Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 16 AS 21513/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2308/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. August 2012 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, im Wege eines Darlehens Energiekostenrückstände der Antragsteller in Höhe von zu übernehmen und den Betrag auf das Konto der E GmbH, zu überweisen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Über die Beschwerde und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat der Vorsitzende und Berichterstatter wegen der Dringlichkeit der Sache (drohende Stromsperrung am 17. September 2012) zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden. Die Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen (Zuschussgewährung) ist sie nicht begründet und war zurückzuweisen. Den Anordnungsgrund für die gerichtliche Anordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz SGG sieht das Gericht hier aufgrund des glaubhaften Vortrags des Antragstellers als gegeben an, dass er für die Bewohnbarkeit seiner Wohnung auf Strom angewiesen ist. Die Bedeutung der Stromversorgung für die Bewohnbarkeit einer Wohnung ist zudem gerichtsbekannt. Auch ein Anordnungsanspruch im tenorierten Umfang ist gegeben. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt § 22 Abs. 8 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Betracht. Nach Satz 1 der Vorschrift können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldenübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen übernommen werden.
Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass die in § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Kläger bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, auch für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Eine Schuldenübernahme ist zwar nicht zur Sicherung der Unterkunft, aber zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt. Die Stromsperre ist als eine solche vergleichbare Notlage anzusehen, da die Unmöglichkeit der Nutzung von Haushaltsenergie sich unmittelbar auf die Wohnsituation auswirkt (vgl etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Mai 2009 - L 7 AS 546/09 B ER -, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Dezember 2008 - L 7 B 384/08 AS – juris). Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, eine Wohnung könne auch ohne Strom etwa bei Beleuchtung mit Kerzen und Nutzung eines Campingkochers bewohnt werden. Im Grundsicherungsrecht ist darauf abzustellen, was zu den soziokulturellen Grundbedürfnissen gehört. Es reicht nicht aus, lediglich den Erhalt des Überlebens unter widrigen Bedingungen zu gewährleisten. In diesem Sinne zählt zu dem sicherzustellenden Bedürfnis auf Leben und Wohnen auch eine funktionierende Stromversorgung (so zutreffend Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage, § 23 Rdnr. 193 mwN). Vorliegend ist die Schuldenübernahme auch zur Behebung der Notlage gerechtfertigt. Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist Tatbestandsvoraussetzung für eine – auch darlehensweise - Verpflichtung des Grundsicherungsträgers. Zu prüfen ist zum einen die objektive Eignung der Schuldenübernahme zur Behebung der Notlage und zum anderen, ob der Betroffene ihm grundsätzlich zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hat. Die objektive Eignung der Schuldenübernahme zur Behebung der Notlage wird im konkreten Fall schon dadurch indiziert, dass das Energieversorgungsunternehmen nach der Zahlung der im Tenor bezifferten Summe von der Sperre absehen wird. Das Gericht sieht es für dieses Verfahren auch als glaubhaft gemacht an, dass die Antragsteller keine andere Möglichkeit hatten, die Wiederaufnahme der Stromversorgung ohne Inanspruchnahme einer darlehensweisen Schuldenübernahme zu erreichen. Sie selbst verfügen über kein Vermögen, auf das sie zurückgreifen könnten. Die Antragsteller haben zudem glaubhaft vorgetragen, sich um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Versorgungsunternehmen bemüht zu haben, was zukünftig bei angemessenen Abschlagszahlungen den erneuten Auflauf derart hoher Stromschulden verhindern dürfte. Auch im Hinblick auf unterlassene Bemühungen, die Aufhebung der Stromsperre notfalls durch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen bei dem zuständigen Zivilgericht zu erreichen (siehe dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2011 - L 5 AS 10907/11 B ER - juris), gilt, dass ohne entsprechende Beratung und Hilfestellung ein Leistungsberechtigter die Möglichkeiten und Risiken eines solchen Rechtsschutzantrags in der Regel nicht abschätzen kann, so dass ihm ein solches Verfahren nicht ohne Weiteres zumutbar ist. Zu berücksichtigen ist zudem, dass im Haushalt ein minderjähriges Kind lebt.
Eine Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist hier zudem nicht wegen einer dem Antragstellern vorzuwerfenden missbräuchlichen Herbeiführung ihrer Notlage ausgeschlossen. Es kann hier dahinstehen, ob ein missbräuchliches Verhalten bereits die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ausschließen kann oder ob es erst auf der Rechtsfolgenseite bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist, wenn die Notlage auf einem missbräuchlichen Verhalten des Leistungsberechtigten beruht. Jedenfalls sieht es auch das Gericht als gewichtiges, gegen eine Verpflichtung des Trägers der Grundsicherungsleistungen zur darlehensweisen Schuldenübernahme sprechendes Argument an, wenn der Leistungsberechtigte seine Lage zurechenbar missbräuchlich herbeigeführt hat. Eine solche Missbräuchlichkeit wird in der Regel anzunehmen sein, wenn der Leistungsberechtigte seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet bzw. Rechnungsbeträge nicht ausgleicht, weil er Schulden in dem Vertrauen darauf auflaufen lässt, der Träger der Grundsicherungsleistungen werde diese schon darlehensweise übernehmen (vgl dazu LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2011 - L 5 AS 328/11 B ER – juris). Ein solcher Fall liegt aber nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht vor. Denn die monatlichen Abschlagszahlungen haben die Antragsteller geleistet, wenngleich diese unverhältnismäßig gering waren. Sie haben auch versichert, dass eine Erhöhung der Abschlagszahlungen nicht möglich gewesen sei. Unabhängig davon hält das Gericht eine Übernahme der Schulden nur dann für gerechtfertigt, wenn für die Zukunft sichergestellt werden kann, dass der Antragsteller seine Verpflichtungen gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen bedient. Dennoch ist es nicht erforderlich, die Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweisen Schuldenübernahme von einer Einverständniserklärung der Antragsteller mit entsprechenden Direktzahlungen an das (künftige) Energieversorgungsunternehmen aus der Regelleistung abhängig zu machen. Denn die mit Wirkung vom 1. April 2011 in Kraft getretene Neufassung des § 22 Abs. 7 Satz 2 in Verbindung mit Satz 3 Nr. 2 SGB II sieht eine solche Möglichkeit beim Vorliegen von Energiekostenrückständen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, nun auch unabhängig von einer Einverständniserklärung und einer Abtretungserklärung des Leistungsberechtigten vor. Hiervon kann der Antragsgegner nun im konkreten Fall im Hinblick auf die nur im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes abgewendete Unterbrechung der Energieversorgung noch Gebrauch machen. Einer Verpflichtung des Antragstellers steht auch nicht entgegen, dass die Übernahme der Schulden nach § 22 Abs. 8 SGB II als Ermessensvorschrift ausgestaltet ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 8 Satz 1 vor, so "können" Schulden übernommen werden. In einem solchen Fall hat der Betroffene in der Regel lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 39 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil (SGB I), nicht jedoch auf eine bestimmte Leistung. Die gerichtliche Kontrolle ist dann auf die Frage beschränkt, ob die Behörde überhaupt Ermessen ausgeübt und dabei den gesetzlich eingeräumten Rahmen weder unter- noch überschritten hat. Das Gericht sieht aber im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine nur eingeschränkte, "intendierte" Ermessensausübung im Sinne des § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II für gegeben an, da ansonsten faktisch ein Zustand droht, der der Unbewohnbarkeit der Wohnung nahekommt. Dabei ist die besondere Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt der betroffenen Leistungsberechtigten zu würdigen. Eine auch tatsächlich im üblichen Rahmen nutzbare Wohnung ist zum einen "privates Rückzugsgebiet" für die Betroffenen und zum anderen in der Regel auch notwendiger Lebensmittelpunkt, um etwa durch das sozialübliche gelegentliche Einladen von Verwandten oder Bekannten soziale Beziehungen aufrecht zu erhalten. Insofern gehört auch die das Bewohnen einer Wohnung im üblichen Rahmen gewährleistende Energieversorgung zum menschwürdigen Existenzminimum, auf dessen Gewährleistung sich ein Anspruch gegen den Staat unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ableiten lässt (vgl Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 ua - juris). Dies ist bei der Auslegung des den Leistungsanspruch konkretisierenden SGB II sowohl von den Leistungsträgern als auch von den Gerichten zu beachten. Im Ergebnis ist somit hier eine zumindest entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II geboten, wonach ein "intendiertes Ermessen" zur Verpflichtung zur Leistungsgewährung führt, soweit nicht ein atypischer Fall gegeben ist. Im konkreten Fall geht der Senat von einer sich im Rahmen des § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II ergebenden Ermessensreduzierung dahingehend aus, dass nur die darlehensweise Übernahme der Energieschulden im tenorierten Umfang rechtmäßig ist. Soweit die Antragsteller die Übernahme der Stromkosten als Zuschuss geltend gemacht haben, unterliegt ihr Rechtsschutzantrag indes der Abweisung.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Eine Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren kommt nicht in Betracht, weil im Hinblick auf den ausgesprochenen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner die Antragsteller insoweit nicht bedürftig sind (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung). Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Über die Beschwerde und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat der Vorsitzende und Berichterstatter wegen der Dringlichkeit der Sache (drohende Stromsperrung am 17. September 2012) zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden. Die Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen (Zuschussgewährung) ist sie nicht begründet und war zurückzuweisen. Den Anordnungsgrund für die gerichtliche Anordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz SGG sieht das Gericht hier aufgrund des glaubhaften Vortrags des Antragstellers als gegeben an, dass er für die Bewohnbarkeit seiner Wohnung auf Strom angewiesen ist. Die Bedeutung der Stromversorgung für die Bewohnbarkeit einer Wohnung ist zudem gerichtsbekannt. Auch ein Anordnungsanspruch im tenorierten Umfang ist gegeben. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt § 22 Abs. 8 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Betracht. Nach Satz 1 der Vorschrift können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldenübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen übernommen werden.
Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass die in § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Kläger bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, auch für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Eine Schuldenübernahme ist zwar nicht zur Sicherung der Unterkunft, aber zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt. Die Stromsperre ist als eine solche vergleichbare Notlage anzusehen, da die Unmöglichkeit der Nutzung von Haushaltsenergie sich unmittelbar auf die Wohnsituation auswirkt (vgl etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Mai 2009 - L 7 AS 546/09 B ER -, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Dezember 2008 - L 7 B 384/08 AS – juris). Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, eine Wohnung könne auch ohne Strom etwa bei Beleuchtung mit Kerzen und Nutzung eines Campingkochers bewohnt werden. Im Grundsicherungsrecht ist darauf abzustellen, was zu den soziokulturellen Grundbedürfnissen gehört. Es reicht nicht aus, lediglich den Erhalt des Überlebens unter widrigen Bedingungen zu gewährleisten. In diesem Sinne zählt zu dem sicherzustellenden Bedürfnis auf Leben und Wohnen auch eine funktionierende Stromversorgung (so zutreffend Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage, § 23 Rdnr. 193 mwN). Vorliegend ist die Schuldenübernahme auch zur Behebung der Notlage gerechtfertigt. Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist Tatbestandsvoraussetzung für eine – auch darlehensweise - Verpflichtung des Grundsicherungsträgers. Zu prüfen ist zum einen die objektive Eignung der Schuldenübernahme zur Behebung der Notlage und zum anderen, ob der Betroffene ihm grundsätzlich zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hat. Die objektive Eignung der Schuldenübernahme zur Behebung der Notlage wird im konkreten Fall schon dadurch indiziert, dass das Energieversorgungsunternehmen nach der Zahlung der im Tenor bezifferten Summe von der Sperre absehen wird. Das Gericht sieht es für dieses Verfahren auch als glaubhaft gemacht an, dass die Antragsteller keine andere Möglichkeit hatten, die Wiederaufnahme der Stromversorgung ohne Inanspruchnahme einer darlehensweisen Schuldenübernahme zu erreichen. Sie selbst verfügen über kein Vermögen, auf das sie zurückgreifen könnten. Die Antragsteller haben zudem glaubhaft vorgetragen, sich um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Versorgungsunternehmen bemüht zu haben, was zukünftig bei angemessenen Abschlagszahlungen den erneuten Auflauf derart hoher Stromschulden verhindern dürfte. Auch im Hinblick auf unterlassene Bemühungen, die Aufhebung der Stromsperre notfalls durch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen bei dem zuständigen Zivilgericht zu erreichen (siehe dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2011 - L 5 AS 10907/11 B ER - juris), gilt, dass ohne entsprechende Beratung und Hilfestellung ein Leistungsberechtigter die Möglichkeiten und Risiken eines solchen Rechtsschutzantrags in der Regel nicht abschätzen kann, so dass ihm ein solches Verfahren nicht ohne Weiteres zumutbar ist. Zu berücksichtigen ist zudem, dass im Haushalt ein minderjähriges Kind lebt.
Eine Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist hier zudem nicht wegen einer dem Antragstellern vorzuwerfenden missbräuchlichen Herbeiführung ihrer Notlage ausgeschlossen. Es kann hier dahinstehen, ob ein missbräuchliches Verhalten bereits die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ausschließen kann oder ob es erst auf der Rechtsfolgenseite bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist, wenn die Notlage auf einem missbräuchlichen Verhalten des Leistungsberechtigten beruht. Jedenfalls sieht es auch das Gericht als gewichtiges, gegen eine Verpflichtung des Trägers der Grundsicherungsleistungen zur darlehensweisen Schuldenübernahme sprechendes Argument an, wenn der Leistungsberechtigte seine Lage zurechenbar missbräuchlich herbeigeführt hat. Eine solche Missbräuchlichkeit wird in der Regel anzunehmen sein, wenn der Leistungsberechtigte seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet bzw. Rechnungsbeträge nicht ausgleicht, weil er Schulden in dem Vertrauen darauf auflaufen lässt, der Träger der Grundsicherungsleistungen werde diese schon darlehensweise übernehmen (vgl dazu LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2011 - L 5 AS 328/11 B ER – juris). Ein solcher Fall liegt aber nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht vor. Denn die monatlichen Abschlagszahlungen haben die Antragsteller geleistet, wenngleich diese unverhältnismäßig gering waren. Sie haben auch versichert, dass eine Erhöhung der Abschlagszahlungen nicht möglich gewesen sei. Unabhängig davon hält das Gericht eine Übernahme der Schulden nur dann für gerechtfertigt, wenn für die Zukunft sichergestellt werden kann, dass der Antragsteller seine Verpflichtungen gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen bedient. Dennoch ist es nicht erforderlich, die Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweisen Schuldenübernahme von einer Einverständniserklärung der Antragsteller mit entsprechenden Direktzahlungen an das (künftige) Energieversorgungsunternehmen aus der Regelleistung abhängig zu machen. Denn die mit Wirkung vom 1. April 2011 in Kraft getretene Neufassung des § 22 Abs. 7 Satz 2 in Verbindung mit Satz 3 Nr. 2 SGB II sieht eine solche Möglichkeit beim Vorliegen von Energiekostenrückständen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, nun auch unabhängig von einer Einverständniserklärung und einer Abtretungserklärung des Leistungsberechtigten vor. Hiervon kann der Antragsgegner nun im konkreten Fall im Hinblick auf die nur im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes abgewendete Unterbrechung der Energieversorgung noch Gebrauch machen. Einer Verpflichtung des Antragstellers steht auch nicht entgegen, dass die Übernahme der Schulden nach § 22 Abs. 8 SGB II als Ermessensvorschrift ausgestaltet ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 8 Satz 1 vor, so "können" Schulden übernommen werden. In einem solchen Fall hat der Betroffene in der Regel lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 39 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil (SGB I), nicht jedoch auf eine bestimmte Leistung. Die gerichtliche Kontrolle ist dann auf die Frage beschränkt, ob die Behörde überhaupt Ermessen ausgeübt und dabei den gesetzlich eingeräumten Rahmen weder unter- noch überschritten hat. Das Gericht sieht aber im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine nur eingeschränkte, "intendierte" Ermessensausübung im Sinne des § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II für gegeben an, da ansonsten faktisch ein Zustand droht, der der Unbewohnbarkeit der Wohnung nahekommt. Dabei ist die besondere Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt der betroffenen Leistungsberechtigten zu würdigen. Eine auch tatsächlich im üblichen Rahmen nutzbare Wohnung ist zum einen "privates Rückzugsgebiet" für die Betroffenen und zum anderen in der Regel auch notwendiger Lebensmittelpunkt, um etwa durch das sozialübliche gelegentliche Einladen von Verwandten oder Bekannten soziale Beziehungen aufrecht zu erhalten. Insofern gehört auch die das Bewohnen einer Wohnung im üblichen Rahmen gewährleistende Energieversorgung zum menschwürdigen Existenzminimum, auf dessen Gewährleistung sich ein Anspruch gegen den Staat unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ableiten lässt (vgl Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 ua - juris). Dies ist bei der Auslegung des den Leistungsanspruch konkretisierenden SGB II sowohl von den Leistungsträgern als auch von den Gerichten zu beachten. Im Ergebnis ist somit hier eine zumindest entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II geboten, wonach ein "intendiertes Ermessen" zur Verpflichtung zur Leistungsgewährung führt, soweit nicht ein atypischer Fall gegeben ist. Im konkreten Fall geht der Senat von einer sich im Rahmen des § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II ergebenden Ermessensreduzierung dahingehend aus, dass nur die darlehensweise Übernahme der Energieschulden im tenorierten Umfang rechtmäßig ist. Soweit die Antragsteller die Übernahme der Stromkosten als Zuschuss geltend gemacht haben, unterliegt ihr Rechtsschutzantrag indes der Abweisung.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Eine Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren kommt nicht in Betracht, weil im Hinblick auf den ausgesprochenen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner die Antragsteller insoweit nicht bedürftig sind (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung). Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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