L 17 R 48/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 30 R 4256/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 48/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. November 2008 wird zurückgewiesen. Die Leistungsklage wird abgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Verrechnung, welche die Beklagte (Bekl.) zu Lasten der gegenüber dem Kläger (Kl.) vorzunehmenden Auszahlung von Rentenleistungen auf Veranlassung der Beigeladenen (Beigel.) und zu deren Gunsten vorgenommen hat.

Im Einzelnen:

Der verheiratete Kl., ein Industriemeister der Fachrichtung Textil, war von 1985 bis 1988 in eigenem Unternehmen tätig und beschäftigte in diesem Arbeitnehmer. Die Ausfertigung eines Vollstreckungsbescheides vom 5. Juni 1990 des Arbeitsgerichts B, dem Kl. zugestellt am 13. Juni 1990, beantragt von der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, betraf die Leistung von Konkursausfallgeld in der Zeit vom 1. September 1988 bis 8. Januar 1989 an ehemalige Arbeitnehmer der Strickwarenfabrik des Kl. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt für diese Zeit sei gemäß § 141 m Arbeitsförderungsgesetz – AFG – auf die leistende Behörde übergegangen. Ein diesbezügliches, von dort zunächst an die LVA N-O gerichtetes Verrechnungsersuchen über 17.458,43 DM wurde der Bekl. zugeleitet (Schreiben vom 18. Februar 1991, Bl. 87 der Verwaltungsakte).

Vom Landesarbeitsamt B-B der Bundesanstalt für Arbeit ging am 10. Januar 1997 bei der Bekl. die Anfrage ein, ob der Kl. Leistungen beantragt habe oder diese erhalte. Man beziehe sich auf ein Vormerk- bzw. Verrechnungsersuchen vom 18. Februar 1991. Die Bekl. entgegnete, dieses Ersuchen sei bereits bei ihr vorgemerkt. Leistungen beziehe der Kl. nicht.

Am 4. Mai 1999 ging von der Beigel. bei der Bekl. ein Ersuchen um Verrechnung von Beitragsansprüchen ein. Für den Fall, dass ein Rentenvorgang noch nicht bestehe, werde gebeten, dieses Ersuchen zu einem späteren Zeitpunkt vorzumerken und es im Versicherungskonto des Beitragsschuldners zu speichern. Unter dem 3. Juni 1999 antwortete die Bekl. dahin, der Kl. habe einen Rentenantrag bisher nicht gestellt. Das "Bestehen einer Beitragsschuld zum Zwecke einer Rentenaufrechnung" werde vorgemerkt.

Über das Vermögen des Kl. wurde mit Beschluss des Amtsgerichts C vom 6. Februar 2002 (Gz.: ) das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Bekl. gewährte dem Kl. mit Bescheid vom 26. April 2006 Regelaltersrente ab 1. Mai 2006 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von anfänglich 961,70 EUR. Die laufende Leistung nahm sie ab 1. Juni 2006 auf.

Die Bundesagentur für Arbeit konkretisierte ihre vorgemerkte Forderung mit Schreiben vom 16. Mai 2006: Diese valutiere auf insgesamt 18.964,12 EUR (restliche Hauptforderung 8.696,92 EUR, zuzüglich Zinsen 10.267,20 EUR). Die Verrechnung sei nach § 52 in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - zulässig. Die Bekl. antwortete unter dem 24. Mai 2006 dahin, der für die Verrechnung gemäß diesen Vorschriften maßgebliche monatliche Zahlbetrag der Rente liege unter der Pfändungsfreigrenze, so dass pfändbare Beträge nicht zur Verfügung stünden.

Die Beigel. konkretisierte ihre Vormerkung vom 30. April 1999 mit Schreiben vom 12. Mai 2006: Der Kl. schulde ihr Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Nebenforderungen für die Zeit vom 1. August 1988 bis 8. Januar 1989 in Höhe von 38.546,82 EUR zuzüglich weiterer Säumniszuschläge in Höhe von 1 v.H. ab Januar 2002. Es handele sich also um eine Verrechnung nach § 52 in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I. Der Beitragsbescheid sei am 4. August 1995 zugestellt und seit dem 3. September 1995 unanfechtbar. Die letzte die Verjährung unterbrechende Maßnahme sei am 21. März 2001 erfolgt. Die Ansprüche seien nicht verjährt, die Forderung beim Insolvenzverwalter angemeldet. Bis zum 6. Februar 2008 befinde sich der Kl. in der Wohlverhaltensphase im Sinne des Insolvenzrechtes.

In ihrer Anhörungsmitteilung vom 24. Mai 2006 wies die Bekl. auf ihre Absicht hin, für die Verrechnung gegen die laufende Rente monatlich die Hälfte - seinerzeit 480,85 EUR - und die Hälfte der mit Bescheid vom 26. April 2006 festgestellten Nachzahlung einzubehalten. Eine Verrechnung sei ausgeschlossen, wenn der Kl. nachweise, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs - Zwölftes Buch - SGB XII bzw. des Sozialgesetzbuches - Zweites Buch - SGB II werde. Sollte er bereits Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder Grundsicherung für Arbeitssuchende beziehen bzw. bezogen haben, werde um Vorlage des aktuellen Leistungsbescheides des Hilfeträgers gebeten. Sollte er indes erst durch die beabsichtigte Verrechung hilfebedürftig werden, so sei dies von ihm durch eine Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfeträgers nachzuweisen.

In seiner als "Widerspruch" bezeichneten Stellungnahme trug der Kl. vor, seit Anfang 2002 befinde er sich in einem Insolvenzverfahren, in welches auch die Forderung der Beigel. einbezogen sei. Der Schlusstermin sei am 14. Februar 2005 erfolgt.

Mit Bescheid vom 9. Juni 2006 verfügte die Bekl., sie werde gegen die Rentenauszahlung von anfänglich 961,70 EUR monatlich ab 1. Juli 2006 480,85 EUR zu Gunsten der Beigel. verrechnen. Den anderen hälftigen Betrag zahlte sie an den Kl. aus. Einen Nachweis über seine Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des SGB XII bzw. des SGB II habe er nicht vorgelegt. Im Rahmen der Ermessensausübung käme es auf eine Abwägung der Interessen des Einzelnen mit denen der Versichertengemeinschaft an. Diese könne nur dann zu Gunsten des Leistungsempfängers ausschlagen, wenn die besonderen Umstände eines Falles es erlaubten, die Interessen der Versichertengemeinschaft zurücktreten zu lassen. Die vom Kläger vorgetragenen Einwände könnten nicht berücksichtigt werden, weil das Insolvenzverfahren keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Aufrechnung habe, soweit diese über § 850 c Zivilprozessordnung - ZPO - hinausgehend Rentenbeträge erfasse, mit denen nur im Rahmen des § 51 Abs. 2 SGB I eine Aufrechnung zulässig sei. Insoweit sei eine Konkurrenz mit dem Insolvenzbeschlag generell nicht möglich. Die Aufrechnung könne folglich ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters auch während des Insolvenzverfahrens begonnen werden.

Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2006 widersprach der Kl. der Verrechnung. Diese sei wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen. Zusammen mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe er Restschuldbefreiung beantragt. Einwendungen seien seitens der Gläubiger – also auch seitens der Beigel. - nicht erhoben worden, so dass das Amtsgericht C mit dem weiteren Beschluss vom 14. Februar 2005 Restschuldbefreiung in Aussicht gestellt habe, wenn er für die Zeit von sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Wohlverhaltensperiode) den Obliegenheiten nach § 295 Insolvenzordnung - InsO - nachkomme und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 oder § 298 InsO nicht vorliegen (Ziffer I des vorgenannten Beschlusses). Einer Verrechnung stehe § 96 InsO entgegen. Seine Forderung gegen die Bekl. auf Rentenzahlung, welche im Wege der Verrechnung ihm gegenüber getilgt werden solle, sei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten sich die Forderung der Beigel. auf Beitragszahlung und seine - gerichtet auf Rentenzahlung - nicht in einer der Verrechnung zugänglichen Weise gegenüber gestanden, so dass die Rente in vollem Umfang allen Gläubigern nach Maßgabe der Pfändungsvorschriften der ZPO zur Verwertung zur Verfügung stehe. Selbst auf § 114 InsO - wäre dieser anwendbar, was indes nicht der Fall sei - könne sich die Bekl. nicht berufen: Abs. 2 dieser Vorschrift beschränke eine zulässige Aufrechnung auf die Dauer von zwei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Diese Frist sei bereits am 6. Februar 2004, also vor Rentenbeginn, abgelaufen gewesen.

Den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 24. August 2006 griff der Kl. mit seiner am 11. September 2006 beim Sozialgericht B eingehenden Klage an. Er hat sein Vorbringen vertieft. § 114 Abs. 2 InsO gelte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - auch für Rentenbezüge und die sozialrechtliche Aufrechnung (BSG, Urt. vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, zitiert nach juris).

Das Sozialgericht hat den Kl. auf seine Auffassung hingewiesen, dass sowohl § 96 als auch § 114 InsO nur bei Forderungen Anwendung fänden, die zur Insolvenzmasse gehörten. Zwar gehöre gemäß § 35 InsO das gesamte Vermögen, welches der Schuldner zu Zeit der Eröffnung des Verfahrens besitze und auch dasjenige, welches er während des Verfahrens erlange, zur Insolvenzmasse. Hiervon seien jedoch gemäß § 36 Abs. 1 InsO alle Gegenstände ausgeschlossen, die nicht der Zwangsvollstreckung unterlägen, es sei denn, diese gehörten zu den in § 36 Abs. 2 InsO genannten Gegenständen. Die Altersrente in Höhe von 961,70 EUR unterliege nicht der Zwangsvollstreckung und gehöre deswegen nicht zur Insolvenzmasse. Dies folge daraus, dass nach § 54 Abs. 4 SGB I Ansprüche auf laufende Geldleistungen nur wie Arbeitseinkommen pfändbar seien und der dem Kl. zu zahlende Betrag die gemäß § 850 c ZPO gültigen Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen nicht überschritte.

Der Kl. hat eingewandt, es möge zwar sein, dass die unpfändbaren Rentenanteile nicht Bestandteil der Insolvenzmasse seien. Dies ändere jedoch nichts daran, dass alle Insolvenzgläubiger, also auch die Beigeladene, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Forderungen nur nach Maßgabe der Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen dürften (§ 87 InsO).

Die Restschuldbefreiung diene nach dem gesetzgeberischen Willen dazu, den Schuldner bei Einhaltung der durch das Gesetz an ihn gestellten Anforderungen von allen Verbindlichkeiten, die er zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte, zu befreien. Bis es zur Feststellung der Restschuldbefreiung kommen werde, würden die Rechtswirkungen des § 87 InsO fort gelten. Insbesondere sei nach § 294 Abs. 3 InsO die Fortgeltung der besonderen Bestimmung des § 114 Abs. 2 InsO angeordnet. Dies bedeute, dass auch während des Restschuldbefreiungsverfahrens eine Verrechnung nur für die Dauer von zwei Jahren seit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig sei.

Die Beigel. nahm mit Schreiben vom 27. März 2008 das Verrechnungsersuchen vom 30. April 1999 für die Zeit ab 7. Februar 2008 zurück. Per 6. Februar 2008 valutierte deren Forderung auf insgesamt 49.261,88 EUR (davon Beiträge 15.434,01 EUR, Säumniszuschläge 25.264,46 EUR, Zinsen 8.563,41 EUR). Mit Beschluss des Amtsgerichts C vom 21. April 2008 wurde dem Kl. Restschuldbefreiung erteilt. Mit Bescheid vom 22. April 2008 hob die Bekl. ihren Bescheid vom 9. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2006 für Zeiten ab 7. Februar 2008 auf und kehrte die darüber hinaus für die Zeit bis 30. April 2008 bereits einbehaltenen Beträge an den Kl. aus.

Das Sozialgericht hat die AOK B – - zu dem Verfahren beigeladen (Beschluss vom 1. Oktober 2008). Die Bekl. hat vorgetragen, in welcher Höhe seit dem 1. November 2006 bis 29. Februar 2008 ein Auszahlungsanspruch bestanden und in welcher Höhe sie dagegen bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung zu Gunsten der Beigel. tatsächlich verrechnet hat:

Monatliche Rente für 11/2006 961,08 EUR 12/2006 bis 06/2007 955,73 EUR 07/2007 bis 02/2008 960,86 EUR

Einbehalten zu Gunsten der Beigeladenen 11/2006 480,54 EUR 12/2007 bis 06/2007 mtl. 477,86 x 7 = 3.345,02 EUR 07/2007 bis 01/2008 mtl. 480,43 x 7 = 3.363,01 EUR 01.02.2008 bis 06.02.2008 99,40 EUR

Insgesamt 7.287,97 EUR

Im Hinblick hierauf hat die Bekl. erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2008 erklärt:

Der Bescheid vom 9. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2006 wird aufgehoben, insoweit dieser eine Verrechnung von mehr als 480,54 EUR für November 2006, von mehr als 477,86 EUR monatlich für die Monate Dezember 2006 bis Juni 2007, von mehr als 480,43 EUR monatlich für die Monate Juli 2007 bis Januar 2008 und mehr als 99,40 EUR für den Monat Februar 2008 bestimmt.

Erstattungsansprüche des Kl. entstünden insoweit nicht, da eine Verrechnung auch nur in genannter Höhe durchgeführt worden sei. Daraufhin hat der Kläger erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2006 aufzuheben, soweit er nicht bereits durch den Bescheid vom 22. April 2008 für die Zeit ab 7. Februar 2008 und die Erklärung der Beklagten vom 6. November 2008 aufgehoben worden ist.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt. Sie hat sich dem Vortrag der Bekl. angeschlossen.

Mit Urteil vom 6. November 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Es hat insbesondere die Anfechtungsklage für zulässig gehalten. Insolvenzrechtliche Vorschriften bezögen sich nur auf das Vermögen, welches zur Insolvenzmasse rechne. Hierin unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt von dem, welcher der Entscheidung des BSG vom 10. Dezember 2003 – B 5 RJ 18/03 R – zugrunde gelegen habe.

Gegen die ihm am 16. Dezember 2008 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 16. Januar 2009 eingegangene Berufung des Klägers. Das Sozialgericht habe die Rechtsprechung des BSG in dessen Entscheidung vom 10. Dezember 2003 verkannt. Er vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes würden die Wirkungen des § 87 InsO nicht durch die Bestimmungen des § 52 i.V.m § 51 Abs. 2 SGB I durchbrochen. § 36 InsO diene nach Sinn und Zweck der Vorschrift, auch nach seinem Wortlaut dazu, dem Schuldner ein menschenwürdiges selbst bestimmtes Leben ohne den Druck der andauernden Einzelzwangsvollstreckung in seine Vermögensgegenstände zu ermöglichen. § 36 InsO diene dementsprechend nicht dem Zweck, den Gläubigerzugriff durch die Beigel. auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens sicherzustellen. Lediglich innerhalb des in § 114 Abs. 2 InsO festgelegten Zeitraumes sei eine Verrechnung gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zulässig. Darüber hinaus sei sie unzulässig und zwar unabhängig davon, ob es sich um Bezüge oberhalb oder innerhalb der Pfändungsfreigrenze handele.

Die Beteiligten sind seitens des Senats darauf hingewiesen worden, dass zweifelhaft sein könne, ob vorliegend das Begehren des Kl. durch Anfechtungsklage zu verfolgen sei. Möglicherweise liege insoweit nur eine formelle Beschwer vor.

Der Kl. beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Sozialgerichts B vom 6. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2006 aufzuheben soweit er nicht bereits durch Bescheid vom 22. April 2008 für die Zeit ab 7. Februar 2008 und die Erklärung der Beklagten vom 6. November 2008 aufgehoben ist,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger bezüglich November 2006 bis 6. Februar 2008 = 7.287,97 EUR

zu zahlen,

sowie die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Verrechnungserklärung aus Rechtssicherheitsgründen als Verwaltungsakt zu beurteilen sei und weist auf verschiedene sozialgerichtliche Entscheidungen hin (Urt. LSG Niedersachsen - Bremen vom 26. Mai 2005 - L 1 RA 172/01 -, LSG Sachsen vom 24. Mai 2005 - L 4 RA 110/2004 -; Bayerisches LSG, Urteil vom 8. Juni 2005 - L 13 R 4045/04 - und vom 21. September 2005 - L 13 R 4215/2003 -). Jedenfalls liege in der formell als Verwaltungsakt erlassenen Erklärung eine wirksame Verrechnungserklärung, welche die schuldtilgende Wirkung eintreten lasse.

Die Beigel. hat sich dem Vortrag der Bekl. angeschlossen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsunterlagen der Bekl. und die Verfahrensakte verwiesen. Die genannten Unterlagen zuzüglich der des vor dem Senat abgeschlossenen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens L 17 B 231/07 R ER haben zur mündlichen Verhandlung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die mit Bescheid vom 9. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2006 angeordnete Verrechnung ist - soweit sie aufgrund des Bescheides vom 22. April 2008 und der Erklärung der Bekl. vom 6. November 2008 noch im Streit ist - rechtmäßig und verletzt daher den Kl. nicht in seinen Rechten. Dies hat das Sozialgericht zutreffend erkannt. Die in der Berufungsinstanz erhobene allgemeine Leistungsklage ist unbegründet.

Gemäß § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - vorliegend die Bekl. als für die Rentenauszahlung zuständige Behörde - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kl. - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen - jeder Art - gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und mit Beitragsansprüchen nach dem SGB gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch wird ( Gesetzesfassung durch Gesetz vom 27. Dezember 2003, BGBl. I, S. 3022, und durch Gesetz vom 30. Juli 2004, BGBl. I, S. 2014 seit 1. Januar 2005).

Die Verrechnung stellt damit praktisch eine Aufrechnung dar, bei der das Merkmal der Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 388 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) entfällt. Die im übrigen erforderliche Aufrechnungslage (§ 387 BGB) ist gegeben, denn es stehen sich mit dem Anspruch des Kl. auf monatliche Auszahlung von Altersrente und dem Anspruch der Beigeladenen auf Zahlung rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge gleichartige Geldleistungsansprüche gegenüber, die auch jeweils fällig und erfüllbar sind bzw. wurden.

Die Wirksamkeit der Verrechnungserklärung scheitert weder an mangelnder Bestimmtheit des Ersuchens der Beigel., der von der Bekl. gewählten Handlungsform des Verwaltungsaktes, noch an einem insolvenzrechtlichem Hindernis, wie vom Kl. behauptet.

Wie schon in ihrem Anhörungsschreiben vom 24. Mai 2006 hat die Bekl. auch in den Ausführungen ihres Bescheides vom 9. Juni 2006 dargetan, die Beigeladene habe sie ermächtigt, Beitragsforderungen zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 38.546,82 EUR bezüglich des Zeitraumes 1. August 1988 bis 8. Januar 1989 zu verrechnen. Der Forderungsbescheid datiere vom 4. August 1995. In den Ausführungen des Widerspruchsbescheides wird der Beitragsbescheid als ab dem 3. September 1995 unanfechtbar bezeichnet. Dies entspricht der Mitteilung seitens der Beigel. - wie oben im Tatbestand festgestellt - und wird vom Kl. nicht in Zweifel gezogen. Von einer vollziehbaren unverjährten Forderung (§ 52 Abs. 2 SGB X) ist daher auch unter Zugrundelegung der Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts, in der Verrechnungserklärung müsse angegeben werden, dass die zur Verrechnung gestellte Forderung bestands- oder rechtskräftig festgestellt sei, auszugehen (BSG, Urt. vom 24. Juli 2003, B 4 RA 60/02 R = SozR 4-1200 § 52 Nr. 1).

Offen bleiben kann, ob bei mehreren Verrechnungsersuchen - wie vorliegend - der ermächtigte Leistungsträger verpflichtet ist, das jeweils zeitlich frühere, in der Reihenfolge des Eingangs zu berücksichtigen (vgl. entsprechend zum Prioritätsgrundsatz: BSG SozR 3 - 1200 § 52 Nr. 1 S. 13, Nr. 2 S. 27 f; BGH NJW 1968, 835). Denn im Falle des Klägers stehen die Verrechnungsersuchen nicht derart in Konkurrenz, dass es auf deren zeitliche Priorität untereinander ankäme: Das zeitlich vorrangige Ersuchen der Bundesagentur für Arbeit betrifft Vergütungsansprüche aus übergegangenem Recht, welche auf der Grundlage des § 51 Abs. 1 SGB I im pfändbaren bzw. insolvenzbefangenen Raum verrechnet werden sollen. Hingegen betrifft das hier zu beurteilende Verrechnungsersuchen die Berechtigung insoweit privilegierte Beitragsansprüche auf der Grundlage der spezielleren Norm des § 51 Abs. 2 SGB I gegen laufende Geldleistungen im pfändungsfreien bzw. insolvenzfreien Raum (§ 54 Abs. 4 SGB I) im Wege der "Selbsthilfe" einzuziehen.

Die Bekl. war zur Überzeugung des Senats nicht nur befugt, sondern sogar verpflichtet, die sozialrechtliche Verrechnung in der Form eines Verwaltungsaktes zu vollziehen. Die sozialrechtliche Verrechnung ist nicht nur als rechtsgeschäftliche Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts – hier auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts - zu qualifizieren (vgl. zum Streitstand BSG, Urt. vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, zitiert nach juris, Rn. 14 der Urteilsveröffentlichung). Der im Verhältnis zum Versicherten als Kann-Vorschrift im Sinne eines "Ermessens-Kann" ausgebildete § 52 SGB I verpflichtet die Bekl. nicht dazu, den auch für die Verrechnung nach § 51 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen (a. A. offenbar BSG, Urt. vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R -, in welchem lediglich von einem sog. "Kompetenz-Kann" ausgegangen wird.).

Die Verlautbarung der Ermessensentscheidung stellt sich damit nicht lediglich als (Teil einer) öffentlich-rechtliche(n) Willenserklärung, sondern als hoheitliche Regelung über einen sozialrechtlichen (hier: Auszahlungs-)anspruch des Versicherten und somit als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X dar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. September 2007, L 8 RA 91/04; Bayerisches LSG, Urt. vom 21. September 2005, L 13 R 4215/03, beide veröffentlicht in juris, vgl. auch Lilge, SGB I, Kommentar, 2. A., 2009, § 51 Rz. 14, 41). Andere Landessozialgerichte sind hingegen der Rechtsauffassung des 4. Senats des BSG (a.a.O.) gefolgt (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 30. Mai 2008, L 5 R 186/06 KN; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. März 2006, L 3 RJ 256/02, beide veröffentlich in juris). Die divergierende höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob eine Verrechnung durch – einfache - öffentlich-rechtliche Willenserklärung oder durch Verwaltungsakt zu erklären ist, hätte Anlass gegeben, gemäß § 41 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG - den Großen Senat (GS) des BSG anzurufen (vgl. BSG, Urt. vom 27. März 2007, B 13 RJ 43/05 R, Rz. 18 zum Streitstand, in juris; Lilge, SGB I, Komm., 2. A., 2009, § 51 Rz. 17). Da jedoch der 4. Senat des BSG seit 1. Juli 2007 nicht mehr für Neueingänge aus dem Gebiet des allgemeinen Rentenrechts geschäftsplanmäßig zuständig ist, dürfte eine Anrufung des GS des BSG nicht mehr erforderlich sein.

Vorliegend hat die Bekl. ihr Ermessen erkannt und dieses in einer dessen Zweck entsprechenden Weise betätigt (§ 39 Abs. 1 SGB I). Bereits im Anhörungsschreiben hat die Bekl. den Kl. darüber informiert, dass sie über die Verrechnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden habe. Er möge sich zu der beabsichtigten Verrechnung äußern und dabei alle Umstände schildern, die für die Verrechnung bedeutsam sein können. Hierauf hat der Kl. mit dem Hinweis auf das anhängige Insolvenzverfahren reagiert, in welchem auch die Forderung der Beigel. "eingebunden" sei. Im Ausgangsbescheid vom 9. Juni 2006 hat die Bekl. dann in den Begründungsausführungen dargetan, Ermessensausübung bedeute für den Rentenversicherungsträger eine Abwägung der Interessen des Einzelnen mit denen der Versichertengemeinschaft. Diese könne nur dann zu Gunsten des Leistungsempfängers ausgehen, wenn die besonderen Umstände des Falles es erlaubten, die (Interessen der) Versichertengemeinschaft zurücktreten zu lassen. Sie hat dann den Vortrag des Kl. aufgenommen und diesen dahin beurteilt, dass das Insolvenzverfahren keine unmittelbare Auswirkungen habe, soweit nur Rentenanteile erfasst würden, mit denen im Rahmen des § 51 Abs. 2 SGB I eine Aufrechnung zulässig sei. Bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse könne auf Antrag oder von Amts wegen eine Neufeststellung des Verrechnungsbetrages erfolgen. Diese Begründungsausführungen genügen – noch - der erforderlichen Ermessensbetätigung.

Die Verrechnung ist auch nicht durch Regelungen des Insolvenzrechts ausgeschlossen, wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat. Insbesondere steht nicht entgegen, das der Insolvenzgläubiger – hier insoweit auch die Beigel. - ihre Forderungen allein nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen dürfe (§ 87 InsO). Soweit die §§ 52, 51 SGB I dies zulassen, darf die Beigel. die Bekl. im Wege der Verrechnung in Dienst nehmen, um ihre Forderungen einzuziehen. Denn in dem nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Raum handelt die Beigel. nicht als Insolvenzgläubigerin, der in dieser Rolle – was hier dahinstehen kann - möglicherweise eine Aufrechnung untersagt wäre.

Insolvenzrechtliche Vorschriften beziehen sich - nur - auf jene Vermögensgegenstände, die zur Insolvenzmasse rechnen. Das Insolvenzverfahren erfasst das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Nur diese Haftungsmasse unterliegt dem Insolvenzbeschlag. Hinsichtlich des insolvenzfreien Vermögens verbleibt es beim Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners (Kroth in: Braun, InsO, Komm. 3. A., 2007, § 80 Rz. 9). Nicht zur Insolvenzmasse gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen; unter anderem § 850 c ZPO gilt entsprechend (§ 36 Abs. 1 InsO). Nach der Bekanntmachung zu § 850 c der ZPO (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2005 bzw. 2007) vom 25. Februar 2005, BGBl. I, S. 493 und 22. Januar 2007, BGBl. I, S. 64, beträgt der im Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2009, also auch bis zur Aufhebung der Verrechnung am 7. Februar 2008 zugrunde zulegende Freibetrag 985,15 EUR zuzüglich 370,76 EUR, insgesamt 1355,91 EUR. Da die monatlichen Rentenauszahlungsansprüche des Kl. als laufende Geldleistung nur wie Arbeitseinkommen der Pfändung unterliegen (§ 54 Abs. 4 SGB I) und die genannten Grenzen zu keinem Zeitpunkt überschritten, rechnen diese folglich auch nicht zur Insolvenzmasse. Dies räumt der Kl. letztlich auch ein.

Aus dem von ihm in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 10. Dezember 2003 – B 5 RJ 18/03 R – kann er für sein Begehren nichts herleiten: Diese Entscheidung betrifft nach ihren Ausführungen nur die pfändbaren Anteile der Rentenauszahlungsansprüche (vgl. Rz. 1, 2, 3, 11, 12, 17 des Urteilsausdruck bei juris). Dieser Regelungsbereich ist aber gerade im Falle des Kl. nicht betroffen.

Bereits die in der Insolvenzordnung selbst enthaltenen – und also deren Regelungsbereich betreffenden - Aufrechnungsverbote sind durch eine analoge Heranziehung von § 394 BGB nicht erweiterbar. In seinem Urteil vom 29. Juni 2004 hat der Bundesgerichtshof – BGH – 9. Zivilsenat - IX ZR 195/03 -, zitiert nach juris Rz. 13, zum Ausdruck gebracht, die Insolvenzordnung habe die vollstreckungsrechtlichen Folgen des Insolvenzverfahrens und die Zulässigkeit der Aufrechnung in voneinander getrennten Bestimmungen geregelt. Insbesondere die Verbindung der Unwirksamkeit der Aufrechnung mit der anfechtbaren Begründung der Aufrechnungslage mache deutlich, dass die §§ 94 bis 96 InsO insgesamt die Frage, wann Aufrechnungen unwirksam seien, insolvenzrechtlich umfassend und abschließend regeln.

In seinem weiterführenden Urteil vom 21. Juli 2005 hat der 9. Zivilsenat des BGH - IX ZR 115/04, zitiert nach juris, Rz. 15 ausgeführt: "Die Vorschriften der Insolvenzordnung schließen für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das sonstige Vermögen des Schuldners generell aus (§ 89 InsO). Demgegenüber sind die Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis gemäß den §§ 94 ff. InsO differenzierter ausgestaltet. Ähnliches gilt für den Zeitraum der Wohlverhaltensperiode: Dem in § 294 Abs. 1 InsO geregelten generellen Zwangsvollstreckungsverbot steht die nur für eine bestimmte Fallgestaltung vorgesehene Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern in § 294 Abs. 3 InsO gegenüber. Dieser Differenzierung würde es nicht gerecht werden, das umfassend geltende Zwangsvollstreckungsverbot mit einem generell geltenden Aufrechnungsverbot gleichzusetzen."

Gilt dies schon vorrangig für den Bereich der Anwendung des Insolvenzrechts, kommt bezüglich der Wohlverhaltensperiode bei der Anwendung der sozialrechtlichen Verrechnungs-/Auf-rechnungsvorschriften im insolvenzfreien Raum erst recht nichts anderes in Betracht:

Der Kl. verkennt, dass mit der Regelung des §§ 51 Abs. 2, 52 SGB I eine Privilegierung der Sozial(versicherungs)behörden (vgl. grundlegend: BSG, Urt. vom 19. Januar 1978 – 4 RJ 47/77 -; Urt. vom 27. März 1996 – 14 REg 10/95 -, zitiert nach juris) bezweckt wird, welche sich im gegliederten Sozialstaat gegenüber dem Versicherten auswirken kann (Ermessen), der – sobald er als Gläubiger einer laufenden Geldleistung auftritt – sich spezielle Gegenansprüche (Erstattungsansprüche, Beitragsansprüche) aus dem System sozialer Sicherheit bis Hälfte der bezogenen Leistung entgegenhalten lassen muss, solange und soweit er nicht seinerseits darlegt und beweist, dass hierdurch sein sogenanntes soziokulturelles Existenzminimum verletzt ist (Bedürftigkeit im Sinne des SGB II bzw. SGB XII). Hiermit wird – gegenüber der Zielsetzung der Insolvenzordnung (§ 1 InsO) - ein eigenständiger Zweck verfolgt, welcher im Interesse der Versichertengemeinschaft sowohl gegenüber dem einzelnen Versicherten wie gegenüber dem zur Beitragsentrichtung in Dienst genommenen – früheren – Arbeitgeber in Betracht kommen kann, sofern dieser selbst Gläubiger einer laufenden Geldleistung im Sinne des SGB wird.

Die in den Aufrechungsvorschriften des Sozialgesetzbuches in Bezug auf die Pfändbarkeit der Hauptforderung aufzufindende Differenzierung ist bereits in den allgemeinen Aufrechnungsvorschriften der §§ 387 ff. BGB angelegt. In § 394 S. 1 BGB heißt es: Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung nicht statt. Dies ist die allgemeine Fassung des § 51 Abs. 1 SGB I und bewirkt ein Aufrechnungsverbot im pfändungsfreien Raum und damit den Schutz der Existenzgrundlagen des Aufrechnungsgegners auf dem – gehobenen - Niveau der Vorschriften der ZPO. Hiervon bildet § 394 S. 2 BGB eine Ausnahme: "Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden." Diese aus dem vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnis sowie aus Treu und Glauben herrührende Regelung kennt nach ihrem Wortlaut keinen "Sozialschutz" des Aufrechnungsgegners. Allerdings dürfte dem Gläubiger auch hier das Existenzminimum zu belassen sein, da andernfalls Existenz sichernde Sozialleistungen eintreten müssten, die Aufrechnung also im Ergebnis zu Lasten der öffentlichen Hand ginge (Palandt, BGB, Komm. 68. A., 2009, § 394 Rz. 2). Dieser Konzeption folgt § 51 Abs. 2 SGB I, legt aber für den dortigen eingeschränkten Anwendungsbereich auf bestimmte "Systemansprüche" (Beiträge, Erstattungen im Sozialleistungsverhältnis) eindeutige Kriterien (Hälfte der Hauptforderung, begrenzt auf das – in der Regel gegenüber den Vorschriften der ZPO niedrigere – Schutzniveau des SGB II bzw. XII, Darlegungs- und Beweislast der Hilfebedürftigkeit beim Aufrechnungsgegner) im Interesse dieser aus allgemeinen Deckungsmitteln finanzierten öffentlichen Fürsorge fest.

Bei ihm eintretende Bedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des SGB XII hat der Kl. nach dem Inhalt der Verwaltungsunterlagen wie nach den Unterlagen des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens nicht vorgetragen. Von der Bekl. war er hierauf besonders hingewiesen worden. Auch die beigezogenen Unterlagen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geben diesbezüglich keinen Hinweis.

Danach musste die Berufung mit dem Hauptantrag erfolglos bleiben. Hinsichtlich des Hilfsantrags folgt dessen Abweisung aus den obigen Ausführungen zu den materiell gegebenen Voraussetzungen der Verrechnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Sie waren insbesondere nicht wegen der Divergenz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil der 4. Senat des BSG seit 1. Juli 2007 geschäftsplanmäßig nicht mehr für Angelegenheiten der allgemeinen Rentenversicherung zuständig ist.
Rechtskraft
Aus
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