Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 U 65/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 17/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 09. Dezember 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verschlimmerungsantrags über die Gewährung von Verletztenrente auf Grund eines Arbeitsunfalls vom 27. Juli 1987.
Der 1963 geborene Kläger erlitt als Student am 27. Juli 1987 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, indem er sich bei dem Bruch einer Glasschale tiefe Schnittverletzungen am rechten Handgelenk mit Durchtrennung mehrerer Beugesehnen sowie des Nervus medianus zuzog. Am Unfalltag erfolgte eine operative Versorgung in der medizinischen Akademie Edurch eine Beugesehnennaht und eine Naht des Nervus medianus (vgl. OP-Berichtes Oberarzt Dr. A). Infolge einer Verwachsung der Nerven mit der Umgebung, die zu einem Sensibilitätsverlust mit Missempfindungen an den Fingern 1 bis 3 und 5 der rechten Hand geführt hatte, wurde im Januar 1989 in der medizinischen Akademie E eine Neurolyse vorgenommen (Oberarzt Dr. A Faszikel größtenteils durchgängig). Die Weiterbehandlung erfolgte durch Dr. H im Krankenhaus C, dokumentierte ärztliche Unterlagen für die Zeit nach 1987 liegen nicht vor.
Die Beklagte veranlasste im Rahmen des - diesem Verfahren vorangegangenen - Verwaltungsverfahrens die Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie Dr. F, der in seinem Gutachten vom 29. Mai 2000 nach körperlicher Untersuchung des Klägers am 24. März 2000 zu der Feststellung gelangte, dass bei dem Kläger aufgrund des Ausfalls des Nervus medianus mit der Folge eines deutlichen Gefühlsdefizites sowie eines Bewegungsdefizites am ersten bis vierten Finger die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 01. Februar 1988 bis zum 31. März 1989 mit 30 v. H., für die Zeit vom 01. April 1989 bis zum 23. März 2000 mit 20 v. H. und ab dem 24. März 2000 bis weiterhin ebenfalls mit 20 v. H. einzuschätzen sei.
Der Facharzt für Neurologie Dr. F stellte in seinem am 14. April 2000 erstatteten neurologischen Zusatzgutachten nach körperlicher Untersuchung des Klägers am 24. März 2000 fest, dass es infolge der Durchtrennung mehrerer Beugesehnen sowie des rechten Nervus medianus zu einem deutlichen, vorwiegend sensiblen Defektsyndrom gekommen sei. Behandlungsbedürftigkeit habe für mindestens zwei Jahre, Arbeitsunfähigkeit für ca. sechs Monate bestanden. Die MdE werde für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zu Beginn mit 20 v. H, nach dem Ende der Behandlungsbedürftigkeit mit ca. 15 v. H. geschätzt.
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Januar 2001 führte Dr. L aus, dass für die MdE-Einschätzung eine Orientierung am vollständigen Verlust eines Daumens (MdE von 20 v. H.) oder am vollständigen Verlust eines Zeigefingers (MdE von 10 v. H.) geboten sei. Eine Gesamt-MdE von 20 v. H. sei somit nicht begründbar.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 13. September 2001 das Ereignis vom 27. Juli 1987 als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolgen fest: Periphere sensible Teilschädigung des rechten Mittelnervs mit Minder- und Missempfindungen im Bereich der Finger 1 bis 3 rechts, diskrete endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes nach hohlhandwärts und nach speichenwärts, endgradige Beugeeinschränkung der Langfinger 2 bis 4 rechts, diskrete Umfangsvermehrung des rechten Handgelenkes sowie reizlose Narbe an der Beugeseite des rechten Handgelenkes.
Diese Unfallfolgen würden jedoch keine MdE in rentenberechtigendem Grade bedingen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 als unbegründet zurück. Sie bezog sich auf ein im Widerspruchsverfahren eingeholtes Gutachten des Facharztes für Chirurgie Prof. Dr. E vom 20. August 2002, der die Gesamt-MdE mit 15 v. H. eingeschätzt hatte, sowie auf ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten von Priv.-Doz. Dr. H vom 24. Oktober 2002, der bei traumatisch bedingter, vorwiegend sensibler Teilschädigung des Nervus medianus rechts nach Durchtrennung im Rahmen einer Handgelenksverletzung von einer MdE von 15 v. H. ausging. Da sich die Unfallfolgen überschnitten, ergäbe sich keine Gesamt-MdE in rentenberechtigendem Grad.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam erhoben (S 2 U 44/03). Das SG Potsdam hat eine Begutachtung des Klägers durch den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B veranlasst. Dieser ist in seinem Gutachten vom 28. März 2004 nach körperlicher Untersuchung zur Feststellung noch vorliegender folgender Unfallfolgen gelangt: Z. n. kompletter Durchtrennung des Nervus medianus, Wiederherstellung der Nervenkontinuität durch Nervus medianus-Naht, nachfolgend durchgeführte Neurolyse mit verbleibenden Empfindungsstörungen im Bereich des rechten Daumen, Zeigefingers und eines Teils des Mittelfingers, endgradige Einschränkung der Beweglichkeit des Handgelenkes handrückenwärts ohne nachweisbare Funktionsausfälle des Sehnenspiels der Beugesehne im Bereich des rechten Handgelenkes.
Die unfallbedingte MdE sei maximal mit 15 v. H. einzuschätzen, und zwar ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Behandlungsbedürftigkeit, d. h. etwa zwei Jahre nach dem letzten durchgeführten operativen Eingriff im Jahr 1989.
Auf Antrag des Klägers hat das SG Potsdam ein Gutachten des Chirurgen Dr. W eingeholt. Der Sachverständige gelangte bei Feststellung einer Schädigung des Nervus medianus rechts vorwiegend im sensiblen Anteil, geringgradiger Reinnervationsstörung der Thenarmuskulatur rechts mit starker Einschränkung des Feingriffs 1-2 und 1-3, Verdacht einer Neurinombildung rechts im alten Narbenbereich, Funktionsstörungen des rechten Handgelenkes, Verwachsungen im Narbenbereich mit schmerzhaften Bewegungsattacken rechts, zur Feststellung einer unfallbedingten MdE von 20 v. H. für den gesamten Zeitraum nach dem Unfall und verwies hierzu auf das unfallmedizinische Schrifttum (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Berufsunfall und Berufskrankheiten, 7. Auflage 2003, S. 320, 611 ff.; Rompe, Erlenkämper Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 3. Auflage 1998), die für eine Schädigung der Nervus medianus sensibel 20 v. H. ansetzen würden. Hierbei sei bereits berücksichtigt, dass zwischen Gebrauchshand und Gegenhand keine Unterscheidung mehr getroffen werde. Berücksichtigung finden müsse auch die eingeschränkte Greiffunktion zwischen Daumen und Zeigefinger (Feingriff), die der Kläger nur unzureichend durch den Griff des Daumens und des vierten Fingers ausgleiche. Die in diesem Fall bessere Grifffunktion zwischen dem Daumen und dem 3. Finger falle wegen ebenfalls bestehender Einschränkungen wie beim Daumen und 2. Finger aus.
Der Gutachten Dr. B hat eine ergänzende Stellungnahme unter dem 21. Februar 2007 abgegeben, in der er bei seiner Einschätzung geblieben ist.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Potsdam vom 07. Juni 2007 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, mit welchem die Beklagte sich verpflichtet hat, an den Kläger ab dem 05. November 1998 bis zum 31. März 2004 auf den Arbeitsunfall vom 27. Juli 1987 eine Verletztenrente auf Grund eines Grades der MdE von 20 v. H. zu gewähren.
Am 18. Dezember 2007 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung des Klägers bei dem Facharzt für Chirurgie Dr. S. In seinem Ersten Rentengutachten ? unter Dauerrentengesichtspunkt ? vom 02. Juli 2009 stellte der Sachverständige als wesentliche Unfallfolgen fest: Sensibilitätsstörung im Bereich der ersten drei Finger der rechten Hand beugeseitig, eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Handgelenkes, unvollständiger Faustschluss rechts der Finger 1 und 2, eingeschränkte Handspanne, deutliche Einschränkung der groben Kraft.
Der Sachverständige vertrat die Auffassung, dass die Verletzung des Nervus medianus mit bleibenden Sensibilitätsstörungen mit einer MdE von 15 v. H. und die deutlich persistierende Kraftminderung der rechten Hand und der nicht vollständige Faustschluss eine Gesamt-MdE auf Dauer von insgesamt 20 v. H. rechtfertigen würden. Eine Besserung sei nicht zu erwarten, eine Verschlechterung jedoch möglich.
Im Rahmen eines neurologischen Zusatzgutachtens von 27. März 2009 gelangte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. V zu der Bewertung, dass für die bleibenden Unfallfolgen eine Gesamt-MdE von 15 v. H. angemessen sei. Er schließe sich den Gutachtern Dr. F und Dr. H an.
Mit Bescheid vom 19. August 2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente ab.
Im Rahmen des hiergegen gerichteten Widerspruchsverfahrens veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch Dr. S. In seinem Gutachten vom 17. März 2010 stellte der Sachverständige folgende Unfallfolgen fest: Narben an der Beugseite des handgelenksnahen rechten Unterarmes mit leichter polsterartiger Weichteilvermehrung im Narbenbereich, subjektiv erhöhte Klopf- und Berührungsempfindlichkeit im Narbenbereich an der Beugeseite des handgelenksnahen rechten Unterarmes, sehr geringe Funktionseinschränkung beim aktiven Faustschluss der rechten Hand bezüglich des rechten Zeigefingers, sensible Teilschädigung des rechten Mittelnervs.
Eine wesentliche, für den allgemeinen Arbeitsmarkt relevante Einschränkung der Greiffunktion der rechten Hand lasse sich nicht feststellen. Die Gesamt-MdE liege unter 20 v. H ...
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit seiner hiergegen bei dem SG Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Gewährung einer Unfallrente weiterverfolgt und die Ansicht vertreten, dass die Unfallfolgen eine MdE von mindestens 20 v. H. begründen würden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend angegeben, er habe seit der Begutachtung im März 2010 im täglichen Leben noch keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes festgestellt.
Mit Urteil vom 09. Dezember 2011 hat das SG Potsdam die Klage abgewiesen, da die beim Kläger unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. Svorliegenden Unfallfolgen keine MdE in rentenberechtigendem Grade begründen würden. Eine neue Begutachtung sei trotz des Zeitablaufes seit der Begutachtung durch Dr. S nicht geboten gewesen, da nach der Einschätzung des Klägers eine Veränderung in seinem Gesundheitszustand seitdem nicht eingetreten sei. Die Darstellung und Schlussfolgerungen von Dr. Springer seien schlüssig und für das Gericht verständlich, die Beurteilung werde ergänzt durch Fotografien, welche die Ergebnisse der Untersuchung veranschaulichen würden. Ausweislich der als Kontrolle herangezogenen Gliedertaxe werde der komplette Verlust eines Daumens im Grundgelenk, der daraus resultierende Verlust der Oppositionsfähigkeit der betroffenen Hand und die damit einhergehende erhebliche Funktionseinschränkung der daumenlosen Hand mit einer MdE von 20 v. H. bewertet. Die beim Kläger vorliegenden Folgen erreichten dieses Ausmaß funktioneller Einschränkungen nicht.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Gewährung einer Unfallrente nach einer MdE von 20 v. H. unter Bezugnahme auf die ärztlichen Einschätzungen der Gutachter Dr. F vom 29. Mai 2000 und Dr. W vom 26. Juni 2006. Das SG Potsdam habe sich in seinen Entscheidungsgründen ausschließlich auf die MdE-Festsetzung im Gutachten des Dr. S gestützt, sei aber auf die vorbezeichneten Gutachten nicht eingegangen. Ferner habe das Gericht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger seine verletzte Hand durch seine Tätigkeit übermäßig beanspruchen müsse und sich daher der Zustand verschlimmere. Es sei ihm nicht möglich, die Beanspruchung der Hand gering zu halten, da er ständig professionelle Zeichnungen am Computer anzufertigen habe. Auch das SG gehe von einer überdurchschnittlichen Beanspruchung des Handgelenkes des Klägers aus und nach seiner Feststellung bewege sich die Minderungsquote in etwa bei 17 Prozentpunkten.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 09. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010 zu verurteilen, ihm aus dem Arbeitsunfall vom 27. Juli 1987 eine Rente auf Grund einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. ab Eingang des Verschlimmerungsantrages zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des SG Potsdam sei zu Recht ergangen, denn die Folgen des Arbeitsunfalls des Klägers würden keine rentenberechtigende MdE von 20 v. H. mehr bedingen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung der Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die im Rahmen der Abwicklung der Kanzlei des früheren Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. S H bestellte Rechtsanwältin K D hat auf die entsprechende Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 26. August 2012 mitgeteilt, dass einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter zugestimmt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die Gerichtsakten des Verfahrens S 2 U 44/03 sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, die Gegenstand der Urteilsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin kann, weil die vorliegende Streitsache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch von grundsätzlicher Bedeutung ist, in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19. August 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2010 ist, soweit mit ihm eine Verletztenrente abgelehnt wird, rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Er hat keinen Anspruch (mehr) auf Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Dass der Kläger am 27. Juli 1987 einen Arbeitsunfall erlitten hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Bemessung der aus dem Arbeitsunfall resultierenden MdE hängt von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R, in juris Rn. 12).
Hiervon ausgehend ist das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens betreffend den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 18. Dezember 2007 nicht in dem nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderlichen Maß überzeugt, dass bei dem Kläger infolge des Unfalls vom 27. Juli 1987 tatsächlich (noch) eine rentenberechtigende MdE von mindestens 20 v. H. vorliegt. Zur näheren Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils des SG Potsdam vom 09. Dezember 2011 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Es trifft zwar zu, dass der von der Beklagten beauftragte Facharzt für Chirurgie Dr. S in seinem Ersten Rentengutachten vom 02. Juli 2009 zu der Feststellung gelangt ist, dass die verbliebenen wesentlichen Unfallfolgen - bleibende Sensibilitätsstörungen und Einschränkungen der Beweglichkeit und Kraft der rechten Hand aufgrund der Verletzung des Nervus medianus - eine Gesamt-MdE auf Dauer von insgesamt 20 v. H. rechtfertigen würden. Das Gericht vermag sich dieser Einschätzung jedoch nicht anzuschließen. So stehen der Feststellung Dr. S, die Kraftmessung habe eine deutlich geminderte grobe Kraft der rechten Hand gezeigt, die Feststellungen des im Widerspruchsverfahren beauftragten Facharztes für Chirurgie Dr. S entgegen, der in seinem Gutachten vom 17. März 2010 festgestellt hat, dass die grobe Kraft beim gekreuzten Handgriff beidseits mit normaler Stärke ausgeübt worden sei. Auch die Klagen einer Einschränkung der Feinmotorik und der Handgelenksbeweglichkeit vermochte jedenfalls Dr. S nicht zu bestätigen. Er führte aus, dass der Faustschluss beidseits komplett ausgeführt werden konnte, lediglich der Zeigefinger werde aktiv nicht ganz bis zur queren Hohlhandfalte geführt, bei passiver Unterstützung gelinge dies jedoch zwanglos. Auch die Handspanne rechts von 20 cm habe sich nur um 1 Zentimeter im Vergleich zu links gemindert gezeigt. Der Spitzgriff sei beidseits vollständig und kräftig ausgeführt worden. Eine wesentliche, für den ? ausschlaggebenden - allgemeinen Arbeitsmarkt relevante Einschränkung der Greiffunktion der rechten Hand lässt sich hiernach nicht feststellen. Bei der weiteren Feststellung Dr. S, die Schmerzen hätten im Laufe der letzten Jahre zugenommen, handelt es sich um die nicht näher begründete Übernahme der Angaben des Klägers. Wie der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. V in seinem neurologischen Gutachten ausgeführt hat, hat der Kläger die Hand in der Untersuchungssituation normal eingesetzt, eine dauerhafte Analgetikaeinnahme erfolge auch nicht. Auch der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. V ist im Rahmen eines neurologischen Zusatzgutachtens von 27. März 2009 zu der Bewertung gelangt, dass für die inkomplette, überwiegend sensible Schädigung des Nervus medianus im rechten Handgelenk ohne klinisch relevante motorische Beeinträchtigung eine Gesamt-MdE von 15 v. H. angemessen sei, und hat sich den Gutachtern Dr. F und Dr. H angeschlossen.
Die Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. V und Dr. S wird auch von der unfallmedizinischen Literatur bestätigt. Hiernach läst sich erst bei einem Totalausfall des Nervus medianus eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. oder mehr annehmen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 5.6, S. 229). Nochmals ist hervorzuheben, dass bei der Einschätzung der MdE auf vergleichbare Funktionseinbußen abzustellen ist. So wird der komplette Verlust eines Daumens im Grundgelenk und die daraus resultierende erhebliche Funktionseinschränkung der daumenlosen Hand mit einer MdE von 20 v. H. bewertet. Eine MdE von 20 v. H. kommt auch dann in Frage, wenn funktionell ein Zustand vorliegt wie bei der subtotalen Amputation des Daumens und des Zeigefingers. Ein derartiges Zustandsbild lässt sich beim Kläger indes nicht feststellen, er ist gegenüber einer derartigen Funktionseinbuße deutlich besser gestellt.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufe, dass die Beklagte mit ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Potsdam vom 07. Juni 2007 einen Vergleich des Inhalts geschlossen hatte, dem Kläger ab dem 05. November 1998 bis zum 31. März 2004 auf den Arbeitsunfall vom 27. Juli 1987 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. , zu gewähren. Dies entsprang dem Bemühen, dem Kläger entgegen zu kommen und den Rechtsstreit zu erledigen, bedeutet aber nicht, dass in dieser Form auch streitig zu entscheiden gewesen wäre. Vielmehr hätten die im Verfahren S 2 U 44/03 eingeholten Gutachten durchaus auch eine Entscheidung des Inhalts getragen, dass eine Verletztenrente wegen Nichterreichens der hierfür notwendigen MdE-Grenze von 20 v. H. auch damals nicht zu gewähren gewesen wäre.
So hatte bereits der im damaligen Verwaltungsverfahren bestellte Facharzt für Neurologie Dr. F im neurologischen Zusatzgutachten vom 14. April 2000 festgestellt, dass es infolge der Durchtrennung mehrerer Beugesehnen sowie des Nervus medianus zwar zu einem deutlichen, vorwiegend sensiblen Defektsyndrom gekommen sei, die MdE hat der Sachverständige aber für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zunächst mit 20 v. H, nach dem Ende der Behandlungsbedürftigkeit, also nach zwei Jahren, jedoch mit nur noch ca. 15 v. H. geschätzt. Seine hiervon abweichende MdE-Einschätzung von 20 v. H. hatte der Facharzt für Chirurgie Dr. F in seinem Gutachten vom 29. Mai 2000 überwiegend damit begründet, dass die neurologische Begutachtung nicht die Bewegungseinschränkungen im Handgelenk und der Finger berücksichtigt habe. Hierzu ist anzumerken, dass insoweit keine Addition vorgenommen werden darf, da sich Beeinträchtigungen der Nervenfunktion auch in Bewegungseinschränkungen zeigen, also durch denselben Körperschaden bedingt sind. Erst bei einem Totalausfall des Nervus medianus ist ? wie bereits erwähnt ? eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. oder mehr anzunehmen (vgl. nochmals Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. Kap. 5.6, S. 229). Der durch Dr. F erhobene Befund hatte zwar noch Funktionsbehinderungen vermittelt, jedoch bei Weitem keinen Totalausfall des Nervus medianus, sondern im Vergleich zu der Zeit direkt nach dem Unfall eine Befundbesserung bis hin zur Nervenerholung. Es bestanden nur noch geringe motorische Defizite bei fortbestehenden, ausgeprägteren sensiblen Defiziten, nicht aber ein funktioneller Ausfall des Nervus medianus. Dem entsprachen auch die Angaben des Klägers, dass das Feingefühl der rechten Hand zwar insbesondere bei Feinarbeiten und Arbeiten am Computer beeinträchtigt, jedoch die Kraft weitgehend wiederhergestellt und nur das Handgelenk in der Beweglichkeit eingeschränkt sei. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Untersuchung war der Kläger in der Lage, die wesentlichen Griffe komplett auszuführen. Die Röntgenuntersuchung des Handgelenks vom 24. März 2000 ergab eine geordnete Knochenstruktur mit normalbreitem Gelenkspalt und ohne Nachweis eines entzündlichen oder destruierenden Knochenprozesses. Dass dieses Ergebnis keinesfalls mit dem vollständigen Verlust eines Daumens (MdE von 20 v. H.) oder eines Zeigefingers (MdE von 10 v. H.) vergleichbar ist, hatte auch der Arzt für Chirurgie Dr. L in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Januar 2001 bestätigt.
Auch die im Widerspruchsverfahren von der Beklagten beauftragten Ärzte waren zu einer entsprechenden Einschätzung gelangt. So hatte der Facharzt für Neurologie Priv.-Doz. Dr. H (Dr. Kirchner) in seinem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten von vom 24. Oktober 2002 festgestellt, dass beim Kläger lediglich eine leichte Einschränkung des Bewegungsausmaßes bei Streckung der Hand vorliege. Wie im Vorgutachten geschätzt betrage die MdE 15 v. H ... Der Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. E bewertete die Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet in seinem Gutachten vom 20. August 2002 mit einer MdE von 10 v. H ... Es bestünden lediglich eine leichte Verdickung im Narbengebiet, aber sonst keine Auffälligkeiten wie Rötung, Schwellung, Druck- oder Bewegungsschmerzhaftigkeit. Die Prüfung der aktiven Beweglichkeit habe im Vergleich zur Gegenseite ein Extensionsdefizit von 20 ° bei ansonsten freier Beweglichkeit des Handgelenkes ohne Krepitationen im Gelenksbereich gezeigt. Eine Kraftminderung des Unterarmes oder der Hand sei nicht vorhanden, alle Finger könnten kräftig und frei ausgestreckt werden, Faustschluss und Pinzettengriff seien problemlos durchführbar. Lediglich eine weitgehend aufgehobene Empfindungsfähigkeit im Daumen, Zeigefinger sowie des radialseitigen 3. Fingers würden beschrieben. Zutreffend hatte Prof. Dr. E aufgrund einander überlappender Unfallfolgen auf chirurgischem und neurologischem Fachgebiet eine Gesamt-MdE von 15 v. H. gebildet, die auch der Einschätzung des Neurologen Dr. F im Gutachten vom 14. April 2000 entsprach.
Zum gleichen Ergebnis war auch der vom SG Potsdam (S 2 U 44/03) beauftragte Chirurg und Sozialmediziner Dr. B gelangt, der in seinem Gutachten vom 28. März 2004 für die verbleibenden Unfallfolgen die MdE maximal mit 15 v. H. ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Behandlungsbedürftigkeit eingeschätzt hatte. Dr. B hatte dies nachvollziehbar damit begründet, dass lediglich zum Handrücken hin eine endgradige, sich aber noch im Normbereich bewegende Bewegungseinschränkung sowie Anzeichen einer verbleibenden Sensibilitätsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus medianus vorlägen, wobei jedoch schwerwiegende Empfindungsstörungen und eine Minderung der groben Kraft auszuschließen seien. Der Faustschluss sei komplett, alle Griffarten seien durchführbar und nicht eingeschränkt, die Opponierbarkeit des Daumens sei erhalten. Die Hand- und Fingermuskulatur sei rechts nicht verschmächtigt und es finde sich auch keine abnorme Beschwielung. Die Durchblutung sei intakt, Hinweise für Spastiken oder Kontrakturen hätten sich nicht finden lassen, Tonus und Trophik seien ungestört. Die geringfügige Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit würde maximal einen Grad der Behinderung von 10 v. H. bedingen, zumal im Handgelenk ausweislich der radiologischen Diagnostik selbst kein pathologischer Befund zu erheben gewesen sei. Zu Recht hatte der Gutachter Dr. B auch darauf hingewiesen, dass der Einschätzung von Dr. F in seinem Gutachten vom 29. Mai 2000 nicht zu folgen sei, denn die von ihm festgestellten Bewegungseinschränkungen fanden sich bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. B nicht mehr.
Soweit der auf Antrag des Klägers bestellte Gutachter Dr. W die MdE mit 20 v. H. eingeschätzt hatte, beruhte dies nicht unmaßgeblich darauf, dass Dr. W der unfallmedizinischen Literatur entnommen hatte, für eine Schädigung der Nervus medianus sei grundsätzlich eine MdE von 20 v. H. anzusetzen. Dies trifft aber nur dann zu, wenn ein Totalausfall des Nervus medianus vorliegt, was bei dem Kläger nicht der Fall ist. Außerdem hatte sich der Gutachter Dr. W insoweit widersprüchlich geäußert, als er einerseits ausführte, es sei bereits berücksichtigt, dass zwischen Gebrauchshand und Gegenhand keine Unterscheidung mehr getroffen werde, an anderer Stelle aber betonte, dass die rechte Hand die Gebrauchshand des Klägers sei und dass die Beweglichkeit nur für den Fall als geringfügig eingeschränkt zu bewerten sei, wenn man Normmaße zugrunde lege. Da die MdE-Einschätzung sich aber an den verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens orientiert, sind hierfür auch Normmaße bei der Beweglichkeitsprüfung anzulegen, um eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen zu erlangen. Schließlich darf die von Dr. W geäußerte Verdachtsvermutung auf eine Neurinombildung nicht der Schätzung einer konkreten MdE zugrunde gelegt werden.
Da nach alledem die verbleibenden Unfallfolgen eine MdE von mindestens 20 v. H. nicht zu begründen vermögen, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verschlimmerungsantrags über die Gewährung von Verletztenrente auf Grund eines Arbeitsunfalls vom 27. Juli 1987.
Der 1963 geborene Kläger erlitt als Student am 27. Juli 1987 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, indem er sich bei dem Bruch einer Glasschale tiefe Schnittverletzungen am rechten Handgelenk mit Durchtrennung mehrerer Beugesehnen sowie des Nervus medianus zuzog. Am Unfalltag erfolgte eine operative Versorgung in der medizinischen Akademie Edurch eine Beugesehnennaht und eine Naht des Nervus medianus (vgl. OP-Berichtes Oberarzt Dr. A). Infolge einer Verwachsung der Nerven mit der Umgebung, die zu einem Sensibilitätsverlust mit Missempfindungen an den Fingern 1 bis 3 und 5 der rechten Hand geführt hatte, wurde im Januar 1989 in der medizinischen Akademie E eine Neurolyse vorgenommen (Oberarzt Dr. A Faszikel größtenteils durchgängig). Die Weiterbehandlung erfolgte durch Dr. H im Krankenhaus C, dokumentierte ärztliche Unterlagen für die Zeit nach 1987 liegen nicht vor.
Die Beklagte veranlasste im Rahmen des - diesem Verfahren vorangegangenen - Verwaltungsverfahrens die Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie Dr. F, der in seinem Gutachten vom 29. Mai 2000 nach körperlicher Untersuchung des Klägers am 24. März 2000 zu der Feststellung gelangte, dass bei dem Kläger aufgrund des Ausfalls des Nervus medianus mit der Folge eines deutlichen Gefühlsdefizites sowie eines Bewegungsdefizites am ersten bis vierten Finger die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 01. Februar 1988 bis zum 31. März 1989 mit 30 v. H., für die Zeit vom 01. April 1989 bis zum 23. März 2000 mit 20 v. H. und ab dem 24. März 2000 bis weiterhin ebenfalls mit 20 v. H. einzuschätzen sei.
Der Facharzt für Neurologie Dr. F stellte in seinem am 14. April 2000 erstatteten neurologischen Zusatzgutachten nach körperlicher Untersuchung des Klägers am 24. März 2000 fest, dass es infolge der Durchtrennung mehrerer Beugesehnen sowie des rechten Nervus medianus zu einem deutlichen, vorwiegend sensiblen Defektsyndrom gekommen sei. Behandlungsbedürftigkeit habe für mindestens zwei Jahre, Arbeitsunfähigkeit für ca. sechs Monate bestanden. Die MdE werde für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zu Beginn mit 20 v. H, nach dem Ende der Behandlungsbedürftigkeit mit ca. 15 v. H. geschätzt.
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Januar 2001 führte Dr. L aus, dass für die MdE-Einschätzung eine Orientierung am vollständigen Verlust eines Daumens (MdE von 20 v. H.) oder am vollständigen Verlust eines Zeigefingers (MdE von 10 v. H.) geboten sei. Eine Gesamt-MdE von 20 v. H. sei somit nicht begründbar.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 13. September 2001 das Ereignis vom 27. Juli 1987 als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolgen fest: Periphere sensible Teilschädigung des rechten Mittelnervs mit Minder- und Missempfindungen im Bereich der Finger 1 bis 3 rechts, diskrete endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes nach hohlhandwärts und nach speichenwärts, endgradige Beugeeinschränkung der Langfinger 2 bis 4 rechts, diskrete Umfangsvermehrung des rechten Handgelenkes sowie reizlose Narbe an der Beugeseite des rechten Handgelenkes.
Diese Unfallfolgen würden jedoch keine MdE in rentenberechtigendem Grade bedingen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 als unbegründet zurück. Sie bezog sich auf ein im Widerspruchsverfahren eingeholtes Gutachten des Facharztes für Chirurgie Prof. Dr. E vom 20. August 2002, der die Gesamt-MdE mit 15 v. H. eingeschätzt hatte, sowie auf ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten von Priv.-Doz. Dr. H vom 24. Oktober 2002, der bei traumatisch bedingter, vorwiegend sensibler Teilschädigung des Nervus medianus rechts nach Durchtrennung im Rahmen einer Handgelenksverletzung von einer MdE von 15 v. H. ausging. Da sich die Unfallfolgen überschnitten, ergäbe sich keine Gesamt-MdE in rentenberechtigendem Grad.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam erhoben (S 2 U 44/03). Das SG Potsdam hat eine Begutachtung des Klägers durch den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B veranlasst. Dieser ist in seinem Gutachten vom 28. März 2004 nach körperlicher Untersuchung zur Feststellung noch vorliegender folgender Unfallfolgen gelangt: Z. n. kompletter Durchtrennung des Nervus medianus, Wiederherstellung der Nervenkontinuität durch Nervus medianus-Naht, nachfolgend durchgeführte Neurolyse mit verbleibenden Empfindungsstörungen im Bereich des rechten Daumen, Zeigefingers und eines Teils des Mittelfingers, endgradige Einschränkung der Beweglichkeit des Handgelenkes handrückenwärts ohne nachweisbare Funktionsausfälle des Sehnenspiels der Beugesehne im Bereich des rechten Handgelenkes.
Die unfallbedingte MdE sei maximal mit 15 v. H. einzuschätzen, und zwar ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Behandlungsbedürftigkeit, d. h. etwa zwei Jahre nach dem letzten durchgeführten operativen Eingriff im Jahr 1989.
Auf Antrag des Klägers hat das SG Potsdam ein Gutachten des Chirurgen Dr. W eingeholt. Der Sachverständige gelangte bei Feststellung einer Schädigung des Nervus medianus rechts vorwiegend im sensiblen Anteil, geringgradiger Reinnervationsstörung der Thenarmuskulatur rechts mit starker Einschränkung des Feingriffs 1-2 und 1-3, Verdacht einer Neurinombildung rechts im alten Narbenbereich, Funktionsstörungen des rechten Handgelenkes, Verwachsungen im Narbenbereich mit schmerzhaften Bewegungsattacken rechts, zur Feststellung einer unfallbedingten MdE von 20 v. H. für den gesamten Zeitraum nach dem Unfall und verwies hierzu auf das unfallmedizinische Schrifttum (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Berufsunfall und Berufskrankheiten, 7. Auflage 2003, S. 320, 611 ff.; Rompe, Erlenkämper Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 3. Auflage 1998), die für eine Schädigung der Nervus medianus sensibel 20 v. H. ansetzen würden. Hierbei sei bereits berücksichtigt, dass zwischen Gebrauchshand und Gegenhand keine Unterscheidung mehr getroffen werde. Berücksichtigung finden müsse auch die eingeschränkte Greiffunktion zwischen Daumen und Zeigefinger (Feingriff), die der Kläger nur unzureichend durch den Griff des Daumens und des vierten Fingers ausgleiche. Die in diesem Fall bessere Grifffunktion zwischen dem Daumen und dem 3. Finger falle wegen ebenfalls bestehender Einschränkungen wie beim Daumen und 2. Finger aus.
Der Gutachten Dr. B hat eine ergänzende Stellungnahme unter dem 21. Februar 2007 abgegeben, in der er bei seiner Einschätzung geblieben ist.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Potsdam vom 07. Juni 2007 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, mit welchem die Beklagte sich verpflichtet hat, an den Kläger ab dem 05. November 1998 bis zum 31. März 2004 auf den Arbeitsunfall vom 27. Juli 1987 eine Verletztenrente auf Grund eines Grades der MdE von 20 v. H. zu gewähren.
Am 18. Dezember 2007 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung des Klägers bei dem Facharzt für Chirurgie Dr. S. In seinem Ersten Rentengutachten ? unter Dauerrentengesichtspunkt ? vom 02. Juli 2009 stellte der Sachverständige als wesentliche Unfallfolgen fest: Sensibilitätsstörung im Bereich der ersten drei Finger der rechten Hand beugeseitig, eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Handgelenkes, unvollständiger Faustschluss rechts der Finger 1 und 2, eingeschränkte Handspanne, deutliche Einschränkung der groben Kraft.
Der Sachverständige vertrat die Auffassung, dass die Verletzung des Nervus medianus mit bleibenden Sensibilitätsstörungen mit einer MdE von 15 v. H. und die deutlich persistierende Kraftminderung der rechten Hand und der nicht vollständige Faustschluss eine Gesamt-MdE auf Dauer von insgesamt 20 v. H. rechtfertigen würden. Eine Besserung sei nicht zu erwarten, eine Verschlechterung jedoch möglich.
Im Rahmen eines neurologischen Zusatzgutachtens von 27. März 2009 gelangte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. V zu der Bewertung, dass für die bleibenden Unfallfolgen eine Gesamt-MdE von 15 v. H. angemessen sei. Er schließe sich den Gutachtern Dr. F und Dr. H an.
Mit Bescheid vom 19. August 2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente ab.
Im Rahmen des hiergegen gerichteten Widerspruchsverfahrens veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch Dr. S. In seinem Gutachten vom 17. März 2010 stellte der Sachverständige folgende Unfallfolgen fest: Narben an der Beugseite des handgelenksnahen rechten Unterarmes mit leichter polsterartiger Weichteilvermehrung im Narbenbereich, subjektiv erhöhte Klopf- und Berührungsempfindlichkeit im Narbenbereich an der Beugeseite des handgelenksnahen rechten Unterarmes, sehr geringe Funktionseinschränkung beim aktiven Faustschluss der rechten Hand bezüglich des rechten Zeigefingers, sensible Teilschädigung des rechten Mittelnervs.
Eine wesentliche, für den allgemeinen Arbeitsmarkt relevante Einschränkung der Greiffunktion der rechten Hand lasse sich nicht feststellen. Die Gesamt-MdE liege unter 20 v. H ...
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit seiner hiergegen bei dem SG Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Gewährung einer Unfallrente weiterverfolgt und die Ansicht vertreten, dass die Unfallfolgen eine MdE von mindestens 20 v. H. begründen würden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend angegeben, er habe seit der Begutachtung im März 2010 im täglichen Leben noch keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes festgestellt.
Mit Urteil vom 09. Dezember 2011 hat das SG Potsdam die Klage abgewiesen, da die beim Kläger unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. Svorliegenden Unfallfolgen keine MdE in rentenberechtigendem Grade begründen würden. Eine neue Begutachtung sei trotz des Zeitablaufes seit der Begutachtung durch Dr. S nicht geboten gewesen, da nach der Einschätzung des Klägers eine Veränderung in seinem Gesundheitszustand seitdem nicht eingetreten sei. Die Darstellung und Schlussfolgerungen von Dr. Springer seien schlüssig und für das Gericht verständlich, die Beurteilung werde ergänzt durch Fotografien, welche die Ergebnisse der Untersuchung veranschaulichen würden. Ausweislich der als Kontrolle herangezogenen Gliedertaxe werde der komplette Verlust eines Daumens im Grundgelenk, der daraus resultierende Verlust der Oppositionsfähigkeit der betroffenen Hand und die damit einhergehende erhebliche Funktionseinschränkung der daumenlosen Hand mit einer MdE von 20 v. H. bewertet. Die beim Kläger vorliegenden Folgen erreichten dieses Ausmaß funktioneller Einschränkungen nicht.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Gewährung einer Unfallrente nach einer MdE von 20 v. H. unter Bezugnahme auf die ärztlichen Einschätzungen der Gutachter Dr. F vom 29. Mai 2000 und Dr. W vom 26. Juni 2006. Das SG Potsdam habe sich in seinen Entscheidungsgründen ausschließlich auf die MdE-Festsetzung im Gutachten des Dr. S gestützt, sei aber auf die vorbezeichneten Gutachten nicht eingegangen. Ferner habe das Gericht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger seine verletzte Hand durch seine Tätigkeit übermäßig beanspruchen müsse und sich daher der Zustand verschlimmere. Es sei ihm nicht möglich, die Beanspruchung der Hand gering zu halten, da er ständig professionelle Zeichnungen am Computer anzufertigen habe. Auch das SG gehe von einer überdurchschnittlichen Beanspruchung des Handgelenkes des Klägers aus und nach seiner Feststellung bewege sich die Minderungsquote in etwa bei 17 Prozentpunkten.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 09. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010 zu verurteilen, ihm aus dem Arbeitsunfall vom 27. Juli 1987 eine Rente auf Grund einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. ab Eingang des Verschlimmerungsantrages zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des SG Potsdam sei zu Recht ergangen, denn die Folgen des Arbeitsunfalls des Klägers würden keine rentenberechtigende MdE von 20 v. H. mehr bedingen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung der Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die im Rahmen der Abwicklung der Kanzlei des früheren Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. S H bestellte Rechtsanwältin K D hat auf die entsprechende Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 26. August 2012 mitgeteilt, dass einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter zugestimmt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die Gerichtsakten des Verfahrens S 2 U 44/03 sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, die Gegenstand der Urteilsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin kann, weil die vorliegende Streitsache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch von grundsätzlicher Bedeutung ist, in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19. August 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2010 ist, soweit mit ihm eine Verletztenrente abgelehnt wird, rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Er hat keinen Anspruch (mehr) auf Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Dass der Kläger am 27. Juli 1987 einen Arbeitsunfall erlitten hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Bemessung der aus dem Arbeitsunfall resultierenden MdE hängt von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R, in juris Rn. 12).
Hiervon ausgehend ist das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens betreffend den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 18. Dezember 2007 nicht in dem nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderlichen Maß überzeugt, dass bei dem Kläger infolge des Unfalls vom 27. Juli 1987 tatsächlich (noch) eine rentenberechtigende MdE von mindestens 20 v. H. vorliegt. Zur näheren Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils des SG Potsdam vom 09. Dezember 2011 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Es trifft zwar zu, dass der von der Beklagten beauftragte Facharzt für Chirurgie Dr. S in seinem Ersten Rentengutachten vom 02. Juli 2009 zu der Feststellung gelangt ist, dass die verbliebenen wesentlichen Unfallfolgen - bleibende Sensibilitätsstörungen und Einschränkungen der Beweglichkeit und Kraft der rechten Hand aufgrund der Verletzung des Nervus medianus - eine Gesamt-MdE auf Dauer von insgesamt 20 v. H. rechtfertigen würden. Das Gericht vermag sich dieser Einschätzung jedoch nicht anzuschließen. So stehen der Feststellung Dr. S, die Kraftmessung habe eine deutlich geminderte grobe Kraft der rechten Hand gezeigt, die Feststellungen des im Widerspruchsverfahren beauftragten Facharztes für Chirurgie Dr. S entgegen, der in seinem Gutachten vom 17. März 2010 festgestellt hat, dass die grobe Kraft beim gekreuzten Handgriff beidseits mit normaler Stärke ausgeübt worden sei. Auch die Klagen einer Einschränkung der Feinmotorik und der Handgelenksbeweglichkeit vermochte jedenfalls Dr. S nicht zu bestätigen. Er führte aus, dass der Faustschluss beidseits komplett ausgeführt werden konnte, lediglich der Zeigefinger werde aktiv nicht ganz bis zur queren Hohlhandfalte geführt, bei passiver Unterstützung gelinge dies jedoch zwanglos. Auch die Handspanne rechts von 20 cm habe sich nur um 1 Zentimeter im Vergleich zu links gemindert gezeigt. Der Spitzgriff sei beidseits vollständig und kräftig ausgeführt worden. Eine wesentliche, für den ? ausschlaggebenden - allgemeinen Arbeitsmarkt relevante Einschränkung der Greiffunktion der rechten Hand lässt sich hiernach nicht feststellen. Bei der weiteren Feststellung Dr. S, die Schmerzen hätten im Laufe der letzten Jahre zugenommen, handelt es sich um die nicht näher begründete Übernahme der Angaben des Klägers. Wie der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. V in seinem neurologischen Gutachten ausgeführt hat, hat der Kläger die Hand in der Untersuchungssituation normal eingesetzt, eine dauerhafte Analgetikaeinnahme erfolge auch nicht. Auch der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. V ist im Rahmen eines neurologischen Zusatzgutachtens von 27. März 2009 zu der Bewertung gelangt, dass für die inkomplette, überwiegend sensible Schädigung des Nervus medianus im rechten Handgelenk ohne klinisch relevante motorische Beeinträchtigung eine Gesamt-MdE von 15 v. H. angemessen sei, und hat sich den Gutachtern Dr. F und Dr. H angeschlossen.
Die Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. V und Dr. S wird auch von der unfallmedizinischen Literatur bestätigt. Hiernach läst sich erst bei einem Totalausfall des Nervus medianus eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. oder mehr annehmen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 5.6, S. 229). Nochmals ist hervorzuheben, dass bei der Einschätzung der MdE auf vergleichbare Funktionseinbußen abzustellen ist. So wird der komplette Verlust eines Daumens im Grundgelenk und die daraus resultierende erhebliche Funktionseinschränkung der daumenlosen Hand mit einer MdE von 20 v. H. bewertet. Eine MdE von 20 v. H. kommt auch dann in Frage, wenn funktionell ein Zustand vorliegt wie bei der subtotalen Amputation des Daumens und des Zeigefingers. Ein derartiges Zustandsbild lässt sich beim Kläger indes nicht feststellen, er ist gegenüber einer derartigen Funktionseinbuße deutlich besser gestellt.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufe, dass die Beklagte mit ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Potsdam vom 07. Juni 2007 einen Vergleich des Inhalts geschlossen hatte, dem Kläger ab dem 05. November 1998 bis zum 31. März 2004 auf den Arbeitsunfall vom 27. Juli 1987 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. , zu gewähren. Dies entsprang dem Bemühen, dem Kläger entgegen zu kommen und den Rechtsstreit zu erledigen, bedeutet aber nicht, dass in dieser Form auch streitig zu entscheiden gewesen wäre. Vielmehr hätten die im Verfahren S 2 U 44/03 eingeholten Gutachten durchaus auch eine Entscheidung des Inhalts getragen, dass eine Verletztenrente wegen Nichterreichens der hierfür notwendigen MdE-Grenze von 20 v. H. auch damals nicht zu gewähren gewesen wäre.
So hatte bereits der im damaligen Verwaltungsverfahren bestellte Facharzt für Neurologie Dr. F im neurologischen Zusatzgutachten vom 14. April 2000 festgestellt, dass es infolge der Durchtrennung mehrerer Beugesehnen sowie des Nervus medianus zwar zu einem deutlichen, vorwiegend sensiblen Defektsyndrom gekommen sei, die MdE hat der Sachverständige aber für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zunächst mit 20 v. H, nach dem Ende der Behandlungsbedürftigkeit, also nach zwei Jahren, jedoch mit nur noch ca. 15 v. H. geschätzt. Seine hiervon abweichende MdE-Einschätzung von 20 v. H. hatte der Facharzt für Chirurgie Dr. F in seinem Gutachten vom 29. Mai 2000 überwiegend damit begründet, dass die neurologische Begutachtung nicht die Bewegungseinschränkungen im Handgelenk und der Finger berücksichtigt habe. Hierzu ist anzumerken, dass insoweit keine Addition vorgenommen werden darf, da sich Beeinträchtigungen der Nervenfunktion auch in Bewegungseinschränkungen zeigen, also durch denselben Körperschaden bedingt sind. Erst bei einem Totalausfall des Nervus medianus ist ? wie bereits erwähnt ? eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. oder mehr anzunehmen (vgl. nochmals Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. Kap. 5.6, S. 229). Der durch Dr. F erhobene Befund hatte zwar noch Funktionsbehinderungen vermittelt, jedoch bei Weitem keinen Totalausfall des Nervus medianus, sondern im Vergleich zu der Zeit direkt nach dem Unfall eine Befundbesserung bis hin zur Nervenerholung. Es bestanden nur noch geringe motorische Defizite bei fortbestehenden, ausgeprägteren sensiblen Defiziten, nicht aber ein funktioneller Ausfall des Nervus medianus. Dem entsprachen auch die Angaben des Klägers, dass das Feingefühl der rechten Hand zwar insbesondere bei Feinarbeiten und Arbeiten am Computer beeinträchtigt, jedoch die Kraft weitgehend wiederhergestellt und nur das Handgelenk in der Beweglichkeit eingeschränkt sei. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Untersuchung war der Kläger in der Lage, die wesentlichen Griffe komplett auszuführen. Die Röntgenuntersuchung des Handgelenks vom 24. März 2000 ergab eine geordnete Knochenstruktur mit normalbreitem Gelenkspalt und ohne Nachweis eines entzündlichen oder destruierenden Knochenprozesses. Dass dieses Ergebnis keinesfalls mit dem vollständigen Verlust eines Daumens (MdE von 20 v. H.) oder eines Zeigefingers (MdE von 10 v. H.) vergleichbar ist, hatte auch der Arzt für Chirurgie Dr. L in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Januar 2001 bestätigt.
Auch die im Widerspruchsverfahren von der Beklagten beauftragten Ärzte waren zu einer entsprechenden Einschätzung gelangt. So hatte der Facharzt für Neurologie Priv.-Doz. Dr. H (Dr. Kirchner) in seinem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten von vom 24. Oktober 2002 festgestellt, dass beim Kläger lediglich eine leichte Einschränkung des Bewegungsausmaßes bei Streckung der Hand vorliege. Wie im Vorgutachten geschätzt betrage die MdE 15 v. H ... Der Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. E bewertete die Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet in seinem Gutachten vom 20. August 2002 mit einer MdE von 10 v. H ... Es bestünden lediglich eine leichte Verdickung im Narbengebiet, aber sonst keine Auffälligkeiten wie Rötung, Schwellung, Druck- oder Bewegungsschmerzhaftigkeit. Die Prüfung der aktiven Beweglichkeit habe im Vergleich zur Gegenseite ein Extensionsdefizit von 20 ° bei ansonsten freier Beweglichkeit des Handgelenkes ohne Krepitationen im Gelenksbereich gezeigt. Eine Kraftminderung des Unterarmes oder der Hand sei nicht vorhanden, alle Finger könnten kräftig und frei ausgestreckt werden, Faustschluss und Pinzettengriff seien problemlos durchführbar. Lediglich eine weitgehend aufgehobene Empfindungsfähigkeit im Daumen, Zeigefinger sowie des radialseitigen 3. Fingers würden beschrieben. Zutreffend hatte Prof. Dr. E aufgrund einander überlappender Unfallfolgen auf chirurgischem und neurologischem Fachgebiet eine Gesamt-MdE von 15 v. H. gebildet, die auch der Einschätzung des Neurologen Dr. F im Gutachten vom 14. April 2000 entsprach.
Zum gleichen Ergebnis war auch der vom SG Potsdam (S 2 U 44/03) beauftragte Chirurg und Sozialmediziner Dr. B gelangt, der in seinem Gutachten vom 28. März 2004 für die verbleibenden Unfallfolgen die MdE maximal mit 15 v. H. ab dem Zeitpunkt des Abschlusses der Behandlungsbedürftigkeit eingeschätzt hatte. Dr. B hatte dies nachvollziehbar damit begründet, dass lediglich zum Handrücken hin eine endgradige, sich aber noch im Normbereich bewegende Bewegungseinschränkung sowie Anzeichen einer verbleibenden Sensibilitätsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus medianus vorlägen, wobei jedoch schwerwiegende Empfindungsstörungen und eine Minderung der groben Kraft auszuschließen seien. Der Faustschluss sei komplett, alle Griffarten seien durchführbar und nicht eingeschränkt, die Opponierbarkeit des Daumens sei erhalten. Die Hand- und Fingermuskulatur sei rechts nicht verschmächtigt und es finde sich auch keine abnorme Beschwielung. Die Durchblutung sei intakt, Hinweise für Spastiken oder Kontrakturen hätten sich nicht finden lassen, Tonus und Trophik seien ungestört. Die geringfügige Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit würde maximal einen Grad der Behinderung von 10 v. H. bedingen, zumal im Handgelenk ausweislich der radiologischen Diagnostik selbst kein pathologischer Befund zu erheben gewesen sei. Zu Recht hatte der Gutachter Dr. B auch darauf hingewiesen, dass der Einschätzung von Dr. F in seinem Gutachten vom 29. Mai 2000 nicht zu folgen sei, denn die von ihm festgestellten Bewegungseinschränkungen fanden sich bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. B nicht mehr.
Soweit der auf Antrag des Klägers bestellte Gutachter Dr. W die MdE mit 20 v. H. eingeschätzt hatte, beruhte dies nicht unmaßgeblich darauf, dass Dr. W der unfallmedizinischen Literatur entnommen hatte, für eine Schädigung der Nervus medianus sei grundsätzlich eine MdE von 20 v. H. anzusetzen. Dies trifft aber nur dann zu, wenn ein Totalausfall des Nervus medianus vorliegt, was bei dem Kläger nicht der Fall ist. Außerdem hatte sich der Gutachter Dr. W insoweit widersprüchlich geäußert, als er einerseits ausführte, es sei bereits berücksichtigt, dass zwischen Gebrauchshand und Gegenhand keine Unterscheidung mehr getroffen werde, an anderer Stelle aber betonte, dass die rechte Hand die Gebrauchshand des Klägers sei und dass die Beweglichkeit nur für den Fall als geringfügig eingeschränkt zu bewerten sei, wenn man Normmaße zugrunde lege. Da die MdE-Einschätzung sich aber an den verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens orientiert, sind hierfür auch Normmaße bei der Beweglichkeitsprüfung anzulegen, um eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen zu erlangen. Schließlich darf die von Dr. W geäußerte Verdachtsvermutung auf eine Neurinombildung nicht der Schätzung einer konkreten MdE zugrunde gelegt werden.
Da nach alledem die verbleibenden Unfallfolgen eine MdE von mindestens 20 v. H. nicht zu begründen vermögen, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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