L 16 RA 163/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 RA 591/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 163/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Die 1952 geborene Klägerin hatte nach einer Ausbildung zur Krankenschwester den Beruf der medizinisch-technischen Assistentin erlernt. Sie war in diesem Beruf bis 31. Dezember 1992 und nach einer zwischenzeitlichen selbständigen Tätigkeit vom 1. Januar 1993 bis 31. August 1996 vom 1. September 1996 bis zum Eintritt dauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (AU) am 3. Februar 1998 versicherungspflichtig beschäftigt. In der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. März 1995 legte die Klägerin keine rentenrechtlichen Zeiten zurück. Nach der Gewährung von Krankengeld bis zum 3. August 1999 bezog die Klägerin seit 4. August 1999 Leistungen vom Arbeitsamt bzw. von der Bundesagentur für Arbeit, und zwar Arbeitslosengeld bis zum 25. März 2001 und Anschluss-Arbeitslosenhilfe bis zum 2. August 2003.

Die Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 auf Grund folgender Leiden: organisches Nervenleiden, Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Gelenke, rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom, Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers (1997), Schulter-Arm-Syndrom links mit Funktionsbehinderung, atopisches Ekzem, Rhinokonjunktivitis allergica, Karpaltunnel-Syndrom links, Hepatitis B (1993), Augenleiden (Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 1. Dezember 1999). Das Merkzeichen "G" wurde zuerkannt.

Im September 1999 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog einen Entlassungsbericht der W-Klinik B W vom 12. Mai 1999 (stationäre Behandlung im Rahmen einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 16. März 1999 bis 13. April 1999) sowie Befundberichte von dem behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. R vom 5. Dezember 1999 und von dem Orthopäden Dr. H vom 23. November 1999 bei und ließ die Klägerin durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K untersuchen und begutachten. Diese Ärztin schloss eine verbliebene Leistungsfähigkeit der Klägerin in ihrer bisherigen Tätigkeit aus, hielt sie aber für vollschichtig einsetzbar im Rahmen körperlich leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten im Sitzen unter Berücksichtigung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen. Dieser Zustand bestehe seit dem Beginn der dauernden AU am 3. Februar 1998 (Gutachten vom 19. Januar 2000; Zustand nach ungeklärter Erkrankung des zentralen Nervensystems -ZNS-, Verdacht auf entzündliche Erkrankung, Verdacht auf vaskuläre Encephalopathie, depressive Störung im Sinne einer Anpassungsstörung, somatoforme Störung, leichtes hirnorganisches Psychosyndrom). Mit Bescheid vom 31. März 2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Im Widerspruchsverfahren holte sie noch ein Gutachten von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie K vom 12. September 2000 ein. Dieser Arzt attestierte der Klägerin seit "März 1998" ein aufgehobenes Leistungsvermögen (unklare ZNS-Erkrankung, depressive Anpassungsstörung, rezidivierende Schmerzzustände bei degenerativen und traumatischen Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke, Asthma bronchiale). Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in der Person der Klägerin im Hinblick auf die am 3. Februar 1998 eingetretene EU nicht erfüllt seien. Sie habe in dem danach maßgebenden Fünfjahreszeitraum vom 3. Februar 1993 bis zum 2. Februar 1998 nur 35 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, die zur EU führende ZNS-Erkrankung liege erst seit dem 26. März 1998 vor (Attest von Prof. Dr. R). Zuvor sei sie allein wegen Kopfschmerzen und dem Sehen von Doppelbildern krankgeschrieben gewesen. Bei Eintritt der AU am 3. Februar 1998 sei prognostisch noch nicht von einer dauernden Erwerbsminderung auszugehen gewesen. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat einen Entlassungsbericht der Sch-Klinik vom 8. April 1998 (stationäre Behandlung vom 10. März 1998 bis zum 25. März 1998; Verdacht auf entzündliche ZNS-Erkrankung) beigezogen und Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von Prof. Dr. R vom 2. Mai 2001, von Dr. H vom 19. April 2001, von dem Hautarzt Dr. M vom 16. April 2001, von der Internistin Dr. K vom 20. April 2001, von der Augenärztin Dr. H vom 12. April 2001 und von dem Allgemeinmediziner Dr. K vom 3. Juli 2001. Ferner sind Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung B (MDK) vom 22. September 1998 (Ärztin R) und vom 10. Januar 1999 (Arzt G) sowie Entlassungsberichte des J Krankenhauses B vom 24. November 2001, 20. Februar 2002, 20. März 2002, 25. April 2002, 24. Mai 2002, 22. Juni 2002, 22. Juli 2002, 22. August 2002 und 27. September 2002 zu den Gerichtsakten genommen.

Das SG hat den Neurologen Prof. Dr. H als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 13. Mai 2003 (Untersuchung am 6. Mai 2003) u.a. ausgeführt, dass die Klägerin auf Grund der nicht sicher einzuordnenden ZNS-Erkrankung "eindeutig" bereits ab Februar 1998 nicht mehr leistungsfähig gewesen sei. Die Klägerin sei ab dem 3. Februar 1998 auch wegen dieser Erkrankung arbeitsunfähig gewesen.

Das SG hat die auf Gewährung von Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU gerichtete Klage mit Urteil vom 10. Oktober 2003 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Hinblick auf die am 3. Februar 1998 eingetretene EU nicht erfüllt seien. Die Klägerin sei seit dem Eintritt dauernder AU am 3. Februar 1998 erwerbsunfähig. Das Gericht stütze sich bei dieser Feststellung auf das schlüssige und überzeugende Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H. Die Klägerin sei seit dem 3. Februar 1998 nicht wegen eines gar nicht vorliegenden Bandscheibenvorfalles, sondern wegen der Beschwerden krankgeschrieben worden, die der Sachverständige eindeutig als Symptome der entzündlichen ZNS-Erkrankung beschrieben habe. Dass ab dem 3. Februar 1998 zunächst nur eine akute vorübergehende Erkrankung vorgelegen habe und erst der Hinzutritt der ZNS-Erkrankung im März 1998 zu einer dauerhaften Beeinträchtigung geführt habe, halte die Kammer für ausgeschlossen. Ausgehend vom Eintritt der EU am 3. Februar 1998 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU nicht erfüllt.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Es sei nach wie vor ungeklärt, zu welchem Zeitpunkt tatsächlich EU eingetreten sei. Das Gutachten von Prof. Dr. H überzeuge insoweit nicht, zumal sich der im Verwaltungsverfahren gehörte Sachverständige K anderslautend geäußert habe. Bei ihr seien Anfang Februar 1998 Kopfschmerzen aufgetreten, die zu der ersten Krankschreibung geführt hätten. Erst während des Aufenthaltes in der Sch-Klinik im März 1998 seien - erstmalig - Verdachtsmomente für eine ZNS-Erkrankung festgestellt worden, die sodann zur AU-Bescheinigung vom 26. März 1998 geführt hätten. Es sei daher ungeklärt, wann sich bei ihr die ZNS-Erkrankung tatsächlich entwickelt bzw. ein zur Annahme von EU führendes Maß erreicht habe. Auf die Schriftsätze der Klägerin vom 23. Februar 2004, 15. September 2004 und 27. Oktober 2004 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Oktober 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. September 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H Bezug genommen.

Die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes B, die Leistungsakte der Agentur für Arbeit R, die Verwaltungsakten der Beklagten (Renten- und Rehabilitationsakten) und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU oder auch nur auf Gewährung von Rente wegen BU für die Zeit ab 1. September 1999 (Antragsmonat). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür sind in der Person der Klägerin nicht erfüllt.

Der von der Klägerin erhobene Anspruch bestimmt sich noch nach den §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert), weil die Klägerin ihren Rentenantrag im September 1999 gestellt hat und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (auch) für Zeiträume vor dem 1. Januar 2001 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).

Die Vorschriften der §§ 43, 44 SGB VI setzen beide zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der rentenrechtlich erheblichen Erwerbsminderung voraus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss entweder BU oder EU vorliegen (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

Die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der so genannten Drei-Fünftel-Belegung nach den §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI wurde mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführt und betrifft alle Fälle, in denen EU bzw. BU nach dem 31. Dezember 1983 eingetreten ist. Lag EU bzw. BU - wofür vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - bis zu diesem Zeitpunkt bereits vor, bestand und besteht ein Anspruch auf Rente wegen EU bzw. BU bereits ohne die Drei-Fünftel-Belegung allein durch die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 240 Abs. 2 Satz 1, 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in den bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassungen). Die Klägerin ist seit dem Eintritt der dauernden AU am 3. Februar 1998 erwerbsunfähig. Das Erfordernis der so genannten Drei-Fünftel-Belegung im maßgebenden Rahmenzeitraum vom 3. Februar 1993 bis zum 2. Februar 1998 ist mithin nicht erfüllt. Denn die Klägerin hat in diesem Zeitraum nur 35 Monate, und zwar vom 1. April 1995 bis zum 2. Februar 1998, mit Pflichtbeiträgen belegt.

Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, die wegen Erkrankung oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI).

Die Klägerin ist seit dem 3. Februar 1998 auf Dauer erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Denn sie verfügt seit diesem Zeitpunkt nicht mehr über ein Leistungsvermögen, mit dem sie in der Lage wäre, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt. Bezüglich der Beurteilung des Restleistungsvermögens und des Zeitpunkts des Eintritts dieser Leistungsminderung folgt der Senat dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H. Das Gutachten dieses Arztes dokumentiert eine sorgfältige Meinungsbildung nach umfassender Befunderhebung und Untersuchung sowie eingehender Würdigung der in den Verwaltungs- und Gerichtsakten enthaltenen Vorbefunde und Vorgutachten, und die Begründung der Ergebnisse in diesem Sachverständigengutachten - gerade im Hinblick auf den Zeitpunkt des Eintritts der EU begründenden Leistungsminderung - ist hierbei schlüssig und nachvollziehbar aus den getroffenen medizinischen Feststellungen hergeleitet worden. Prof. Dr. H hat einsichtig dargelegt, dass die Klägerin bereits seit dem Eintritt der dauernden AU am 3. Februar 1998 über kein wirtschaftlich verwertbares Leistungsvermögen mehr verfügte, und damit erst recht nicht über ein vollschichtiges Leistungsvermögen, und zwar auf Grund von Gesundheitsstörungen, die auf die noch immer nicht eindeutig diagnostisch zuzuordnende ZNS-Erkrankung zurückzuführen sind. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Klägerin in der Zeit vom 3. Februar 1998 bis zur Ausstellung der AU-Bescheinigung vom 26. März 1998 (nur) an einer akuten Erkrankung gelitten hätte, die lediglich vorübergehend ihre Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt hätte. Insbesondere lag bei der Klägerin in diesem Zeitraum entgegen ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 16. November 2001 kein "beginnender Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule" vor, der ursächlich für die Krankschreibung ab 3. Februar 1998 gewesen wäre. Die Klägerin befand sich im fraglichen Zeitraum nicht einmal in orthopädischer Behandlung. Die erste Vorstellung beim Orthopäden Dr. H erfolgte erst am 30. Juni 1998 (vgl. den Befundbericht dieses Arztes vom 19. April 2001). Im Übrigen ist es ohne Belang, auf welcher Ursache eine dauernde, zur Annahme von EU führende Leistungsminderung beruht. Dass ein dauerhaft aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin bereits seit dem 3. Februar 1998 besteht, wird auch von dieser selbst nicht in Abrede gestellt. Dass sie bereits im Februar 1998 an Beschwerden litt, die letztlich zur Abklärung einer ZNS-Erkrankung führten, folgt schließlich auch aus dem Entlassungsbericht der Sch-Klinik vom 8. April 1998 (stationäre Behandlung vom 10. März 1998 bis zum 25. März 1998). Denn dort wird u.a. ausgeführt, dass die Klägerin bei der Aufnahme über vor etwa vier Wochen langsam schleichend einsetzende Kopfschmerzen berichtet habe. Dies deckt sich mit dem Eintritt der AU am 3. Februar 1998. Wann konkret die Diagnose einer ZNS-Erkrankung gestellt wurde, kann ebenfalls dahinstehen. Denn es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Leistungsvermögen der Klägerin ab 3. Februar 1998 aufgehoben war und ist.

Aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Arztes K folgt keine andere Beurteilung. Zwar hat dieser Arzt ausgeführt, dass sich die unklare ZNS-Erkrankung "seit März 1998" entwickelt habe. Mit dem Beginn der AU bereits am 3. Februar 1998 hat sich dieser Sachverständige aber ebenso wenig auseinandergesetzt wie mit den - ihm gar nicht vorliegenden - ärztlichen Unterlagen der Sch-Klinik. In der Gesamtschau ist damit ein Eintritt der EU (erst) nach Ablauf des Monats Februar 1998 nicht feststellbar. Damit sind - wie bereits dargelegt - die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von EU-Rente und im Übrigen auch von BU-Rente nicht erfüllt.

Die Klägerin hat für die Zeit ab 1. Januar 1984 auch nicht durchgehend Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne der §§ 240 Abs. 2 Satz 1, 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassungen zurückgelegt und ihren Versicherungsschutz auch nicht durch die Entrichtung freiwilliger Beiträge aufrecht erhalten. Nach den §§ 240 Abs. 2 Satz 1, 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassungen sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der EU bzw. BU für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der BU bzw. EU mit Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine der nachfolgenden Zeiten liegt, Berücksichtigungszeiten, soweit während dieser Zeiten keine bzw. eine nicht mehr als geringfügige selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, Zeiten des Bezuges einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeiten oder Zeiten des gewöhnlichen Aufenthaltes im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 belegt ist. Die Klägerin hat zwar die allgemeine Wartezeit vor dem 1. Januar 1984 erfüllt, sie hat jedoch bis zum Eintritt der EU am 3. Februar 1998 nicht durchgehend Anwartschaftserhaltungszeiten zurückgelegt.

Die so genannte Drei-Fünftel-Belegung ist auch dann entbehrlich, wenn die EU bzw. BU auf Grund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (vgl. §§ 43 Abs. 4, 44 Abs. 4 SGB VI). Auch ein derartiger Tatbestand liegt bei der Klägerin nicht vor, weil sie jedenfalls nicht wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, einer Wehr- oder Zivildienstbeschädigung oder eines Gewahrsams erwerbsunfähig geworden ist und BU bzw. EU auch nicht vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eingetreten ist (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VI).

Die Klägerin kann zur Anwartschaftserhaltung auch rückwirkend keine freiwilligen Beiträge mehr zahlen. Denn freiwillige Beiträge sind grundsätzlich nur wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden (vgl. § 197 Abs. 2 SGB VI). Zwar kann in Fällen besonderer Härte nach § 197 Abs. 3 SGB VI, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der genannten Frist zugelassen werden, wenn die Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin an der rechtzeitigen Zahlung freiwilliger Beiträge ohne Verschulden in der Zeit ab 1. Januar 1993 gehindert gewesen wäre. Auch Rechtsunkenntnis oder wirtschaftliche Schwierigkeiten begründen keine Schuldlosigkeit der Versicherten an der nicht erfolgten Beitragszahlung.

Auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist eine Zulassung der Klägerin zur Zahlung freiwilliger Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 1993 nicht möglich. Der Herstellungsanspruch ist von der Rechtsprechung entwickelt worden. Er verpflichtet die Behörde dort, wo der Versicherten durch Verwaltungsfehler ein Nachteil in ihren sozialen Rechten entstanden ist, den sozialrechtlichen Zustand herzustellen, der bestanden hätte, wenn die Behörde von Anfang an richtig gehandelt hätte. Da es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, setzt der Herstellungsanspruch kein Verschulden voraus (vgl. BSGE 49, 76). In Betracht käme hier nach Lage der Sache nur ein Beratungsfehler, der dazu geführt hat, dass es die Klägerin mangels ausreichender Information versäumt hat, rechtzeitig freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen und damit ihre Anwartschaft auf Gewährung von Rente wegen EU bzw. BU zu sichern. Anhaltspunkte für einen derartigen Beratungsfehler der Beklagten oder eines anderen Sozialleistungsträgers (vgl. bei Beratungsfehlern anderer Behörden: BSGE 51, 89; BSG SozR 1200 § 14 Nrn. 19, 29) sind jedoch nicht ersichtlich. Mangels eines entsprechenden Beratungsersuchens der Klägerin bzw. mangels Anhängigkeit eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens war die Beklagte bei Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin und Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zum 1. Januar 1993 nicht verpflichtet, die Klägerin auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung für die Zeit ab 1. Januar 1993 hinzuweisen, zumal im Hinblick auf die vorher zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem Eintritt verminderter Erwerbsfähigkeit bis spätestens im Januar 1995 noch erfüllt waren. Es bestand seinerzeit auch kein konkreter Anlass, der die Beklagte verpflichtet hätte, von sich aus auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jeder verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt worden wären (ständige Rechtsprechung des BSG: vgl. BSG SozR 3-5750 Artikel 2 § 6 Nr. 7; BSG SozR 3-1200 § 14 Nrn. 5, 6). Weder hatte sich die Klägerin an die Beklagte gewandt noch bestand ein Sozialrechtsverhältnis, das die Beklagte zur entsprechenden Auskunft und Beratung verpflichtet hätte. Ohne besonderen Anlass war die Beklagte aber nicht verpflichtet, die Klägerin individuell darüber zu informieren, dass die Anwartschaft auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durch die Zahlung freiwilliger Beiträge aufrecht erhalten werden konnte (vgl. BSG, Urteil vom 17. August 2000 -B 13 RJ 87/98 R- nicht veröffentlicht). Auch etwaige beratungsrelevante Kontakte der Klägerin zu anderen Behörden sind für den maßgeblichen Zeitraum nicht ersichtlich.

Da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Hinblick auf die am 3. Februar 1998 eingetretene Leistungsminderung der Klägerin nicht erfüllt sind, scheidet auch ein Anspruch auf BU-Rente aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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