäre unnötig gewesen, hätte die abgelehnte Richterin den Antrag des Klägers auf Auswechslung des Sachverständigen bewusst übergehen wollen.

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich dem Schreiben der abgelehnten Richterin vom 5. August 2004 auch sonst nicht entnehmen, dass sie im vorliegenden Fall die Grenze zur Unsachlichkeit oder Willkür überschritten haben könnte. So spricht aus der Sicht eines verständigen Dritten zunächst nichts dafür, dass sie den Kläger über die Qualifikation des von ihr ausgewählten Sachverständigen habe täuschen wollen. Wie der Kläger zu Recht vorträgt, hat die abgelehnte Richterin den von ihr mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragten praktischen Arzt zwar im Eingangssatz des Schreibens vom 5. August 2004 als Allgemeinmediziner bezeichnet. Diese Bezeichnung lässt sich jedoch bei vernünftiger Betrachtung nur auf einen bloßen Irrtum zurückführen, der möglicherweise dadurch entstanden ist, dass der Sachverständige zuvor in einem Telefonvermerk der Geschäftsstelle der Kammer vom 27. Juli 2004 als "Allgemeinarzt" bezeichnet worden war. Auch nach dem sonstigen Inhalt des Schreibens vom 5. August 2004 liegen Anhaltspunkte dafür, dass die abgelehnte Richterin den Kläger über die Qualifikation des Sachverständigen habe täuschen wollen, nicht vor. Denn in diesem Schreiben hat sich die abgelehnte Richterin gerade nicht mit der Qualifikation des Sachverständigen beschäftigt, sondern Ausführungen dazu gemacht, welche Auswirkungen eine mögliche Weigerung des Klägers, sich von dem von ihr ausgewählten Sachverständigen untersuchen zu lassen, eventuell nach sich ziehen könnten.

Bei vernünftiger Betrachtung hat die abgelehnte Richterin mit ihrem Schreiben vom 5. August 2004 entgegen der subjektiven Sicht des Klägers auch nicht den Eindruck erweckt, sie versuche auf ihn in unzulässiger Weise massiven Druck auszuüben, sich der Begutachtung durch einen fachlich inkompetenten Sachverständigen zu unterziehen. Denn die von ihr erteilten Hinweise darauf, welche Rechtsfolgen mit der Weigerung des Klägers, ihrer Aufklärungsanordnung Folge zu leisten, verbunden sein könnten und welche Möglichkeiten ihm offen stünden, einen von ihm gewünschten Gutachter zu hören, halten sich nicht nur sprachlich in einem angemessenen Rahmen, sondern dienen aus der Sicht eines verständigen Dritten gerade dazu, dem Kläger zu den nach Auffassung der abgelehnten Richterin maßgeblichen Sach- und Rechtsfragen rechtliches Gehör zu gewähren. Sie entsprechen mithin dem in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verankerten prozessualen Grundrecht auf ein faires Verfahren und vermögen vor diesem Hintergrund die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen.

Schließlich lässt sich die Besorgnis der Befangenheit auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass die abgelehnte Richterin in ihrer dienstlichen Äußerung vom 24. August 2004 lediglich ausgeführt hat, sie halte sich nicht für befangen. Denn der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang, dass die dienstliche Äußerung im Sinne des § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 44 Abs. 3 ZPO nur den Sinn hat, den entscheidungserheblichen Sachverhalt festzustellen, sie sich mithin allein auf die dem Ablehnungsgesuch zugrunde gelegten Tatsachen zu beziehen hat (vgl. stellvertretend Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 44 Rdnr. 3). Diese Tatsachen lassen sich hier jedoch allein anhand der Gerichtsakte verifizieren, so dass es im vorliegenden Fall einer weitergehenden dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin nicht bedurfte. Sonstige Gründe, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, hat der Kläger nicht dargetan.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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