L 1 KR 184/11 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 184/11 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Im Gegensatz zu einem Antrag gemäß § 86 b Abs. 2 SGG mit dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes setzt ein Antrag nach § 86 b Abs. 1 SGG keine besondere Eilbedürftigkeit voraus.
2. Eine Festbetragsfestsetzung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen nach § 35 Abs. 3 SGB V ist aufzuheben, wenn der der Festsetzung zu Grunde liegende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Bildung einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs. 1 SGB V an einem relevanten Beurteilungsmangel leidet.
3. Fehlende Nachvollziehbarkeit nach § 35 Abs. 1b S. 5 SGB V stellt einen relevanten Beurteilungsmangel dar.
4. Die Prüfung des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 SGB V erfolgt zulassungsbezogen.
5. Die Streitwertdeckelungsvorschrift des § 52 Abs. 4 GKG ist auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entsprechend anzuwenden.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 19. Mai 2011 (Aktenzeichen Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 1 KR 140/11 KL -) gegen die Festsetzung eines Festbetrags für das Arzneimittel Cipralex® (Wirkstoff Escitalopram) in der Verfügung des Antragsgegners vom 2. Mai 2011, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 71 vom 10. Mai 2011 Seite 1680f, wird angeordnet. Der Antragsgegner und der Beigeladene tragen ihre eigenen Kosten selbst und die übrigen Kosten je zur Hälfte. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 2.500.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt im Wege vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 19. Mai 2011 gegen die Festbetragsfestsetzung des beklagten Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen für selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer vom 02. Mai 2011, soweit darin ein Festbetrag für das Arzneimittel Cipralex® (Wirkstoff Escitalopram) festgesetzt wird.

Die Festbetragsgruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer besteht aus den Wirkstoffen Citalopram und Escitalopram. Es handelt sich nach der Festsetzung um eine Festbetragsgruppe der Stufe II nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V; "pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkung, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen"). Beide Wirkstoffe dienen primär der Behandlung der Depression. Sie gehören zur Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (= Selective Serotonin Reuptake Inhibitor; SSRI). Zu dieser Gruppe gehören ferner die Wirkstoffe Fluvoxamin, Fluoxetin, Paroxetin und Sertralin.

Die Antragstellerin, eine Tochtergesellschaft der L , vertreibt unter der Bezeichnung Cipralex® Tabletten mit dem Wirkstoff Escitalopram.

Cipralex® ist nach den Fachinformationen zugelassen zur

- Behandlung von Episoden einer Majordepression. - Behandlung von Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie. - Behandlung von sozialer Angststörung (sozialer Phobie). - Behandlung von generalisierter Angststörung. - Behandlung von Zwangsstörungen.

Für Escitalopram genießt die Antragstellerin - bzw. die Konzernmutter - noch bis zum 01. Juni 2014 Patentschutz durch das ergänzende Schutzzertifikat DE 103 99 030.

Für den Wirkstoff Citalopram, der bereits seit dem 01. Juni 1989 zugelassen ist, gibt es seit 2003 keinen Patentschutz mehr.

Arzneimittel mit Citalopram dienen der Behandlung depressiver Erkrankungen und Panikstörungen mit und ohne Agoraphobie.

Citalopram ist ein Razemat, also eine 1:1-Mischung aus zwei Enantiomeren. Enantiomere sind aus den gleichen Atomen zusammengesetzte Moleküle, die sich unterschiedlich spiegelbildlich zueinander verhaltenden. Citalopram besteht zur Hälfte aus dem rechtsdrehenden Enantiomer (R Citalopram) und zur Hälfte aus dem linksdrehenden Escitalopram.

Studien zur Behandlung der Depression stellen für die Darstellung eines Behandlungserfolges auf die "Response" und die "Remission" ab. Response ist das Ansprechen auf eine Behandlung und beschreibt den Zeitpunkt, zu dem eine partielle Remission beginnt, der Patient also nicht mehr die volle Symptomatik zeigt. Das Ansprechen auf die Behandlung ist definiert als eine mindestens 50 prozentige Verbesserung der depressiven Symptomatik auf einer Depressions-Skala. Remission liegt - vereinfacht - vor, wenn keine Symptome einer Depression mehr gezeigt werden. Die Beteiligten streiten sich, welche Folgerungen aus in Studien festgestellter Response und Remission gezogen werden können.

Im Streit ist vorliegend auch die Relevanz bestimmter sogenannter Metaanalysen. Eine Metaanalyse ist eine systematische Übersicht, um Ergebnisse mehrerer Studien, die die gleiche Frage bearbeiten, quantitativ zu einem Gesamtergebnis zusammenzufassen und dadurch die Aussagekraft (Ergebnissicherheit) gegenüber Einzelstudien zu erhöhen (vgl. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWIG, Glossar zu den Allgemeinen Methoden, Version 3, veröffentlicht unter https://www.iqwig.de/download/Glossar Version 1 0 zu den Allgemeinen Methoden Version 3 0.pdf unter Bezugnahme auf http://www.ebm-netzwerk.de/grundlagen/glossar).

Wichtig ist dabei die "Heterogenität" bzw. Homogenität der Studienergebnisse. Im Glossar des IQWIG heißt es hierzu wörtlich: Beschreibung der Variabilität der Ergebnisse oder der Stärke der Unterschiede zwischen Einzelstudien in systematischen Übersichten, die über die statistische Unsicherheit hinausgehen. Ursache der Heterogenität können zum Beispiel Unterschiede im Design der Studien oder in der Auswahl der Teilnehmer sein. Bei Heterogenität, die ein bestimmtes Ausmaß überschreitet, ist es in aller Regel nicht sinnvoll, Studien in einer Meta-Analyse zusammenzufassen. Heterogenität zwischen Studien lässt sich statistisch erfassen, z. B. durch das I²-Maß. Mit geeigneten Testverfahren lässt sich überprüfen, ob die Abweichungen zwischen den Studien so groß sind, dass ihr zufälliges Zustandekommen unwahrscheinlich ist. Das ist dann ein Hinweis, dass es zwischen verschiedenen Studien unerkannte Unterschiede gibt, die wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse haben (Bezugnahme auf http://www.medicine.ox.ac.uk/bandolier/).

Das I²-Maß beschreibt, welcher Anteil der Variabilität der Ergebnisse verschiedener Studien auf Heterogenität zurückzuführen ist und nicht auf zufällige Schwankungen (IQWIG, a. a. O. mit Bezugnahme auf http://www.cochrane.org/about-us/information-authors-and-researchers/glossary).

Die tatsächliche Relevanz publizierter Studienergebnisse und deren Analyse können ferner durch den sogenannten Publikationsbias fehlerhaft erscheinen. Unter Publikationsbias wird der Sachverhalt verstanden, dass die Datenlage, wie sie sich aus den Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften darstellt, verzerrt sein kann, weil bevorzugt Studien mit "positiven" bzw. signifikanten Ergebnissen publiziert werden.

Der Beigeladene, der Gemeinsame Bundesausschuss, (Unterausschuss Arzneimittel) beschloss am 08. Dezember 2009 ein Stellungnahmeverfahren über die Änderung der Arzneimittelrichtlinie (AM RL) in Anlage IX zur Festbetragsgruppenbildung nach § 35 SGB V u. a. zur Neubildung einer Festbetragsgruppe "selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Gruppe 1 in Stufe 2" mit der Absicht, eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V zu schaffen, gebildet aus den Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Citalopram und Escitalopram.

Mit Schreiben vom 02. Februar 2010 wurde das schriftliche Stellungnahmeverfahren eingeleitet.

Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 04. März 2010 Einwände. Der patentgeschützte Wirkstoff Escitalopram sei gegenüber Citalopram eine therapeutische Verbesserung. Dies zeige sich nicht nur an den Zielgrößen Response und Remission, vielmehr komme es auch zu einer Verbesserung der depressiven Symptomatik, einem früheren Wirkeintritt und zu einer Reduzierung der Nebenwirkungen. Die therapeutische Überlegenheit - so die Antragstellerin - sei nachweislich bei schwer Depressiven besonders groß. Der Wirkstoff verfüge über zusätzliche Indikationen, hingegen weise Citalopram Kontraindikationen auf. Die Antragstellerin rügte zudem die Vergleichsgrößenermittlung nach § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V anhand der verordnungsgewichteten Einzelwirkstärken. Bei Festbetragsgruppen wie im vorliegenden Fall der SSRI mit Wirkstoffen unterschiedlicher Indikationen mit unterschiedlichen Dosierungen führe das derzeitige Berechnungsverfahren des Beigeladenen zu falschen Ergebnissen. Wiesen unterschiedliche Schweregrade und zusätzliche Indikationen verschiedene Dosierungen auf, führe dies zu unplausiblen Ergebnissen. So erhielten Wirkstoffe mit zusätzlichen Indikationen, für die eine hohe Dosierung benötigt werde, methodisch immer eine hohe Vergleichsgröße und in der Folge einen zu niedrigen Festbetrag. Für die Benachteiligung von zusätzlichen Indikationen von Escitalopram gebe es keine plausible Erklärung.

Der Unterausschuss Arzneimittel des Beigeladenen beschloss am 06. April 2010, ein neues Stellungnahmeverfahren einzuleiten.

Die Antragstellerin wies daraufhin in ihrem Schreiben vom 26. Mai 2010 auf den - mittlerweile erstrittenen Patentschutz für Escitalopram hin. Es handele sich um einen patentgeschützten Wirkstoff gemäß § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2, § 35 Abs. 1 a SGB V. Ferner reichte sie unter dem 29. September 2010 ein "Amendment 01" ein und wies auf drei zwischenzeitlich neu publizierte Metaanalysen und Studien zu aus ihrer Sicht überlegenen Wirksamkeit von Escitalopram hin (Montgomery et al. [2010], Messer et al. [2010] und Wu et al. [2010]).

Am 16. September 2010 beschloss der Beigeladene für das Antidepressivum Reboxetin einen Verordnungsausschluss. Der Beschluss fußt auf Untersuchungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Der Beigeladene, Unterausschuss Arzneimittel, wertete in seiner Sitzung am 07. Dezember 2010 die schriftlichen Stellungnahmen aus und führte in der Sitzung am 11. Januar 2011 eine mündliche Anhörung durch. Dabei äußerte sich auch die Antragstellerin.

Am 17. Februar 2011 beschloss der Beigeladene in der 31. Sitzung seines Plenums nach § 91 SGB V u. a. die Neubildung der Festbetragsgruppe "Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Gruppe 1" in Stufe 2 und setzte als Vergleichsgrößen für den Wirkstoff Citalopram 23,7 und für den Wirkstoff Escitalopram 13,7 fest. Die Gruppenbeschreibung lautet: "orale Darreichungsformen". Darreichungsformen sind Filmtabletten, Tropfen zum Einnehmen und Lösungen.

In den "Tragenden Gründen" zum Beschluss heißt es (nur), der Unterausschuss Arzneimittel sei zum Ergebnis gekommen, dass die vorgeschlagene Neubildung der Gruppe die Voraussetzungen für eine Festbetragsgruppenbildung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V erfülle (vgl. Zusammenfassende Dokumentation, Stand 21.07.2011, veröffentlicht unter http://www.g-ba.de/downloads/40-268-1586/2011-02-17 AM-RL-IX-X SSRI ZD.pdf, S.4).

Am 08. März 2011 beschloss der Antragsgegner, die Durchführung eines Anhörungsverfahrens zur konkreten Festbetragsfestsetzung einzuleiten.

Das Bundesministerium für Gesundheit bat den Beigeladenen mit Schreiben vom 18. März 2011 um eine ergänzende Stellungnahme zu der Frage, ob dieser bei seiner Bewertung die gleichen Maßstäbe wie das IQWiG angewendet habe, welche er bei seinem Beschluss zu Reboxetin seiner Bewertung zugrunde gelegt habe. Gegebenenfalls solle dargelegt werden, ob eine Bewertung der vorliegenden Literatur mit den Methoden des IQWiG zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

Der Beigeladene antwortete mit der ergänzenden Stellungnahme vom 12. April 2011. Seine Bewertung der eingegangenen Stellungnahme inklusive der eingereichten Literatur zur Feststellung einer therapeutischen Verbesserung des Wirkstoffes Escitalopram gegenüber Citalopram sei unter den gleichen methodischen Maßstäben wie die Bewertung durch das IQWiG durchgeführt worden. Sie stehe nicht im Widerspruch zum methodischen Vorgehen des IQWiG. Er nehme die Interpretation der Effektmaße, der Heterogenität der gewählten Grenzwerte der statistischen und klinischen Signifikanz sowie die Bewertung der klinischen Relevanz analog dem methodischen Vorgehen des IQWiG und nach dessen Methodenpapier vor. Der Beigeladene habe lediglich aufgrund des Kontextes "Festbetragsgruppenbildung gemäß § 35 SGB V" einen anderen Darstellungsschwerpunkt gewählt. Er stelle die Zielgrößen Response und Remission nicht in Frage. Er akzeptiere diese Zielgrößen im gleichen Maße als patientenrelevante Endpunkte wie das IQWiG. Die Studienergebnisse zeigten insgesamt eine starke Inkonsistenz. Der primäre Endpunkt "Verbesserung der Depressionssymptomatik" erreiche keine klinische Relevanz. Die Heterogenität der Studienergebnisse sei hoch, was in der Gesamtbeurteilung eine hohe Ergebnisunsicherheit bedinge. Die in einigen Studien gezeigte alleinige statistische Signifikanz bei den Zielgrößen Verbesserung der depressiven Symptomatik, Remission und Response könne in der Gesamtbetrachtung der vorgelegten Studienlage daher nicht als therapeutische Verbesserung gewertet werden. Es gebe methodisch qualitativ gute und gut berichtete Studien (z. B. Burke et al. 2002), die keine statistische und somit auch keine klinische Signifikanz zeigten, sowie kritisch zu hinterfragende Studien (z. B. Yevtushenko et al. 2007), die ein signifikantes Ergebnis zeigten. Auch die bisher nicht veröffentlichte Studie SCT MD 02 zeige in allen Endpunkten keine Signifikanz. Ein zusätzliches Argument, das in der Gesamtbetrachtung des Beigeladenen gegen das Vorliegen einer therapeutischen Verbesserung spreche, sei der fehlende dosis-äquivalente Vergleich im Sinne eines fairen Studiendesigns zwischen Escitalopram und Citalopram in den vorliegenden Studien. Citalopram werde durchweg nicht bis zur zugelassenen Höchstdosis eingesetzt, während dies für Escitalopram der Fall sei. Diese fehlende Dosisäquivalenz relativiere die Signifikanz der vorliegenden Ergebnisse und verschiebe die Studienergebnisse tendenziell zugunsten von Escitalopram. In der Gesamtbewertung der Studienergebnisse, insbesondere der fehlenden Signifikanz und der nicht belegten klinischen Relevanz des primären Endpunktes "Veränderung der Depressionssymptomatik" sowie bei Berücksichtigung der Inkonsistenz allgemein betrachtend -und auch bei den sekundären Ergebnissen zur Remission und Response- zeige sich keine therapeutische Verbesserung von Escitalopram gegenüber Citalopram.

Das Bundesministerium für Gesundheit teilte dem Beigeladenen mit Schreiben vom 15. April 2001 mit, den Beschluss zur Gruppenneubildung nicht zu beanstanden. Der Beschluss wurde im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Die Antragstellerin nahm mit Schreiben vom 04. April 2011 gegenüber dem Antragsgegner Stellung: Sieh hat u. a. vorgebracht, die therapierelevante Überlegenheit zeige sich neben der Wirkung auch auf der Arzneimittelsicherheitsebene. Im Vergleich zu Citalopram seien 20 von 26 Nebenwirkungen unter Escitalopram weniger häufig registriert worden. Darüber hinaus resultierten 13 zusätzliche Nebenwirkungen nur unter Citalopram. Der Nachweis der Überlegenheit von Escitalopram sei nach den Kriterien der evidenz-basierten Medizin auf der Basis u. a. von Fachinformationen, klinischen Studien und Metaanalysen erfolgt. Bei der Gruppenbildung der SSRI seien wichtige Daten nicht ausreichend bzw. überhaupt nicht gewürdigt worden. Der jetzt vorgesehene Festbetrag in Höhe von 15,01 EUR für die Standardeinheit führe im Ergebnis dazu, dass keine Handelsform von Escitalopram mehr zum Festbetrag zur Verfügung stehen werde. Alle auf Escitalopram eingestellten Patienten müssten somit Aufzahlungen leisten oder auf andere Wirkstoffe umgestellt werden. Die vorgelegten Unterlagen und Daten hätten bereits den Kriterien der Nutzenbewertung nach dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG -) vom 22.12.2010 (BGBl. I S. 2262) entsprochen. Ferner sei das vom Beigeladenen gewählte Verfahren zur Ermittlung der Vergleichsgrößen eine nicht sachgerechte Methode, die zu unzutreffenden Vergleichsgrößen führe. Während die übliche tägliche Dosis für Escitalopram bei 10 mg läge und für Citalopram bei 20 mg, gehe die Vergleichsgröße von 23,7 mg Escitalopram gegenüber 13,7 mg Citalopram aus. Durch diese Vergleichsgröße werde Escitalopram durch einen extrem niedrigen Festbetrag benachteiligt. Dies zeige sich auch, wenn die hiesige Festbetragsgruppe verglichen werde mit den neu beschlossenen Festbetragsgruppen der Stufe 1 für Arzneimittel mit dem SSRI-Wirkstoff Sertralin sowie mit dem Antidepressivum (Wirkstoff) Mirtazapin. Der Antragsgegner beschloss am 02. Mai 2011 (u. a.) für die Festbetragsgruppe selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer ausgehend von einer Wirkstärkenvergleichsgröße (wvg = Wirkstärke/Vergleichsgröße) von 0,8 und einer Packungsgröße (pk) von 100 Stück einen Festbetrag von 15,01 Euro. Die Regressionsgleichung wurde auf p = 0,014852936 x wvg1,15165 x pk0,969896 festgesetzt. Die Festbeträge sollten vom 01. Juli 2011 an gelten. Der Beschluss wurde im Bundesanzeiger Nr. 71 vom 10. Mai 2011 bekannt gegeben.

Die Antragstellerin erhob hiergegen am 19. Mai 2011 Klage vor dem hiesigen Landessozialgericht (Az.: L 1 KR 140/11 KL).

Sie hat ferner am 30. Juni 2011 den hier zu entscheidenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage anhängig gemacht.

Sie hat die von ihr verlangten Preise für Cipralex® nicht gesenkt. Die Verkaufszahlen sind stark zurückgegangen.

Zur Begründung ihres Antrages hat sie ihre außergerichtlichen Argumente wiederholt und vertieft. In materieller Hinsicht werde zum einen gegen § 35 Abs. 1 3 Hs. 1 SGB V die Therapiemöglichkeiten eingeschränkt. Eine Einbeziehung von Escitalopram in die Festbetragsgruppe schließe eine medizinisch notwendige Verordnungsalternative für diejenigen Patienten aus, die auf Escitalopram angewiesen seien, weil sie zu der Gruppe der Patienten gehörten, die an sozialen Phobien, generalisierter Angststörung oder Zwangsstörungen litten oder die gleichzeitig mit dem Neuroleptika Pimozid behandelt würden oder eine stark eingeschränkte Nierenfunktion hätten. Da Escitalopram weitere Behandlungsgebiete habe als Citalopram, erlaube die arzneimittelrechtliche Zulassung Rückschlüsse darauf, dass ausschließlich mit diesem Wirkstoff besondere Patientenkollektive zu erschließen seien. Weiter hätte Escitalopram auch aufgrund der mit dem Wirkstoff erzielbaren therapeutischen Verbesserung im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 SGB V nicht in die Festbetragsgruppe einbezogen werden dürfen. Der Beigeladene habe die Anforderungen an eine solche therapeutische Verbesserung und ihren Nachweis nicht gesetzeskonform zugrunde gelegt. Ihm seien bei der Bewertung der Studienlage Beurteilungsfehler unterlaufen. Escitalopram wirke signifikant schneller als Citalopram. Ein schneller Wirkeintritt sei bei der Behandlung der depressiven Symptomatik von großer Relevanz. Auch zeige sich eine therapeutische Überlegenheit bei der Behandlung schwerer Depressionen. Ferner habe der Beigeladene zu Unrecht die Aussagen von sieben randomisierten klinischen Studien (RCT) der Evidenzstufe I b und zwölf systematische Übersichtsarbeiten von randomisierten klinischen Studien der Evidenzstufe I a trotz ordnungsgemäßer Studienparameter und adäquater Dosierungen zu Unrecht nicht berücksichtigt. Sie habe dargelegt, dass kein Selektionsbias bestehe und die Bewertung auf der Basis national und international akzeptierter Verfahren erfolgt sei. Fehlerhaft behaupte der Beigeladene, die Studie SCT MD 02 sei "unveröffentlicht". Die Studie sei einschließlich der Ergebnisse auf der Homepage des Sponsors F veröffentlicht. Sie sei darüber hinaus in zahlreichen systematischen Übersichtsarbeiten berücksichtigt worden. Der Vorwurf des Publikationsbias sei haltlos. Gleiches gelte auch für die Ausführungen der "Nichthersteller-finanzierten Arbeit von Trkulja". Die Metaanalyse von Trkulja et al. 2010 belege ebenfalls die Überlegenheit von Escitalopram gegenüber Citalopram im relevanten Endpunkt Response. Unter Anwendung des gleichen Schlusses aus dem Vorliegen einer statistischen Signifikanz der Nutzenbelege oder "Hinweise" auf deren klinische Relevanz wie beim Beschluss zu Reboxetin sei die klinische Relevanz auch hier bestätigt. Der Beigeladene verwende hingegen unzutreffende und zum Teil nicht belegte Kriterien zur Beurteilung der klinischen Relevanz. Soweit der Beigeladene wiederholt auf die in den Einzelstudien Burke et al. 2002, SCT MD 02, Lepola et al. 2003, Ou et al. 2010 und Colona et al. 2005 nicht statistisch signifikant dargestellten Unterschiede verweise, unterschlage er, dass diese Studien nicht mit dem Ziel durchgeführt worden seien, einen Unterschied zwischen Escitalopram und Citalopram zu zeigen. Bei den Studien von Burke et al., SCT MD 02 und Lepola habe es sich um Zulassungsstudien gehandelt, in denen Escitalopram gegenüber Placebo vergleichen worden sei. In diesen Studien sei ebenfalls ein Citalopram Arm einbezogen worden, der aber lediglich als Referenz zur internen Validierung des Studiendesigns eingeschlossen worden sei, um festzustellen, ob die Überlegenheit gegenüber dem Placebo Arm auf der Wirksamkeit von Escitalopram oder einem möglicherweise fehlerhaften Studiendesign beruhe. Das Zeigen einer Überlegenheit der Testsubstanz (Escitalopram) gegenüber der aktiven Referenzsubstanz (Citalopram) sei nicht Inhalt dieser Studien gewesen. Dieses methodische Vorgehen entspreche auch der Leitlinie der EMA. Bei den Studien von Colona et al. (2005) und Ou et al. (2010) handele es sich um so genannte Nicht-Unterlegenheitsstudien. Auch diese seien nicht so konzipiert, eine Überlegenheit von Escitalopram zu zeigen. Auch dieses methodische Vorgehen entspreche ebenfalls der Leitlinie der EMA. Damit werde deutlich, dass alle vorgenannten Studien zwar nicht zum Beleg der Überlegenheit verwendet werden könnten. Dies könne nur anhand der Überlegenheitsstudien oder systematischer Übersichtsarbeiten geschehen. In diese systematischen Übersichtsarbeiten könnten allerdings die Nicht-Unterlegenheitsstudien und Studien mit Citalopram als aktiver Referenzsubstanz einbezogen werden. Im Übrigen weise der Beigeladene selbst an anderer Stelle darauf hin, dass es nicht zielführend sei, die Frage der Überlegenheit unter Verwendung von Einzelstudien zu prüfen, die hierzu nicht konzipiert gewesen seien. Der Umsatz von Cipralex® sei ab Juli 2011 stark eingebrochen. Der Tagesumsatz habe im zweiten Quartal 2011 rund 187.000 EUR brutto betragen. Jetzt setze sie 90% oder noch weniger um.

Sie beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 19. Mai 2011 vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az. L 1 KR 140/11 KL) gegen den in der Allgemeinverfügung vom 2. Mai 2011 durch den Antragsgegner festgesetzten Festbetrag für das Arzneimittel Cipralex® (Wirkstoff Escitalopram), bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 71 vom 10. Mai 2011 Seite 1680ff, anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung sei nicht ersichtlich. Es müsse deshalb beim dem Gesetz wegen angeordneten Vorrang des Vollzugsinteresses verbleiben. Bereits die Komplexität insbesondere des medizinischen Sachverhaltes schließe eine auch nur summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit aus. Im Übrigen sei die Gruppenbildung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V rechtmäßig. Therapiemöglichkeiten würden nicht eingeschränkt. Nach § 21 Abs. 2 des 4. Kapitels der Verfahrensordnung des Beigeladenen (in der hier maßgeblichen Fassung vom 18. Dezember 2008, geändert am 20. Januar 2011, in Kraft getreten am 09. April 2011=VerfO) könnten als medizinisch notwendige Verordnungsalternativen auch Arzneimittel aus anderen Wirkstoffgruppen oder auch Maßnahmen, die auch ohne Arzneimitteltherapie zur Erreichung des therapeutischen Ziels führten, zur Verfügung stehen. Ergänzend werde auch innerhalb einer Festbetragsgruppe geprüft, ob Verordnungsalternativen eingeschränkt würden. So könnten Fertigarzneimittel, die ein singuläres Anwendungsgebiet besäßen, von der Gruppenbildung freigestellt werden. Fertigarzneimittel besäßen ein singuläres Anwendungsgebiet, wenn es innerhalb einer Festbetragsgruppe kein weiteres Arzneimittel gäbe, das über dieses singuläre Anwendungsgebiet hinaus ein Anwendungsgebiet mit einem anderen Fertigarzneimittel der Gruppe teile und dieses insoweit eine Verbindung zum gemeinsamen Anwendungsgebiet herstelle. Cipralex® besitze kein solches singuläres Anwendungsgebiet. Denn hierfür sei nicht ausreichend, dass das Arzneimittel für die zusätzlichen Indikationen soziale Phobie, generalisierte Angststörungen und Zwangsstörungen zugelassen sei, für die die anderen Arzneimittel dieser Gruppe mit dem Wirkstoff Citalopram nicht zugelassen seien. Es bestünden für diese zusätzlichen Indikationen Verordnungsalternativen. Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 VerfO stünden neben den anerkannten nicht-medikamentösen Behandlungsmethoden die Antidepressiva Opipramol, Paroxetin sowie Venlafaxin zur Behandlung der generalisierten Angststörung zur Verfügung, Paroxetin, Clomipramin, Fluvoxamin, Fluoxetin und Sertralin zur Behandlung der Zwangsstörung sowie Paroxetin, Venlafaxin, Clomipramin, Sertralin sowie Moclobemid zur Behandlung der sozialen Phobie. § 21 Abs. 2 S. 1 VerfO stehe auch im Einklang mit der Rechtsprechung (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 01.03.2011 B 1 KR 10/10 R ). Die Versorgung von Patienten, die unter sozialen Phobien, generalisierten Angststörungen oder Zwangsstörungen litten, sei - wie ausgeführt - durch die anderen Arzneimittel möglich. Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion seien ferner nicht auf Escitalopram angewiesen. Die Fachinformationen von Cipralex® (Wirkstoff Escitalopram) und Cipramil® (Wirkstoff Citalopram) seien im Abschnitt 4.2 "Dosierung, Art und Dauer der Anwendung" zur Niereninsuffizienz inhaltlich identisch. Darüber hinaus könnten auch Antidepressiva mit den Wirkstoffen Fluoxetin, Sertralin und Moclobemid bei eingeschränkter Nierenfunktion verwendet werden, Opipramol, Paroxetin und Venlafaxin bei entsprechender Dosisanpassung ebenfalls. Weiter bedeute Escitalopram keine therapeutische Verbesserung. Insoweit sei nicht allein auf die Fachinformation abzustellen. Die Verbesserung sei darüber hinaus durch klinische Studien zu belegen. Der Nachweis hierfür, der den Anforderungen des § 35 Abs. 1 b SGB V genügen müsse, liege hier nicht vor. Dem Beigeladenen komme ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser beziehe sich zwar nicht auf die Ermittlung des Standes der medizinisch-pharmakologischen Erkenntnisse. Etwas anderes gelte dann aber für die Bewertung dieses Standes. Übertrage man diese Differenzierung auf die Festbetragsfestsetzungen, so sei auch hier die Ermittlung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung der evidenzpassierten Medizin gerichtlich voll überprüfbar. Hingegen sei die Bewertung der Frage, ob eine therapeutische Verbesserung vorliege, nicht gerichtlich überprüfbar. Daran habe auch die Entscheidung des BSG vom 01.03. 2011 (B 1 KR 10/10 R) nichts geändert. Hinsichtlich der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe sowie der Bewertung des zutreffend ermittelten Standes der Studienlage im Hinblick auf deren Eignung, für die Gruppenbildung relevante Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder Ausschlüsse dürfe die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle des Beigeladenen setzen. Die Angriffe der Antragstellerin gegen den Beschluss des Beigeladenen gingen fehl. Die Metaanalyse Saeterdal et al. sei in die Bewertung einbezogen worden. Der Hinweis des Beigeladenen, zum Zeitpunkt seiner Bewertung hätten jedoch aktuellere Studien und Reviews vorgelegen, sei zutreffend. Der Review Saeterdal et al. entspreche deshalb nicht der aktuell verfügbaren Evidenz. Zu Unrecht unterstelle die Antragstellerin dem Beigeladenen eine inkonsistente Ausübung seines Beurteilungsspielraumes in Bezug auf das Heterogenitätskriterium von Studienergebnissen. Er habe in seiner ergänzenden Stellungnahme an das BMG nochmals dargelegt, auch die Interpretation der Heterogenität analog den methodischen Vorgehen des IQWiG vorgenommen zu haben. Nach Vorlage dieser Stellungnahme habe das BMG die Festbetragsgruppenbildung nicht beanstandet. Auch der Vorwurf, der Beigeladene habe die Studie Yevtushenko et al. aus dem Jahre 2007 ausgesondert, weil sie die therapeutische Verbesserung von Escitalopram zu eindeutig belege, treffe nicht zu. Die Notwendigkeit der Hinterfragung ergebe sich bereits aus der auffallenden Abweichung der Ergebnisse von den anderen relevanten Studien. Wie der Beigeladene in seiner zusammenfassenden Dokumentation (Seite 97 f.) richtig darlege, spielten kulturelle Aspekte bei Depressionen eine wichtige Rolle, da es sich um ein psychiatrisches Krankheitsbild und nicht um eine rein somatische Funktionsstörung handele. Auch die weiteren Schwächen der Studien seien dort näher erläutert.

Auch der Beigeladene beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, sein Beschluss über die Gruppenbildung sei nur dann rechtswidrig, wenn sein Ermessen dergestalt auf Null reduziert sei, dass nur der Ausschluss des Wirkstoffs Escitalopram das Ergebnis der Prüfung des § 35 Abs. 1 S. 3 SGB V sein könne. Die streitgegenständliche Festbetragsgruppe beachte jedoch § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i. V. m. § 35 Abs. 1 S. 1 SGB V. Die Wirkstoffe Escitalopram und Citalopram wiesen therapeutisch vergleichbare Wirkung nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V aus. Dass Cipralex® auch für weitere Anwendungsgebiete zugelassen sei, stehe der Annahme einer therapeutischen Vergleichbarkeit nicht entgegen. Escitalopram sei kein therapeutischer Solist, der bezogen auf seine Anwendungsgebiete die einzige Therapiemöglichkeit darstelle. In allen Anwendungsgebieten gebe es Verordnungsalternativen. Nach § 21 Abs. 2 S. 1 VerfO könnten auch Arzneimittel aus anderen Wirkstoffgruppen oder auch Maßnahmen, die auch ohne Arzneimitteltherapie zur Erreichung des therapeutischen Ziels führten, medizinisch notwendige Verordnungsalternativen sein. Die Rechtsprechung habe dies bestätigt (Bezugnahme auf SG Berlin, Urt. v. 22. 11 2005 S 81 KR 3778/04 sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24. 02 2010 L 9 KR 104/08. juris Rdnr. 95). Das BSG stelle sogar weitergehend in der Entscheidung zum Wirkstoff Atorvastatin darauf ab, dass auch die arzneimittelrechtliche Zulassung von Atorvastatin keinen Rückschluss darauf zulasse, dass ausschließlich mit diesem Wirkstoff besondere Patientenkollektive zu erschließen seien (BSG, Urt. v. 01.03.2011 -B 1 KR 10/10 R Rdnr. 54). Nach § 21 Abs. 2 S.2 VerfO reiche es nämlich nicht aus, dass ein Fertigarzneimittel neben dem gemeinsamen Anwendungsgebiet die Zulassung für eine weitere Indikation besitze. Dann nämlich würde in den Fällen, in denen es für das gemeinsame Anwendungsgebiet verordnet werde, eine Privilegierung gegenüber den übrigen Arzneimitteln eintreten. Da die Indikation für die konkrete Verordnung weder der abgebenden Apotheke noch der Krankenkasse bekannt sei, könnte so alleine durch die Angabe weiterer Indikationen ein nicht der Festbetragsregulierung unterworfener Preis zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erzielt werden. Eine solche unbeschränkte Privilegierung habe der Gesetzgeber nicht gefordert, wenn er ausdrücklich eine Gruppenbildung auf der Ebene pharmakologisch-therapeutisch vergleichbarer Wirkstoffe ermöglicht habe (Bezugnahme auf BT Drucksache 16/94 S.8).

Der Beigeladene habe ferner rechtmäßig - insbesondere unter Beachtung der Vorgaben des BSG in dessen Urteil vom 01.03.2011 - eine therapeutische Verbesserung gemäß § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 SGB V ausgeschlossen. Er habe insbesondere den Stand der medizinisch-pharmakologischen Erkenntnisse vollständig ermittelt und habe seinen Beurteilungsspielraum eingehalten. Aus Sicht des Beigeladenen habe sich die Erkenntnislage nach einer Gesamtabwägung der zutreffend ermittelten Evidenz insbesondere mit Blick auf die insgesamt inkonsistenten Ergebnisse nicht so dargestellt, dass er gebunden gewesen sei, allein die Anerkennung einer therapeutischen Verbesserung als zutreffende Bewertung des Erkenntnismateriales anzusehen. Dabei gelte, dass die Zuordnung von Studien zu einem formal-abstrakten Evidenzlevel keine reflexartig hohe Aussagekraft begründe. So sei die Wahrscheinlichkeit eines systematischen Fehlers bei einer Kohortenstudie (Evidenzlevel II b) ohne Verblindung deutlich höher als in einer randomisiert kontrollierten doppelblinden Therapiestudie (RCT; Evidenzlevel I b). Das Ergebnis einer RCT entspreche also mit höherer Wahrscheinlichkeit dem "wahren" Zusammenhang zwischen Therapie und Zielvariable in der Gesamtpopulation. Die Glaubwürdigkeit eines Studienergebnisses erfolge aber nicht ausschließlich durch Einordnung zu einer Evidenzstufe. Sie sei abhängig von vielen weiteren Details, z. B. von der angemessenen Studiengröße, den statistischen Verfahren, dem Verblindungsverfahren, der Anzahl der im Studienverlauf ausgeschiedenen Teilnehmer und nicht zuletzt von der Berichtsqualität, etwa bezogen auf die vollständige Darstellung der in der Studie untersuchten Zielparameter und eines fairen Studiendesigns. Erforderlich seien daher wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken, aus denen sich der Erfolg über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der therapeutischen Verbesserung zuverlässig ablesen lasse. Es gebe auch keine Inkohärenzen zu anderen Entscheidungen des Beigeladenen, namentlich zum Verordnungsausschluss des Antidepressivums Reboxetin. Dieser Verordnungsausschluss sei zum einen nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens. Zum anderen läge der Entscheidung ein anderer Sachverhalt und ein anderer Bewertungskontext zugrunde (Bezugnahme auf die zusammenfassende Dokumentation zum Verordnungsausschluss von Reboxetin im Beschluss vom 16. September 2010, dort Seite 13 f.).

Die Antragstellerin habe ferner nicht nachgewiesen, dass Escitalopram gegenüber Citalopram über ein überlegenes Sicherheitsprofil verfüge. Die Analyse der Fachinformationen zeige, dass sich die Nebenwirkungsprofile nicht wesentlich unterschieden. Die vermeintlichen Unterschiede wiesen weder einen relevanten qualitativen Unterschied - durch Wegfall therapierelevanter Nebenwirkungen - noch einen relevanten quantitativen Unterschied auf. Bezüglich der Verträglichkeit und der Therapieabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen könnten mit Ausnahme der insgesamt kritisch zu bewertenden Studie von Yevtushenko et al. keine signifikanten Unterschiede belegt werden.

Es habe auch keine therapeutische Überlegenheit bei schwer depressiven Patienten anhand der im Rahmen der im Stellungnahmeverfahren eingereichten Publikationen valide belegt werden können. Es seien nämlich diese Subgruppen nicht in allen Studien a priori festgelegt und nicht entsprechend zu Studienbeginn ratifiziert worden, sondern erst post hoc und zudem nicht methodisch adäquat mittels Testung auf einen Interaktionsterm durchgeführt worden. Es lägen keine Belege aus prospektiv geplanten, direkt vergleichenden Studien vor, die für das Krankheitsbild der schweren Depression eine signifikante und klinisch relevante therapeutische Verbesserung im primären Endpunkt zeigten und auf den deutschen Versorgungskontext übertragbar seien. Selbst wenn unterstellt werde, dass es Hinweise auf eine verbesserte Response und Remission gäbe, könne den berücksichtigungsfähigen direkten Vergleichsstudien und placebokontrollierten Studien nicht entnommen werden, dass Escitalopram speziell gegenüber Citalopram einen therapie-relevanten höheren Zusatznutzen aufweise. Es fehle an dem vom Gesetzgeber geforderten therapeutischen Zusatznutzen.

Beziehe man schließlich weiter in die Beurteilung der Studienlage die publizierten Bewertungen anderer namhafter Institutionen auf dem Gebiet der Arzneimittelbewertung und Ärztegesellschaften mit ein, werde deutlich, dass der Beigeladene einen in jedem Fall vertretbaren Standpunkt eingenommen habe. Ein Konsens über die Zweckmäßigkeit der therapeutischen Verbesserung sei nicht festzustellen. Weder im Rahmen der S 3 Leitlinie/nationale Versorgungs-Leitlinie "unipolare Depression" noch in der aktuellen Version dieser Leitlinie werde Escitalopram als dem Wirkstoff Citalopram vorzuziehender Wirkstoff beschrieben. Vielmehr würden die verschiedenen Wirkstoffklassen miteinander verglichen und Escitalopram mit den weiteren selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern zusammengefasst. Wenngleich aus der SSRI Gruppe einzelne Wirkstoffe hervorgehoben würden, finde sich jedoch keine unterschiedliche Bewertung von Escitalopram gegenüber Citalopram. Lediglich an einer Stelle werde Citalopram explizit hervorgehoben, wonach Citalopram und Sertralin ein vergleichsweise geringes pharmakokinetisches Interaktionspotential aufwies. Auch die Publikation "The Nice Guideline on the Treatment and Management of Depression in Adults" berichte nur über geringe statistisch signifikante Unterschiede zwischen Escitalopram und anderen SSRI, deren klinische Bedeutung unwahrscheinlich und kaum ableitbar sei. Die Unterschiede hinsichtlich der unerwünschten Arzneimittelwirkungen seien allerdings bedeutsam.

II. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag ist zulässig.

1.1 Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist für das vorläufige Rechtsschutzverfahren ebenso wie für die Klage erstinstanzlich zuständig aufgrund der §§ 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 29 Abs. 4 Nr. 3 S. 2, 2. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage, die auf Anfechtung im Sinne des § 54 Abs. 1 S.1, 1. Alt SGG gerichtet ist, wendet sich im Hauptsacheverfahren gegen die Festsetzung eines Festbetrages durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Sie hat aufgrund § 35 Abs. 1 S. 7 SGB V keine aufschiebende Wirkung.

Eines Vorverfahren vorab bedarf es nicht, § 54 Abs. 1 S. 1, 1. Alt i. V. m § 35 Abs. 7 S. 3 SGB V.

Festbetragsfestsetzungen sind grundsätzlich Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 31 S. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch, wohl einhellige Auffassung, vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urt. v. 17.12. 2002 - 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - BVerfGE 106, 275, 305ff; BSG, U. v. 24.11.2004 - B 3 KR 23/04 R - BSGE 94, 1,3 v. 1.03.2011 - B 1 KR 7/10 R - Rdnr. 11).

1.2 Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Es fehlt im Hauptsacheverfahren nicht an der Behauptung einer Beschwer § 54 Abs. 1 S. 2 SGG, also an der Klagebefugnis.

Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, wonach Arzneimittelhersteller bzw. Vertriebsfirmen geltend machen können, durch eine Festbetragsfestsetzung in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 GG Art verletzt zu sein, in dem ein erheblicher Wettbewerbsnachteil behauptet wird (so bereits B. v. 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER - Juris Rdnr 42 sowie v. 17.12.2007 - L 1 B 435/07 KR ER - juris Rdnr, in Nachfolge von BSG, Urt. v. 24.2004 - B 3 KR 10/04 R - BSGE 93, 296, 298ff und - B 3 KR 23/04 R - BSGE 94, 1,4ff). Dies entspricht im Ergebnis auch der einhelligen Auffassung der mit der Materie befassten Senate des BSG. Diese sind sich einig, dass eine Verletzung subjektiver Rechte eines Arzneimittelherstellers im Zusammenhang mit der Richtlinienfestsetzung des Beigeladenen nur -indirekt- aus der damit verbundenen Einflussnahme auf den Wettbewerb der Hersteller untereinander resultieren kann.

Die Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2002 hat die Grundrechtsbetroffenheit von Arzneimittelherstellern nur verneint, soweit die Spitzenverbände der Krankenkassen zur Festbetragsfestsetzung von Arzneimitteln ermächtigt worden sind (BVerfG a.a.O. S.297f). In der Entscheidung heißt es ausdrücklich, die noch offenen Fragen zu den Einzelheiten der Festbetragsfestsetzungen hätten keinen Einfluss auf die hier vorgenommene verfassungsrechtliche Klärung. Geprüft worden sei nur das Verfahren zur Normsetzung, nicht jedoch die mit den Normen selbst verbundenen materiellen verfassungsrechtlichen Fragen (BVerfG a.a.O. S. 296). Nur die Festbetragsfestsetzung als solche berührt Art. 12 GG nicht (ebenso BSG. U. v. 24.11.2004 - B 3 KR 10/04 R - , LSG Berlin-Brandenburg, U. v. 16.12.2009 - L 9 KR 8/08; enger womöglich BSG, U. v. 1.3.2011 - B 1 KR 7/10 - Rdnr. 14, wonach § 35 SGB V generell nicht drittschützend sei).

Der sechste Senat sieht insoweit das Grundrecht der Berufsfreiheit betroffen. Er hat in seiner Entscheidung zu einem Therapiehinweis als Teil der Arzneimittelrichtlinie (BSG, U. v. 31.05.2006 - B 6 KA 13/05 R BSGE 96, 261, 266f Rdnr. 34f) auf die Judikatur des BVerfG zur Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit bei staatlicher Verbreitung marktrelevanter Informationen berufen (Bezugnahme auf BVerfGE 105, 252, 273 - Glykol). Auch der dritte Senat des BSG habe in seinem Urteil vom 24.11.2004 (BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr. 3) ausgeführt, dass die Hersteller gerichtlichen Rechtsschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen könnten, die den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschten. Werde eine Versorgungsalternative infolge unzutreffender medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so bedeute dies nicht nur eine Fehlinformation des Arztes und eine Benachteiligung des Versicherten. Es beinhalte auch eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten verneint werde und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheine. Nichts anderes gelte, wenn fälschlicherweise ein teureres Arzneimittel durch eine staatliche Maßnahme als unwirtschaftlich gekennzeichnet und seine Verordnung weitgehend eingeschränkt werde, weil es - infolge einer unzutreffenden Bewertung seiner Wirkungsweise - als mit dem billigeren Präparat therapeutisch gleichwertig beurteilt werde. Entsprechend habe der sechste Senat für die Konstellation, dass sich ein Produzent von Kontrastmitteln gegen eine Entscheidung des Bewertungsausschusses (§ 87 Abs. 2 SGB V) wendet, die Klage für zulässig gehalten, soweit das Unternehmen geltend gemacht habe, ohne Korrektur des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen in seiner Betätigungsfreiheit am Markt gegenüber anderen Anbietern von Kontrastmitteln benachteiligt zu sein.

Der erste Senat sieht hingegen ausschließlich Art. 3 I GG einschlägig. Er will die gleichen Grundsätze Anwendung finden lassen, welche das BVerfG für Vergabeverfahren für maßgeblich erachtet. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien berührten ebenso wie mögliche Vorstufen einer Vergabeentscheidung, hier die Festbetragsfestsetzung, grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusse die handelnde staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern werde selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig. Dabei sei es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswähle. Festbetragsfestsetzungen beträfen lediglich die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung pharmazeutischer Unternehmer, nämlich in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog. Pharmazeutische Unternehmer hätten jedoch keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass ihre Angebote in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen und nicht von Festbetragsfestsetzungen betroffen seien. Anders läge es nur, wenn die angewandten Bewertungskriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstelle, die als Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit zu qualifizieren wäre (Bezugnahme u. a. auf BVerfGE 105, 252, 273). An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehle es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung seien (Bezugnahme u. a. auf BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr. 2 S 18). Zu messen sei die Festbetragsentscheidung allerdings am allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG. Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergebe, sei es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (Bezugnahme auf BVerfGE 116, 135, 153). Gleiches gelte für die Vorstufe von Vergaben, wie hier die Festbetragsfestsetzungen. Nach diesem Maßstab könnten staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb der Unternehmen untereinander willkürlich verfälschten, im Einzelfall eine Grundrechtsverletzung bedeuten. Werde eine Versorgungsalternative infolge willkürlicher medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so beinhalte dies jedenfalls dann eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten ohne jeden sachlichen Grund verneint werde und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheine. Art 3 Abs. 1 GG verbiete nicht nur die unterschiedliche Behandlung von Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von sachlich Ungleichem anhand offensichtlich sachwidriger Kriterien (Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 1.11.2010 - 1 BvR 261/10- Rdnr 14 zu Arzneimittelrabattverträgen). Im Bereich der Festbeträge liege eine solche verfassungswidrige Gleichbehandlung (nur) vor, wenn die Arzneimittel eines Arzneimittelherstellers offensichtlich aus pharmakologisch-therapeutischer Sicht so unterschiedlich sei, dass sie durch die Arzneimittel eines anderen Herstellers praktisch nicht ersetzt werden könnten, sie dennoch aber ohne Rechtfertigung in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst seien. Dabei ergäben sich aus dem Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne (Bezugnahme - für das Verhältnis zum Gesetzgeber - BVerfGE 89, 15, 22 f; 90, 46, 56; 97, 271, 290 f; 99, 341, 355 f; 103, 242, 258; 105, 73, 110f; 116, 135, 161; so insgesamt BSG , U. v. 01.03.2011 - B 1 KR 7 R - Rdnr 14-17).

Aus Sicht des Senats scheidet eine Verletzung des Grundrechts auf Berufsausübung aus Art. 12 GG aus den vom BSG (1. Senat) dargestellten Gründen aus. Er ist jedoch auch nicht auf eine reine Willkürkontrolle eines Verstoßes gegen Art. 3 GG beschränkt.

Es besteht allerdings ein relevanter Unterschied zwischen der Ausschreibung des Kaufs von Arzneimitteln durch eine Krankenkasse als Vergabevorgang und der damit verbundenen Teilnahme dieser Krankenkasse am Wettbewerb auf Käuferseite und der abstrakt-generellen Regulierung des Arzneimittelpreises für die Gesamtnachfrage aller Krankenkassen, welche die Festbetragsfestsetzung faktisch bedeutet. Der Antragsgegner setzt gerade per Allgemeinverfügung mit allgemeiner Wirkung für den gesamten Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (und darüber hinaus für den Bereich der staatlichen Beamtenfürsorge, weil für Beamte entsprechende Übernahmen bestimmt sind) die Festpreise fest. Es geht nicht nur um "in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog." Jedenfalls für die Pharmahersteller, deren Geschäftsmodell darauf beruht, neue Arzneimittel zu entwickeln, die sich also nicht auf die bloße Herstellung beschränken, steht jedoch indirekt die gesamte Berufsausübung auf dem Spiel: Wenn sich - aus ihrer Sicht - die Forschung nicht lohnt, weil die mit patentgeschützten Arzneimittel zu erzielenden Gewinne zu gering ausfallen, macht die Entwicklung keinen Sinn. Das Gesetz differenziert selbst in diesem Sinne, indem es den Patentschutz für ein Arzneimittel zum Kriterium unter anderem für den Ausschluss einer Festbetragsgruppenbildung nimmt. Die rechtswidrige Festbetragsfestsetzung wirkt sich jedenfalls insoweit auf eine grundrechtlich geschützte Freiheit aus. Die Kontrolle der Wettbewerbsverzerrung durch Art. 3 I GG hat nicht nur als reine Willkürkontrolle zu erfolgen, sondern nach Maßgabe der sogenannten "neuen Formel" (vgl. hierzu mit Nachweisen Jarass/Pieroth, GG, 11. A. 2011 Art. 3 Rdnr. 17ff). Auch der erste Senat des BSG stellt letztlich hierauf ab, in dem er davon ausgeht, dass der Gestaltungsfreiraum für Ungleichbehandlungen umso enger ist, je mehr auch grundrechtlich geschützte Freiheiten tangiert sind:

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Die Verfassung verbietet dann nicht nur eine willkürliche Ungleichbehandlung. Das Bundesverfassungsgericht prüft vielmehr im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Entscheidend ist dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (so weitgehend wörtlich BVerfG, B. v. 13.02.2007 - 1 BvR 910/05, 1 BvR 1389/05 - Juris-Rdnr. 98. mit weiteren Nachweisen seiner Judikatur) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz kann somit eine strenge Bindung des Gesetzgebers an Verhältnismäßigkeitserfordernisse folgen, so dass es zu einer wechselseitigen Verschränkung von Gleichheits- und Freiheitsschutz kommen kann (so BVerfG, B. v. 16.06.2011 - 1 BvR 2394/10 -, Rdnr. 7).

Die Arzneimittelhersteller können deshalb erfolgreich gerichtlichen Rechtschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen, die den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschen (im Ergebnis ebenso BSG, Urt. v.31.05.2006 - B 6 KA 13/05 R - Rdnr. 34f mit Bezug auf BSGE 94, 1). Ein Hersteller wird im Wettbewerb benachteiligt, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten verneint wird und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheint (BSG, Urt. 31.05.2006 Rdnr. 35). Einen solchen Fall darf es nämlich nach dem SGB V selbst nicht geben.

Eine relevante Wettbewerbsverzerrung liegt jedenfalls vor, wenn die Festbetragsregelung eine Ausrichtung der unternehmerischen Ziele am Gesetz und ein Handeln in Einklang mit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen nicht nur nicht belohnt, sondern sogar bestraft. Der Staat verzerrt den Wettbewerb, wenn er die Nachfrage konträr zu seinen eigenen gesetzlichen Zielvorstellungen beeinflusst, sich also widersprüchlich verhält. Daraus resultierende Begünstigungen muss ein Wettbewerber nicht hinnehmen (so bereits B. d. Senats vom B. v. 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER - Juris Rdnr 85 mit Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 12.06.1990, BVerfGE 82, 209, 223f).

Hier ist jedoch nach allen Auffassungen von einer möglichen Rechtsverletzung, entweder aus Art. 12 GG oder aus Art. 3 Abs. 1 GG, auszugehen. Die Antragstellerin kann geltend machen, dass sachwidrig und damit willkürlich in den Wettbewerb zwischen den Arzneimittelherstellern der Antidepressiva eingegriffen werde, indem ihr Medikament Cipralex® mit patentgeschütztem Wirkstoff trotz der mit seiner Verwendung verbundenen therapeutischen Vorteile - im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 und Hs. 2 SGB V oder durch eine ungeeignete Vergleichsgröße im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V - in eine Festbetragsgruppe mit dem Konkurrenzwirkstoff Citalopram verbunden worden sei. Der Wettbewerb sei zu ihren Lasten und zu Gunsten der Vertreiber von Citalopram verfälscht. Ihr Umsatz ist zudem unstreitig eingebrochen, weil ihr Medikament aufgrund der zu leistenden Eigenbeträge über dem Festbetrag nicht mehr nachgefragt wird.

1.3 Der Antrag ist nicht wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, selbst wenn die Auffassung des Antragsgegners zuträfe, die Angelegenheit sei nicht eilbedürftig. Im Gegensatz zu einem Antrag gemäß § 86 b Abs. 2 SGG mit dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes setzt ein Antrag nach § 86 b Abs. 1 SGG keine besondere Eilbedürftigkeit voraus. Diese ist allenfalls im Rahmen der Interessenabwägung in der Begründetheit von Relevanz (ständige Rechtsprechung des Senats).

2. Der Antrag hat in der Sache Erfolg.

Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG unter anderem in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, hier aufgrund § 35 Abs. 7 SGB V.

Gemäß § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache jedoch auf Antrag durch Beschluss die aufschiebende Wirkung anordnen.

Es handelt sich um eine gerichtliche Interessenabwägung nach pflichtgemäßem Ermessen, bei welcher die für und gegen einen Sofortvollzug sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen sind.

Maßgeblich ist dabei, ob das Hauptsacherechtsmittel voraussichtlich erfolglos bleiben oder zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung führen wird, weil er sich als rechtswidrig darstellt und auch ein Klägerrecht verletzt. Ist die künftige Bestandskraft absehbar, rechtfertigt sich das bereits durch Gesetz vorausgesetzte öffentliche Interesse am Sofortvollzug und es ist dem Betroffenen regelmäßig zumutbar, der Regelung schon jetzt unterworfen zu sein. Umgekehrt besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung rechtswidriger Maßnahmen.

Hier überwiegt aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen und alleine möglichen summarischen Prüfung der Sachlage im Ergebnis das Interesse der Antragstellerin, von einem Sofortvollzug verschont zu bleiben, das an sich vermutete Interesse am Sofortvollzug der Festbetragsfestsetzung. Denn es besteht auch konkret hier kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug einer offenbar rechtswidrigen Allgemeinverfügung. Von der Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung ist jedenfalls derzeit auszugehen.

Sie kann voraussichtlich keinen Bestand haben, weil sie auf einem fehlerbehafteten Beschluss des Beigeladenen fußt.

Es sind nach summarischer Prüfung beachtliche Mängel bei der Zusammenstellung des Beurteilungsmateriales feststellbar (dazu im Einzelnen sogleich unter 2.1. bis 2.1.10). Dies gilt, auch wenn der Beigeladene nach Korrektur der festgestellten Mängel im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes möglicherweise zum gleichen Ergebnis gelangen kann -Bildung einer Festbetragsgruppe aus Escitalopram und Citalopram unter Festsetzung der gleichen Wirkstärkenvergleichsgröße-.

Die Antragstellerin wird dadurch in einem subjektiven Recht verletzt (dazu unten 2.5).

Der Senat sieht dabei den Sachverhalt als jedenfalls so weit geklärt an, dass zu entscheiden war. Es sind keine offenen Rechtsfragen solcher Komplexität ersichtlich, dass im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine Rechtsprüfung ausscheiden müsste und nur eine reine Folgenabwägung möglich wäre. Im Übrigen käme auch eine alternativ vorzunehmende Folgenabwägung zum selben Ergebnis (dazu unten 2.6).

Eine mündliche Erörterung ist nicht geboten gewesen. Sie ist aus Sicht des Senats nicht erforderlich und hätte das Verfahren nur noch verzögert (siehe hierzu auch unter 2.1.5).

2.1 Es zeigen sich zum einen Beurteilungsfehler des Beigeladenen im Zusammenhang mit seiner Bewertung, dem Wirkstoff Escitalopram eine therapeutische Verbesserung der Behandlung der Depression im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 SGB V abzusprechen:

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V (hier in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung durch das AMNOG) bestimmt der Beigeladene in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können. In den Gruppen sollen Arzneimittel mit ( ) 2. pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, zusammengefasst werden ( ). Die Gruppen müssen nach Satz 3 gewährleisten, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen (Hs. 1). Ausgenommen von diesen Gruppen sind Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (Hs. 2). Nach § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V ermittelt der Beigeladene auch die nach Absatz 3 notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder andere geeignete Vergleichsgrößen. Ganz allgemein soll er zudem bei der Richtlinienerstellung den besonderen Erfordernissen bei der Behandlung unter anderem psychisch Kranker Rechnung tragen, § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V.

Eine therapeutische Verbesserung nach § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 SGB V liegt aufgrund § 35 Abs. 1 b SGB V (eingeführt durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26. April 2006, BGBl. I 984) vor, wenn das Arzneimittel einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Gruppe vorzuziehen ist. Bewertungen nach S. 1 erfolgen für gemeinsame Anwendungsgebiete der Arzneimittel der Wirkstoffgruppe. Ein höherer Nutzen nach S. 1 kann auch eine Verringerung der Häufigkeit oder des Schweregrads therapierelevanter Nebenwirkungen sein. Der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung erfolgt aufgrund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Bewertung sind in der Begründung zu dem Beschluss nach Abs. 1 S. 1 fachlich und methodisch aufzubereiten, sodass die tragenden Gründe des Beschlusses nachvollziehbar sind.

2.1.1 Ob dem Beigeladenen und/oder dem Antragsgegner Verfahrensfehler vorzuwerfen sind, lässt der Senat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dahingestellt.

2.1.2 Grundsätzliche Zweifel an der Richtlinienermächtigung in § 35 Abs. 1, Abs. 5 SGB V bestehen nicht (vgl. hierzu BVerfGE 106, 275, 305ff). Im Urteil des BSG vom 1.03.2011 (B 1 KR 10/10 R, Rdnr. 33) heißt es hierzu: "Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel. (.) Für die Bildung von Festbetragsgruppen gilt die Bejahung der Verfassungsmäßigkeit im Besonderen, weil der Gesetzgeber einen konkreten Katalog von gesetzlichen Voraussetzungen formuliert, bei deren Vorliegen er den Beigeladenen zu 1. im Bereich der Arzneimittelversorgung mit der Gruppenbildung betraut. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 zwar ausdrücklich nur das System der Festsetzung von Festbeträgen (§§ 35 ff SGB V) im Ganzen als verfassungskonform bewertet, folgerichtig die Verfassungsmäßigkeit der Kompetenzen des Beigeladenen zu 1. damit aber unausgesprochen vorausgesetzt.

2.1.3 Auch ein Wirkstoff, der über ein ergänzendes Schutzzertifikat verfügt - wie hier das Schutzzertifikat DE 103 99 030 für Escitalopram , ist patentgeschützt im Sinne des § 35 SGB V. Nach Art. 5 VO (EG) Nr. 469/2009 gewährt ein ergänzendes Schutzzertifikat grundsätzlich dieselben Rechte wie das Grundpatent und unterliegt denselben Beschränkungen und Verpflichtungen. Schützt das Grundpatent - hier das zwischenzeitlich abgelaufene europäische Patent EP 0347066 - den Wirkstoff als solchen, so kommt nach Art. 5 VO (EG) Nr. 469/2009 auch dem ergänzenden Schutzzertifikat diese Schutzwirkung zu.

2.1.4 Nach der Rechtsprechung des BSG entspricht der geforderte "höhere Nutzen" der therapeutischen Verbesserung im Sinne des § 35 Abs. 1b Satz 1 SGB V dem "Zusatznutzen" gegenüber anderen Wirkstoffen, wie er vom Gesetzgeber auch in § 35b Abs. 1 Satz 3 SGB V (i. d. F. durch Art. 1 Nr. 20 Buchst b GKV-WSG mit Wirkung ab 1.4.2007; vgl. ab 1.1.2011 § 35b Abs. 1 S. 3 i. d. F. durch Art 1. Nr. 6 b, bb AMNOG) zur zentralen Vorgabe einer Nutzenbewertung durch das IQWiG gemacht worden ist. Gleiches gilt für den "medizinischen Zusatznutzen" bei dem durch das AMNOG eingeführten Verfahren der frühen Nutzenbewertung (§ 35a Abs. 1 S. 4 SGB V, vgl. BT-Drucks 17/2413, S 21). Inhaltlich gibt der Gesetzgeber als Maßstab einer therapeutischen Verbesserung eine Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität, z. B. durch Verringerung von Nebenwirkungen bezüglich Häufigkeit und Schweregrad, sowie Morbidität und Mortalität vor (§ 35 Abs.1 S. 3 und 5 SGB V, sog patientenrelevante Endpunkte). Nur im Zusammenhang mit einer an der positiven Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte ausgerichteten Therapie kann sich ein höherer Nutzen auch daraus ergeben, dass das Arzneimittel eine überlegene Wirksamkeit gegenüber anderen Arzneimitteln der Wirkstoffgruppe zeigt oder über besondere therapierelevante Leistungsmerkmale verfügt, z. B. Wechsel des Applikationsortes oder -weges, oder eine andere für die Therapie relevante Galeanik aufweist (vgl. BT-Drucks 16/194 S 8). Anders als bei der Gruppenbildung anhand von Wirkstoffen nach § 35 Abs. 1 S. Nr. 1 SGB V kommen im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals daher auch die ganz spezifischen Besonderheiten eines Wirkstoffs in Betracht, soweit diese therapeutisch relevant sind. Methodisch erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung aufgrund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35 b Abs. 1b S. 4 und 5 SGB V). Maßgeblich ist hierbei der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V, vgl. BT-Drucks 16/194 S 8). Erforderlich ist dabei der Nachweis der erfolgreichen therapeutischen Verbesserung in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen auf der Grundlage wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Therapierelevanz (so weitgehend wörtlich BSG, U. v. 1.03.2011 - B 1 KR 10/10 R Rdnr. 61ff mit weit. Nachw.) Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Wirkstoffen. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage - und beweiskräftige Studien ausgewichen werden. Sie müssen in jedem Fall das Kriterium erfüllen, mit dem Primärziel des Erreichens patientenrelevanter Endpunkte durchgeführt worden zu sein. Studien, die als Primärziel bloße Surrogatparameter formuliert haben, kommen dagegen zum Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht in Betracht. Der hier entscheidende Senat folgt bei seiner Überprüfung dieser Voraussetzungen weiter den vom BSG aufgestellten Grundsätzen für die Kontrolle im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beigeladenen. Diese sind gerichtlich in der Weise zu hinterfragen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSG, U. v. 01.03.2011 - B 1 KR 7/10 R Rdnr. 26f m. weit. Nachw.):

§ 35 SGB V gibt dem Beigeladenen ein engmaschiges, rechtlich voll überprüfbares Programm vor: Die Verwendung ihrer Art nach rechtmäßiger Prüfkriterien, die Ermittlung des Inhalts der Arzneimittelzulassungen, die Qualifizierung von Arzneimitteln als solche mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, die Gewährleistung sowohl fehlender Einschränkungen von Therapiemöglichkeiten als auch der Verfügbarkeit medizinisch notwendiger Verordnungsalternativen sowie die zutreffende rechtliche Erfassung der Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen ist vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beigeladenen bei der Umsetzung dieser Regelungselemente des § 35 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beigeladenen zu berücksichtigenden Studienlage.

Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe sowie bei der Bewertung des zutreffend ermittelten Standes der Studienlage im Hinblick auf ihre Eignung, für die Gruppenbildung relevante Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse zu erlassen. Hier entscheidet der Beigeladene zu 1. als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beigeladenen zu 1. getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (ebenso auch die Parallelentscheidung -B 1 KR 10/10 R- Rdnr. 38). Das Gebot einer nachvollziehbaren Aufarbeitung ergibt sich dabei bereits unmittelbar aus dem Gesetz, § 35 Abs. 1b S. 5 SGB V.

Dieser Kontrollmaßstab entspricht den allgemeinen Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfung von Beurteilungsspielräumen (vgl. hierzu aus jüngerer Zeit Bundesverwaltungsgericht -BVerwG, Urt. v. 02.04.2008 6 C 14/07 Rdnr. 21-mit Bezugnahme auf Urt. v. 16.05.2007 3 C 8/06 Rdnr. 32, Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 2011, § 114 Rdnr. 39 ff.). Ein Beurteilungsfehlgebrauch liegt danach vor, wenn die wertende Entscheidung auf falscher oder unvollständiger Tatsachengrundlage erfolgt oder sachfremde bzw. willkürliche Erwägungen enthält. Der Beigeladene muss demnach den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt haben, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffes ausgegangen sein, und sich bei der eigentlichen Bewerteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten haben, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt haben.

Inhaltlich entsprechendes hat auch der sechste Senats des BSG für den Beurteilungsspielraum eines Berufungsausschusses ausgeführt. Eine Einhaltung der Bewertungsgrundsätze setze zusammengefasst zum einen eine nachvollziehbare Begründung voraus. Ein Beurteilungsfehler liege zum anderen bei einer Überschreitung des Beurteilungsspielraumes, Missachtung anerkannter Bewertungs- und Prüfungsgrundsatze und zuletzt bei Verletzung des Gleichheitssatzes und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit vor. Auch müssen die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten sein (BSG, Urt. v. 09. 02. 2011 B 6 KA 3/10 R Rdnr. 25).

Für den Bereich der Existenzsicherung hat das BVerfG die Forderung aufgestellt, dass selbst der parlamentarische Bundesgesetzgeber sich nicht auf seinen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiraum berufen kann, sondern die Konkretisierung eines Leistungsanspruches in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, realitätsgerecht zu bemessen habe (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 juris Rdnr. 138). Obgleich dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eine zurückhaltende Kontrolle der einfach-gesetzlichen Regelung durch das BVerfG folge, habe der Gesetzgeber zur Prüfung, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, erfülle, die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschnitte nachvollziehbar offen zu legen.

Der behördliche wie auch der gesetzgeberische Beurteilungsfreiraum ist also für die zur Entscheidung berufene Stelle eine zweischneidige Sache: Dem gestalterischen Freiraum stehen erhebliche Anforderungen an die Ermittlung und Aufarbeitung des Sachverhaltes, an die Beteiligung der Anzuhörenden und an die nachvollziehbare und lückenlose Darlegung des Bewertungsergebnisses gegenüber. Beurteilungsfehler führen dabei bei Anfechtungsbegehren zur Aufhörung der behördlichen Entscheidung: Jeder Beurteilungsfehler, von dem nicht eindeutig auszuschließen ist, dass auch bei seiner Vermeidung exakt das gleiche Beurteilungsergebnis zwingende Folge wäre, führt zur Rechtswidrigkeit. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob zwingende Folge einer Vermeidung wäre, dass das Beurteilungsergebnis sicher ein anderes wäre.

Der gerichtliche Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG gebietet und erlaubt zwar in diesen Fällen –anders bei normalen unbestimmten und auslegungsbedürftigen Rechtsnormen- keine eigene Entscheidung des Gerichts, fordert jedoch eine Neubewertung durch das dazu berufene Gremium. Diese Grundsätze sind auch bei § 35 Abs. 1 S. 3, Abs. 1 b SGB V anzulegen und sind vom BSG auch so überprüft worden (vgl. BSG, Urt. v. 1.3.2011 - B 1 KR 10/10R Rdnr. 65, 68). Insbesondere das ausdrückliche gesetzgeberische Gebot der Nachvollziehbarkeit zwingt den Beigeladenen, da seine Bewertungen nicht ersetzt werden können, diese vollständig, widerspruchsfrei und verständlich bereits in den tragenden Gründen darzustellen.

Diesen Anforderungen genügt der indirekt streitgegenständliche Beschluss nicht.

Der Beigeladene hat seiner Bewertung fehlender therapeutische Verbesserung mehrere fehlerhafte bzw. jedenfalls nicht nachvollziehbare Erwägungen zu Grunde gelegt. Jede einzelne stellt bereits für sich alleine betrachtet einen relevanten Beurteilungsfehler dar (vgl. hierzu im Einzelnen nachfolgend 2.1.5 bis 2.1.10 und 2.2).

2.1.5 Dass der Beigeladene Escitalopram eine therapeutische Verbesserung abspricht, beruht wesentlich auf der These, die damit zu erzielende Verbesserung der Depressionssymptomatik erreiche keine klinische Relevanz bzw. klinische Signifikanz. Die Studienergebnisse zeigten eine (zu) hohe Heterogenität.

Die Antragstellerin wirft ihm in diesem Zusammenhang vor, die Ergebnisparameter der diversen Studien hinsichtlich Response, Remission und Verbesserung der depressiven Symptomatik im jetzigen Beschluss anders zu bewerten als das IQWIG und auch anders als im eigenen Beschluss zum Verordnungsausschluss für Reboxetin. Konkret lege der Beigeladene jetzt erstmals strengere Maßstäbe an die Heterogenität an.

In seiner Antwort an das Bundesministerium für Gesundheit hat der Beigeladene ein Abweichen bestritten und auf die Gesamtbewertung abgestellt, wonach die "in einigen Studien gezeigte alleinige statistische Signifikanz" in der Gesamtbetrachtung nicht als therapeutische Verbesserung angesehen werden könne.

Es spricht aber nach Aktenlage vieles dafür, dass der Beigeladene entgegen seiner Aussage dem Bundesministerium gegenüber von den Maßstäben des IQWiG abgewichen ist. Insbesondere hätte die Studie Cipriani et al. nicht wegen Heterogenität ausgeschieden werden dürfen:

In der "Zusammenfassende Dokumentation Stand: 21.07.2011" des Beigeladenen heißt es hierzu:

"Die Publikation von Cipriani et al., Cochrane Database Syst Rev. 2009, ist ein Cochrane Review, der die Wirksamkeit, die Akzeptanz und die Verträglichkeit von Escitalopram mit trizyklischen und heterozyklischen Antidepressiva, anderen SSRI und neueren Wirkstoffen in der Behandlung der akuten Phase der Major Depression untersucht. Beim Vergleich zwischen Escitalopram und Citalopram werden folgende Originalpublikationen berücksichtigt: Burke et al. (2002), Lepola et al. (2003), Colonna et al. (2005), Moore et al. (2005), Yevtushenko et al. (2007) und SCT-MD-02 (unveröffentlicht). Als primärer Endpunkt wurde die Response-Rate definiert (50 % auf der HAM-D-Skala - präferiert -, auf der MADRS-Skala, auf sonstigen Depressionsskalen oder 1 bis 2 Punkte in CGI-I). Das Odds Ratio (OR) für die Non-Response-Rate (nach 6 bis 12 Wochen) wird in der Meta-Analyse im Vergleich zwischen Escitalopram und Citalopram mit 0,67 (95 % KI 0,50 bis 0,89, p = 0,006, n = 1 823) zugunsten von Escitalopram angegeben. Die Heterogenität der Ergebnisse ist erhöht I² = 49 %. Für die frühe Phase des Ansprechens (Woche 1 bis 4) lagen keine Daten bzgl. der Response vor. Für die Langzeittherapie (Woche 16 bis 24) lag bzgl. der Response eine Studie vor, der Unterschied war nicht signifikant OR 0,96 (95 % KI: 0,60 bis 1,56, p = 0,88, n = 357). Escitalopram wird als signifikant wirksamer bezüglich der Non-Remission-Rate (nach 6 bis 12 Wochen) im Vergleich zu Citalopram mit einem OR = 0,57 (95 % KI: 0,36 bis 0,90, p = 0,02, n = 1 823) bei einem signifikanten Test auf Heterogenität angegeben. Die Heterogenität der Ergebnisse ist sehr hoch I2 = 80 %. Für die frühe Phase des Ansprechens und für die Langzeittherapie lagen keine Daten bzgl. der Remission vor. Für die Reduktion der depressiven Symptomatik wird ein signifikanter Unterschied zugunsten von Escitalopram anhand der standardisierten Mittelwertdifferenz nach 6 bis 12 Wochen (-0,17, 95 % KI: -0,3 bis -0,04, p = 0,009, n = 1 392) angegeben. Die Heterogenität der Ergebnisse wird mit I2 = 33 % angegeben. Bezüglich des Parameters der Nicht-Beendigung der Studie aufgrund von unerwünschten Effekten wird kein signifikanter Unterschied von Escitalopram vs. Citalopram beschrieben, OR = 0,79 (95 % KI 0,47 bis 1,31, p = 0,26, I2 = 24 %, n = 1 604). Insgesamt sind die Ergebnisse durch die überwiegend starke Heterogenität in ihrer Aussagekraft limitiert bzw. lassen keine Interpretation zu. Es wird auf die Bewertung der Primärstudien im Rahmen der Auswertung des Stellungnahmeverfahrens verwiesen. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass ein dosisäquivalenter Vergleich im Sinne eines fairen Studiendesigns von therapieäquivalenten Wirkstärken fehlt.

Cipriani et al., Lancet 2009, beschreiben einen systematischen Review einschließlich Meta-Analysen zum Vergleich der Wirksamkeit und Verträglichkeit zwölf neuer Antidepressiva. Für den Vergleich Escitalopram vs. Citalopram werden fünf Primärstudien berücksichtigt: Burke et al. (2002), Lepola et al. (2003), Colonna et al. (2005), Moore et al. (2005) und SCT-MD-02 (unveröffentlicht). Im Gegensatz zum Cochrane Review von Cipriani et al. (2009) wird die Studie von Yevtushenko et al. (2007) nicht berücksichtigt (eine Begründung für das Vorgehen findet sich nicht). Als primärer Endpunkt wurde die Response-Rate definiert (50 % auf der Hamilton depression rating scale (HDRS), auf der MADRS-Skala oder eine starke Verbesserung bzgl. CGI-I). Das OR für die Response-Rate wird mit 0,68 (95 % KI 0,53 bis 0,87) für Citalopram vs. Escitalopram bzw. mit 1,47 (95 % KI 1,15 bis 1,90) für Escitalopram vs. Citalopram angegeben (n = 1 604). Angaben zur Heterogenität werden nicht gemacht. Es wird auf die Bewertung der Primärstudien im Rahmen der Auswertung des Stellungnahmeverfahrens verwiesen. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass ein dosisäquivalenter Vergleich im Sinne eines fairen Studiendesigns von therapieäquivalenten Wirkstärken fehlt. Ein Teil der Autoren gibt mögliche Interessenkonflikte an."

Für "Response" –in der Analyse ausgewertet für "Failure to respond"(vgl. Anlage A 38 der Antragsschrift S. 20) hält der Beigeladene eine Heterogenität von I²= 49% für zu hoch. Dies steht im Widerspruch zum Umgang des IQWIG mit einer solchen Heterogenität, welche in dessen –im ersten Halbjahr 2011 noch einschlägigen- "Allgemeinen Methoden Version 3.0" vom 27.05.2008 als mittelmäßig bezeichnet wird (https://www.iqwig.de/download/IQWiG Allgemeine Methoden Version 3.0.pdf, S. 113).

Das IQWIG hat bei seiner Bewertungen zu Bupropion, Mirtazapin und Reboxetin bei Depressionen erst bei einer "bedeutsamen Heterogenität" von I²) 50 % weiter geprüft, ob eine Subgruppenanalyse für möglicherweise die Heterogenität erzeugende Merkmale sinnvoll gewesen sei (vgl. https://www.iqwig.de/download/A05-20C Abschlussbericht 1-1 Bupropion Mirtazapin und Reboxetin bei Depressionen.pdf- S. 30). Ferner heißt es dort (S. 122): "In der Meta-Analyse der 7 Studien mit verfügbaren Daten zeigte sich bei moderater Heterogenität (I² = 49,0 %) kein statistisch signifikanter Vorteil von Reboxetin gegenüber Placebo bezüglich der Zielgröße Remission."

Es ist auch nicht ersichtlich, dass das IQWIG speziell im Bezug auf die Cipriani-Metaanalyse deren Heterogenitätswerte für zu hoch angesehen hätte. Im Abschlussbericht des IQWiG (S. 440 f.) heißt es lediglich, dass es sich zwar um eine Arbeit von herausragender Bedeutung in der aktuellen Diskussion um Wirksamkeitsunterschiede von Antidepressiva handele, die Analyse jedoch aus mehreren Gründen keine valide Grundlage für die Bildung einer Rangfolge sei. Hauptgrund sei, dass die Arbeit unpublizierte Daten unberücksichtigt gelassen habe, insbesondere vor dem Hintergrund der Problematik des Publikationsbias.

Die oben dargestellte Aussage "starker Heterogenität", welche die Analyse in ihrer Aussagekraft limitiert sei bzw. keine Interpretation zulasse, steht demnach ohne nähere Ausführungen im Widerspruch zum anderweitigen Umgang mit "mittlerer" Heterogenität. Sie ist so nicht nachvollziehbar.

Zutreffend hält die Antragstellerin dem Beigeladenen in diesem Zusammenhang vor, nicht untersucht zu haben, welche Konsequenzen für die Homogenität sich aus der Herausnahme der Studie mit den größten Abweichungen, der Studie Yevtushenko (dazu sogleich unter 2.1.7) ergäbe. So stellt der Beigeladene die Studienlage verzerrt dar: Der Metaanalyse Cipriani wird Heterogenität vorgeworfen, für welche entscheidend die "Ausreißerstudie" Yevtushenko ursächlich ist. Diese Studie will er aber generell aussortieren.

Der Beurteilungsmangel ist relevant: Es fehlt an Nachvollziehbarkeit (§ 35 Abs. 1 b S. 5 SGB V). Es kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass jede andere Bewertung der Metaanalyse ausscheidet und deshalb ein anderes Endergebnis ausgeschlossen ist, wenn die Metaanalyse einbezogen bzw. gewichtiger einbezogen würde.

Soweit der Beigeladene in seinem jüngsten Schriftsatz den Standpunkt vertritt, unterbliebene Darlegungen in der beantragten mündlichen Verhandlung in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor dem Senat nachholen zu können und der Antragsgegner -noch darüber hinausgehend- davon ausgeht, dass es dem Senat am notwendigen Sachverstand fehle, um die getroffenen Erwägungen des Beigeladenen generell nachvollziehen zu können, vermag dem der Senat dem nicht zu folgen. Maßgeblich ist die Nachvollziehbarkeit der Begründung des Beschlusses. Überdies sind Fragestellungen, welche zwingend die Einschaltung eines Sachverständigen erfordern, - auch für das Hauptsacheverfahren - nicht zu erkennen.

Der Beigeladene hatte auch ausreichend Gelegenheit, sich schriftlich zu den detaillierten Darlegungen der Antragstellerin zu äußern und bei dieser Gelegenheit auf angebliche etwaige methodische Selbstverständlichkeiten der evidenzbasierten Medizin hinzuweisen.

2.1.6 Entsprechendes gilt für den Vorwurf der Antragstellerin, der Beigeladene weiche im hier inzident angegriffenen Beschluss von den Kriterien des IQWIG zur Interpretation statistischer Signifikanzen als auch klinisch relevanter Parameter ab. In der "Zusammenfassenden Dokumentation" (S. 120) schreibt der Beigeladene:

"Bezüglich der beiden Zielgrößen Response und Remission sind implizit klinische Bewertungskriterien zur Relevanz eingeflossen: Response mit 50%iger Reduktion als deutlich postulierte Symptomreduktion bzw. Remission als Abfall der Symptomatik auf Wert mit kaum oder nicht mehr merklicher Symptomatik (EMEA Guideline, 2002). Es gilt jedoch ebenso, dass keine methodisch adäquaten und belastbaren empirischen Untersuchungen zu einer für diese Maße validierten klinischen Relevanzgrenze vorliegen. Inwieweit diese allgemein verwendeten Größen die klinische Relevanz ausreichend widerspiegeln und zur Bestimmung der therapeutischen Verbesserung lediglich die statistische Signifikanz herangezogen wird, ist daher fraglich."

Der Beigeladene bezweifelt also, dass allgemein von Studienergebnissen, die eine Response bzw. eine Remission darstellen, auf klinische Relevanz geschlossen werden kann. Er hat zu dem Vorwurf, beim Ausschluss von Reboxetin habe für ihn anderes gegolten, nicht direkt Stellung genommen, sondern lediglich ausgeführt (Zusammenfassende Dokumentation S. 115f):

"Der Abschlussbericht A05-20A (IQWiG) hatte nicht zum Ziel, Citalopram und Escitalopram zu vergleichen, sondern Venlafaxin und Duloxetin im Vergleich zu Placebo, anderen Antidepressiva und untereinander. Er enthält somit keine Angaben zum direkten Vergleich der Behandlung mit Escitalopram zu Citalopram. Hinweise zur Fragestellung und Auswirkungen auf die Festbetragsgruppenbildung ergeben sich nicht.

Der Abschlussbericht A05-20C (IQWiG) wurde unter der Fragestellung des Vergleichs von Bupropion, Mirtazapin oder Reboxetin mit Placebo oder untereinander oder mit anderen Antidepressiva erstellt. Er enthält somit keine Angaben zum Vergleich einer Behandlung mit Escitalopram im direkten Vergleich zu Citalopram. Hinweise zur Fragestellung und Auswirkungen auf die Festbetragsgruppenbildung ergeben sich nicht."

Warum allerdings im hiesigen Festbetragsverfahren nunmehr generell der spezielle Schluss von statistischer Signifikanz auf klinische Relevanz in Frage gestellt wird, erläutert der Beigeladene nicht. Das IQWIG hat Response und Remission als (klinisch) relevanten Zielgröße bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Antidepressiva zugrunde gelegt (vgl. IQWiG, Abschlussbericht A 05 20 c S. 3ff sowie A 05 20 a; https://www.iqwig.de/download/A05-20A Abschlussbericht SNRI bei Patienten mit Depressionen V1-1.pdf S. 12f). In seinem Schreiben an das Bundesministerium für Gesundheit vom 12. April 2011 stellt der Beigeladene in Abrede, von den Kriterien des IQWiG abzuweichen, geht aber auf seine oben dargestellten Zweifel am Zusammenhang mit keinem Wort ein. Dies ist in sich widersprüchlich. In seinem jüngsten Schriftsatz vom 21. November 2011 wird jetzt wiederum auf den Unterschied zwischen den Studienergebnissen und der klinischen Relevanz abgestellt, welche Differenzierungen erfordere. Dass ganz allgemein aus positiven Studienergebnissen nicht automatisch folgt, dass sich diese auch im Alltag konkreter Behandlungen entsprechend auswirken, steht jedoch in dieser Allgemeinheit außer Streit. Hier jedoch geht es um eine konkrete Folgerung. Hier verhält sich der Beigeladene widersprüchlich. Dies ist nicht nachvollziehbar.

2.1.7 Die Bewertung des Beigeladenen fußt ferner maßgeblich auf dem Ausschluss der Studienergebnisse der Studie Yevtushenko. Diese sei generell ungeeignet. In der "Zusammenfassenden Dokumentation" schreibt der Beigeladene zu dieser Studie (Zusammenfassende Dokumentation S. 207ff):

"Yevtushenko et al. Clin Ther 2007, beschreiben eine prospektive, randomisierte, kontrollierte, doppelblinde, multizentrische (acht Zentren in Russland) Studie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von fixen Dosen von Escitalopram (10 mg/Tag, n = 109) vs.Citalopram (10 mg/Tag, n = 111 oder 20 mg/Tag, n = 110) zur Behandlung der Major Depression über einen Zeitraum von sechs Wochen bei Patienten im Alter von 25 bis 45 Jahren mit einem MADRS-Score &8805; 25. In die ITT-Analyse wurden n = 108 (Escitalopram10 mg), n = 106 (Citalopram 10 mg) bzw. n = 108 (Citalopram 20 mg) mit einbezogen. Nähere Angaben zur Randomisierung und zum Concealment fehlen. Als primärer Endpunkt wurde der Unterschied zwischen Escitalopram und den beiden Citalopram-Gruppen bzgl. der Veränderung des MADRS-Scores vom Basiswert zu Woche 6 definiert. Weitere Endpunkte waren Response (d. h. &8805; 50 % Verbesserung auf MADRS-Skala) und Remission (d. h. MADRS &8804; 12).

Nach sechs Wochen wird für den primären Endpunkt eine Reduktion von 28,70 Punkten (Escitalopram 10 mg) vs. 20,11 Punkte bzw. vs. 25,19 Punkte (Citalopram 10 mg bzw.20 mg) beschrieben; Signifikanz für beide Vergleiche p ( 0,001. Die absolute Differenz zwischen den Gruppen beträgt 8,59 Punkte (vs. 10 mg Citalopram) bzw. 3,51 Punkte (vs. 20 mg Citalopram).

61,1 % der Escitalopram-Gruppe, 61,3 % der Citalopram-10 mg-Gruppe und 72,2 % der Citalopram-20 mg-Gruppe hatten zu Beginn einen MADRS &8805; 35. In der Subgruppe der schweren Depression betrug die Reduktion im primären Endpunkt 30,33 (Escitalopram) vs. 20,87 (Citalopram 10 mg) vs. 26,34 (Citalopram 20 mg). Die adjustierte mittlere Differenz zwischen den Gruppen beträgt 9,46 Punkte (vs. 10 mg Citalopram) bzw. 3,99 Punkte (vs. 20 mg Citalopram); Signifikanz für beide Vergleiche p ( 0,001.

Der sekundäre Endpunkt Response wird nach sechs Wochen mit 95,4 % (Escitalopram 10 mg) vs. 44,3 % bzw. 83,3 % (Citalopram 10 mg bzw. 20 mg) beschrieben; Signifikanz für beide Vergleiche p ( 0,001. Die Remission wird nach sechs Wochen mit 89,8 % (Escitalopram 10 mg) vs. 25,5 % bzw. 50,9 % (Citalopram 10 mg bzw. 20 mg) beschrieben; Signifikanz für beide Vergleiche p ( 0,001.

Unerwünschte Ereignisse werden in der Escitalopram-Gruppe seltener beschrieben als in den Citalopram-Gruppen 7/108 vs. 16/106 bzw. 19/108 (jeweils p ( 0.05).

Die Studienergebnisse von Yevtushenko et al. (2007) liegen außergewöhnlich weit oberhalb der Punktschätzer der anderen Studien, sodass die Vergleichbarkeit kritisch zu beurteilen ist. Darüber hinaus ist eine Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf den deutschen Versorgungskontext im Bewertungsrahmen des G-BA nicht oder nur eingeschränkt möglich. Es finden sich keine näheren Angaben zu den Studienzentren und den dort eingeschlossenen Patienten. Allgemein ist kulturellen Aspekten bei der Behandlung der Depression verstärkt Rechnung zu tragen. Da neben Angaben zu den Studienzentren auch Informationen zur ethnischen Herkunft der Studienteilnehmer dieser in Russland durchgeführten Studie fehlen, ist es somit fraglich, ob die Studie auf die deutsche Versorgungssituation übertragbar ist. Ein Dosisvergleich von 10 mg vs. 10 mg ist für die Beantwortung der Fragestellung nicht relevant, zumal die 10 mg-Dosis Citalopram nicht der zugelassenen Initialdosis bei der Indikation Depression entspricht. Sie wird in der Fachinformation nur vorgesehen für bestimmte Patientengruppen: "Patienten mit Einschränkung der Leberfunktion sollten eine Anfangdosis von 10 mg pro Tag erhalten" (z. B. Fachinformation Citalopram Heumann 30/60 mg Filmtabletten, Stand Januar 2010). Darüber hinaus fehlt grundsätzlich ein dosisäquivalenter Vergleich im Sinne eines fairen Studiendesigns, da keine therapieäquivalenten Wirkstärken untersucht wurden. Zusammenfassend sind die Ergebnisse und die damit verbundenen offenen Fragen für eine Anerkennung einer therapeutischen Verbesserung im Bewertungsrahmen des G-BA nicht geeignet.

Die Studie wurde u. a. von ARBACOM unterstützt."

Im Zwischenfazit heißt es ferner (S. 123)

"Grundsätzlich bleibt – insbesondere für die im russischen Setting durchgeführte Studie von Yevtushenko et al. (2007) - zu hinterfragen, ob neben der linguistisch/ semantischen Adaptation auch eine weitere Validierung mit entsprechendem Nachweis der kulturellen Äquivalenz des Fragebogens zur Erhebung des MADRS-Wertes erfolgt ist (vgl. z. B. Acquadro, C.; Conway, K.; Hareendran, A.; Aaronson, N.: Literature Review of Methods to Translate Health-Related Quality of Life Questionnaires for Use in Multinational Clinical Trials. In: Value in Health 11 (2008), S. 509–521)."

Die beiden maßgeblichen Thesen, die (zu) guten Studienergebnisse seien kritisch zu hinterfragen und die Studie sei nicht (bzw. fraglich) auf Deutschland zu übertragen, sind nicht nachvollziehbar bzw. enthalten sachwidrige Gesichtspunkte (Zum weiteren Vorwurf eines unfairen Studiendesign siehe unten unter 2.1.9):

Nach § 35 Abs. 1b S. 4 SGB V sollen Studien nach den methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin und nach internationalen Standards entsprechender Methodik die Grundlage der Entscheidung über eine therapeutische Verbesserung sein. Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen, dass Yevtushenko und Mitarbeiter in ihrer Publikation dargelegt hätten, dass die Studie den internationalen Richtlinien zur Durchführung von Vergleichsstudien in der Indikation Depression entspreche. Das Studienprotokoll sei von den Ethikkommissionen jedes Prüfzentrums genehmigt worden. Darüber hinaus entspreche es den Richtlinien von Good Clinical Practice sowie der Deklaration von Helsinki. Die Qualität der von Yevtushenko durchgeführten klinischen Studie sei mittels international anerkannter Methoden geprüft worden. Die Qualität der Studie könne unter Verwendung von zwei akzeptierten Bewertungsmethoden als gut bezeichnet werden (Verweis auf Jadad et al., 1996, Anlage der Antragstellerin AST 45, auf CONSORT-Statement Moher et al., 2004, Anlage AST 46). Die von Yevtushenko publizierte Studie sei in die Cipriani Metaanalyse einbezogen. Die methodische Qualität der Yevtushenko-Arbeit sei dabei zuvor geprüft, als "free of selective reporting" beurteilt und schließlich in die Analyse eingeschlossen worden.

Der Beigeladene hat dem nicht widersprochen. Er sortiert Arbeit nicht wegen der Methodik aus, sondern wegen der positiven Ergebnisse und dem Umstand, dass sie aus Russland stammt.

Dass eine Studie alleine aufgrund ihrer "zu guten" Ergebnisse ausscheiden muss, ist eine Annahme, die sich nicht von selbst versteht. Der Beigeladene hat dies –abgesehen vom kulturellen Kontext bzw. der Herkunft der Versuchspersonen- nicht näher erläutert. Die Annahme von Übersetzungsfehlern/Einordnungsfehlern ist nur als Hypothese aufgestellt und damit nicht hinterfragt. Auf das Argument der Antragstellerin, dass solche Fehler, die zu gute Werte bedingt hätten, keinen Einfluss auf die hier alleine relevante Relation zwischen Citalopram und Escitalopram haben können, weil beide Wirkstoffe zu gut abschnitten, geht er nicht ein. Soweit er nunmehr im gerichtlichen Verfahren vorträgt, statistische Ausreißer müssten sinngemäß immer aussortiert werden, erklärt dies mangels näherer Herleitung, ab wann ein Ausreißer vorliegt, der zwingend auf einen Fehler schließen lasse, nichts. Dies hätte, da die Antragstellerin ihre Einwendungen rechtzeitig vorgebracht hat, vor der Beschlussfassung erfolgen müssen.

Auch die Annahme, eine in Russland vorgenommene Studie zu einem Antidepressivum sei für hiesige Versorgungsverhältnisse (von vornherein) nicht übertragbar, ist fehlerbehaftet. Die Begründung erschöpft sich in Allgemeinplätzen und pauschale Verweisen und ist somit nicht hinterfragt. Die Annahme eines relevanten kulturellen Unterschiedes stellt sich so nur als unbelegte Behauptung dar. Auch hier hätte zudem auf das Argument eingegangen werden, dass es nur auf den direkten Vergleich der beiden Wirkstoffe ankommen könne. Auch die (unausgesprochene) Annahme, die Versuchspersonen könnten relevant anderer Ethnien gewesen sein, ist viel zu allgemein gehalten, um nachvollziehbar zu sein.

Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang - vorsorglich - vorgetragen, zur Frage, ob die Durchführung klinischer Studien in unterschiedlichen Ländern zu einem geographischen Bias führen könne, habe eine Literaturrecherche in der Datenbank MEDLINE bezüglich der Durchführung klinischer Studien in osteuropäischen Ländern gezeigt, dass die Zahl der klinischen Studien, die in den letzten 20 Jahren in Osteuropa durchgeführt worden seien, stark gestiegen seien (Bezugnahme auf Pückler und Rennecke, 2005, Anlage AST 47). Von diesen Autoren werde explizit hervorgehoben, dass die Bevölkerung in Zentral- und Osteuropa ethnisch mit jener in Westeuropa vergleichbar sei. Der Beigeladene ist dem nicht mit Substanz entgegengetreten.

Zusammengefasst stellen sich Thesen zum notwendigen Ausschluss der Studie als nicht tragfähig dar. Der Ausschluss der Studie Yevtushenko ist so nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Studie ungeachtet dessen in jedem Fall bei Nachholung einer nachvollziehbaren Begründung oder aus anderen Gründen auszuscheiden ist bzw. in jedem Fall als kausaler Beitrag eines Beleges therapeutischer Verbesserung von Escitalopram gegenüber Citalopram ausscheidet.

2.1.8 Die These des Beigeladenen zur Unbrauchbarkeit der Metaanalyse Saeterdal et. al. ist ebenfalls nicht nachvollziehbar und deshalb fehlerhaft.

In der "Zusammenfassenden Dokumentation" des Beigeladenen heißt es hierzu (Seite 106):

"Saeterdal et al., The Norwegian Knowledge Centre for the Health Services 2007, ist ein Auszug aus einem Bericht (systematischer Review), der u. a. die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Escitalopram vs. Citalopram untersucht. Insgesamt wurden vier Studien zum Vergleich Escitalopram vs. Citalopram in die Bewertung und in eine Meta-Analyse der Originalstudien eingeschlossen (Burke et al., 2002; Colonna et al., 2005; Lepola et al., 2003; Moore et al., 2005). Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass Escitalopram zu einer statistisch signifikanten Verbesserung bezüglich der MADRS Response-Rate (OR = 0,70; 95 % KI 0,52 bis 0,94; p = 0,02) und Remissions-Rate (Studie von Burke et al., 2002 nicht mit eingeschlossen, OR = 0,70; 95 % KI 0,54 bis 0,91; p = 0,008) führt sowie eine signifikant geringere Gesamtabbruchrate (nur drei Studien eingeschlossen, OR = 0,50; 95 % KI 0,33 bis 0,77; p = 0,002) aufweist. Bezüglich der Abbruchrate durch unterwünschte Ereignisse (OR = 0,67; 95 % KI 0,42 bis 1,09; p = 0,22), sowie unerwünschten Ereignissen insgesamt (OR = 0,86; 95 % KI 0,63 bis 1,15; p = 0,22) werden keine signifikanten Unterschiede beschrieben.

Der Review berücksichtigt nur vier Primärstudien und entspricht damit nicht der aktuell verfügbaren Evidenz. Die Aussagekraft ist dadurch limitiert. Hinweise zur Fragestellung und Auswirkungen auf die Festbetragsgruppenbildung ergeben sich nicht."

Bei der Studie handelt es sich unstreitig um eine Metaanalyse der höchsten Evidenzstufe 1 a. Die beschränkte Aussagekraft kann sich - und soll sich auch - nur aus dem Umstand ergeben, dass sie bereits aus dem Jahr 2007 stammt. Der Schluss, dass die Aussagekraft der Metaanalyse dadurch limitiert sei, ist deshalb richtig. Fehlerhaft ist allerdings die weitere Annahme, dass sich (alleine deshalb) Hinweise zur Fragestellung und zu Auswirkungen auf die Festbetragsgruppenbildung nicht ergäben. Eine begrenzte Aussagekraft ist nicht identisch mit einer gänzlich zu verneinenden.

Eine solche Aussage hat der Beigeladene getroffen: Der von ihm standardmäßig verwendete Satz "Hinweise zur Fragestellung und Auswirkungen auf die Festbetragsgruppenbildung ergeben sich nicht." ist nämlich –zu seinen Gunsten- nicht wörtlich zu verstehen. Es wäre nämlich eine von vornherein fehlerbehaftete Herangehensweise, für jede Einzelanalyse ausschließlich deren alleinige Eignung eines tragfähigen Nachweises einer therapeutischen Verbesserung zu prüfen. Damit wäre das gesamte Bewertungssystem sachlogisch falsch. Es ist deshalb vielmehr davon auszugehen, dass mit dem standardmäßig verwendeten Satz der konkreten Analyse (nur) eine Relevanz im Rahmen der Gesamtbewertung abgesprochen sein soll.

2.1.9 Der Beigeladene beanstandet hinsichtlich einer Reihe von Studien bzw. Metaanalysen, dass die untersuchten Dosierungen von Citalopram nicht adäquat zu denen von Escitalopram gewesen seien. Es hätten jeweils auch die Maximaldosierungen miteinander verglichen werden müssen, also bei Citalopram 60 mg/Tag. Es fehle an einem "dosisäquivalenter Vergleich im Sinne eines fairen Studiendesigns von therapieäquivalenten Wirkstärken"

(vgl. "Zusammenfassende Dokumentation Stand 21.07.2011" im Zusammenhang mit Cipriani et. al. S. 95f, mit Lepola et. al. 2003 S. 102ff, mit Moore et. al. 2005 S.105f, mit der Studie SCT-MD-02 (Forest Laboratories) S. 106f und mit Yevtushenko et. al. a.a.O.)

Nach seiner Auffassung könnten für einen dosisäquivalenten Vergleich bei unbekannter Äquipotenz im Sinne eines fairen Studiendesigns jeweils die zugelassenen Maximaldosen miteinander in prospektiven, randomisierten, doppelblinden Studien verglichen werden, gegebenenfalls mit Downtitrierung, wenn dosisabhängige Nebenwirkungen aufträten (Zusammenfassende Dokumentation S. 157).

Im Zwischenfazit heißt es weiter (S. 123f):

"Bezüglich eines dosisäquivalenten Vergleichs im Sinne eines fairen Studiendesigns seien u. a. folgende vom Stellungnehmer eingereichte Studien/Publikationen zitiert: Gutachten von Prof. Dr. Walter E. Müller (der Stellungnahme beigefügt):

Moore et al. (2005): This inhibition increases with "

Die These, es fehle weithin an einem fairen Studiendesign, es hätten jeweils auch die Höchstdosen verglichen werden müssen, stellt sich so als sachwidrig und damit jedenfalls als nicht nachvollziehbar dar. Das Argument des fehlenden dosis-äquivalenten Vergleichs im Sinne eines fairen Studiendesigns zwischen Escitalopram und Citalopram ist jedenfalls nach bisheriger Begründung durch den Beklagten nicht stichhaltig.

Citalopram soll nach den Fachinformationen lediglich bis zu 40 mg pro Tag eingesetzt werden. Die (stillschweigende) Annahme, es müssten die Ergebnisse bei höchstzugelassenen Dosen verglichen werden, obwohl die Dosis von 60 mg/Tag nicht verschrieben werden soll, ist deshalb nicht ohne weiteres sachgerecht, der Vergleich lediglich der relevanten Dosen nicht "unfair".

Der Beigeladene hat sich mit den Einwänden der Antragstellerin gegen diese Argumentation nicht auseinandergesetzt:

Diese hat vorgebracht, in die Studie seien alle relevanten Dosierungen nach Maßgabe der Anforderungen der Zulassungsbehörden (Escitalopram 10 bis 20 mg und Citalopram 20 bis 40 mg) eingeflossen.

Dies ist jedenfalls bei unbefangener Betrachtung einleuchtend: nur praktisch relevante Gaben eines Arzneimittels können von klinischer Relevanz sein. Auch wenn Citalopram daneben derzeit noch auch in 60 mg-Dosierung als Arzneimittel zugelassen ist (vgl. aber hierzu die ausführlichen Darlegungen der Antragstellerin zum Verbot höherer Dosen als 40mg in den USA und entsprechende Warnungen für die EU), spielt diese Dosierung aber unstreitig im Versorgungsalltag praktisch keine Rolle. Die Behauptung der Antragstellerin, nur ca. 1% der Verordnungen beträfe diese Wirkstärke, ist unbestritten geblieben.

An anderer Stelle –bei der Ermittlung der Vergleichsgröße- fordert die Verfahrensordnung des Beigeladenen selbst die Berücksichtigung der Verordnungshäufigkeit, um der "therapeutischen Relevanz der einzelnen Wirkstärken angemessen Rechnung" zu tragen (Anlage 1 zum 4. Kapitel § 1 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 der Verfahrensordnung, dort Seite 60]).

In sich widersprüchlich und damit unlogisch und beurteilungsfehlerhaft ist es, wenn der Beigeladene einerseits einen fehlenden dosisäquivalenten Vergleich im Sinne eines fairen Studiendesigns zwischen Escitalopram und Citalopram vermisst, weil nicht auch die jeweiligen Höchstdosen verglichen werden. Andererseits hält er jedoch der Studie Yevtushenko et al. vor, auch Mindestdosen verglichen zu haben ("In dieser Studie wurde jedoch mindestens in einem Arm auch unterdosiert"). Entweder der Vergleich beschränkt sich auf die therapierelevanten Dosen, oder alle zugelassenen Dosen sind einzubeziehen.

Der Beklagte setzt sich zuletzt auch nicht mit der wirkungstheoretischen Behauptung der Antragstellerin auseinander, wonach bei Citalopram nur die linksdrehenden Moleküle, also der Escitalopram-Anteil) die Serotonin-Wiederaufnahme hemmten, sich hingegen der negative Effekt der Synapsenblockierung durch die rechtsdrehenden Moleküle bei erhöhter Dosis des Razimats vermehre. Er zitiert vielmehr diese Behauptung unterstützende Äußerungen (vgl. das obige Zitat aus dem "Zwischenfazit"), ohne jedoch daraus Konsequenzen zu ziehen.

Insgesamt ist die Äußerung zu einem unfairen Studiendesign nicht nachvollziehbar. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob eine vom Beigeladene angesonnene Studie mit einer (Anfangs-)Gabe von 60mg Citalopram täglich im Wissen, dass diese Dosis ungeeignet ist, überhaupt mit den ethischen Anforderungen an Versuche mit kranken Menschen vereinbar wäre.

2.1.10 Die dem Beschluss zu Grunde liegende Annahme, es gebe keine relevanten Unterschiede zwischen Escitalopram und Citalopram bei den Nebenwirkungen, ist zuletzt ebenfalls nicht nachvollziehbar.

Zu den Nebenwirkungen führt der Beigeladene aus, anhand der derzeit verfügbaren Fachinformation lasse sich ableiten, dass es weder einen relevanten qualitativen noch einen relevanten quantitativen Unterschied bezüglich der unerwünschten Arzneiwirkungen gebe (Zusammenfassende Dokumentation Seite 110 f.).

Diese Aussage erweist sich als ebenfalls nicht nachvollziehbar. Untersucht man -so wie das BSG im Urteil vom 01. 03. 2011 (B 1 KR 10/10 R, Rdnr. 54) - die Fachinformation im Hinblick auf Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen, ist festzustellen, dass Escitalopram Vorteile gegenüber Citalopram bietet:

Nach § 23 Abs. 1 S. 4 der VerfO des Beigeladenen ist eine Nebenwirkung schwerwiegend, wenn sie tödlich oder lebensbedrohend ist, zur Arbeitsunfähigkeit führt oder eine Behinderung oder eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung zur Folge hat. Nach § 23 Abs. 2 der VerfO ist für die Anerkennung von geringeren Nebenwirkungen als therapeutische Verbesserung erforderlich, dass die Verringerung von Nebenwirkungen quantitativ (Verringerung der Häufigkeit) oder qualitativ (Verringerung des Schweregrades therapierelevanter Nebenwirkungen) ein therapeutisch relevantes Ausmaß aufweist.

Werden die in den Fachinformationen dargestellten Nebenwirkungen der Wirkstoffe in ihrer Häufigkeit gegenübergestellt, zeigt sich, dass für Cipralex® (Escitalopram) nur eine Nebenwirkung -Übelkeit- sehr häufig berichtet wird, wobei "sehr häufig" definiert ist als "10 % oder größer". Dieselbe Nebenwirkung tritt auch bei Cipramil® (Citalopram) auf. Daneben kommt es aber ebenfalls "sehr häufig" zu Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Tremur, Mundtrockenheit, Obstipation, vermehrtem Schwitzen sowie Asthenie.

Jedenfalls einige der genannten sehr häufigen Nebenwirkungen (Übelkeit, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit und Asthenie) können zu Arbeitsunfähigkeit führen.

Insgesamt sind hier nach den Fachinformationen 26 Nebenwirkungen bei der Einnahme von Escitalopram und Citalopram aufgelistet. Davon treten 77 % der Nebenwirkungen (20 von 27 Nebenwirkungen) bei Escitalopram in Häufigkeit und Schweregrad verringert auf. 13 Nebenwirkungen werden in den Fachinformationen nur zu Citalopram beschrieben, jedoch nicht unter Escitalopram: allergische Reaktionen, Atemnot, Abdominalschmerzen, Apathie, extrapyramidale Störungen, Asthenie, Photosensibilisierung, Kopfschmerzen, Husten, Flatulenz, vermehrter Speichelfluss, gestörtes Allgemeinempfinden und Pankreatitis. Zur unterschiedlichen Häufigkeit der Nebenwirkungen wird auf die Abbildung 12 aus dem Antragsschriftsatz (Seite 64) verwiesen, die nachfolgend abgebildet ist.

Aus der Darstellung ist ersichtlich, dass Escitalopram zu besseren Ergebnissen im Hinblick auf die Nebenwirkungen suizidaler Gedanken/Verhalten, Halluzinationen, Depersonalisation, Hepatitis, anaphylaktischen Reaktionen, Ausschlägen, gastrointestinalen Blutungen, Sehstörungen, Schlaflosigkeit, Bradykardie, Tachykardie, Thrombozytopenie und abnormale Lebertests führt.

Der in keiner Weise ausgeführte oder auch nur anhand der einschlägigen Vorschrift der eigenen Verfahrensordnung erklärte Schluss, weder qualitative noch relevante quantitative Unterschiede festzustellen, ist deshalb nicht nachvollziehbar.

Alleine der Vorteil, dass bei Escitalopram nur eine der Nebenwirkungen sehr häufig auftritt, stellt sich bei unbefangener Betrachtung als auch im Versorgungsalltag bedeutsam dar. Bereits dies lässt die Annahme einer Irrelevanz nicht nachvollziehbar erscheinen. Soweit der Beigeladene vor Gericht vorträgt, ein qualitativer Unterschied bestehe nur, wenn eine therapierelevante Nebenwirkung völlig entfalle (vgl. Schriftsatz Seite 61), ist dies nicht verständlich. Daneben ist auch Verringerung der Häufigkeit von Nebenwirkungen um ein oder zwei Zehnerpotenzen ein Unterschied. Wie gewichtig diese zu bewerten sind, ist Aufgabe des Beigeladenen. Es ist jedoch fehlerhaft, die geringeren Nebenwirkungen als nicht gegeben darzustellen.

Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren verweisen Antragsgegner und Beigeladener nunmehr auf den Wortlaut des § 35 Abs. 1b S. 4 SGB V hin, wonach der Nachweis der therapeutischen Verbesserung aufgrund der Fachinformationen "und" durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzorientierten Medizin erfolgen müsse. Die Fachinformationen alleine belegten den therapeutischen Vorteil nicht.

Das BSG hat bislang alleine auf die Zulassungslage abgestellt (U. v 31.05.2006 –B 6 KA 13/05 R-, a.a.O. S. 281f Rdnr. 71; allerdings ist der Absatz 1b des § 35 SGB V erst durch das AVWG vom 26. April 2006 eingeführt worden):

"Im Rahmen der Bewertung von Arzneimitteln an Hand der in der GKV geltenden Maßstäbe ist allerdings - im Unterschied zur Methodenanerkennung - die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Wirkstoffs zu beachten, bei der gemäß § 21 Abs. 2 AMG Qualität, Wirksamkeit und medizinische Unbedenklichkeit des Wirkstoffs für die vorgesehenen Indikationen geprüft und abschließend bewertet werden ( näher BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr. 8 S 29 ). Diese Kriterien darf der GBA unter dem Aspekt des "medizinischen Nutzens" eines Arzneimittels oder Wirkstoffs nicht abweichend von der Beurteilung der für die Zulassung nach dem AMG zuständigen Behörde bewerten (zur Drittbindungswirkung konstitutiv-feststellender Verwaltungsentscheidungen s zuletzt BSGE 95, 94 RdNr 6 = SozR 4-2500 § 95c Nr. 1 RdNr 11, mwN). Dem Kriterium der "medizinischen Notwendigkeit" kommt bei der Bewertung von zugelassenen Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln regelmäßig ebenfalls keine eigenständige Bedeutung zu. Die Prüfung einer neuen Behandlungsmethode an Hand dieses Kriteriums zielt auf die Relevanz der zu behandelnden Gesundheitsstörungen (Ausschluss bei reinen Befindlichkeitsstörungen) und die Wahrscheinlichkeit eines Abklingens der Symptome ohne Intervention. Diese Gesichtspunkte sind jedenfalls bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, die nach dem AMG zur Behandlung gravierender Gesundheitsstörungen zugelassen sind, regelmäßig ohne Belang."

Jedoch hat sich der Beigeladene bei seiner Beschlussfassung selbst nicht auf eine fehlende Studienlage bezogen, welche nicht im Einklang mit den Angaben der Fachinformationen stehe. Er zieht vielmehr die Fachinformationen (vgl. Zusammenfassende Dokumentation S. 121) heran und hat zusätzlich nur ausgeführt, bezüglich der Verträglichkeit und der Therapieabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen könnten mit Ausnahme der insgesamt kritisch zu bewertenden Studie von Yevtushenko et al. (2007; s. o.) keine signifikanten Unterschiede zwischen Citalopram und Escitalopram belegt werden. Dieses Ergebnis werde auch durch die vorgelegten Meta-Analysen gestützt (S. 121f).

Der Beurteilungsfehler bliebe also selbst dann bestehen, wenn die Antragstellerin als Arzneimittelherstellerin die Nebenwirkungen von Cipramil® der Zulassungsbehörde gegenüber zu drastisch angegeben hätte.

2.2 Auch die Annahme des Beigeladenen, der Wirkstoff Escitalopram dürfe zusammen mit dem Wirkstoff Citalopram in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst werden, weil Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt würden (§ 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 SGB V), ist aufgrund fehlerhafter Beurteilungsgrundlage ergangen.

Die Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit hat zwei verschiedene Aspekte, nämlich einen pharmakologischen sowie einen therapeutischen. Vergleichbarkeit bedeutet nicht Austauschbarkeit oder Identität. Bei einer Festgruppenbildung nach Nr. 2 geht es darum, einen übergreifenden gemeinsamen Bezugspunkt mehrerer Wirkstoffe herzustellen. Der Beigeladene hat die pharmakologisch-therapeutische, insbesondere chemische Vergleichbarkeit von Art und Aufbau der einzelnen Wirkstoffe, ihrer Wirkmechanismen und ihrer Anwendungsgebiete anzustellen (so weitgehend wörtlich BSG, Urt. v. 01.03.2011 B 1 KR 10/10 R Rdnr. 48).

Der Senat stimmt mit dem Beigeladenen darüber überein, dass eine Festbetragsgruppenbildung nach Nr. 2 des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgrund des Umstandes, dass die Wirkstoffe in ihren Anwendungsgebieten nicht deckungsgleich seien, nur ausscheidet, wenn Therapiemöglichkeiten eingeschränkt werden und notwendige Verordnungsalternativen nicht mehr zur Verfügung stehen, S. 3 1. Hs. der Vorschrift.

Dieser hat sich allerdings rechtswidrig darauf beschränkt, die Zulassungen auf ganz abstrakte Überschneidungen für einzelne Krankheiten im Anwendungsbereich hin zu untersuchen. Ferner hat er untersucht, ob § 21 Abs. 2 S. 2ff seiner VerfO einen Ausschluss von Escitalopram fordert. Dieser lautet (in der oben dargestellten maßgeblichen Fassung):

"Ergänzend wird auch innerhalb einer Festbetragsgruppe geprüft, ob Verordnungsalternativen eingeschränkt werden. So können Fertigarzneimittel, die ein singuläres Anwendungsgebiet besitzen, von der Gruppenbildung freigestellt werden. Fertigarzneimittel besitzen ein singuläres Anwendungsgebiet, wenn es innerhalb einer Festbetragsgruppe kein weiteres Fertigarzneimittel gibt, das über dieses singuläre Anwendungsgebiet hinaus ein Anwendungsgebiet mit einem anderen Fertigarzneimittel der Gruppe teilt und dieses insoweit eine Verbindung zum gemeinsamen Anwendungsgebiet herstellt."

Nach der Auffassung des Beigeladenen wären § 21 Abs. 2 S. 2 VerfO und damit § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 SGB V nur einschlägig, wenn die Antragstellerin für ihr Arzneimittel Cipralex® nur eine Zulassung zur Behandlung einer oder mehrerer derjenigen Krankheiten beantragt und erhalten hätte, für welche die Arzneimittel mit dem Wirkstoff Citalopram nicht zugelassen sind.

Nach der gesetzlichen Systematik geht das Gesetz allerdings davon aus, dass eine Festbetragsgruppenbildung zu unterbleiben hat, wenn dadurch eine notwendige Therapie eingeschränkt wird. Notwendig ist dafür, dass ein Arzneimittel zur Behandlung von Versicherten durch ein anderes Arzneimittel nicht gleichwertig ersetzt werden kann, weil es für die ärztliche Therapie bestimmter Erkrankungen generell oder auch nur in bestimmten, nicht seltenen Konstellationen unverzichtbar ist (vgl. insoweit ausdrücklich im Zusammenhang mit § 35 Abs. 1 S. 3 SGB V und dem Begriff der "medizinisch notwendigen Verordnungsalternative" BSG, Urt. v. 24.11.2004 B 3 KR 23/04 R , juris Rdnr. 29; so weitgehend wörtlich, LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.02.2010 L 9 KR 104/08 juris Rdnr. 95). Grundlage und Ausgangspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsgruppenbildung ist grundsätzlich der Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG. Der Inhalt ergibt sich zusammengefasst insbesondere aus der Fachinformation gemäß § 11a AMG. Eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Unterlagen ist für die Prüfung des Vorliegens vergleichbarer Wirkstoffe nach Maßgabe des § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 und S. 3 Hs. 1 SGB V grundsätzlich nicht vorgesehen. Hiervon abweichend ist dagegen nicht allein die arzneimittelrechtliche Zulassung, sondern eine neuere Studienlage maßgeblich, wenn eine solche für die Gruppenbildung bedeutsame Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse durch den Beigeladenen rechtfertigt, weil sie Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen lässt und nicht lediglich insgesamt das Therapiegebiet der Gesamtgruppe einschränkt. Dies folgt aus Regelungssystem, Normsystematik und Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 35 SGB V (so weitgehend wörtlich und näher ausführend BSG, U. v. 01.03.2011 B 1 KR 10/10 R , Rdnr. 39ff). Eine eigene Sachprüfungsbefugnis der Sozialgerichtsbarkeit kommt hinsichtlich der erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht in Betracht. Es muss darauf abgestellt werden, ob ein Arzneimittel zur Behandlung von Versicherten durch einen anderen pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoff nicht gleichwertig ersetzt werden kann, es also für die ärztliche Therapie bestimmter Erkrankungen generell oder auch nur in bestimmten, nicht seltenen Konstellationen unverzichtbar ist (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 24. 11. 2004, BSGE 94, 1 ff.).

Die Prüfung des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 SGB V erfolgt also zulassungsbezogen. Das Argument, es fehlten direkte Vergleichsstudien zwischen Escitalopram und Citalopram bei Patienten mit sozialer Phobie, generalisierter Angststörung und Zwangsstörungen (Zusammenfassende Dokumentation des Beigeladenen Seite 118), ist bereits deshalb untauglich.

Begründet der Beigeladene die Einbeziehbarkeit eines Wirkstoffes in eine neue Festbetragsgruppe -wie hier- mit dem Hinweis, dass zur Behandlung der Erkrankungen, für welche nur einer der Wirkstoffe (hier: Escitalopram) im Gegensatz zu (allen) anderen Wirkstoffen (hier: -nur- Citalopram) der zu bildenden Festbetragsgruppe regulär die Zulassung besitzt, auf Therapiealternativen zur Behandlung dieser anderen Erkrankungen auf weitere Wirkstoffe außerhalb der neuzubildenden Festbetragsgruppe, die ihrerseits möglicherweise zu anderen Festbetragsgruppen gehören, so muss gewährleistet sein, dass diese Alternativen nicht nur theoretisch bestehen, sondern alle praktisch relevanten Patientengruppen ausreichend versorgen. Nur dann ist klargestellt, dass der Festbetrag "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet (§ 35 Abs. 5 Satz 1 SGB V, so BSG, Urt. v. 01.03.2011 –B 1 KR 10/10 R- Rdnr. 27).

Der Beigeladene muss im Festbetragsgruppenbildungsverfahren also alle die möglichen Krankheiten, Krankheitskombinationen für alle in Frage kommenden Patientengruppen klären, die nicht als atypische Einzelfall anzusehen sind.

Was ein atypischer Einzelfall ist, ist ebenfalls bereits vom BSG geklärt: Es handelt sich um sehr seltene Fälle, in denen die Erkrankten sich in einer notstandsähnlichen Situation befinden:

Der einzelne Versicherte, der meint, eine Versorgung unter Beschränkung auf den Festbetrag sei in seinem Falle ungenügend, kann sich nämlich seiner Krankenkasse gegenüber nur auf einen Einzelfall berufen, in welchem er trotz genereller Beachtung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben für Festbeträge keine hinreichende Arzneimittelversorgung zum Festbetrag erhält, und - gerichtlich überprüfbar – eine Vollversorgung individuell und systemgerecht gegenüber seiner Krankenkasse einfordern kann (so weitgehend wörtlich BSG, Urt. a. a. O. Rdnr. 28 mit Bezugnahme auf BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 4, RdNr 14 ff - Tomudex; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, RdNr 28 mwN - Ilomedin). Abweichende, aus der Individualsituation des Versicherten erwachsende Ausnahmen hat das BSG rechtsähnlich etwa im Bereich des arzneimittelrechtlichen Zulassungserfordernisses für Einzelimporte nach § 73 Abs. 3 AMG anerkannt, nämlich in notstandsähnlichen Situationen. In solchen könne ein Versicherter in verfassungsrechtlicher Konkretisierung der Leistungsansprüche bei lebensbedrohenden, tödlich verlaufenden Erkrankungen oder diesen wertungsmäßig gleichstehenden Erkrankungen ohne über den Festbetrag hinausgehende Eigenzuzahlungen fordern (Urt. v. 04.04.2006 B 1 KR 7/05 RBSGE 96, 170,173 Rdnr. 18ff).

Der Beigeladene hat hier nicht für alle denkbaren Krankheiten, Krankheitskombinationen und Patientengruppen außerhalb des soeben skizzierten Ausnahmebereiches atypischer Einzelfälle ermittelt, ob Escitalopram durch die von ihm genannten anderen Psychopharmaka zu Festbetragspreisen ersetzt werden kann. Eine solche Prüfung mag umfangreich sein. Dies liegt vorliegend aber maßgeblich daran, dass der Beigeladene eine Festbetragsgruppe der Stufe II isoliert für die beiden Wirkstoffe Citalopram und Escitalopram gebildet hat ohne die anderen SSRI-Wirkstoffe einzubeziehen, für die es bereits eigene Festbetragsgruppen der Stufe I gibt.

Ob sich aus den Fachinformationen bei Nierenfunktionsstörungen und bei gleichzeitiger Gabe von Orap® (Wirkstoff Pimozid) aufgrund der Gefahr von Herzrhythmusstörungen ergibt, dass Escitalopram nicht durch Citalopram ersetzt werden kann, kann daneben für das vorläufige Rechtsschutzverfahren dahingestellt bleiben. Auch wenn der Senat zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen kann, dass tatsächlich für alle Patientengruppen im oben genannten Sinne eine reale Therapiealternative vorhanden ist und das Plenum des Beigeladenen die entsprechend unbelegte Behauptung seiner Entscheidung zu Grunde legen durfte, dieser Beurteilungsfehler also heilbar ist, führt dies nicht dazu, dass dieser Gesichtspunkt für die jetzt zu treffende Entscheidung über eine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung des Antragsgegners unberücksichtigt zu bleiben hat, da dies nicht hinreichend sicher ist. Abgesehen davon, dass sich die Anforderungen nach dem Gesetz auf die Begründung des Beschlusses beziehen, gilt nämlich ganz allgemein, dass es für die maßgebliche Inzidentkontrolle des zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes im Rahmen der gerichtlichen Interessenabwägung nicht streng auf die Erfolgschancen im Hauptsacheverfahren ankommt, solange zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt jedenfalls von Rechtswidrigkeit auszugehen ist und die Prognose eines künftig anderen Ergebnisses der Rechtmäßigkeitskontrolle nicht sicher erscheint.

2.3 Ob darüber hinaus auch die Vergleichgrößenfestsetzung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 5 SGB V des Beigeladenen rechtsfehlerhaft erfolgt ist, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Der Senat hält jedoch seine Auffassung aufrecht, die gewählte Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke als kritisch anzusehen, insbesondere wenn die Anwendungsgebiete der Wirkstoffe bei einer Festbetragsgruppe II unterschiedlich sind (vgl. Beschlüsse v. 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER- juris Rdnr. 67ff und v. 17.12.2007 -L 1 B 435/07 KR ER- juris Rdnr. 86ff, insbesondere 96ff)

Das BSG hat sich mit den Bedenken in den Urteilen vom 1.03.2011 (vgl. B 1 KR 10/10 R Rdnr. 84f) nicht mit Substanz auseinandergesetzt. Aus seiner Aussage, einfache Annahmen wie "Wirkstoff A wirkt doppelt so gut wie Wirkstoff B" schieden aus, folgt keinesfalls, dass das zusammenhanglose Nebeneinanderstellen einer Vergleichsgröße für jeden einzelnen Wirkstoff, jeweils gebildet aus den verordnungsgewichteten Einzelwirkstärken, eine "geeignete Vergleichsgröße" nach § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V darstellt. Ein Bezug zwischen unterschiedlichen Wirkstoffen wird nämlich nur in den Fällen gebildet, bei denen die Verabreichung der verschiedenen Wirkstoffe mit unterschiedlichen Applikationsfrequenzen verbunden ist. Das In-Verhältnis-Setzen erfolgt hier über die Regeln zum sogenannten Applikationsfaktor. Auch das BSG stellt für die Frage unterschiedlicher Anwendungsgebiete auf diesen ab, obgleich dieser der Grundannahme, die Relevanz ergebe sich aus dem Verordnungsverhalten, widerspricht (vgl. hierzu B. d. Senats 20.12.2006 Rdnr. 67f). Bei gleicher Applikation -wie beispielsweise hier bei der Einnahme eines Antidepressivums mit regelmäßig einer Tablette pro Tag- stehen die Vergleichsgrößen unverglichen nebeneinander, obgleich sich das verordnungsgewichtete Einzelwirken auf alle Verordnungen bezieht, und nicht nur auf diejenigen für das gemeinsame Anwendungsgebiet.

2.4 Zwingende Folge der Rechtswidrigkeit des Beschlusses ist die Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung durch den Antragsgegner. Diese beruht unmittelbar auf dem unwirksamen Beschluss.

Nach dem Gesetz kann der Beschluss des Beigeladenen selbst nämlich von Betroffenen nicht direkt einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte zugeführt werden, § 35 Abs. 7 S. 4 SGB V. Er ist auf die Inzidentüberprüfung im Rahmen der Kontrolle der konkreten Festbetragsfestsetzung des Antragsgegners angewiesen. Auch hier hat die Antragstellerin keine Möglichkeit, eine erneute Befassung des Beigeladenen mit seiner getroffenen Festgruppenbildung zu erwirken, auch nicht mit Hilfe des Gerichts.

Ähnlich wie in anderen Fällen, in denen ein Bescheid auf der Grundlage einer Rechtsnorm im Range unterhalb eines förmlichen Gesetzes beruht, die sich (derzeit) als rechtswidrig und damit unanwendbar darstellt, leidet die angegriffene Allgemeinverfügung selbst an einem Rechtsmangel.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beigeladene bei erneuter Befassung zwingend zum (exakt) selben Ergebnis gelangen muss: Unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes aus § 12 SGB V in umfassender Form wird er abzuwägen haben, ob den mutmaßlich höheren Arzneimittelkosten, die bei einer Herausnahme des Wirkstoffes Escitalopram entstehen, Einsparungen bei der ärztlichen Behandlung und bei der Krankenhausbehandlung gegenüberstehen. Das Ziel der Einsparung von Arzneimittelkosten ist aus Sicht des Senats kein Selbstzweck an sich, sondern Teil des übergeordneten Zieles, die Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung möglichst niedrig zu halten. Dass im Beschlussgremium des Beigeladenen zwar Vertreter der Ärzteschaft und der Krankenhäuser vertreten sind, jedoch keine sonstigen Leistungserbringer (vgl. § 91 Abs. 2 SGB V), beispielsweise die Arzneimittelhersteller bzw. vertreiber, ändert an diesem Gesamtziel nichts.

Auch innerhalb der Vorgabe, Arzneimittelkosten einzusparen, stellt sich die Bildung einer Festbetragsgruppe nicht als einzige Möglichkeit dar. Eine Beschränkung der Verordnungsfähigkeit beispielsweise auf die relevanten Patientengruppen wäre alternativ auch durch einen Therapiehinweis denkbar.

2.5 Der auf fehlerhafter Grundlage ergangene Beschluss des Beigeladenen und die darauf fußende Allgemeinverfügung des Antragsgegners verletzen die Antragstellerin in ihrem Teilhaberecht aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 12 GG. In der Hauptsache ist von Beschwer im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG auszugehen. Selbst nach der aus Antragstellersicht strengsten Auffassung des ersten Senats des BSG liegt hier eine willkürliche medizinisch-pharmakologischer Bewertung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 35 Abs. 1 S. 3 SGB V vor. Zu Unrecht sieht die angegriffene Allgemeinverfügung auf der Grundlage des unwirksamen Beschlusses des Beigeladenen das Arzneimittel Cipralex® als mit anderen Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Citalopram gleichwertig an unter Verkennung besonderer therapeutischer Qualität. Es kann auch ausgeschlossen werden, dass nur das getroffene Bewertungsergebnis möglich ist.

Diese sachwidrige Gleichbehandlung trotz relevantem Unterschied ist hier auch nicht nur abstrakter Natur. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass der Umsatz des Arzneimittels seit Juli 2011 eingebrochen ist. Es muss eine Umverteilung zu Gunsten der Vertreiber von Citalopram oder anderer SSRI stattgefunden haben.

2.6. Eine Interessenabwägung losgelöst von der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Allgemeinverfügung gelangte zum selben Ergebnis:

Auch danach überwöge das Interesse an einer vorläufigen Suspendierung der Festbetragsfestsetzung das Interesse an seiner Vollziehbarkeit. Für eine aufschiebende Wirkung streitet hier nicht nur das Interesse der Antragstellerin an einer möglichst wirtschaftlichen Verwertung ihres noch patentgeschützten Arzneimittels. Da jedenfalls vieles für die Annahme spricht, dass Escitalopram eine therapeutische Verbesserung im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 SGB V darstellen könnte und darüber hinaus eine Einbeziehung dieses Wirkstoffes zusammen mit dem Wirkstoff Citalopram die Therapiemöglichkeiten nach Maßgabe des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 SGB V einschränken könnte, ist mit Gewicht auch das Interesse der an Depression und/oder der psychischen Krankheiten, für die Escitalopram zugelassen ist, leidenden Versicherten an einer möglicht optimalen Behandlung in die Folgenabwägung einzustellen. Den befürchteten Mehrausgaben der Krankenkassen durch Übernahme des vollen von der Antragstellerin geforderten Betrages steht insoweit die Gegenleistung einer möglicherweise verbesserten Therapie gegenüber. Umgekehrt spart zwar die Festbetragsfestsetzung den Krankenkassen Geld, führt aber mit nicht unerheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Schlechterversorgung psychisch Kranker unter Missachtung des Gebots aus § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 und 4 entspr. GKG. Die Antragstellerin geht von einem Verlust von 17,64 Millionen Euro jährlich aufgrund der angefochtenen Festbetragssetzung aus. Eine niedrigere Festsetzung als im Hauptsacheverfahren scheidet aus: Der Streitwert dort wäre ohne die Deckelung des § 52 Abs. 4 GKG auf 17,64 Millionen Euro festzusetzen. Die Hälfte hiervon wären also 8,82 Millionen Euro. Eine entsprechende Anwendung der Deckelungsvorschrift erscheint jedoch auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geboten: Es erschiene sinnwidrig, wenn die Begrenzung hier nicht ebenfalls griffe, obgleich § 53 Abs. 2 GKG auf § 52 Abs. 4 GKG gerade nicht verweist.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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