Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 3598/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 211/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird Ziffer 3. des Beschlusses des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Dezember 2009 aufgehoben. Dem Kläger wird für das Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung von Rechtsanwalt H-W S, Z, J bewilligt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 29. Dezember 2009 ist zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft. Dem steht nicht § 172 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in seiner ab dem 11. August 2010 geltenden Fassung entgegen. Die Beschwerde ist danach ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre; dies gilt auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Vorliegend wäre die Beschwerde nach dieser Vorschrift zwar ausgeschlossen. Hier ist indes § 172 Abs. 3 SGG in seiner bis zum 10. August 2010 geltenden Fassung anzuwenden.
Zwar ist § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ohne Übergangsregelung nach Artikel 6 und 12 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl. I S. 1127) geändert worden. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt aber aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - Aspekte des Rechtsstaatsprinzips, Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) - jedenfalls in Fällen ohne ausdrückliche gegenteilige Regelung eine Ausnahme dahingehend, dass bereits rechtshängige Rechtsmittel statthaft bleiben, auch wenn das Rechtsmittel nachträglich beschränkt wird (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90, 1728/90 - BVerfGE 87, 48, 63 ff.; Beschluss des Senats vom 8. Januar 2009 - L 25 B 2022/07 AS - juris). Die Beschwerde hier ist hier am 25. Januar 2010 eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war sie statthaft.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der demnach hier anzuwendenden Fassung ist die Beschwerde nur ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Hier hat indes das Sozialgericht die Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt, so dass § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht greift.
Ein Beschwerdeausschluss folgt auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Soweit nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, die nicht allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gestützt worden ist, ausgeschlossen ist, wenn der Streitwert in der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, ist diese Vorschrift trotz der in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG für das Verfahren der Prozesskostenhilfe angeordneten entsprechenden Anwendung der ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (vgl. Beschluss des Senats vom 29. Oktober 2010 - L 25 B 2246/08 AS PKH - juris).
Die demnach zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 GG i. V. m. dem in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2009 – 1 BvR 439/08 – zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 – 1 BvR 1998/02 – in NJW 2003, 2976; vom 7. April 2000 – 1 BvR 81/00 – in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a, Rn. 7a, b, m. w. N.).
Nach Maßgabe der genannten Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung zwar zum Entscheidungszeitpunkt des Senats keine Erfolgsaussichten mehr. Denn der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist durch das Sozialgericht wegen § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG rechtskräftig abgelehnt worden. Auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kommt es aber jedenfalls vorliegend nicht an. Zwar ist für die geforderte Erfolgsprognose grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – hier des Senats – abzustellen (vgl. hierzu und zum Folgenden Lowe in Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 73a SGG, Rn. 5). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Entscheidung durch das Gericht grundlos verzögert wird und sich zwischenzeitlich die Sach- oder Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers geändert hat. Abzustellen ist dann auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Antrags, zu dem das Prozesskostenhilfegesuch einschließlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den dazu gehörigen Belegen vollständig bei Gericht eingegangen ist, oder den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags, zu dem die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen vorliegen und das Gericht über das Gesuch bereits hätte entscheiden können (vgl. zum Meinungsstand LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - L 11 SB 55/10 B PKH - juris).
Bewilligungsreife lag mit Einreichung der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen am 17. September 2009 vor, Entscheidungsreife jedenfalls mit Eingang der Stellungnahme der Antragsgegnerin und deren Verwaltungsakten am 5. Oktober 2009. Zu beiden Zeitpunkten hatte die Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten, so dass der Senat offen lassen kann, welcher Zeitpunkt maßgeblich ist.
Statthaft war allerdings nicht – wie das Sozialgericht meint – ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Statthaft war vielmehr der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Absenkungsbescheid vom 11. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2009 (Az. beim Sozialgericht S 30 AS 3568/09 – vormals S 43 AS 3568/09) nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Dass der anwaltlich vertretene Antragsteller ausdrücklich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt hat, steht einem Antragserfolg wegen § 123 SGG nicht entgegen.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt schon vollzogen worden ist. Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Hier ist in Streit ein Sanktionsbescheid, gegen den die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
Maßstab für eine Entscheidung in einem Eilverfahren, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, ist gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG eine umfassende Abwägung des privaten Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Vor allem dann, wenn der Verwaltungsakt bereits nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig ist, kann schlechterdings ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehbarkeit nicht bestehen, so dass das Aufschubinteresse Vorrang hat. In den anderen Fällen verbleibt es bei der gesetzlichen Anordnung des Entfallens der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage. Dem Gesetz ist ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Lasten des Suspensiveffektes zu entnehmen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung als Regelfall angeordnet hat. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss daher eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. März 2009 - L 16 (11) B 4/07 R ER - juris).
Vorliegend spricht vieles dafür, dass der angefochtene Bescheid vom 11. August 2009 offensichtlich rechtswidrig ist.
Als Rechtsgrundlage für eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II kommt hier § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d SGB II in Betracht. Danach wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen. Dies gilt nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides ist demnach, dass der Antragsteller über die Rechtsfolgen belehrt wurde. Das Bundessozialgericht (BSG) führt insoweit aus (Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R - juris): Die aktenkundige Rechtsfolgenbelehrung zu der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vom 27. Mai 2009 dürfte den vom BSG aufgestellten Anforderungen nicht entsprechen, weil sie alle denkbaren Verstöße gegen Grundpflichten sowie auch solche gegen - hier nicht einschlägige - Meldepflichten aufzählt, damit mehrere Varianten zur Auswahl gestellt wurden und dem Antragsteller die Auswahl überlassen war, ob eine der genannten Alternativen für ihn einschlägig war.
Daneben sprechen gegen die Rechtmäßigkeit des streitigen Absenkungsbescheides auch andere Erwägungen. Denn nachteilige Folgerungen aus dem Verhalten des Leistungsempfängers können nur gezogen werden, wenn der Leistungsträger das jeweilige Angebot genau bezeichnet hat (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R - juris). Auch der Sanktionsmechanismus des § 31 SGB II setzt voraus, dass dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine hinreichend bestimmte Arbeitsgelegenheit angeboten wird. Das BSG zitiert in dem genannten Urteil eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), welches als Anforderungen an die Bezeichnung von Arbeitsgelegenheiten formuliert habe, es müssten die Art der Arbeit, ihr zeitlicher Umfang und ihre zeitliche Verteilung sowie die Höhe der angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen im Einzelnen bestimmt sein (Bezugnahme auf BVerwGE 67, 1, 6; 68, 97, 99; BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 35/88, NVwZ 1993, 371).
Die aktenkundige Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vom 27. Mai 2009 dürfte auch diesen Anforderungen nicht genügen. Neben der wenig erhellenden Tätigkeitsbezeichnung "Gemeindearbeiter" wird die Tätigkeit beschrieben mit "Gemeinnützige Tätigkeiten an verschiedenen wohnortnahen Einsatzstellen mit hohem sozialpädagogischen Betreuungsaufwand, inclusive Qualifizierungsanteil". Eine solche Beschreibung begegnet vor dem Hintergrund der höchstrichterlich aufgestellten Bestimmtheitsanforderungen jedenfalls erheblichen Bedenken.
Ob die Pflegebedürftigkeit der Mutter des Antragstellers einen wichtigen Grund darstellt, die beschriebene Tätigkeit nicht auszuüben und der Sanktionsbescheid auch insoweit rechtlichen Bedenken unterliegt, kann der Senat offen lassen.
Die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Insbesondere ist der Antragsteller seit der Antragstellung nicht in der Lage, sich auch nur teilweise an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Die Beiordnung des von ihm benannten Rechtsanwalts ist nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 29. Dezember 2009 ist zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft. Dem steht nicht § 172 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in seiner ab dem 11. August 2010 geltenden Fassung entgegen. Die Beschwerde ist danach ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre; dies gilt auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Vorliegend wäre die Beschwerde nach dieser Vorschrift zwar ausgeschlossen. Hier ist indes § 172 Abs. 3 SGG in seiner bis zum 10. August 2010 geltenden Fassung anzuwenden.
Zwar ist § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ohne Übergangsregelung nach Artikel 6 und 12 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl. I S. 1127) geändert worden. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt aber aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - Aspekte des Rechtsstaatsprinzips, Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) - jedenfalls in Fällen ohne ausdrückliche gegenteilige Regelung eine Ausnahme dahingehend, dass bereits rechtshängige Rechtsmittel statthaft bleiben, auch wenn das Rechtsmittel nachträglich beschränkt wird (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90, 1728/90 - BVerfGE 87, 48, 63 ff.; Beschluss des Senats vom 8. Januar 2009 - L 25 B 2022/07 AS - juris). Die Beschwerde hier ist hier am 25. Januar 2010 eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war sie statthaft.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der demnach hier anzuwendenden Fassung ist die Beschwerde nur ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Hier hat indes das Sozialgericht die Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt, so dass § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht greift.
Ein Beschwerdeausschluss folgt auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Soweit nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, die nicht allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gestützt worden ist, ausgeschlossen ist, wenn der Streitwert in der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, ist diese Vorschrift trotz der in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG für das Verfahren der Prozesskostenhilfe angeordneten entsprechenden Anwendung der ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (vgl. Beschluss des Senats vom 29. Oktober 2010 - L 25 B 2246/08 AS PKH - juris).
Die demnach zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 GG i. V. m. dem in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2009 – 1 BvR 439/08 – zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 – 1 BvR 1998/02 – in NJW 2003, 2976; vom 7. April 2000 – 1 BvR 81/00 – in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a, Rn. 7a, b, m. w. N.).
Nach Maßgabe der genannten Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung zwar zum Entscheidungszeitpunkt des Senats keine Erfolgsaussichten mehr. Denn der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist durch das Sozialgericht wegen § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG rechtskräftig abgelehnt worden. Auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kommt es aber jedenfalls vorliegend nicht an. Zwar ist für die geforderte Erfolgsprognose grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – hier des Senats – abzustellen (vgl. hierzu und zum Folgenden Lowe in Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 73a SGG, Rn. 5). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Entscheidung durch das Gericht grundlos verzögert wird und sich zwischenzeitlich die Sach- oder Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers geändert hat. Abzustellen ist dann auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Antrags, zu dem das Prozesskostenhilfegesuch einschließlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den dazu gehörigen Belegen vollständig bei Gericht eingegangen ist, oder den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags, zu dem die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen vorliegen und das Gericht über das Gesuch bereits hätte entscheiden können (vgl. zum Meinungsstand LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - L 11 SB 55/10 B PKH - juris).
Bewilligungsreife lag mit Einreichung der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen am 17. September 2009 vor, Entscheidungsreife jedenfalls mit Eingang der Stellungnahme der Antragsgegnerin und deren Verwaltungsakten am 5. Oktober 2009. Zu beiden Zeitpunkten hatte die Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten, so dass der Senat offen lassen kann, welcher Zeitpunkt maßgeblich ist.
Statthaft war allerdings nicht – wie das Sozialgericht meint – ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Statthaft war vielmehr der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Absenkungsbescheid vom 11. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2009 (Az. beim Sozialgericht S 30 AS 3568/09 – vormals S 43 AS 3568/09) nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Dass der anwaltlich vertretene Antragsteller ausdrücklich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt hat, steht einem Antragserfolg wegen § 123 SGG nicht entgegen.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt schon vollzogen worden ist. Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Hier ist in Streit ein Sanktionsbescheid, gegen den die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
Maßstab für eine Entscheidung in einem Eilverfahren, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, ist gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG eine umfassende Abwägung des privaten Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Vor allem dann, wenn der Verwaltungsakt bereits nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig ist, kann schlechterdings ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehbarkeit nicht bestehen, so dass das Aufschubinteresse Vorrang hat. In den anderen Fällen verbleibt es bei der gesetzlichen Anordnung des Entfallens der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage. Dem Gesetz ist ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Lasten des Suspensiveffektes zu entnehmen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung als Regelfall angeordnet hat. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss daher eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. März 2009 - L 16 (11) B 4/07 R ER - juris).
Vorliegend spricht vieles dafür, dass der angefochtene Bescheid vom 11. August 2009 offensichtlich rechtswidrig ist.
Als Rechtsgrundlage für eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II kommt hier § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d SGB II in Betracht. Danach wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen. Dies gilt nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides ist demnach, dass der Antragsteller über die Rechtsfolgen belehrt wurde. Das Bundessozialgericht (BSG) führt insoweit aus (Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 30/09 R - juris): Die aktenkundige Rechtsfolgenbelehrung zu der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vom 27. Mai 2009 dürfte den vom BSG aufgestellten Anforderungen nicht entsprechen, weil sie alle denkbaren Verstöße gegen Grundpflichten sowie auch solche gegen - hier nicht einschlägige - Meldepflichten aufzählt, damit mehrere Varianten zur Auswahl gestellt wurden und dem Antragsteller die Auswahl überlassen war, ob eine der genannten Alternativen für ihn einschlägig war.
Daneben sprechen gegen die Rechtmäßigkeit des streitigen Absenkungsbescheides auch andere Erwägungen. Denn nachteilige Folgerungen aus dem Verhalten des Leistungsempfängers können nur gezogen werden, wenn der Leistungsträger das jeweilige Angebot genau bezeichnet hat (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R - juris). Auch der Sanktionsmechanismus des § 31 SGB II setzt voraus, dass dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine hinreichend bestimmte Arbeitsgelegenheit angeboten wird. Das BSG zitiert in dem genannten Urteil eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), welches als Anforderungen an die Bezeichnung von Arbeitsgelegenheiten formuliert habe, es müssten die Art der Arbeit, ihr zeitlicher Umfang und ihre zeitliche Verteilung sowie die Höhe der angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen im Einzelnen bestimmt sein (Bezugnahme auf BVerwGE 67, 1, 6; 68, 97, 99; BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 35/88, NVwZ 1993, 371).
Die aktenkundige Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vom 27. Mai 2009 dürfte auch diesen Anforderungen nicht genügen. Neben der wenig erhellenden Tätigkeitsbezeichnung "Gemeindearbeiter" wird die Tätigkeit beschrieben mit "Gemeinnützige Tätigkeiten an verschiedenen wohnortnahen Einsatzstellen mit hohem sozialpädagogischen Betreuungsaufwand, inclusive Qualifizierungsanteil". Eine solche Beschreibung begegnet vor dem Hintergrund der höchstrichterlich aufgestellten Bestimmtheitsanforderungen jedenfalls erheblichen Bedenken.
Ob die Pflegebedürftigkeit der Mutter des Antragstellers einen wichtigen Grund darstellt, die beschriebene Tätigkeit nicht auszuüben und der Sanktionsbescheid auch insoweit rechtlichen Bedenken unterliegt, kann der Senat offen lassen.
Die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Insbesondere ist der Antragsteller seit der Antragstellung nicht in der Lage, sich auch nur teilweise an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Die Beiordnung des von ihm benannten Rechtsanwalts ist nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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