L 16 RA 81/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 299/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 81/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2003 geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Nr. 1 Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Zugehörigkeitszeiten des Klägers zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) für die Zeit - nur noch - vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 1990 sowie die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen.

Der Kläger, geboren 1939, erhielt nach einem Studium an der Humboldt-Uni-versität zu Berlin (HU) ausweislich der Urkunde vom 17. April 1964 den Grad eines "Diplom-Landwirts" verliehen. Nach dem Zeugnis der HU vom 20. Oktober 1978 ist der Kläger außerdem berechtigt, die Berufsbezeichnung "Diplom-Jurist" zu führen.

Nach einer Beschäftigung als Assistent beim Landwirtschaftsrat des Kreises G war der Kläger ausweislich der Eintragungen in den vorliegenden Sozialversicherungsausweisen ab 1. August 1965 als "landwirtschaftlicher Berater" beim VEB Landbaukombinat Neubrandenburg versicherungspflichtig beschäftigt, und zwar bis zum 31. März 1986. Ab 1. April 1986 arbeitete der Kläger beim VEB Berliner Vergaser- und Filterwerke, und zwar nach den Eintragungen in den Ausweisen zunächst als "Gruppenleiter" und ab 1. Januar 1989 als "Ing." durchgehend bis 30. Juni 1990.

Ab 1. Januar 1979 hatte der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) angehört (versichertes Einkommen bis 1.200,- M monatlich). Eine Versorgungszusage hatte der Kläger nicht erhalten; er war auch ansonsten nicht in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Seit 1. Januar 1999 bezieht der Kläger von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Rentenversicherungsträger) eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Alterszeitarbeit.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVTI von 1958 bis 1990 ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. September 2000).

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin Auskünfte der HU vom 13. Juni 2002, 25. Juni 2002, 6. August 2002 und 30. Januar 2003 sowie eine Auskunft der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur vom 8. Oktober 2002 eingeholt. Nachdem die Beklagte vorgetragen hatte, dass es sich sowohl beim VEB Landbaukombinat Neubrandenburg als auch beim VEB Vergaser- und Filterwerke um volkseigene Produktionsbetriebe im Sinne der AVTI handele, hat das SG Handelsregisterauszüge betreffend diese beiden ehemaligen DDR-Betriebe beigezogen. Es hat außerdem Auskünfte vom Landeshauptarchiv Schwerin vom 7. März 2003 und von der Neubrandenburger Baugesellschaft (W. P) vom 1. März 2003 und vom 8. März 2003 erstatten lassen.

Das SG hat mit Urteil vom 24. Juni 2003 die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Zeit vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVTI und die für diese Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei teilweise begründet. Der Kläger habe Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur AVTI für den genannten Zeitraum, da er die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AAÜG erfülle. Er sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgrund verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift den Einbezogenen gleichzustellen. Er erfülle die von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Voraussetzungen, da er am 30. Juni 1990 eine Tätigkeit, und zwar beim VEB Vergaser- und Filterwerke Berlin, ausgeübt habe, die die Voraussetzungen der einschlägigen Verordnung vom 17. August 1950 i.V.m. der Zweiten Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR S. 487 [im Folgenden: 2. DB]) erfülle. Nach diesen Vorschriften hänge ein Anspruch von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Der Kläger erfülle die erste Voraussetzung, da er ab 31. Mai 1976 berechtigt gewesen sei, die Berufsbezeichnung "Diplom-Agraringenieur" zu führen. Diese Berechtigung folge aus § 1 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. DDR Teil II S. 278 [im Folgenden: VO Ing.]) i.V.m. § 4 Abs. 1 der Anordnung über die Erteilung und Führung von Berufsbezeichnungen der Hoch- und Fachschulausbildung vom 3. März 1976 (GBl. Sonderdruck Nr. 869 vom 31. Mai 1976 [im Folgenden: AO 1976]). Danach seien in der DDR zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" u.a. Personen berechtigt gewesen, denen die Berufsbezeichnung "Ingenieur" aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen zuerkannt worden sei. Eine solche andere gesetzliche Bestimmung sei die AO 1976. Diese sei aufgrund des Gesetzes vom 25. Februar 1965 über das Einheitliche Sozialistische Bildungssystem (GBl. I S. 83) vom Minister für Hoch- und Fachschulwesen erlassen worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergebe sich die Berechtigung des Klägers zur Führung der Berufsbezeichnung "Diplom-Agraringenieur" unmittelbar aus den genannten Vorschriften. Aufgrund der von der HU und der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur gegebenen Auskünfte sowie aufgrund der Auslegung des § 4 Abs. 1 im Vergleich mit § 4 Abs. 2 der AO 1976 stehe fest, dass der Kläger in der DDR die Berufsbezeichnung "Diplom-Agraringenieur" habe führen dürfen, ohne dass er hierfür eine besondere Erlaubnis hätte bekommen müssen. Jedenfalls aus der letzten Bescheinigung der HU vom 30. Januar 2003 ergebe sich eindeutig, dass die Auskunft vom 13. Juni 2002 wonach es zur Führung der Berufsbezeichnung eines Antrages an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der DDR bedurft habe, nicht zutreffend gewesen sei und von der HU nicht aufrechterhalten werde. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass der Kläger bereits in der DDR berechtigt gewesen sei, sich Diplom-Agraringenieur zu nennen. Auch die zuständige Senatsverwaltung bestätige dies. Von großer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang der Vergleich von § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 der AO 1976. Wenn es nämlich zuträfe, dass auch für die Absolventen der Universitäten zum Führen einer Berufsbezeichnung ein Antrag an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der DDR notwendig gewesen wäre, so hätte der Anordnungsgeber dies in § 4 Abs. 1 AO 1976 aufgenommen, da er dies bezüglich der Absolventen z.B. von Universitäten von anderen Staaten ebenfalls so angeordnet habe. Der Kläger habe sich also aufgrund der AO 1976 i.V.m. dem Verzeichnis der Berufsbezeichnungen (Ausgabe Nr. 1, Stand vom 31. Dezember 1975, GBl. DDR, Sonderdruck Nr. 869 vom 31. Mai 1976) Diplom-Agraringenieur nennen dürfen, da dieser Abschluss seiner Ausbildung entspreche. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 25/02 R -. Für die Folgezeit nach dem 31. Mai 1976 ergebe sich die Berechtigung des Klägers zur Führung der Berufsbezeichnung Diplom-Agraringenieur aus der AO 1979 bzw. aus der Anordnung über die Erteilung und Führung von Berufsbezeichnungen der Hoch- und Fachschulbildung vom 4. März 1988 (GBl. DDR S. 71 [im Folgenden: AO 1988]). Auch aus der AO 1988 ergebe sich in Bezug auf die Berechtigung des Klägers zum Führen der Berufsbezeichnung ohne besondere Erlaubnis durch das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen nichts anderes. Auch die zweite und die dritte Voraussetzung, nämlich die entsprechende Tätigkeit in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens, habe der Kläger am 30. Juni 1990 erfüllt. Da das AAÜG für den Kläger anwendbar sei, habe die Beklagte gemäß § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG die Entgelte festzustellen, und zwar für den Kläger bezüglich der Zeit vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 1990. In diesem Zeitraum lägen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG vor. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie trägt zur Begründung vor: Der Kläger erfülle entgegen der Auffassung des SG nicht die persönlichen Voraussetzungen der AVTI. Er sei bis zur Schließung der Zusatzversorgungssysteme in der DDR am 30. Juni 1990 nicht berechtigt gewesen, den Titel Ingenieur zu führen. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass die Berechtigung einen staatlichen Zuerkennungsakt erfordere. Demgegenüber genüge es nicht, dass möglicherweise ein Anspruch auf die Führung des Titels bestanden habe (unter Bezug auf BSG vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R -). Völlig unbeachtlich sei, ob der Kläger nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik berechtigt sei, die Berufsbezeichnung, etwa durch die Regelungen zur Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen, zu führen. Eine solche Berechtigung könne sich nur für Zeiten nach dem 2. Oktober 1990 ergeben, also einem Zeitpunkt, zu dem die Versorgungssysteme bereits geschlossen gewesen seien. Die Beklagte verweist schließlich zur Begründung ihrer Rechtsauffassung auf einen Beschluss des BSG vom 31. Januar 2005 - B 4 RA 39/04 B -.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2003 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil des SG und reicht ein Schreiben der HU vom 20. August 2004 ein, korrigiert durch das Schreiben der HU vom 31. August 2004. Außerdem überreicht der Kläger ein Schreiben seines ehemaligen Abteilungsleiters W vom 1. Februar 2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf den Schriftsatz des Klägers vom 28. Mai 2005, Bezug genommen.

Die Akte der BfA (Rentenversicherungsträger), die Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen mit der - zulässigen - Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) durchsetzbaren Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVTI im Zeitraum vom 31. Mai 1976 bis zum 30. Juni 1990 sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 und 2 AAÜG). Das Urteil des SG ist daher aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 AAÜG. Er war beim In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft und es liegt auch keine Einzelfallentscheidung vor, durch die ihm bis zum 1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden wäre. Er hat auch keine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt, und es war ihm in der DDR keine Versorgungszusage durch einen nach Artikel 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt erteilt worden. Schließlich war er auch nicht aufgrund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden; insofern besteht allerdings zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG greift ebenfalls nicht ein, da der Kläger keine Versorgungsberechtigung erlangt hatte, die er vor dem 1. Juli 1990 nach den Regeln einer Versorgungsordnung hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 15, Nr. 3 S. 20 f.).

Der Kläger hatte auch entgegen der vom SG vertretenen Rechtsauffassung nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage aus bundesrechtlicher Sicht keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage. Insoweit ist aufgrund einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG nach der Rechtsprechung des BSG, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, zu prüfen, ob Versicherte, die nicht in eine Zusatzversorgung einbezogen waren, aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (ständige Rechtsprechung: vgl. z.B. BSG SozR 3-8570 § 1 Nrn. 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 sowie Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 35/04 R - nicht veröffentlicht).

Ein derartiger bundesrechtlicher Anspruch auf fiktive Erteilung einer Zusage im Bereich der AVTI (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) hängt gemäß § 1 der AVTI vom 17. August 1950 (GBl. DDR S. 844) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 2. DB zur AVTI von den folgenden drei Voraussetzungen ab, nämlich 1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb - betriebliche Voraussetzung - (vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nrn. 2, 6 und 8 sowie BSG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - B 4 RA 35/04 R -). Dabei kommt es für die Anwendbarkeit des AAÜG nach § 1 Abs. 1 AAÜG in tatsächlicher Hinsicht auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage und rechtsmaßstäblich auf die am 1. August 1991 gegebene bundesrechtliche Rechtslage an (vgl. z.B.: BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 37/04 R -).

Ausgehend hiervon erfüllt der Kläger jedenfalls nicht die persönliche Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage. Denn er hatte ausweislich der Urkunde vom 17. April 1964 ausschließlich die Berechtigung erworben, den Titel eines "Diplom-Landwirts" zu führen; außerdem war ihm nach dem Zeugnis der HU vom 20. Oktober 1978 die Berechtigung verliehen worden, die Berufsbezeichnung "Diplom-Jurist" zu führen. Beide Berufsbezeichnungen sind aber in der AVTI und in der hierzu ergangenen 2. DB, in der die zur technischen Intelligenz gehörenden Berufsgruppen abschließend bezeichnet sind (vgl. insoweit z.B. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 35/04 R -; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 8), nicht aufgeführt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 2. DB gelten als Angehörige der technischen Intelligenz nämlich nur Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete. Nach dem Satz 2 der Vorschrift gehörten dazu ferner Werkdirektoren und Lehrer technischer Fächer an den Fach- und Hochschulen. Das SG hat zwar aufgrund der von ihm durchgeführten umfangreichen Ermittlungen zutreffend herausgearbeitet, dass der Abschluss als "Diplom-Landwirt" jedenfalls in der Zeit ab 31.Mai 1976 den Kläger auch berechtigt hätte, den Titel eines "Diplom-Agraringenieurs" zu führen. Diese Berechtigung hat das SG zu Recht aus § 4 Abs. 1 der AO 1976 und der AO 1979 sowie der AO 1988 hergeleitet. Diese Berechtigung des Klägers, den Titel eines "Diplom-Agraringenieurs" zu führen, steht zur Überzeugung des Senats fest; die HU hat ebenfalls in den von ihr erteilten Auskünften diese Berechtigung bestätigt.

Das SG verkennt indes, indem es den Kläger als "Diplom-Agraringenieur" in den Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten einbezieht, dass die 2. DB zur AVTI verlangt, dass der obligatorisch Einzubeziehende tatsächlich über den "Titel" eines Ingenieurs gemäß der VO Ing. verfügte. Insoweit verdeutlicht nämlich § 1 Abs. 1 Satz 3 2. DB, dass dem berechtigten Personenkreis der "Ingenieure" nur Personen unterfielen, die den Titel eines "Ingenieurs" tatsächlich hatten (vgl. insoweit z.B. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 62/01 R - nicht veröffentlicht; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 8). Vorausgesetzt wird also neben der Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, ein staatlicher Zuerkennungsakt, durch den der Titel tatsächlich verliehen wird. Denn nach § 1 Buchstaben a) bis d) der VO Ing. ist ausnahmslos die "Verleihung" bzw. "Zuerkennung" der Berufsbezeichnung "Ingenieur" erforderlich. Bis zum 30. Juni 1990 war dem Kläger indes der Titel des "Agraringenieurs" nicht zuerkannt worden.

Die aus der AO 1976 folgende Berechtigung des Klägers, den Titel eines "Agraringenieurs" zu führen, lässt sich auch der nach der VO Ing. maßgebenden "Zuerkennung" nicht gleichsetzen. Auch aus § 3 der VO Ing. folgt, dass über die Berechtigung hinaus immer ein staatlicher Zuerkennungsakt erforderlich war, um als "Ingenieur" im Sinne der AVTI firmieren zu können. Nach § 3 VO Ing. waren Personen ohne abgeschlossene ingenieurtechnische Ausbildung über 50 mit einer mindestens 15jährigen erfolgreichen Ingenieurtätigkeit berechtigt, einen Antrag auf Zuerkennung der Berufsbezeichnung "Ing." zu stellen. Die AO 1976 hat dieses Erfordernis der Zuerkennung des Titels "Ingenieur" aus bundesrechtlicher Sicht auch nicht entbehrlich gemacht. Denn die Regelungen der AO 1976, der AO 1979 und der AO 1988 sowie das Gesetz vom 25. Februar 1965 über das Einheitliche Sozialistische Bildungssystem sind nach den Vorschriften des EV kein fortgeltendes Recht, weil sie im EV anders als die versorgungsrechtlichen Regelungen nicht als weitergeltendes - sekundäres - Bundesrecht aufgeführt sind. Ausgehend von der maßgeblichen am 1. August 1991 bestehenden bundesrechtlichen Rechtslage erfüllte der Kläger die persönliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVTI nur dann, wenn ihm die Berechtigung zur Führung des Titels "Agraringenieur" tatsächlich zuerkannt bzw. verliehen worden wäre (vgl. dazu auch BSG, Beschluss vom 31. Januar 2005 - B 4 RA 39/04 B -). Daran fehlt es indes im vorliegenden Fall.

Die Beklagte weist zudem zu Recht darauf hin, dass es im Rahmen der fiktiven Einbeziehung in die AVTI keine Rolle spielt, ob der Kläger nach bundesrechtlichen Rechtsvorschriften über die Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen berechtigt ist, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Denn maßgebend ist ausschließlich die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage.

Eine Gleichstellung des "Diplom-Landwirts" mit dem "Diplom-Agraringenieur" und damit eine Erweiterung der AVTI um eine weitere Personengruppe ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Im Hinblick auf das Verbot von Neueinbeziehungen im EV ist es dem Senat verwehrt, eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über den in den einzelnen Versorgungssystemen vorgesehenen begünstigten Personenkreis hinaus vorzunehmen. Das Verbot der Neueinbeziehung ist verfassungsgemäß; der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR anknüpfen (vgl. z.B.: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 16, Nr. 8 S. 79). Artikel 3 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes gebieten nicht, vorhandene Ungleichheiten rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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