Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 1065/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 500/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Behandlung mit einem sog. Cyberknife zählte im Januar 2008 nicht zum Leistungsumfang in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für die Behandlung der Klägerin mit einem sog. Cyberknife (Herstellerbezeichnung), einem robotergestützten Linearbeschleuniger zur Radiochirurgie. Der Begriff Radiochirurgie beschreibt die Zerstörung eines umschriebenen Gewebevolumens durch eine einmalige fokussierte, hochdosierte Bestrahlung. Die Behandlung mit einem Cyberknife dauert zwischen 30 und 120 Minuten und kommt, weil das Gerät während der Bestrahlung ständig nachgeführt wird, ohne den sonst in der Radiochirurgie üblichen fest am Patienten verschraubten Fixierrahmen aus.
Bei der 1962 geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin, wurde am 12. September 2007 ein partiell intrameatal gelegenes Acusticusneurinom links ohne Nachweis einer Mittellinienverlagerung oder Hinweise auf Hirndruckzeichen, Infarzierungen oder eine wesentliche Kompression der umgebenden Strukturen festgestellt. Im Rahmen ihres am 06. November 2007 bei der Beklagten eingegangenen Antrags auf Kostenübernahme für eine Cyberknife-Behandlung gab die Klägerin unter anderem an, sie habe seit 1996 insgesamt 8 Hörstürze erlitten. Eine Operation am offenen Kopf komme für sie nach reiflicher Überlegung der Risiken und der langen Operationsdauer von 6 bis 9 Stunden nicht in Betracht. Darauf hin habe sie sich im Internet über verschiedene Strahlenmethoden, unter anderem die Gammaknife- sowie die Cyberknife-Methode, informiert. In einem Gespräch in der Strahlenklinik des Virchow-Klini-kums (Berlin) am 05. November 2007 sei ihr die stereotaktische Strahlentherapie als Behandlungsalternative vorgestellt worden; diese Methode sei jedoch im Detail nicht so genau und wirksam, außerdem habe sie die Schädigung von drei Nerven unterschreiben müssen. In ihrer von der Beklagten veranlassten Stellungnahme vom 04. Dezember 2007 kam Frau Dr. R-T vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) zum Ergebnis, dass die Mikrochirurgie die Standardbehandlung des Acusticusneurinoms sei, jedoch auch die stereotaktisch fraktionierte Bestrahlung eine Vertragsleistung darstelle und nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet werden könne. Die radiochirurgische Behandlung sei hingegen keine Vertragsleistung. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit den Bescheiden vom 10. Dezember 2007 und 24. Januar 2008 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 10. April 2008 zurück.
Bereits am 30. Januar 2008 hatte die Klägerin infolge einer am 19. Dezember 2007 vorgenommenen Terminplanung - die Cyberknife-Behandlung durch die in München ansässigen Neurochirurgen Dr. W und Dr. M durchführen lassen. Diese stellten ihr unter dem 11. Februar 2008 den näher aufgeschlüsselten und von der Klägerin zwischenzeitlich beglichenen Betrag von 7.513,18 EUR in Rechnung stellten. Am Vortag der Behandlung hatte die Klägerin folgende "Erklärung über die Wahlentscheidung zur privatärztlichen Behandlung" unterschrieben:
"Ich wünsche, durch meine behandelnde Ärztin/meinen behandelnden Arzt Dr. M die folgende(n) Leistung(en) in Anspruch zu nehmen:
Radiochirurgische Behandlung mit Cyberknife
Dieser Wunsch ist nicht auf Initiative meiner behandelnden Ärztin/meines behandelnden Arztes zustande gekommen. Ausschlaggebend für meine Entscheidung war vielmehr folgender Sachverhalt (zutreffendes bitte ankreuzen):
a) Die von mir gewünschte Behandlung ist nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Die Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung würden jedoch, wie mein Arzt mir mitteilte, eine ausreichende Behandlung ermöglichen.
b) Die von mir gewünschten Leistungen sind zwar Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, ich wünsche jedoch aus persönlichen Gründen eine privatärztliche Behandlung und Liquidation.
Weiter hat mich meine behandelnde Ärztin/mein behandelnder Arzt über folgendes aufgeklärt:
› Die von mir gewünschte Behandlung kann nicht mit meiner Krankenkasse abgerechnet werden, da diese die Kosten hierfür nicht übernimmt.
› Ich habe für die von mir gewünschte Behandlung auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung dieser Leistung gegenüber meiner Krankenkasse.
› Meine behandelnde Ärztin/mein behandelnder Arzt wird diese Leistung privatärztlich liquidieren; sie ist von mir zu bezahlen.
› Die Kosten in Höhe von 7.513,18 EUR werden von mir übernommen."
Mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2008, der Klägerseite zugestellt am 23. November 2008, hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor. Weder sei die durchgeführte Behandlung unaufschiebbar gewesen, noch habe die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt. Denn für eine Cyberknife-Behandlung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V fehle es an der erforderlichen positiven Empfehlung durch den gemeinsamen Bundesausschuss (GBA).
Mit ihrer am 22. Dezember 2008 eingelegten Berufung bringt die Klägerin vor, bei der stereotaktisch fraktionierten Bestrahlung sei die Gefahr, umliegendes Gewebe zu schädigen, weitaus größer als bei der Cyberknife-Methode. Angesichts des konkreten Krankheitsbildes sei die stereotaktisch fraktionierte Bestrahlung im Vergleich zur Cyberknife-Behandlung gerade keine geeignete Methode, sondern würde das Risiko des Ausfalls der Hörnerven gerade erst begründen. Die Cyberknife-Technik ermögliche im Gegensatz zur stereotaktisch fraktionierten Bestrahlung eine punktgenaue Behandlung mit weitaus geringeren Nachwirkungen. Weder ein stationärer Krankenhausaufenthalt noch Anschlussbehandlungen oder ein Rehabilitationsaufenthalt würden erforderlich. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liege der Cyberknife-Methode kein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde, sondern es handele sich um eine Fortentwicklung und Verbesserung der Gammaknife-Methode. Das Fehlen einer positiven Empfehlung des GBA sei unschädlich, da ein Systemversagen vorliege. Vor dem Hintergrund der dargelegten und unbestrittenen Vorteile der Cyberknife-Methode und angesichts der Tatsache, dass zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen und Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Cyberknife-Methode vorlägen, stelle die Untätigkeit des GBA eine Pflichtwidrigkeit dar. Die einschlägigen Richtlinien widersprächen einer den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V genügenden Krankenbehandlung. Gerade für den Fall einer unter-bliebenen Aktualisierung der Richtlinien erkenne die Rechtssprechung daher Lockerungen hinsichtlich des Wirksamkeitsnachweises in dem Sinne an, dass die bloße Verbreitung einer Methode für die Pflicht zur Leistungsgewährung ausreiche. Die Leistungsverweigerung der Beklagten verstoße auch nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 06. Dezember 2005, Az.: 1 BvR 347/98) gegen das Grundgesetz, denn im Falle der Klägerin drohe der Verlust eines wichtigen Sinnesorgans.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 10. Dezember 2007 und 24. Januar 2008, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2008, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.513,18 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand am 17. Juli 2009 mit den Beteiligten erörtert. Mit Beschluss vom 28. Juli 2009 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter übertragen, um gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 28. Juli 2009 in der Besetzung durch den Berichterstatter und zwei ehrenamtliche Richter entscheiden (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 7.513,18 EUR.
1. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dass die Durchführung der Cyberknife-Behandlung vom 30. Januar 2008 unaufschiebbar i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V war, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch ein Fall der unrechtmäßigen Leistungsablehnung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V) liegt nicht vor. Weder zählt die Cyberknife-Behandlung in der ambulanten ärztlichen Versorgung zum Leistungsumfang in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), noch liegt ein Systemversagen vor.
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteil vom 04. April 2006, Az.: B 1 KR 12/05 R - "interstitielle Brachytherapie" -, veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de).
a. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der bei ihr versicherten Klägerin verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Hieran fehlte es im Falle der Klägerin. Denn Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie im konkreten Fall nach Einschätzung der Versicherten oder ihrer behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist bzw. wenn einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben (BSG a.a.O.). Die betreffende Therapie ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V viel-mehr nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr legen diese Richtlinien auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest (BSG a.a.O.).
Der Senat kann offen lassen, ob die Behandlung mit einem Cyberknife eine "neue" Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V ist. Ist sie dies nicht, war die Cyberknife-Behandlung somit eine Leistung, die ein zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassener Arzt (Vertragsarzt, "Kassenarzt") nach den Regelungen des EBM (§ 87 SGB V) abrechnen durfte, stand der Klägerin im Januar 2008 ein Sachleistungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Eine Selbstbeschaffung dieser Leistung durch die Klägerin auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages wäre dann nicht erforderlich gewesen. Ist die Cyberknife-Methode hingegen neu i.S.v. § 135 Abs. 1 SGB V, fehlt es unstreitig an einer positiven Empfehlung des GBA.
b. Dass der GBA sich mit dieser Behandlungsmethode noch nicht befasst hat, stellt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite kein Systemversagen dar.
Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (BSGE 81, 54; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 12). Ein derartiger Systemmangel liegt vor, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Für die Feststellung einer durch Untätigkeit hervorgerufenen Versorgungslücke sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Ein Kostenerstattungsanspruch besteht auch im Falle eines Systemmangels jedoch nur, wenn Qualität und Wirtschaftlichkeit der begehrten Leistung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, der sich in zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Quellen niedergeschlagen hat (juris PraxisKommentar SGB V / Koch § 135 Rd. 15ff m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben lässt sich ein Systemversagen im vorliegenden Fall nicht feststellen. Die Klägerin meint, dass sich die Cyberknife-Methode, nachdem das Behandlungszentrum der Dr. W und M am 01. Juli 2005 eröffnet wurde, zum Zeitpunkt der Behandlung im Januar 2008 seit längerem bewährt habe. Es erscheint jedoch äußerst zweifelhaft, ob eine der im Verfahren vor dem GBA antragsberechtigten Stellen bereits nach ca. 2 ½ Jahren zur Antragstellung verpflichtet war. Immerhin hat das BSG einen Systemmangel sogar dann verneint, wenn der GBA auch über 3 ½ Jahre nach Antragstellung noch keinen Beschluss über die zu prüfende Behandlungsmethode getroffen hatte (BSG, Urteil vom 27. März 2007, Az.: B 1 KR 25/06 R, veröffentlicht in Juris). Aber auch bei Vorliegen eines Systemmangels fehlte es an der entscheidenden Voraussetzung: die Cyberknife-Methode entspricht nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Welche konkrete Studien oder andere wissenschaftlich nachprüfbare Quellen die Qualität und Wirtschaftlichkeit dieser Behandlungsform belegen, ist weder dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen noch anderweitig ersichtlich. In Übereinstimmung hiermit kommt das Deutsche Institut für Medizinischen Dokumentation und Information (DIMDI) in seiner 2009 veröffentlichten Studie "Medizinische und gesundheitsökonomische Bewertung der Radiochirurgie zur Behandlung von Hirnmetastasen" (abrufbar unter http://portal.dimdi.de/de/hta/hta berichte/hta225 bericht de. pdf) zum Ergebnis, dass u.a. zum Cyberknife noch keine Untersuchungen vorliegen.
2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Regelungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung insbesondere dann einer verfassungskonformen Auslegung bedürfen, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen (Beschluss vom 6. Dezember 2005, Az.: 1 BvR 347/98, veröffentlicht in Juris). Diese auf den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beruhenden Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall jedoch nicht übertragbar, da die Erkrankung der Klägerin nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden kann oder etwa mit einer akut drohenden Erblindung eines Auges zu vergleichen wäre (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R, veröffentlicht in Juris). Unabhängig hiervon stehen mit der Mikrochirurgie und der stereotaktischen fraktionierten Bestrahlung Behandlungsmöglichkeiten aus dem Leistungskatalog der GKV zur Verfügung, von denen die Klägerin allein deshalb keiner Gebrauch machen wollte, weil sei eine andere Risikoeinschätzung vornahm. Letztere ist aus Sicht des Senats menschlich durchaus nachvollziehbar, sie darf rechtlich jedoch keine Rolle spielen, weil sie nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für die Behandlung der Klägerin mit einem sog. Cyberknife (Herstellerbezeichnung), einem robotergestützten Linearbeschleuniger zur Radiochirurgie. Der Begriff Radiochirurgie beschreibt die Zerstörung eines umschriebenen Gewebevolumens durch eine einmalige fokussierte, hochdosierte Bestrahlung. Die Behandlung mit einem Cyberknife dauert zwischen 30 und 120 Minuten und kommt, weil das Gerät während der Bestrahlung ständig nachgeführt wird, ohne den sonst in der Radiochirurgie üblichen fest am Patienten verschraubten Fixierrahmen aus.
Bei der 1962 geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin, wurde am 12. September 2007 ein partiell intrameatal gelegenes Acusticusneurinom links ohne Nachweis einer Mittellinienverlagerung oder Hinweise auf Hirndruckzeichen, Infarzierungen oder eine wesentliche Kompression der umgebenden Strukturen festgestellt. Im Rahmen ihres am 06. November 2007 bei der Beklagten eingegangenen Antrags auf Kostenübernahme für eine Cyberknife-Behandlung gab die Klägerin unter anderem an, sie habe seit 1996 insgesamt 8 Hörstürze erlitten. Eine Operation am offenen Kopf komme für sie nach reiflicher Überlegung der Risiken und der langen Operationsdauer von 6 bis 9 Stunden nicht in Betracht. Darauf hin habe sie sich im Internet über verschiedene Strahlenmethoden, unter anderem die Gammaknife- sowie die Cyberknife-Methode, informiert. In einem Gespräch in der Strahlenklinik des Virchow-Klini-kums (Berlin) am 05. November 2007 sei ihr die stereotaktische Strahlentherapie als Behandlungsalternative vorgestellt worden; diese Methode sei jedoch im Detail nicht so genau und wirksam, außerdem habe sie die Schädigung von drei Nerven unterschreiben müssen. In ihrer von der Beklagten veranlassten Stellungnahme vom 04. Dezember 2007 kam Frau Dr. R-T vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) zum Ergebnis, dass die Mikrochirurgie die Standardbehandlung des Acusticusneurinoms sei, jedoch auch die stereotaktisch fraktionierte Bestrahlung eine Vertragsleistung darstelle und nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet werden könne. Die radiochirurgische Behandlung sei hingegen keine Vertragsleistung. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit den Bescheiden vom 10. Dezember 2007 und 24. Januar 2008 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 10. April 2008 zurück.
Bereits am 30. Januar 2008 hatte die Klägerin infolge einer am 19. Dezember 2007 vorgenommenen Terminplanung - die Cyberknife-Behandlung durch die in München ansässigen Neurochirurgen Dr. W und Dr. M durchführen lassen. Diese stellten ihr unter dem 11. Februar 2008 den näher aufgeschlüsselten und von der Klägerin zwischenzeitlich beglichenen Betrag von 7.513,18 EUR in Rechnung stellten. Am Vortag der Behandlung hatte die Klägerin folgende "Erklärung über die Wahlentscheidung zur privatärztlichen Behandlung" unterschrieben:
"Ich wünsche, durch meine behandelnde Ärztin/meinen behandelnden Arzt Dr. M die folgende(n) Leistung(en) in Anspruch zu nehmen:
Radiochirurgische Behandlung mit Cyberknife
Dieser Wunsch ist nicht auf Initiative meiner behandelnden Ärztin/meines behandelnden Arztes zustande gekommen. Ausschlaggebend für meine Entscheidung war vielmehr folgender Sachverhalt (zutreffendes bitte ankreuzen):
a) Die von mir gewünschte Behandlung ist nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Die Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung würden jedoch, wie mein Arzt mir mitteilte, eine ausreichende Behandlung ermöglichen.
b) Die von mir gewünschten Leistungen sind zwar Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, ich wünsche jedoch aus persönlichen Gründen eine privatärztliche Behandlung und Liquidation.
Weiter hat mich meine behandelnde Ärztin/mein behandelnder Arzt über folgendes aufgeklärt:
› Die von mir gewünschte Behandlung kann nicht mit meiner Krankenkasse abgerechnet werden, da diese die Kosten hierfür nicht übernimmt.
› Ich habe für die von mir gewünschte Behandlung auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung dieser Leistung gegenüber meiner Krankenkasse.
› Meine behandelnde Ärztin/mein behandelnder Arzt wird diese Leistung privatärztlich liquidieren; sie ist von mir zu bezahlen.
› Die Kosten in Höhe von 7.513,18 EUR werden von mir übernommen."
Mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2008, der Klägerseite zugestellt am 23. November 2008, hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor. Weder sei die durchgeführte Behandlung unaufschiebbar gewesen, noch habe die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt. Denn für eine Cyberknife-Behandlung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V fehle es an der erforderlichen positiven Empfehlung durch den gemeinsamen Bundesausschuss (GBA).
Mit ihrer am 22. Dezember 2008 eingelegten Berufung bringt die Klägerin vor, bei der stereotaktisch fraktionierten Bestrahlung sei die Gefahr, umliegendes Gewebe zu schädigen, weitaus größer als bei der Cyberknife-Methode. Angesichts des konkreten Krankheitsbildes sei die stereotaktisch fraktionierte Bestrahlung im Vergleich zur Cyberknife-Behandlung gerade keine geeignete Methode, sondern würde das Risiko des Ausfalls der Hörnerven gerade erst begründen. Die Cyberknife-Technik ermögliche im Gegensatz zur stereotaktisch fraktionierten Bestrahlung eine punktgenaue Behandlung mit weitaus geringeren Nachwirkungen. Weder ein stationärer Krankenhausaufenthalt noch Anschlussbehandlungen oder ein Rehabilitationsaufenthalt würden erforderlich. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liege der Cyberknife-Methode kein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde, sondern es handele sich um eine Fortentwicklung und Verbesserung der Gammaknife-Methode. Das Fehlen einer positiven Empfehlung des GBA sei unschädlich, da ein Systemversagen vorliege. Vor dem Hintergrund der dargelegten und unbestrittenen Vorteile der Cyberknife-Methode und angesichts der Tatsache, dass zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen und Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Cyberknife-Methode vorlägen, stelle die Untätigkeit des GBA eine Pflichtwidrigkeit dar. Die einschlägigen Richtlinien widersprächen einer den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V genügenden Krankenbehandlung. Gerade für den Fall einer unter-bliebenen Aktualisierung der Richtlinien erkenne die Rechtssprechung daher Lockerungen hinsichtlich des Wirksamkeitsnachweises in dem Sinne an, dass die bloße Verbreitung einer Methode für die Pflicht zur Leistungsgewährung ausreiche. Die Leistungsverweigerung der Beklagten verstoße auch nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 06. Dezember 2005, Az.: 1 BvR 347/98) gegen das Grundgesetz, denn im Falle der Klägerin drohe der Verlust eines wichtigen Sinnesorgans.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 10. Dezember 2007 und 24. Januar 2008, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2008, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.513,18 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand am 17. Juli 2009 mit den Beteiligten erörtert. Mit Beschluss vom 28. Juli 2009 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter übertragen, um gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 28. Juli 2009 in der Besetzung durch den Berichterstatter und zwei ehrenamtliche Richter entscheiden (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 7.513,18 EUR.
1. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dass die Durchführung der Cyberknife-Behandlung vom 30. Januar 2008 unaufschiebbar i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V war, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch ein Fall der unrechtmäßigen Leistungsablehnung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V) liegt nicht vor. Weder zählt die Cyberknife-Behandlung in der ambulanten ärztlichen Versorgung zum Leistungsumfang in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), noch liegt ein Systemversagen vor.
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteil vom 04. April 2006, Az.: B 1 KR 12/05 R - "interstitielle Brachytherapie" -, veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de).
a. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der bei ihr versicherten Klägerin verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Hieran fehlte es im Falle der Klägerin. Denn Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie im konkreten Fall nach Einschätzung der Versicherten oder ihrer behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist bzw. wenn einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben (BSG a.a.O.). Die betreffende Therapie ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V viel-mehr nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr legen diese Richtlinien auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest (BSG a.a.O.).
Der Senat kann offen lassen, ob die Behandlung mit einem Cyberknife eine "neue" Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V ist. Ist sie dies nicht, war die Cyberknife-Behandlung somit eine Leistung, die ein zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassener Arzt (Vertragsarzt, "Kassenarzt") nach den Regelungen des EBM (§ 87 SGB V) abrechnen durfte, stand der Klägerin im Januar 2008 ein Sachleistungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Eine Selbstbeschaffung dieser Leistung durch die Klägerin auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages wäre dann nicht erforderlich gewesen. Ist die Cyberknife-Methode hingegen neu i.S.v. § 135 Abs. 1 SGB V, fehlt es unstreitig an einer positiven Empfehlung des GBA.
b. Dass der GBA sich mit dieser Behandlungsmethode noch nicht befasst hat, stellt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite kein Systemversagen dar.
Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (BSGE 81, 54; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 12). Ein derartiger Systemmangel liegt vor, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Für die Feststellung einer durch Untätigkeit hervorgerufenen Versorgungslücke sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Ein Kostenerstattungsanspruch besteht auch im Falle eines Systemmangels jedoch nur, wenn Qualität und Wirtschaftlichkeit der begehrten Leistung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, der sich in zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Quellen niedergeschlagen hat (juris PraxisKommentar SGB V / Koch § 135 Rd. 15ff m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben lässt sich ein Systemversagen im vorliegenden Fall nicht feststellen. Die Klägerin meint, dass sich die Cyberknife-Methode, nachdem das Behandlungszentrum der Dr. W und M am 01. Juli 2005 eröffnet wurde, zum Zeitpunkt der Behandlung im Januar 2008 seit längerem bewährt habe. Es erscheint jedoch äußerst zweifelhaft, ob eine der im Verfahren vor dem GBA antragsberechtigten Stellen bereits nach ca. 2 ½ Jahren zur Antragstellung verpflichtet war. Immerhin hat das BSG einen Systemmangel sogar dann verneint, wenn der GBA auch über 3 ½ Jahre nach Antragstellung noch keinen Beschluss über die zu prüfende Behandlungsmethode getroffen hatte (BSG, Urteil vom 27. März 2007, Az.: B 1 KR 25/06 R, veröffentlicht in Juris). Aber auch bei Vorliegen eines Systemmangels fehlte es an der entscheidenden Voraussetzung: die Cyberknife-Methode entspricht nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Welche konkrete Studien oder andere wissenschaftlich nachprüfbare Quellen die Qualität und Wirtschaftlichkeit dieser Behandlungsform belegen, ist weder dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen noch anderweitig ersichtlich. In Übereinstimmung hiermit kommt das Deutsche Institut für Medizinischen Dokumentation und Information (DIMDI) in seiner 2009 veröffentlichten Studie "Medizinische und gesundheitsökonomische Bewertung der Radiochirurgie zur Behandlung von Hirnmetastasen" (abrufbar unter http://portal.dimdi.de/de/hta/hta berichte/hta225 bericht de. pdf) zum Ergebnis, dass u.a. zum Cyberknife noch keine Untersuchungen vorliegen.
2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Regelungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung insbesondere dann einer verfassungskonformen Auslegung bedürfen, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen (Beschluss vom 6. Dezember 2005, Az.: 1 BvR 347/98, veröffentlicht in Juris). Diese auf den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beruhenden Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall jedoch nicht übertragbar, da die Erkrankung der Klägerin nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden kann oder etwa mit einer akut drohenden Erblindung eines Auges zu vergleichen wäre (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R, veröffentlicht in Juris). Unabhängig hiervon stehen mit der Mikrochirurgie und der stereotaktischen fraktionierten Bestrahlung Behandlungsmöglichkeiten aus dem Leistungskatalog der GKV zur Verfügung, von denen die Klägerin allein deshalb keiner Gebrauch machen wollte, weil sei eine andere Risikoeinschätzung vornahm. Letztere ist aus Sicht des Senats menschlich durchaus nachvollziehbar, sie darf rechtlich jedoch keine Rolle spielen, weil sie nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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