L 16 RA 133/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 RA 5847/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 133/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1937 geborene Kläger war in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 1. Juni 1972 bis zum 31. Januar 1990 beim Zentralen Büro für B (ZBfBR) beim Ministerrat der DDR als "Angestellter" beschäftigt; das ZBfBR bildete mit Wirkung vom 1. Oktober 1978 die Abteilung B innerhalb der Arbeitsgruppe XVII des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Mit Wirkung vom 1. März 1971 war der Kläger in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (FZASt; Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz -AAÜG-) einbezogen worden (Beitragsnachweiskarte der FZASt).

Mit Bescheid vom 25. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2000 stellte die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Versorgungsträger im Sinne von § 8 Abs. 4 AAÜG die Zeit vom 1. Oktober 1978 bis zum 31. Januar 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS/Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) - Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG - fest und teilte die in diesem Zeitraum erzielten tatsächlichen Entgelte und die jeweiligen Durchschnittsentgelte im Beitrittsgebiet mit. Der Kläger sei ab 1. Oktober 1978 in das Versorgungssystem des MfS übernommen worden.

Im Klageverfahren hat die Beklagte Unterlagen der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) über den Kläger zu den Gerichtsakten gereicht; hierauf wird Bezug genommen.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Verpflichtung der Beklagten zur Bescheinigung seiner "unbegrenzten" Arbeitsentgelte in der Zeit vom 1. Oktober 1978 bis zum 31. Januar 1990 gerichtete Klage mit Urteil vom 27. August 2003 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Während des streitigen Zeitraums habe eine Zugehörigkeit des Klägers zum Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG bestanden, so dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Feststellungen zu treffen, die sich nach der Anwendung von § 7 Abs. 1 AAÜG ergäben. Ungeachtet der Erteilung einer Versorgungszusage nach der FZASt unterfalle die Tätigkeit des Klägers jedenfalls für die Zeit ab 1. Oktober 1978 dem Versorgungssystem des MfS. Dies folge bereits aus der Ordnung über die Entlohnung und soziale Versorgung der Angestellten des ZBfBR beim Ministerrat der DDR vom 20. Juli 1978, nach der die Angestellten des ZBfBR für die Dauer ihrer Tätigkeit der Versicherungspflicht nach der Versorgungsordnung des MfS unterlegen hätten und bei Erreichung der Altersgrenze, bei Invalidität oder bei Tod in Anwendung der Bestimmungen der Versorgungsordnung des MfS Rente durch das MfS zu zahlen gewesen sei (Ziffern 5.1 und 5.4 der Ordnung). Dass dies auch im Falle des Klägers so gewesen sei, folge aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen der BStU. Dahinstehen könne, ob der Kläger selbst Mitarbeiter des MfS gewesen sei. Denn § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stelle allein auf die Zugehörigkeit zum Versorgungssystem des MfS ab.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er sei niemals Mitarbeiter des MfS gewesen und auch nicht in die Versorgungsordnung des MfS aufgenommen worden; auf den Schriftsatz vom 7. Januar 2005 nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, gegenüber dem Rentenversicherungsträger seine Arbeitsentgelte für die Zeit vom 1. Oktober 1978 bis zum 31. Januar 1990 unbegrenzt, d.h. in tatsächlich gezahlter Höhe, zu bescheinigen, hilfsweise das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weiter verfolgt, ist nicht begründet. Denn diese Klage ist bereits unzulässig.

Der Kläger hat sowohl bei dem SG als auch im Berufungsverfahren (ausschließlich) beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, dem Rentenversicherungsträger das Arbeitsentgelt für den in Rede stehenden Zeitraum "unbegrenzt", d.h. in tatsächlich gezahlter Höhe, zu bescheinigen. Insoweit besteht auch eine Kompetenz und Befugnis der Beklagten als Versorgungsträger im Sinne von § 8 Abs. 4 AAÜG, eine entsprechende feststellende Regelung durch Verwaltungsakt zu treffen (vgl. zur Regelungsbefugnis des Versorgungsträgers BSG, Urteile vom 18. Juli 1996 = SozR 3-8570 § 8 Nr. 2; vom 4. August 1998 - B 4 RA 4/96 R - nicht veröffentlicht; vom 10. November 1998 - B 4 RA 30/98 R - nicht veröffentlicht; vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 6/01 R = SozR 3-8570 § 8 Nr. 7). Es besteht aber insoweit nicht die Möglichkeit, dass der Kläger durch die entsprechende Feststellungsentscheidung der Beklagten in Rechten beeinträchtigt, also beschwert und demzufolge klagebefugt sein kann. Denn die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 25. April 2000 die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte des Klägers festgestellt und damit das Klagebegehren bereits erfüllt, ohne dass es diesbezüglich der Einreichung einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bedurft hätte. Dem Klagebegehren lässt sich auch nicht entnehmen, dass sich der Kläger gegen die von der Beklagten festgestellten Zugehörigkeitszeiten zum Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG in der Zeit vom 1. Oktober 1978 bis zum 31. Januar 1990 wendet. Die entsprechende Feststellung der Beklagten ist somit in Bestandskraft erwachsen (vgl. § 77 SGG) und für die Beteiligten und das Gericht bindend.

Selbst wenn sich das Begehren des rechtskundig vertretenen Klägers bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) im Hinblick darauf, dass er durchgängig während des Verfahrens behauptet hat, nicht der Versorgungsordnung des MfS zu unterfallen, sondern Zugehörigkeitszeiten zur FZASt zurückgelegt zu haben, dahingehend auslegen ließe, dass er sich mit der Anfechtungsklage auch gegen die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG durch die Beklagte wendet, wäre die Anfechtungsklage zwar (nur) insoweit zulässig, aber nicht begründet. Denn der Kläger hat in der Zeit vom 1. Oktober 1978 bis zum 31. Januar 1990 Zugehörigkeitszeiten im Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG zurückgelegt.

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG ist die Beklagte als Sonderversorgungsträger im Sinne von § 8 Abs. 4 AAÜG berufen, die dort genannten Daten vorzumerken, die für die Feststellung der Rangstelle und des Wertes des Rentenrechts oder diesbezügliche Anwartschaften durch den Rentenversicherungsträger von Bedeutung sein können. Dies sind (nur) Daten über die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, die Höhe des aus der vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenzen im Sinne des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG sowie des § 7 Abs. 1 AAÜG und in den Fällen des § 8 Abs. 1 Satz 3 AAÜG die Feststellung von Arbeitsausfalltagen.

Die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten des Klägers zu einem Versorgungssystem richtet sich nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, während sich die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenze des § 7 Abs. 1 AAÜG aus dem Satz 1 dieser Vorschrift ergeben. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist gemäß objektiver Auslegungskriterien des Bundesrechts zu ermitteln, ob und wann konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 des AAÜG aufgelistet worden ist. Auf die Auslegung der Versorgungsordnungen durch die Staatsorgane der DDR oder auf deren Verwaltungspraxis kommt es nicht an. Unerheblich ist insoweit auch, ob in der DDR - wie im Falle des Klägers auf Grund der FZASt - konkret eine Versorgungszusage erteilt worden war und ob diese nach DDR-Recht konstitutive oder deklaratorische Bedeutung hatte (vgl. BSG, Urteil vom 4. August 1999 - B 4 RA 1/99 R = SozR 3-8570 § 5 Nr. 5). Der Kläger hat in dem streitbefangenen Zeitraum Zugehörigkeitszeiten zum Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG im Sinne von § 5 AAÜG zurückgelegt. Denn er hat eine entgeltliche Beschäftigung beim ZBfBR ausgeübt, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung im Versorgungssystem des MfS zumindest ab 1. Oktober 1978 vorgesehen war (vgl. die Ordnung über die Entlohnung und soziale Versorgung der Angestellten des ZBfBR vom 20. Juli 1978, in Kraft getreten ab 1. Oktober 1978). Diese Ordnung wurde vom Minister für Staatssicherheit erlassen und sah unmittelbar die Anwendung der Bestimmungen der Versorgungsordnung des MfS vor (vgl. Ziffer 5.1. der Ordnung). Ob der Kläger im Rechtssinne Mitarbeiter des MfS war, ist danach ohne Belang; jedenfalls unterlag er der Beitragspflicht zur Versorgungsordnung des MfS und hatte im Leistungsfalle Ansprüche aus dieser Versorgungsordnung. Ob die Beschäftigung des Klägers beim ZBfBR auch von der FZASt nach der Zuordnung zum MfS ab 1. Oktober 1978 erfasst wurde, bedarf keiner abschließenden Klärung. Denn selbst bei einem derartig unterstellten Konkurrenzverhältnis wäre ebenfalls vom systemnäheren Versorgungssystem, also dem Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG, auszugehen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. Juni 1998 - B 4 RA 61/97 R = SozR 3-8750 § 5 Nr. 4).

Soweit sich der Kläger schließlich mit seinem Vorbringen im Klage- und Berufungsverfahren auch gegen die "Begrenzung" seiner Arbeitsentgelte und damit gegen die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenze des § 7 Abs. 1 AAÜG wenden sollte, wäre die Anfechtungsklage insoweit ebenfalls unzulässig. Denn diese Klage wäre schon wegen eines insoweit fehlenden anfechtbaren Verwaltungsakts der Beklagten nicht statthaft. Die Entscheidung über die rentenversicherungsrechtlichen Fragen, insbesondere die Frage, welche Beitragsbemessungsgrenze für welche Zeiträume und Arbeitsverdienste maßgeblich ist, obliegt allein dem Rentenversicherungsträger. Auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG kann sich daher erst im Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger stellen, so dass das - hilfsweise beantragte - Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des SG Berlin vom 26. April 2004 - S 18 RA 7460/01 - schon aus diesem Grunde nicht in Betracht kam. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 22. Juni 2004 eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung der Vorschrift des § 7 Abs. 1 AAÜG unter Verweis auf sein Urteil vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 138) abgelehnt (-1 BvR 1070/02-).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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