L 23 SO 285/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 SO 56/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 285/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Einstellung von laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für die Zeit von Januar bis März 2006 aufgrund Versagungsbescheides wegen fehlender Mitwirkung.

Der 1939 geborene Kläger bezog vom Beklagten ab Januar 2005 ergänzend zu seiner Altersrente Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Anlässlich einer Vorsprache bei dem Beklagten am 12. April 2005 gab der Kläger an, Inhaber des Kontos Nr. bei der P B zu sein. Er gab ferner an, bei der Buchung auf seinem Konto vom 07. Februar 2005 in Höhe von 250,00 EUR handele es sich um ein Geschenk seines Bruders. Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 12. April 2005 zur Vorlage seiner vollständigen Kontoauszüge alle drei Monate auf. Auf die Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 02. Mai 2005 zur Berechtigung, die Vorlage der Kontoauszüge zu verlangen, teilte der Beklagte mit Schreiben vom 04. Mai 2005 mit, dass die Kontoauszüge zur Prüfung der Bedürftigkeit sowie zur Prüfung der Eigenleistungsfähigkeit erforderlich seien. Da Gelder aus öffentlichen Mitteln gewährt würden, sei es auch wichtig zu prüfen, ob Mieten, Strom u. a. eingezahlt würden, um einer eventuellen Obdachlosigkeit vorzubeugen.

Mit Schreiben vom 06. Juni 2005 und 12. Juni 2005 wandte sich der Kläger erneut gegen die geforderte Vorlage von Kontoauszügen, die er nur bei Erstantragstellung und konkreten Sachverhalten, die Anlass für die Einleitung eines neuen Verwaltungsverfahrens gäben, für zulässig hielt. Es sei nicht zulässig, Einblick in den Kontenverlauf der letzten drei Monate bei Antragstellung oder der letzten sechs Monate nach der Leistungsbewilligung zu nehmen oder ohne konkreten Anlass in das Bankgeheimnis und die geschützten Daten eines Bürgers einzugreifen.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 07. Juli 2005 ergänzende Leistungen nach dem SGB XII für Juli bis Dezember 2005 und gab dem Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 auf, die Kontoauszüge ab April 2005 bis zum 02. November 2005 vorzulegen, anderenfalls erfolge eine Leistungsversagung nach § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Mit Schreiben vom 21. Oktober 2005 forderte der Beklagte den Kläger auf, einen Folgeantrag ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden sowie seine laufenden und ununterbrochenen Kontoauszüge zu übersenden. Mit Schreiben vom 08. November 2005 wandte sich der Kläger erneut schriftlich gegen die Aufforderung zur Offenlegung seiner Kontenbewegungen.

Mit Bescheid vom 17. November 2005 teilte der Beklagte mit, die Leistungen nach dem SGB XII würden ab dem 01. Januar 2006 "eingestellt", weil der Kläger die geforderten Kontoauszüge nicht vorgelegt habe und somit seinen Mitwirkungspflichten gemäß §§ 60 62 und 65 SGB I nicht nachgekommen sei und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes verhindert worden sei.

Mit seinem am 05. Dezember 2005 eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Aufforderung, Kontoauszüge laufend vorzulegen, keine Rechtsgrundlage habe. Einer Vorlage der Kontoauszüge stehe das Schutzrecht auf Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entgegen. Mit Schriftsatz vom 05. Januar 2006 verwies die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers ergänzend auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichtes vom 22. August 2005 (L 7 AS 32/05 ER).

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06. Februar 2006 zurück. Ergänzend heißt es dort, die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit des Klägers sei ungeklärt. Zudem böte der vorliegende Fall Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine wirklichen wirtschaftlichen Verhältnisse zu verschleiern suche. Am 07. Februar und am 07. März 2005 sei es neben der Altersrente zu zwei Zahlungseingängen von jeweils 250,00 EUR gekommen. Es sei daher nicht auszuschließen, dass der Kläger regelmäßiges Einkommen erziele, welches im Rahmen der Grundsicherung anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei.

Der Kläger hat am 02. März 2006 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er zunächst die Aufhebung der Bescheide vom 17. November 2005 und 06. Februar 2006 und eine Neubescheidung begehrt hat. Zur Begründung haben der Kläger und seine damalige Prozessbevollmächtigte im Wesentlichen vorgetragen, es lägen keine hinreichenden Gründe vor, vom Kläger die Vorlage von Kontoauszügen ab April 2005 zu fordern. Dies könne nur dann in Betracht kommen, wenn eine vermutete Änderung der Einkommensverhältnisse vorliege. Bankkontobewegungen unterlägen nicht der Prüfpflicht des Beklagten, die Offenlegung von Kontobewegungen sei rechts- und sittenwidrig. Mit bei Gericht am 23. April 2007 eingegangenem Schreiben hat der Kläger die Klage um die Erstattung einer TV Kabelgebühr in Höhe von 279,46 EUR erweitert und ausgeführt, dass er mit der Klage die Nachzahlung der Leistung für die Monate Januar bis einschließlich März 2006 begehre.

Seit dem 01. April 2006 gewährte der Beklagte dem Kläger zunächst wieder Grundsicherungsleistungen nach § 42 Abs. 1 SGB XII.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Oktober 2007 abgewiesen.

Das Sozialgericht ist hierbei davon ausgegangen, dass der Kläger sinngemäß beantragt habe,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2006 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch auch für Januar bis März 2006 zu gewähren sowie ihm 279,46 EUR TV Kabelgebühren rückzuerstatten.

In der Begründung heißt es, die vom Kläger erklärte Klageänderung (Klage auch betreffend März 2006 und TV Kabelgebühren) sei unzulässig, weil es hierfür an der Durchführung eines Vorverfahrens mangele. Weder die Leistungsversagung für März 2006 noch die Frage der Erstattung von TV Kabelgebühren könne zulässig Gegenstand der Klage sein, insoweit sei die Klage unzulässig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil der Kläger den Nachweis seiner Hilfebedürftigkeit ab Januar 2006 nicht erbracht habe und ihm daher auch die Leistung nicht gewährt werde. Die auf § 66 SGB I gestützte Leistungsversagung sei rechtmäßig. Eine Mitwirkungspflicht zur Vorlage der vom Beklagten angeforderten lückenlosen Kontoauszüge habe bestanden. Im Übrigen hätten auch konkrete Anhaltspunkte bestanden, die die Vorlage der Kontoauszüge rechtfertigten. Das Ansinnen des Beklagten, in den Folgemonaten zu prüfen, ob die im Februar und März 2005 erfolgten Zuwendungen oder andere Zuwendungen an den Kläger weiter erfolgten, sei nachvollziehbar.

Der Kläger hat gegen den ihm am 25. Oktober 2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 23. November 2007 Berufung eingelegt, mit der er sich ausschließlich noch gegen die Versagungsentscheidung des Beklagten aufgrund fehlender Mitwirkung wendet. Der Kläger trägt vor, die Klage stütze sich primär auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. August 2005. Er sei nicht gehalten gewesen, den Anforderungen auf Vorlage seiner Kontoauszüge nachzukommen. Auch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 19. September 2008 B 14 AS 45/07 R sei die an ihn gerichtete Aufforderung zur Vorlage von Kontoauszügen rechtswidrig gewesen. Das BSG habe festgestellt, dass die Vorlage von Kontoauszügen nur bei Anträgen zulässig sei, dass nur die Vorlage von drei Auszügen zulässig und ferner ein Hinweis auf Kontenschwärzungen zwingend geboten sei. Nach einem weiteren am 6. Oktober 2009 in der Zeitung bekannt gegebenen Urteil des BSG (Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 13/08 R - noch unveröffentlicht) sei er zudem nicht verpflichtet gewesen, einen Folgeantrag zu stellen. Einer Vorlage von drei Kontoauszügen bei Antragstellung habe er stets zugestimmt, nicht jedoch der Offenlegung aller Kontenabgänge in diesen Auszügen. Die Auflage "Vollständige Kontenauszüge sind vollständig alle drei Monate vorzulegen" vom 12. April 2005 sei nicht rechtens, zumal dies "für alle Ewigkeit" gelten solle und kein Hinweis auf Einschwärzung bestimmter Ausgaben erfolgt sei. Im Übrigen sei geduldet worden, dass er für das II. Quartal 2005 keine Auszüge vorgelegt habe. Auch die Nichtvorlage im III. Quartal 2005 sei geduldet worden. Damit sei die am 19. Oktober und 21. Oktober 2005 erfolgte Mahnung nicht rechtens gewesen. Auch im Bewilligungsantrag für Leistungen ab April 2006 habe er keine Auszüge mehr vorgelegt, was vom Amt akzeptiert worden sei. Die Aufforderung vom 13. September 2006, die ihn veranlasst habe, seine Auszüge der Monate Januar 2005 bis August 2006 vorzulegen, sei eine "heimtückische Falle" gewesen.

Dem Vortrag des Klägers ist sachdienlich der Antrag zu entnehmen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Oktober 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid sowie in seinem Widerspruchsbescheid. Der Kläger habe erst im September 2006 Einsichtnahme in seine vollständigen Kontoauszüge gewährt, die Versagung der Leistungen ab Januar 2006 sei zu Recht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ). Soweit der Kläger mit am 21. Oktober 2009 bei Gericht eingegangenem Schreiben darum gebeten hat, den - für den 22. Oktober 2009 vorgesehenen - Termin zur Entscheidung zu verschieben bis die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 29. September 2009 - B 8 SO 13/08 R - im Volltext vorliege, stellt dies schon seinem Wortlaut nach keinen Widerruf des mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 erteilten Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung dar. Zudem ist ein Widerruf der Einverständniserklärung ausgeschlossen, wenn - wie hier - bereits das Einverständnis der übrigen Beteiligten bei Gericht eingegangen ist (Keller in Meyer-Ladewig-Keller-Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 124 Rn 3d m.w.N.). Der Senat war an einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auch nicht im Hinblick auf das am 29. September 2009 ergangene Urteil des Bundessozialgerichts gehindert. Die in diesem Urteil vom BSG entschiedene Frage, ob für Leistungen nach den §§ 1 bis 3 Grundsicherungsgesetz (GSiG) nach Ablauf des Bewilligungszeitraums ein Folgeantrag zu stellen ist, ist für die im hiesigen Verfahren zu entscheidende Rechtsfrage der Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen nicht relevant. Das Urteil ist somit nicht geeignet, eine wesentlich geänderte Prozesslage zu begründen, die eine Einverständniserklärung ohne weiteres wirkungslos machen würde.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Streitgegenstand ist ausschließlich der Versagungsbescheid des Beklagten vom 17. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2006. Zu Unrecht hat das Sozialgericht angenommen, dass es sich bei der vom Kläger erhobenen Klage insoweit um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz SGG ) handelt. Mit dem angefochtenen Bescheid hat vielmehr der Beklagte als Leistungsträger die Leistung ohne abschließende Ermittlung bis zur Nachholung der Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt. Gegen einen solchen Versagungsbescheid ist grundsätzlich nur die Anfechtungsklage eröffnet (BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13; BSG SozR 4 1200 § 66 Nr. 1; BSG, Urteil vom 01. Juli 2009 B 4 AS 78/08 R , juris, BVerwGE 71, 8). Ein neben der isolierten Aufhebung des Bescheides auf die Leistungsgewährung gerichtetes Begehren wäre unzulässig.

Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass lediglich die isolierte Anfechtung des Versagungsbescheides statthaft ist, liegen nicht vor. Nach dieser Rechtsprechung ist eine zusätzliche Klage auf Leistungsgewährung dann zulässig, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist oder vom Kläger behauptet wird (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 2009 B 4 AS 78/08 R , juris, Rn. 13, m.w.N.). Eine derartige Situation liegt hier nicht vor. Es ist zwischen den Beteiligten nicht unstreitig gewesen, dass die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen vorlagen. Ob dem Kläger die Leistungen für die Monate Januar bis März 2006 nachträglich erbracht werden können, nachdem er im September 2006 die geforderten Kontoauszüge dem Beklagten zur Prüfung vorgelegt hat, hat der Beklagte gemäß § 67 SGB I in einem gesonderten Verwaltungsverfahren zu entscheiden. Nach § 67 SGB I kann der Leistungsträger Sozialleistungen, die er nach § 66 SGB I versagt oder entzogen hat, nachträglich ganz oder teilweise erbringen, wenn die Mitwirkung nachgeholt wird und die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Die Entscheidung über die Nachgewährung nach § 67 SGB I steht im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers. Maßgeblich sind hierbei die Umstände des Einzelfalls. Da der Inhalt der vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge sowie seine wirtschaftlichen Verhältnisse in der Zeit von Januar bis März 2006 im Übrigen dem Senat nicht bekannt sind, sprechen auch Gründe der Prozessökonomie und des effektiven Rechtsschutzes nicht für eine ausnahmsweise Statthaftigkeit einer Leistungsklage ohne vorherige Durchführung eines verwaltungsrechtlichen Vorverfahrens.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Soweit das Sozialgericht die Klage auch als Leistungsklage für zulässig erachtet hat, war dies zwar unzutreffend, ändert aber nichts an dem zutreffenden Ergebnis der Klageabweisung. Soweit das Sozialgericht die geänderte Klage in Bezug auf die Erstattung von TV Kabelgebühren für unzulässig gehalten hat, greift der Kläger dies mit der Berufung erkennbar nicht an.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Versagungsbescheid vom 17. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom Februar 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Den Kläger traf eine Mitwirkungsobliegenheit zur Vorlage der geforderten Unterlagen gemäß § 60 SGB I. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Die Mitwirkungsobliegenheiten des SGB I gelten gem. § 37 Satz 1 SGB I auch im Rahmen des SGB XII (vgl. im Einzelnen hierzu: BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 45/07 R - Juris Rn 13 m.w.N.; Fastabend in Hauck/ Noftz, SGB I, Stand Oktober 2003, K § 37 RdNr 9 m.w.N.).

Die von dem Beklagten geforderte Vorlage der Kontoauszüge war auch nicht durch § 65 SGB I begrenzt. Nach § 65 SGB I bestehen die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 SGB I nicht, soweit 1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder 2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder 3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Diese Voraussetzungen lagen nicht vor.

Anspruchsvoraussetzung für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ist gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, dass der Antragsteller sich seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen beschaffen kann. Nach § 82 SGB XII sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch. Nach der gefestigten sozialhilferechtlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 35/07 R -Juris m.w.N.) ist Einkommen alles, was dem Grundsicherungsempfänger im Leistungszeitraum in Geldeswert zufließt. Es liegt daher auf der Hand, dass es im Rahmen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems, das strikt an die Hilfebedürftigkeit der Leistungsempfänger als Anspruchsvoraussetzung anknüpft, keine unzumutbare und unangemessene Anforderung darstellt, Auskunft über den Bestand an Konten und die Kontenbewegungen (durch die Vorlage von Kontoauszügen) zu geben, jedenfalls soweit die Einnahmeseite betroffen ist. Der Senat schließt sich insoweit ausdrücklich der zur Mitwirkungsobliegenheit im Rahmen des Bezuges von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ergangenen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. September B 14 AS 45/07 R - Juris) an. Danach gilt die Vorlagepflicht auch für den Fall, dass der Betroffene schon Leistungen bezogen hat und Grundsicherungsleistungen für Folgezeiträume geltend macht. Ob der Betroffene hierbei verpflichtet ist, einen förmlichen (Folge-)Antrag zu stellen oder nicht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 13/08 R – noch unveröffentlicht), ist insoweit irrelevant. Angesichts der Vielfalt jederzeit möglicher Änderungen gibt es für eine differenzierende Beurteilung der Vorlagepflicht keinen Grund (BSG, Urteil vom 19. September B 14 AS 45/07 R - a.a.O.).

Dies gilt nach Auffassung des Senats auch in zeitlicher Hinsicht. Ob grundsätzlich eine Aufforderung, wie sie im ersten Schreiben des Beklagten vom 12. April 2005 ergangen ist, Kontoauszüge unaufgefordert alle drei Monate einzureichen, hinnehmbar ist, kann dahinstehen. Denn im vorliegenden Einzelfall war jedenfalls die Aufforderung zur Vorlage der Kontoauszüge vom 19. bzw. 21. Oktober 2005 aufgrund der vehementen Weigerung des Klägers seit April 2005 sowie der besonderen Verdachtsmomente aufgrund zweier zunächst ungeklärter Geldzuflüsse von 250,00 EUR in den Monaten Februar und März 2005 gerechtfertigt. Derartige Verdachtsmomente, wie im vorliegenden Fall, rechtfertigen jedenfalls die Vorlagepflicht von Kontoauszügen auch über einen längeren als dreimonatigen Zeitraum.

Soweit in der Rechtsprechung die Vorlagepflicht von Kontoauszügen für die letzten zwölf Monate als nicht hinnehmbar angesehen wurde (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12. Juli 2007 L 6 AS 378/07 ER ), betrifft dies überdies einen anderen Fall. In dem der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 12. Juli 2007 zugrunde liegenden Sachverhalt sind die Antragsteller anlässlich eines Fortzahlungsantrages zur Vorlage von Kontoauszügen der vergangenen zwölf Monate aufgefordert worden. Das LSG hat die Kenntnis von Kontoauszügen über einen zurückliegenden Jahreszeitraum zur Prüfung der aktuellen Hilfebedürftigkeit für die Zukunft für unerheblich gehalten und eine Vorlagepflicht insoweit verneint. Dieser Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden jedoch grundlegend dadurch, dass vom Kläger nicht die Vorlage von Kontoauszügen für vergangene Zeiträume, sondern die Vorlage jeweils aktueller Kontoauszüge gefordert wurde, wobei diese in Dreimonats- oder Sechsmonatsabständen vorgelegt werden konnten (Schreiben des Beklagten vom 04. Mai 2005). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die dem Kläger gewährten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung regelmäßig für die Dauer von einem Jahr bewilligt werden, ist eine kontinuierliche Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen, d. h. der fortbestehenden Hilfebedürftigkeit, während des Leistungsbezugs über den genannten langen Zeitraum, nicht zu beanstanden.

Die Mitwirkungsobliegenheiten der §§ 60 ff SGB I bestehen auch grundsätzlich unabhängig vom Vorliegen von Verdachtsmomenten gegen den Leistungsempfänger (BSG a.a.O. Rn 19). Die vom Kläger geforderten Unterlagen sind von ihm schließlich auch nicht unverhältnismäßig schwer beizubringen. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich der Sozialhilfeträger die vom Kläger gewünschten Informationen auf leichtere Weise beschaffen könnte.

Die Vorlagepflichten des Klägers im Rahmen seiner generellen Obliegenheitspflichten gemäß § 60 SGB I werden auch durch die Regelungen des Sozialdatenschutzes nicht grundsätzlich eingeschränkt (vgl. hierzu grundsätzlich BSG a.a.O. Rn 21 ff). Nach der Rechtsprechung des BSG gebietet es allerdings der Rechtsgedanke des § 67 Abs. 12 SGB X, dass der Grundsicherungsempfänger die von ihm getätigten Ausgaben nicht in vollem Umfang offen legen muss. Nach § 67 Abs. 12 SGB X sind besondere Arten personenbezogener Daten Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Nach § 67a Abs. 1 Satz 2 SGB X ist für besondere Arten personenbezogener Daten gesondert zu prüfen, ob deren Kenntnis zur Erfüllung der Aufgabe der erhebenden Stelle erforderlich ist. Für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Sozialhilfeträgers - Sicherung des Lebensunterhalts vgl. § 1 Satz 1 SGB XII - ist es nicht erforderlich, dass dieser Kenntnis über das Ausgabeverhalten der Grundsicherungsempfänger in den in § 67 Abs. 12 SGB X genannten Bereichen erlangt (vgl. BSG a.a.O. Rn 24). Soweit keine Verpflichtung zur Angabe der Empfänger von Zahlungen besteht, wenn besonders schützenswerte persönliche Belange betroffen sind, ist die Vorlagepflicht des Betroffenen nach § 60 SGB I eingeschränkt.

Der Beklagte hat allerdings in seinen Aufforderungsschreiben auf die Möglichkeit der Schwärzung der Adressaten auf der Ausgabenseite der Kontoauszüge nicht gesondert hingewiesen.

Der fehlende Hinweis auf die Schwärzungsmöglichkeiten macht die Aufforderung zur Mitwirkung jedoch nicht bereits rechtswidrig. Den Aufforderungsschreiben lässt sich zum einen nicht entnehmen, dass der Kläger zur Vorlage vollständig ungeschwärzter Kontoauszüge aufgefordert wurde. Es hätte ihm offen gestanden, persönlichkeitsrelevante und für den Leistungsbezug nicht relevante Vorgänge im Bereich der besonders geschützten Daten, d.h. die Angabe der Empfänger von Zahlungen, wenn besonders schützenswerte persönliche Belange betroffen sind, zunächst zu schwärzen. Dafür, dass für die Weigerung des Klägers, seine Kontoauszüge vorzulegen, derart geheimhaltungsbedürftige Umstände ursächlich gewesen sind, besteht jedoch kein Anhaltspunkt. Dem Kläger ging es bei seiner Weigerung nicht um den Schutz konkreter Adressaten bzw. besonderer Arten personenbezogener Daten, sondern um seine vermeintliche datenschutzrechtliche Position, Kontoauszüge im laufenden Bezug von Grundsicherungsleistungen überhaupt nicht mehr vorlegen zu müssen. Der Kläger hat sich von vornherein grundsätzlich geweigert und dies auch in zahlreichen Schreiben und Gesprächen deutlich gemacht, überhaupt Kontounterlagen vorzulegen.

Das BSG hat auch entschieden, dass durch die geforderte Offenbarung der Kontodaten das Grundrecht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht verletzt wird. Der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch durch die Offenlegung der Kontendaten ist jedenfalls verhältnismäßig. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf den dem Kläger übersandten Abdruck des vollständigen Urteilstextes, dort Rdnr. 25 und 26, in dem es heißt: "Unter Berücksichtigung der Einschränkung - keine Verpflichtung zur Angabe der Empfänger von Zahlungen, wenn besonders schützenswerte persönliche Belange betroffen sind - ist nach Überzeugung des Senats gewährleistet, dass die vom Kläger angegriffenen Mitwirkungspflichten nicht gegen dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) schützt in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen aus informationsbezogenen Maßnahmen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung ergeben (vgl BVerfGE 65, 1, 42; 113, 29, 46; zuletzt 118, 168). Dieses Grundrecht gibt dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen (vgl hierzu O Sullivan in Estelmann, SGB II, § 50 RdNr 5, Stand Mai 2007). Zwar ist der Schutzbereich dieses Grundrechts insoweit berührt, als die Grundsicherungsempfänger durch die Mitwirkungspflichten des § 60 SGB I gehalten werden, ihre Konten gegenüber dem Sozialleistungsträger offen zu legen. Da dieser - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben hat - die Kontounterlagen bzw Fotokopien regelmäßig zu den Akten nimmt, liegt insofern auch ein "Erheben" von Daten vor. Allerdings ist dieser Eingriff nach Überzeugung des Senats verhältnismäßig. Hierbei sind insbesondere die Intensität des Eingriffs und das mit dem Eingriff vom Gesetzgeber bezweckte Ziel abzuwägen (vgl insbesondere BVerfGE 118, 168, 195 ff). Die Mitwirkungspflicht des Grundleistungsempfängers dient Gemeinwohl-belangen von erheblicher Bedeutung. Der Grundsicherungsempfänger beantragt staatliche Fürsorgeleistungen, die ihm ohne jede Gegenleistung (etwa in Form von vorher gezahlten Beiträgen etc) nur auf Grund seiner Hilfebedürftigkeit gewährt werden. Dem Staat - bzw der Gemeinschaft der Steuerzahler - muss es daher erlaubt sein, sich davor zu schützen, dass diese Grundsicherungsleistungen an Nichtbedürftige gewährt werden, die über weitere finanzielle Mittel verfügen, diese jedoch gegenüber dem Grundsicherungsträger verschweigen bzw nicht offenlegen. Diesem Schutzzweck auf Seiten der Allgemeinheit steht ein vergleichsweise geringer Eingriff gegenüber. Der Leistungsempfänger nach dem SGB II ist gemäß § 37 SGB II im Rahmen der Antragstellung ohnehin gehalten, weitgehende Angaben über sein Vermögen und auch Privatleben zu machen. Die Vorlagepflicht von Kontounterlagen - insbesondere unter Berücksichtigung der hier geforderten Einschränkungen bzw Schwärzungen auf der Ausgabenseite - stellt keinen zusätzlichen oder weitergehenden belastenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Anders etwa als bei einer Strafverfolgung oder den Maßnahmen im Rahmen des § 93 AO steht hier nicht repressives staatliches Handeln im Vordergrund, sondern der Betroffene befindet sich in einer Situation, in der er vom Staat bzw der Allgemeinheit eine Leistung einfordert. In diesem leistungsrechtlichen Kontext stellt es keine unverhältnismäßigen Eingriffe in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, die hier streitigen Mitwirkungshandlungen von ihm zu fordern. Im Übrigen hat das BVerfG § 93 Abs 8 AO hinsichtlich der Übermittlung von Kontostammdaten an Sozialleistungsträger lediglich unter dem Aspekt der Unbestimmtheit der Norm für verfassungswidrig erklärt hat. In seiner Entscheidung vom 13. Juni 2007 (BVerfGE 118, 168 ff) lässt das BVerfG hingegen keinen Zweifel daran, dass gerade bei Empfängern von Sozialleistungen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art 2 Abs 1 GG hinzunehmen sind."

Der Versagungsbescheid vom 17. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom Februar 2006 ist auch gemäß § 66 SGB I formell rechtmäßig. Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Dies war hier der Fall. Der Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 12. April 2005, 4. Mai 2005 und erneut mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 unter Fristsetzung bis zum 02. November 2005 zur Vorlage der Kontoauszüge aufgefordert und mit Schreiben vom 21. Oktober 2005 die Frist für die Vorlage der Kontoauszüge erneut verlängert auf eine Frist "innerhalb von 14 Tagen".

Der Versagungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Der Fassung der Bescheide lässt sich entnehmen, dass der Beklagte sich bewusst war, dass die Entscheidung über die Leistungsversagung bei Verletzung von Mitwirkungspflichten und insoweit fehlendem Nachweis der Leistungsvoraussetzungen in seinem Ermessen steht. Er hat insoweit in seine Ermessenserwägungen auch die Grenzen der Mitwirkungspflichten des Antragstellers nach § 65 SGB I eingestellt und seine Leistungseinstellung rechtsfehlerfrei begründet. Ermessensfehler werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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