Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 721/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 66/04 -16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Anerkennung und Gewährung von Entschädigung wegen Folgen von Berufskrankheiten (BK) nach Nrn. 1101 (Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen), 1102 (Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen), 1105 (Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen) oder 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1927 in der Ukraine geborene Kläger war von August 1943 bis August 1945 als dienstverpflichteter Internierter in einem Steinkohleschacht im Kusnezker Steinkohlebecken untertage tätig. Danach war er sechs Jahre lang als Schmied in Industriebetrieben in Alexejewa (Gebiet Omsk) tätig. Ab August 1951 bis Januar 1988 war er im Buntmetall-Kombinat Ust-Kamenogorsk/Kasachstan beschäftigt. Dort erlernte er den Beruf eines Elektromonteurs/Elektrikers und war als Schlosser, Elektriker, Kugelmüller, Instandhalter und Produktionsarbeiter (als so genannter Hydrometallurge) beschäftigt. Im Betrieb wurden die aus den umliegenden Bergbaubetrieben angelieferten polymetallischen Erze gebrochen, gemahlen, nach verschiedenen Verfahren getrennt und geschmolzen. In den Kugelmühlen erfolgte damals eine Trockenmahlung. Er hatte Umgang mit Stäuben und Dämpfen von Mangan, Blei, Zink, Zinn, Beryllium, Tellur, Wismut, Uran, Schwefel und Ammoniumchlorid. Während seiner Tätigkeit im Buntmetall-Kombinat hatte er im Rahmen eines Arbeitsunfalls beim Zerplatzen eines Ofen-Gleichrichters eine Quecksilberintoxikation erlitten. Ab dem 26. Januar 1988 bis zur Übersiedlung in die Bundesrepublik bezog der Kläger Altersrente von der Rayon-Sozialversicherung Ust-Kamenogorsk.
Seit 4. August 1993 lebt der Kläger in der Bundesrepublik. Er ist als Spätaussiedler nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannt. Im selben Jahr wurde ihm im Klinikum Buch ein Neurofibrom aus der linken Brustwand entfernt. In der Folgezeit machte er bei ihm bestehende gesundheitliche Beschwerden als Berufskrankheiten geltend. Durch Bescheid vom 6. November 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 und 2109 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung bzw. bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können), ab. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin hatte keinen Erfolg (S 69 U 60/99). Mit Bescheid vom 27. Juni 1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nrn. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung - Silikose), 4103 (Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura) und 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs) der Anlage zur BKV ab. Die dagegen erhobene Klage blieb sowohl beim Sozialgericht Berlin (S 69 U 50/97) als auch beim Landessozialgericht Berlin (L 2 U 13/98) erfolglos. Mit Bescheid vom 6. November 1997 lehnte die Beklagte auch die Anerkennung einer BK nach Nr. 4301 (durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen einschließlich Rhinopathie, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) ab und bezog sich hierbei auf ein lungenfachärztliches Gutachten von Prof. K vom 17. Januar 1996. Klage (beim Sozialgericht Berlin: S 22 U 266/99) und Berufung (beim Landessozialgericht Berlin: L 2 U 6/00) blieben erfolglos. Am 26. August 1999 lehnte die Beklagte außerdem die Entschädigung einer chronischen Magenschleimhautentzündung als BK oder wie eine BK ab. Weder im Klageverfahren (beim Sozialgericht Berlin: S 22 U 186/00) noch im Berufungsverfahren (beim Landessozialgericht Berlin: L 3 U 51/00) hatte der Kläger Erfolg.
Bei dem Kläger ist durch Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 1999 eine BK nach Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Anlage zur BKV mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert anerkannt.
1998 leitete die Beklagte ein weiteres Feststellungsverfahren ein (BK 2.20367.980). Im Rahmen dieses Verfahrens lagen unter anderem vor: ein Schreiben der behandelnden Neurologinnen Dres. W-B und B-D vom 3. September 1998, wonach auf neurologischem Gebiet keine Berufserkrankung vorliege, ein Schreiben des Bezirksamtes Zehlendorf von Berlin vom 9. März 1998, wonach eine Polyneuropathie unklarer Genese sowie eine chronische Gastritis und eine chronische Bronchitis bestünden, ein übersetzter Auszug aus der Krankengeschichte Nr. 16863, wonach am 3. November 1987 eine "chronische zerebrovaskuläre Insuffizienz im vertebrobasiliären Becken, Stadium der Dekompensation, provoziert durch psychoemotionales und physisches Trauma" diagnostiziert worden war, sowie eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit der Lk H vom 27. Januar 1999, wonach Sensibilitätsstörungen der unteren Extremitäten bestanden.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Präventionsbezirks Berlin vom 23. August 1999 ein. Danach war der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit von 1954 bis 1979 schädigenden Einwirkungen von Quecksilberdämpfen, von 1979 bis 1988 Blei oder seinen Verbindungen aus Stäuben und Rauchen aus der Erzaufbereitung und Verhüttung sowie von 1982 bis 1987 Mangan oder seinen Verbindungen aus der Erzaufbereitung ausgesetzt. Weiterhin holte die Beklagte Auskünfte der behandelnden Neurologinnen vom 14. September und 5. Oktober 1999 ein, wonach der Kläger dort wegen Polyneuropathie nicht behandelt worden war. In der Folgezeit erstellte der Chefarzt der Neurologischen Abteilung des K S, Prof. A, am 21. Februar 2000 im Auftrag der Beklagten ein Sachverständigengutachten aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 11. Januar 2000. Danach sei eine für die BK Nr. 1317 erforderliche quantitativ ausreichende organische Lösemittelbelastung rückblickend aus der Arbeitsanamnese nicht fassbar. Hinweise für eine Polyneuropathie oder ein Parkinson-Syndrom durch Manganstäube bestünden nicht. Blutuntersuchungen auf Arsen, Blei und Quecksilber hätten keine pathologischen Werte ergeben, weitere diagnostische Untersuchungen seien allerdings notwendig. Aufgrund einer stationären Untersuchung des Klägers vom 23. Mai bis 6. Juni 2000 erstellte Prof. A am 28. September 2000 ein ergänzendes Gutachten. Nach den während des stationären Aufenthalts durchgeführten Untersuchungen bestanden demzufolge weder Hinweise für eine Neuropathie noch für eine (Blei)Enzephalopathie. Eine exzessive Belastung des Körpers mit Blei oder Quecksilber war nicht nachweisbar. Auch fanden sich keine Hinweise für eine Störung des zentralen Nervensystems durch Mangan. Es wurde darauf hingewiesen, dass beim Kläger zwischenzeitlich ein Prostatakarzinom festgestellt und behandelt worden sei. Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin N vom 4. Januar 2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. März 2001 die Gewährung von Entschädigung wegen Lungenerkrankung, Prostatakrebs und gestörter Durchblutung des Gehirns ab. Berufskrankheiten der Nrn. 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur BKV seien nicht anzuerkennen. Zur Begründung wurde auf das Gutachten von Prof. A vom 28. September 2000 verwiesen.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gelangten unter anderem hno-ärztliche Atteste vom 19. August 1998 und 5. August 1997 betreffend eine Larynxdysplasie und eine hypofunktionelle Dysphonie zu den Akten. Der Kläger machte geltend, seine totale Heiserkeit sei ebenfalls Folge von Vergiftungen während seiner beruflichen Tätigkeit beispielsweise durch Blei, Quecksilber, Mangan, Arsen, Schwefelsäure, Fluor, Schwefelwasserstoff und verschiedene giftige Stäube. Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. J vom 28. Mai 2001. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass nach der Literatur keine gesicherten Zusammenhänge zwischen der Entwicklung von Prostatakarzinomen und einer beruflichen Exposition bestünden, auch wenn vereinzelt Zusammenhänge diskutiert würden (z. B. mit Kadmium).
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es, den übersandten Befunden ließen sich keine neuen Gesichtspunkte im Hinblick auf eine berufsbedingte Erkrankung entnehmen.
Mit seiner am 24. Oktober 2001 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Ablehnung seiner Krebserkrankung als Berufserkrankung gewendet. In der Anlage zur BKV seien unter der Nr. 1301 Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine als Berufskrankheit aufgeführt. Bei ihm bestünden des Weiteren eine Nervenerkrankung, ein Lungenemphysem, eine Quecksilber-Stomatitis, eine schwere Magenschleimhaut- und Darmentzündung sowie Wirbelzerstörungen.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. E vom 31. Januar 2002 vorgelegt. Darin ist ausgeführt worden, dass zwar Schädigungen im Bereich der Stimmbänder durch Quecksilber und Schwefelsäure denkbar seien, diese Schädigungen sich jedoch innerhalb von Minuten bzw. Stunden entwickeln und nach Expositionsende wieder abklingen würden. Denkbar sei zwar auch eine hartnäckige bzw. chronische Schleimhautschädigung. Hierfür sei jedoch erforderlich, dass an den betroffenen Stellen auch entzündliche Erscheinungen anhaltend vorhanden seien. Dies sei nach den vorliegenden hno-ärztlichen Befunden allerdings nicht der Fall. Die Larynxdysplasie könne nur bei Einwirkung von Quecksilber in der Kindheit, d. h. vor der Pubertät, auftreten.
Das Sozialgericht hat die Akte des Sozialgerichts Berlin S 25 U 266/99 beigezogen.
Durch Urteil vom 26. August 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen. Er sei nicht an einer BK der Nrn. 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur BKV erkrankt. Zwar habe das Gericht keinen Zweifel an der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hinsichtlich der BK Nrn. 1101, 1102 und 1105, jedoch seien die bei dem Kläger vorliegenden Leiden nicht auf beruflich bedingte Einwirkungen von Blei, Quecksilber und Mangan oder deren Verbindungen zurückzuführen. Das Krankheitsbild einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie im Sinne der BK Nr. 1317 sei nicht nachgewiesen. Dies sei überzeugend von Prof. A dargelegt worden. Nach den Ausführungen des Dr. J seien auch keine gesicherten Zusammenhänge zwischen der Entwicklung von Prostatakarzinomen und einer beruflichen Exposition bekannt.
Hiergegen richtet sich die am 22. November 2004 beim Sozialgericht Berlin eingegangene Berufung. Der Kläger macht geltend, alle seine Erkrankungen seien die Folge von Vergiftungen. Er legt unter anderem einen Arztbrief des Zentrums für Zahnmedizin der C vom 26. April 2005 betreffend eine chronische Paradontitis marginalis sowie die Übersetzung einer "Überweisung zur stationären Behandlung an die Poliklinik für Berufskrankheiten, Bereich Innere Krankheiten" vom 9. Juni 1999 mit den Diagnosen chronische Quecksilberintoxikation, chronische Bleiintoxikation und chronische Bronchitis berufsbedingter Ätiologie vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2001 zu verurteilen, ihm Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente wegen einer Lungenerkrankung, eines Prostatakrebs und einer gestörten Durchblutung der Gehirngefäße als Folgen der Berufskrankheiten der Nummern 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 6. April 2006 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten zu dem Aktenzeichen Bk 2.20367.980 verwiesen. Außerdem lagen dem Gericht die Akten des Sozialgerichts Berlin zu den Aktenzeichen S 25 U 266/99 - L 2 U 6/00 -, S 25 U 722/01 – L 3 U 69/04 -, S 67 U 605/02, S 69 U 60/99, S 22 U 186/00 – L 3 U 51/00 – und S 69 U 50/97 – L 2 U 13/98 vor.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der geltend gemachten Berufskrankheiten nach Nrn. 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur BKV.
Grundsätzlich ist im Falle des Klägers als Spätaussiedler gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, 1 Nr. 2 a des Fremdrentengesetzes (FRG) bundesdeutsches Recht anwendbar, auch wenn die gefährdende Tätigkeit in vollem Umfang außerhalb der Bundesrepublik ausgeübt wurde.
Es kann hier dahin gestellt bleiben, ob das 3. Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder das Siebte Sozialgesetzbuch (SGB VII) anzuwenden sind, denn der Kläger hat weder nach der RVO noch nach dem SGB VII einen Anspruch auf Entschädigung wegen der aufgeführten Berufskrankheiten.
Nach §§ 547 ff RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls Leistungen aus der Unfallversicherung. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO).
Nach §§ 26 ff SGB VII gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Versicherungsfalles Leistungen aus der Unfallversicherung. Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 SGB VII unter Anderem eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Von Nr. 1101 der Anlage zur BKV werden Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen, von Nr. 1102 Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen, von Nr. 1105 Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen und von Nr. 1317 Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische erfasst.
Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab, da es sich den überzeugenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils vom 26. August 2004 in vollem Umfang anschließt.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Kläger zwar bei seiner beruflichen Tätigkeit mit verschiedenen Giftstoffen wie Blei, Quecksilber, Kadmium, Arsen, Mangan, Asbest, Chrom, Fluor, Schwefeldioxid und Chlorwasserstoffen in Berührung gekommen ist. Auch sind in der Anlage zur BKV diese Arbeitsstoffe unter anderem in den Berufskrankheiten Nr. 1101, 1102, 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen), 1104 (Erkrankungen durch Kadmium oder seine Verbindungen), 1105, 1108 (Erkrankungen durch Arsen oder seine Verbindungen), 1305 (Erkrankungen durch Schwefelkohlenstoffe), 1308 (Erkrankungen durch Fluor oder seine Verbindungen) oder 4103 (Asbeststaublungenerkrankungen oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura) aufgeführt. Anders als der Kläger meint, bedeutet dies jedoch nicht, dass jede bei einem Versicherten mit entsprechender beruflicher Exposition auftretende Erkrankung auch eine "Berufskrankheit" im Sinne dieser Vorschriften ist.
Im vorliegenden Verfahren ist kann allein darüber entschieden werden, ob bei dem Kläger eine BK der Nrn. 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur BKV vorliegt. Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren immer wieder auch auf eine BK nach Nr. 1301 (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine) hinweist, so ist dies nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits. In dem angefochtenen Bescheid ist lediglich über die BK Nrn. 1101, 1102, 1105 und 1317 entschieden worden.
Ausweislich der in den Akten enthaltenen medizinischen Unterlagen leidet der Kläger unter folgenden Erkrankungen: - Osteochondrose und Spondylose der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Stenosierung der Neuroforamina C 4 bis C 7 (Gutachten Prof. A) - Omarthrose des rechten Schultergelenks (Gutachten Prof. A) - Hepatopathie im Sinne einer Steatosis hepatis (Gutachten Prof. Al) - Prostatakarzinom T2BNOMOG1 (Gutachten Prof. A) - Beginnende cerebrovaskuläre Insuffizienz (Gutachten Prof. A) - Hyperoper Astigmatismus beiderseits, Presbyopie, Cataracta nuclearis Brunescus beiderseits, parazentrale Hornhautnarbe linkes Auge (augenärztlicher Befundbericht vom 12. Dezember 2003 zu S 25 U 722/01) - Chronische Bronchitis mit obstruktiver Ventilationsstörung, Lungenemphysem (Gutachten Prof. K und Prof. A) - Chronische Gastritis - Larynxdysplasie (hno-ärztliche Atteste vom 19. August 1998 und 5. August 1997) - Chronische Parodontitis marginalis (Arztbrief Zentrum für Zahnmedizin der C vom 26. April 2005) - Kombinierte Schwerhörigkeit beiderseits (hno-ärztliche Atteste vom 19. August 1998 und 5. August 1997).
Eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie sind bei dem Kläger nicht nachweisbar, schon allein deshalb scheidet die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV aus.
Die Veränderungen des Bewegungsapparates sind degenerativer Natur, ein Zusammenhang mit den hier streitigen Berufskrankheiten ergibt sich unter keinem Blickwinkel (vgl. Gutachten des Prof. A).
Hinweise für eine Blei- oder Quecksilberbelastung fanden sich bei den eingehenden Untersuchungen durch Prof. A weder im Blut noch im Urin oder Liquor des Klägers. Die bildgebende Diagnostik (MRT des Neurokraniums) zeigte keine typischen Störungen des zentralen Nervensystems durch Blei, Quecksilber oder Mangan. Soweit der Kläger auf die Übersetzung einer "Überweisung zur stationären Behandlung an die Poliklinik für Berufskrankheiten, Bereich Innere Krankheiten" vom 9. Juni 1999 mit den Diagnosen "chronische Quecksilberintoxikation, chronische Bleiintoxikation und chronische Bronchitis berufsbedingter Ätiologie" Bezug nimmt, so führt dies zu keiner Änderung der Beurteilung. Denn der Überweisung ist nicht zu entnehmen, wie man dort zu den Diagnosen gelangt ist. Eine Quecksilber-Stomatitis (d. h. Mundschleimhautentzündung), wie vom Kläger geltend gemacht, ist nicht nachgewiesen. Eine Schädigung des Sehnervs durch eine chronische Vergiftung durch Blei oder Mangan ist – unabhängig von den Ergebnissen der VEP-Untersuchung (visuell evozierte Poteniale) durch Prof. A - nicht wahrscheinlich, da die angrenzende Hirnmasse eindeutig nicht geschädigt ist und eine isolierte Schädigung nicht nachvollziehbar wäre. Im Übrigen ist bezüglich eines Sehschadens auch ein weiteres Verfahren betreffend einen Arbeitsunfall (L 3 U 69/04) anhängig. Die chronische Gastritis und die Frage ihrer Anerkennung als Folge einer Berufskrankheit z. B. nach Nrn. 1101 oder 1102 ist bereits Gegenstand des Rechtsstreits S 22 U 186/00 – L 3 U 51/00 gewesen. An der dort vorgenommenen Beurteilung ändert sich nichts, insbesondere kommt die Anerkennung einer chronischen Magenschleimhautentzündung auch nicht als Folge einer BK nach Nr. 1105 der Anlage zur BKV in Betracht. Zum einen sind sonstige typische neurologische Veränderungen aufgrund einer Manganvergiftung nicht feststellbar. Zum anderen müsste eine gegebenenfalls durch eine akute Vergiftung hervorgerufene Magenschleimhautentzündung nach Beendigung der Einwirkung abgeklungen sein. Im Falle des Klägers ist in den kasachischen Unterlagen seit 1958 eine Magenschleimhautentzündung bekannt. Auch nach der Berufsaufgabe dauert die Erkrankung fort, allein deshalb ist ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich. Die vom Kläger geltend gemachte Heiserkeit beruht ausweislich der eingereichten Atteste auf einer Larynxdysplasie. Diese wiederum könnte nach der nachvollziehbaren Stellungnahme des Dr. E vom 31. Januar 2002 nur bei Einwirkung von Quecksilber in der Kindheit auf einer Vergiftung beruhen. Die Parodontitis marginalis kann ebenfalls nicht in Zusammenhang mit einer BK nach den Nrn. 1101, 1102, 1105 gebracht werden. Veränderungen im Zahnbereich (z. B. der so genannte Bleisaum bei Nr. 1101 oder Entzündungen des Zahnfleisches mit Zahnlockerung bzw. Zahnausfall nach Nr. 1102) sind Teil eines Gesamterkrankungsbildes, welches hier nicht vorliegt, zumal sich keine pathologischen Blei- oder Quecksilberwerte in den Körperflüssigkeiten nachweisen ließen. Prostatakrebs zählt nicht zu den in den Nrn. 1101, 1102 oder 1105 aufgezählten Erkrankungsbildern.
Die Frage, ob die bei dem Kläger bestehende Lungenerkrankung Folge einer BK ist, war bereits Gegenstand mehrerer Feststellungsverfahren betreffend die Berufskrankheiten Nrn. 4101, 4103, 4104 (L 2 U 13/98), 4111 (Bergbau-Berufsgenossenschaft) und 4301 (L 2 U 6/00). Eine chronische Bronchitis zählt nicht zu den in den Nrn. 1101, 1102 oder 1105 aufgezählten Erkrankungsbildern bei einer chronischen Vergiftung mit Blei, Quecksilber, Mangan oder ihren Verbindungen.
Die Schwerhörigkeit ist bereits als Berufskrankheit im Sinne der BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV anerkannt.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Anerkennung und Gewährung von Entschädigung wegen Folgen von Berufskrankheiten (BK) nach Nrn. 1101 (Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen), 1102 (Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen), 1105 (Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen) oder 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1927 in der Ukraine geborene Kläger war von August 1943 bis August 1945 als dienstverpflichteter Internierter in einem Steinkohleschacht im Kusnezker Steinkohlebecken untertage tätig. Danach war er sechs Jahre lang als Schmied in Industriebetrieben in Alexejewa (Gebiet Omsk) tätig. Ab August 1951 bis Januar 1988 war er im Buntmetall-Kombinat Ust-Kamenogorsk/Kasachstan beschäftigt. Dort erlernte er den Beruf eines Elektromonteurs/Elektrikers und war als Schlosser, Elektriker, Kugelmüller, Instandhalter und Produktionsarbeiter (als so genannter Hydrometallurge) beschäftigt. Im Betrieb wurden die aus den umliegenden Bergbaubetrieben angelieferten polymetallischen Erze gebrochen, gemahlen, nach verschiedenen Verfahren getrennt und geschmolzen. In den Kugelmühlen erfolgte damals eine Trockenmahlung. Er hatte Umgang mit Stäuben und Dämpfen von Mangan, Blei, Zink, Zinn, Beryllium, Tellur, Wismut, Uran, Schwefel und Ammoniumchlorid. Während seiner Tätigkeit im Buntmetall-Kombinat hatte er im Rahmen eines Arbeitsunfalls beim Zerplatzen eines Ofen-Gleichrichters eine Quecksilberintoxikation erlitten. Ab dem 26. Januar 1988 bis zur Übersiedlung in die Bundesrepublik bezog der Kläger Altersrente von der Rayon-Sozialversicherung Ust-Kamenogorsk.
Seit 4. August 1993 lebt der Kläger in der Bundesrepublik. Er ist als Spätaussiedler nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannt. Im selben Jahr wurde ihm im Klinikum Buch ein Neurofibrom aus der linken Brustwand entfernt. In der Folgezeit machte er bei ihm bestehende gesundheitliche Beschwerden als Berufskrankheiten geltend. Durch Bescheid vom 6. November 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 und 2109 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung bzw. bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können), ab. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin hatte keinen Erfolg (S 69 U 60/99). Mit Bescheid vom 27. Juni 1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nrn. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung - Silikose), 4103 (Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura) und 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs) der Anlage zur BKV ab. Die dagegen erhobene Klage blieb sowohl beim Sozialgericht Berlin (S 69 U 50/97) als auch beim Landessozialgericht Berlin (L 2 U 13/98) erfolglos. Mit Bescheid vom 6. November 1997 lehnte die Beklagte auch die Anerkennung einer BK nach Nr. 4301 (durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen einschließlich Rhinopathie, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) ab und bezog sich hierbei auf ein lungenfachärztliches Gutachten von Prof. K vom 17. Januar 1996. Klage (beim Sozialgericht Berlin: S 22 U 266/99) und Berufung (beim Landessozialgericht Berlin: L 2 U 6/00) blieben erfolglos. Am 26. August 1999 lehnte die Beklagte außerdem die Entschädigung einer chronischen Magenschleimhautentzündung als BK oder wie eine BK ab. Weder im Klageverfahren (beim Sozialgericht Berlin: S 22 U 186/00) noch im Berufungsverfahren (beim Landessozialgericht Berlin: L 3 U 51/00) hatte der Kläger Erfolg.
Bei dem Kläger ist durch Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 1999 eine BK nach Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Anlage zur BKV mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert anerkannt.
1998 leitete die Beklagte ein weiteres Feststellungsverfahren ein (BK 2.20367.980). Im Rahmen dieses Verfahrens lagen unter anderem vor: ein Schreiben der behandelnden Neurologinnen Dres. W-B und B-D vom 3. September 1998, wonach auf neurologischem Gebiet keine Berufserkrankung vorliege, ein Schreiben des Bezirksamtes Zehlendorf von Berlin vom 9. März 1998, wonach eine Polyneuropathie unklarer Genese sowie eine chronische Gastritis und eine chronische Bronchitis bestünden, ein übersetzter Auszug aus der Krankengeschichte Nr. 16863, wonach am 3. November 1987 eine "chronische zerebrovaskuläre Insuffizienz im vertebrobasiliären Becken, Stadium der Dekompensation, provoziert durch psychoemotionales und physisches Trauma" diagnostiziert worden war, sowie eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit der Lk H vom 27. Januar 1999, wonach Sensibilitätsstörungen der unteren Extremitäten bestanden.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Präventionsbezirks Berlin vom 23. August 1999 ein. Danach war der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit von 1954 bis 1979 schädigenden Einwirkungen von Quecksilberdämpfen, von 1979 bis 1988 Blei oder seinen Verbindungen aus Stäuben und Rauchen aus der Erzaufbereitung und Verhüttung sowie von 1982 bis 1987 Mangan oder seinen Verbindungen aus der Erzaufbereitung ausgesetzt. Weiterhin holte die Beklagte Auskünfte der behandelnden Neurologinnen vom 14. September und 5. Oktober 1999 ein, wonach der Kläger dort wegen Polyneuropathie nicht behandelt worden war. In der Folgezeit erstellte der Chefarzt der Neurologischen Abteilung des K S, Prof. A, am 21. Februar 2000 im Auftrag der Beklagten ein Sachverständigengutachten aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 11. Januar 2000. Danach sei eine für die BK Nr. 1317 erforderliche quantitativ ausreichende organische Lösemittelbelastung rückblickend aus der Arbeitsanamnese nicht fassbar. Hinweise für eine Polyneuropathie oder ein Parkinson-Syndrom durch Manganstäube bestünden nicht. Blutuntersuchungen auf Arsen, Blei und Quecksilber hätten keine pathologischen Werte ergeben, weitere diagnostische Untersuchungen seien allerdings notwendig. Aufgrund einer stationären Untersuchung des Klägers vom 23. Mai bis 6. Juni 2000 erstellte Prof. A am 28. September 2000 ein ergänzendes Gutachten. Nach den während des stationären Aufenthalts durchgeführten Untersuchungen bestanden demzufolge weder Hinweise für eine Neuropathie noch für eine (Blei)Enzephalopathie. Eine exzessive Belastung des Körpers mit Blei oder Quecksilber war nicht nachweisbar. Auch fanden sich keine Hinweise für eine Störung des zentralen Nervensystems durch Mangan. Es wurde darauf hingewiesen, dass beim Kläger zwischenzeitlich ein Prostatakarzinom festgestellt und behandelt worden sei. Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin N vom 4. Januar 2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. März 2001 die Gewährung von Entschädigung wegen Lungenerkrankung, Prostatakrebs und gestörter Durchblutung des Gehirns ab. Berufskrankheiten der Nrn. 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur BKV seien nicht anzuerkennen. Zur Begründung wurde auf das Gutachten von Prof. A vom 28. September 2000 verwiesen.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gelangten unter anderem hno-ärztliche Atteste vom 19. August 1998 und 5. August 1997 betreffend eine Larynxdysplasie und eine hypofunktionelle Dysphonie zu den Akten. Der Kläger machte geltend, seine totale Heiserkeit sei ebenfalls Folge von Vergiftungen während seiner beruflichen Tätigkeit beispielsweise durch Blei, Quecksilber, Mangan, Arsen, Schwefelsäure, Fluor, Schwefelwasserstoff und verschiedene giftige Stäube. Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. J vom 28. Mai 2001. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass nach der Literatur keine gesicherten Zusammenhänge zwischen der Entwicklung von Prostatakarzinomen und einer beruflichen Exposition bestünden, auch wenn vereinzelt Zusammenhänge diskutiert würden (z. B. mit Kadmium).
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es, den übersandten Befunden ließen sich keine neuen Gesichtspunkte im Hinblick auf eine berufsbedingte Erkrankung entnehmen.
Mit seiner am 24. Oktober 2001 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Ablehnung seiner Krebserkrankung als Berufserkrankung gewendet. In der Anlage zur BKV seien unter der Nr. 1301 Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine als Berufskrankheit aufgeführt. Bei ihm bestünden des Weiteren eine Nervenerkrankung, ein Lungenemphysem, eine Quecksilber-Stomatitis, eine schwere Magenschleimhaut- und Darmentzündung sowie Wirbelzerstörungen.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. E vom 31. Januar 2002 vorgelegt. Darin ist ausgeführt worden, dass zwar Schädigungen im Bereich der Stimmbänder durch Quecksilber und Schwefelsäure denkbar seien, diese Schädigungen sich jedoch innerhalb von Minuten bzw. Stunden entwickeln und nach Expositionsende wieder abklingen würden. Denkbar sei zwar auch eine hartnäckige bzw. chronische Schleimhautschädigung. Hierfür sei jedoch erforderlich, dass an den betroffenen Stellen auch entzündliche Erscheinungen anhaltend vorhanden seien. Dies sei nach den vorliegenden hno-ärztlichen Befunden allerdings nicht der Fall. Die Larynxdysplasie könne nur bei Einwirkung von Quecksilber in der Kindheit, d. h. vor der Pubertät, auftreten.
Das Sozialgericht hat die Akte des Sozialgerichts Berlin S 25 U 266/99 beigezogen.
Durch Urteil vom 26. August 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen. Er sei nicht an einer BK der Nrn. 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur BKV erkrankt. Zwar habe das Gericht keinen Zweifel an der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hinsichtlich der BK Nrn. 1101, 1102 und 1105, jedoch seien die bei dem Kläger vorliegenden Leiden nicht auf beruflich bedingte Einwirkungen von Blei, Quecksilber und Mangan oder deren Verbindungen zurückzuführen. Das Krankheitsbild einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie im Sinne der BK Nr. 1317 sei nicht nachgewiesen. Dies sei überzeugend von Prof. A dargelegt worden. Nach den Ausführungen des Dr. J seien auch keine gesicherten Zusammenhänge zwischen der Entwicklung von Prostatakarzinomen und einer beruflichen Exposition bekannt.
Hiergegen richtet sich die am 22. November 2004 beim Sozialgericht Berlin eingegangene Berufung. Der Kläger macht geltend, alle seine Erkrankungen seien die Folge von Vergiftungen. Er legt unter anderem einen Arztbrief des Zentrums für Zahnmedizin der C vom 26. April 2005 betreffend eine chronische Paradontitis marginalis sowie die Übersetzung einer "Überweisung zur stationären Behandlung an die Poliklinik für Berufskrankheiten, Bereich Innere Krankheiten" vom 9. Juni 1999 mit den Diagnosen chronische Quecksilberintoxikation, chronische Bleiintoxikation und chronische Bronchitis berufsbedingter Ätiologie vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2001 zu verurteilen, ihm Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente wegen einer Lungenerkrankung, eines Prostatakrebs und einer gestörten Durchblutung der Gehirngefäße als Folgen der Berufskrankheiten der Nummern 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 6. April 2006 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten zu dem Aktenzeichen Bk 2.20367.980 verwiesen. Außerdem lagen dem Gericht die Akten des Sozialgerichts Berlin zu den Aktenzeichen S 25 U 266/99 - L 2 U 6/00 -, S 25 U 722/01 – L 3 U 69/04 -, S 67 U 605/02, S 69 U 60/99, S 22 U 186/00 – L 3 U 51/00 – und S 69 U 50/97 – L 2 U 13/98 vor.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der geltend gemachten Berufskrankheiten nach Nrn. 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur BKV.
Grundsätzlich ist im Falle des Klägers als Spätaussiedler gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, 1 Nr. 2 a des Fremdrentengesetzes (FRG) bundesdeutsches Recht anwendbar, auch wenn die gefährdende Tätigkeit in vollem Umfang außerhalb der Bundesrepublik ausgeübt wurde.
Es kann hier dahin gestellt bleiben, ob das 3. Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder das Siebte Sozialgesetzbuch (SGB VII) anzuwenden sind, denn der Kläger hat weder nach der RVO noch nach dem SGB VII einen Anspruch auf Entschädigung wegen der aufgeführten Berufskrankheiten.
Nach §§ 547 ff RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls Leistungen aus der Unfallversicherung. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO).
Nach §§ 26 ff SGB VII gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Versicherungsfalles Leistungen aus der Unfallversicherung. Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 SGB VII unter Anderem eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Von Nr. 1101 der Anlage zur BKV werden Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen, von Nr. 1102 Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen, von Nr. 1105 Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen und von Nr. 1317 Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische erfasst.
Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab, da es sich den überzeugenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils vom 26. August 2004 in vollem Umfang anschließt.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Kläger zwar bei seiner beruflichen Tätigkeit mit verschiedenen Giftstoffen wie Blei, Quecksilber, Kadmium, Arsen, Mangan, Asbest, Chrom, Fluor, Schwefeldioxid und Chlorwasserstoffen in Berührung gekommen ist. Auch sind in der Anlage zur BKV diese Arbeitsstoffe unter anderem in den Berufskrankheiten Nr. 1101, 1102, 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen), 1104 (Erkrankungen durch Kadmium oder seine Verbindungen), 1105, 1108 (Erkrankungen durch Arsen oder seine Verbindungen), 1305 (Erkrankungen durch Schwefelkohlenstoffe), 1308 (Erkrankungen durch Fluor oder seine Verbindungen) oder 4103 (Asbeststaublungenerkrankungen oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura) aufgeführt. Anders als der Kläger meint, bedeutet dies jedoch nicht, dass jede bei einem Versicherten mit entsprechender beruflicher Exposition auftretende Erkrankung auch eine "Berufskrankheit" im Sinne dieser Vorschriften ist.
Im vorliegenden Verfahren ist kann allein darüber entschieden werden, ob bei dem Kläger eine BK der Nrn. 1101, 1102, 1105 oder 1317 der Anlage zur BKV vorliegt. Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren immer wieder auch auf eine BK nach Nr. 1301 (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine) hinweist, so ist dies nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits. In dem angefochtenen Bescheid ist lediglich über die BK Nrn. 1101, 1102, 1105 und 1317 entschieden worden.
Ausweislich der in den Akten enthaltenen medizinischen Unterlagen leidet der Kläger unter folgenden Erkrankungen: - Osteochondrose und Spondylose der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Stenosierung der Neuroforamina C 4 bis C 7 (Gutachten Prof. A) - Omarthrose des rechten Schultergelenks (Gutachten Prof. A) - Hepatopathie im Sinne einer Steatosis hepatis (Gutachten Prof. Al) - Prostatakarzinom T2BNOMOG1 (Gutachten Prof. A) - Beginnende cerebrovaskuläre Insuffizienz (Gutachten Prof. A) - Hyperoper Astigmatismus beiderseits, Presbyopie, Cataracta nuclearis Brunescus beiderseits, parazentrale Hornhautnarbe linkes Auge (augenärztlicher Befundbericht vom 12. Dezember 2003 zu S 25 U 722/01) - Chronische Bronchitis mit obstruktiver Ventilationsstörung, Lungenemphysem (Gutachten Prof. K und Prof. A) - Chronische Gastritis - Larynxdysplasie (hno-ärztliche Atteste vom 19. August 1998 und 5. August 1997) - Chronische Parodontitis marginalis (Arztbrief Zentrum für Zahnmedizin der C vom 26. April 2005) - Kombinierte Schwerhörigkeit beiderseits (hno-ärztliche Atteste vom 19. August 1998 und 5. August 1997).
Eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie sind bei dem Kläger nicht nachweisbar, schon allein deshalb scheidet die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV aus.
Die Veränderungen des Bewegungsapparates sind degenerativer Natur, ein Zusammenhang mit den hier streitigen Berufskrankheiten ergibt sich unter keinem Blickwinkel (vgl. Gutachten des Prof. A).
Hinweise für eine Blei- oder Quecksilberbelastung fanden sich bei den eingehenden Untersuchungen durch Prof. A weder im Blut noch im Urin oder Liquor des Klägers. Die bildgebende Diagnostik (MRT des Neurokraniums) zeigte keine typischen Störungen des zentralen Nervensystems durch Blei, Quecksilber oder Mangan. Soweit der Kläger auf die Übersetzung einer "Überweisung zur stationären Behandlung an die Poliklinik für Berufskrankheiten, Bereich Innere Krankheiten" vom 9. Juni 1999 mit den Diagnosen "chronische Quecksilberintoxikation, chronische Bleiintoxikation und chronische Bronchitis berufsbedingter Ätiologie" Bezug nimmt, so führt dies zu keiner Änderung der Beurteilung. Denn der Überweisung ist nicht zu entnehmen, wie man dort zu den Diagnosen gelangt ist. Eine Quecksilber-Stomatitis (d. h. Mundschleimhautentzündung), wie vom Kläger geltend gemacht, ist nicht nachgewiesen. Eine Schädigung des Sehnervs durch eine chronische Vergiftung durch Blei oder Mangan ist – unabhängig von den Ergebnissen der VEP-Untersuchung (visuell evozierte Poteniale) durch Prof. A - nicht wahrscheinlich, da die angrenzende Hirnmasse eindeutig nicht geschädigt ist und eine isolierte Schädigung nicht nachvollziehbar wäre. Im Übrigen ist bezüglich eines Sehschadens auch ein weiteres Verfahren betreffend einen Arbeitsunfall (L 3 U 69/04) anhängig. Die chronische Gastritis und die Frage ihrer Anerkennung als Folge einer Berufskrankheit z. B. nach Nrn. 1101 oder 1102 ist bereits Gegenstand des Rechtsstreits S 22 U 186/00 – L 3 U 51/00 gewesen. An der dort vorgenommenen Beurteilung ändert sich nichts, insbesondere kommt die Anerkennung einer chronischen Magenschleimhautentzündung auch nicht als Folge einer BK nach Nr. 1105 der Anlage zur BKV in Betracht. Zum einen sind sonstige typische neurologische Veränderungen aufgrund einer Manganvergiftung nicht feststellbar. Zum anderen müsste eine gegebenenfalls durch eine akute Vergiftung hervorgerufene Magenschleimhautentzündung nach Beendigung der Einwirkung abgeklungen sein. Im Falle des Klägers ist in den kasachischen Unterlagen seit 1958 eine Magenschleimhautentzündung bekannt. Auch nach der Berufsaufgabe dauert die Erkrankung fort, allein deshalb ist ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich. Die vom Kläger geltend gemachte Heiserkeit beruht ausweislich der eingereichten Atteste auf einer Larynxdysplasie. Diese wiederum könnte nach der nachvollziehbaren Stellungnahme des Dr. E vom 31. Januar 2002 nur bei Einwirkung von Quecksilber in der Kindheit auf einer Vergiftung beruhen. Die Parodontitis marginalis kann ebenfalls nicht in Zusammenhang mit einer BK nach den Nrn. 1101, 1102, 1105 gebracht werden. Veränderungen im Zahnbereich (z. B. der so genannte Bleisaum bei Nr. 1101 oder Entzündungen des Zahnfleisches mit Zahnlockerung bzw. Zahnausfall nach Nr. 1102) sind Teil eines Gesamterkrankungsbildes, welches hier nicht vorliegt, zumal sich keine pathologischen Blei- oder Quecksilberwerte in den Körperflüssigkeiten nachweisen ließen. Prostatakrebs zählt nicht zu den in den Nrn. 1101, 1102 oder 1105 aufgezählten Erkrankungsbildern.
Die Frage, ob die bei dem Kläger bestehende Lungenerkrankung Folge einer BK ist, war bereits Gegenstand mehrerer Feststellungsverfahren betreffend die Berufskrankheiten Nrn. 4101, 4103, 4104 (L 2 U 13/98), 4111 (Bergbau-Berufsgenossenschaft) und 4301 (L 2 U 6/00). Eine chronische Bronchitis zählt nicht zu den in den Nrn. 1101, 1102 oder 1105 aufgezählten Erkrankungsbildern bei einer chronischen Vergiftung mit Blei, Quecksilber, Mangan oder ihren Verbindungen.
Die Schwerhörigkeit ist bereits als Berufskrankheit im Sinne der BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV anerkannt.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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