Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AS 26611/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1771/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nachtarbeitszuschläge sind anzurechendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18.08.2009 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anrechenbarkeit eines steuerfreien Zuschlages für Nachtarbeit auf das Einkommen aus Erwerbstätigkeit des Klägers zu 2).
Die Kläger beziehen vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II). Für ihre Genossenschaftswohnung hatten sie für den Monat März 2007 496,07 EUR aufzubringen (319,43 EUR zzgl. 108,13 EUR Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten sowie 68,51 EUR Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser).
Der Kläger zu 2) (nachfolgend nur noch "der Kläger") arbeitet seit 19.02.2007 als Wach- und Kontrollkraft. Im Arbeitsvertrag vom 14.02.2007 ist in § 6 Nr. 1 Satz 1 ein Stundengrundlohn von 5,37 EUR vereinbart. Nach Satz 2 ist des Weiteren eine Zulage für Arbeit zur Nachtzeit (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) sowie an Sonntagen von 20 % sowie an Feiertagen in Höhe von 50 % des Stundengrundlohns vereinbart. Das Gehalt für den Monat Februar 2007 ging dem Kläger im März 2007 zu. Ausweislich der Gehaltsabrechnung setzte sich der Bruttolohn aus einem Grundlohn in Höhe von 579,96 EUR und einem steuerfreien Nachtzuschlag in Höhe von 45,11 EUR zusammen.
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit (Änderungs-)Bescheid vom 22.03.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Februar und März 2007. Für März 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) (nachfolgend nur noch "die Klägerin") als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes 274,39 EUR sowie dem Kläger 230,68 EUR, ferner für Kosten der Unterkunft und Heizung der Klägerin 242,15 EUR sowie dem Kläger 242,18 EUR und schließlich der Klägerin einen befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld von 60,00 EUR, zusammen 1.049,40 EUR (GA Bl. 3 ff).
Die Kläger erhoben Widerspruch (Eingang 30.03.2007). Der Zuschlag für Nachtarbeit sei anrechnungsfrei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit ihrer am 19.10.2007 beim Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Klage haben die Kläger ihr Begehren weiter verfolgt. Sie sind der Ansicht, dass der steuerfreie Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 45,11 EUR nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei.
Das SG hat mit Urteil vom 18.08.2009 den Beklagten unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 22.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2007 verurteilt, den Klägern Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines Bruttoeinkommens des Klägers von 579,96 EUR für den Zeitraum vom 01.03.2007 bis 31.03.2007 zu gewähren. Die gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage sei begründet. Zur Feststellung des anzurechnenden zu berücksichtigenden Einkommens des Klägers zu 2) nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sei nicht von einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 625,07 EUR auszugehen. In diesem Betrag seien Einnahmen in Höhe von 45,11 EUR enthalten, die zweckbestimmte Einnahmen im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II seien. Es handele sich laut Gehaltsabrechnung nämlich um einen steuerfreien Zuschlag für Nachtarbeit, eine nach § 3 b Einkommenssteuergesetz (EStG) nicht steuerpflichtige Aufwandsentschädigung (Bezugnahme auf LSG Thüringen, Beschluss vom 08.03.2005 -L 7 AS 112/05 ER, SG Lüneburg, Urteil vom 25.10.2007-S 28 AS 1055/07, Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, K § 11 Rz. 231; Brühl in LPG-SGB II § 11 Rdnr. 54).
Gegen dieses Urteil hat sich zunächst die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten vom 24.09.2009 gerichtet. Der Rechtsache komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Frage, ob Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge als Einkommen heranzuziehen seien, streitig sei. Der Senat hat mit Beschluss vom 13.10.2009 die Berufung zugelassen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass steuerfrei geleistete Zuschläge grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen und nur bei tatsächlich erhöhten Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II in Abzug zu bringen seien.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18.08.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei unstreitig, dass Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit eine erhöhte psychische, physische und gesundheitliche Belastung darstelle. Sie würde deshalb und weil sie extrem von den normalen Arbeitszeiten abwiche, vom Bundesarbeitszeitgesetz generell als Ausnahme betrachtet. Steuerfreie Zuschläge für solche Schichten seien deshalb kein zusätzliches Einkommen. Sie stellten vielmehr eine Aufwandsentschädigung für die ungesunde Schichtarbeit und deren mögliche negative Auswirkungen auf die Lebensqualität dar.
Auf die Bitte des Senates mitzuteilen, ob tatsächlich konkreter Verpflegungsmehrbedarf und/oder andere Werbungskosten im Zusammenhang mit der Nachtarbeit angefallen seien, haben sie mitgeteilt, die tägliche Arbeitszeit im Bewachungs- und Sicherheitsbereich betrage 12 Stunden. Das bedeute, dass bei Nachtarbeit z. B. mehr Mahlzeiten anfielen und auch der Getränkeverbrauch höher liege als an freien Tagen. Einen gesonderten Beleg hierfür gebe es nicht. Außerdem könne es an Sonn- und Feiertagen vorkommen, dass die Pausenversorgung auch mal an einem Imbissstand erfolgen müsse. Auch andere Aufwandsentschädigungen seien anrechnungsfrei, beispielsweise für Blutspender oder auch Schmerzensgeld.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Die Klage ist abzuweisen.
Der Beklagte hat die streitigen 45,17 EUR zu Recht als zu berücksichtigendes Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II angesehen.
Der steuerfreie Zuschlag für Nachtarbeit, den der Kläger von seinem Arbeitgeber erhalten hat, stellt keine zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II dar, auch wenn diese steuerfrei nach § 3 b EStG ist.
Der Senat folgt nicht der vom SG in seinem Urteil vertretenen und belegten Auffassung, wonach es sich bei den Zuschlägen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit um eine (pauschalierte) Mehraufwandsentschädigung handele, wie dies das Bundessozialgericht (BSG) in einem obiter dictum (also einem die Entscheidung nicht tragenden Begründungssatz) zu § 138 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz angenommen hat (BSG, Urteil vom 21.03.1990 -7 RAr 86/87-SozR 3-4100 § 138 Nr. 2 mit Bezugnahme auf Urteil vom 21.08.1962 -11 RV 1056/60- SozR Nr. 18 zu § 33 BVG).
Grund für die steuerliche Privilegierung ist nicht die Anerkennung pauschalierter Werbungskosten, die im Zusammenhang mit Nacht- oder Feiertagsarbeit anfallen. Bei § 3 b Abs. 1 EStG handelt es sich vielmehr um eine Subvention (vgl. 22. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2007 bis 2010). Der 22. Subventionsbericht der Bundesregierung nennt als Ziel der Steuerbefreiung durch § 3b EStG, dass Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich nicht nur unvermeidbar sei, sondern dass an ihr ein Allgemeininteresse bestehe. Seit das Bundesverfassungsgericht u. a. in Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Nervosität, Reizbarkeit und verminderter Leistungsfähigkeit gesundheitsschädliche Auswirkungen von Nachtarbeit erkannt und dem Gesetzgeber aufgegeben hat, den Schutz der Arbeitnehmer vor diesen Folgen (neu) zu regeln (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28.01.1992 -1 BvR 1025/82 u. a.), verpflichtet § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz den Arbeitgeber -sofern tarifvertragliche Regelungen fehlen- dem Nachtarbeitnehmer für die Dauer der Nachtarbeitszeit geleistete Arbeitsstunden einen Ausgleich in Freizeit oder in Geld zu gewähren. Beide Ausgleichsarten dienen dem Gesundheitsschutz; der Freizeitausgleich unmittelbar, der Geldausgleich (sowohl in Form höheren Entgelts sowie auch als gesonderter Nachtarbeitszuschlag) mittelbar. Er soll die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verteuern und Nachtarbeit dadurch für den Arbeitgeber weniger attraktiv machen mit dem Ziel, diese Form der Arbeit einzudämmen (so zutreffend -weitgehend wörtlich- Dau, jurisPR-SozR 3/2010 Anmerkung 1 unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes).
Soweit mit der Nachtarbeit also keine konkreten Aufwendungen verbunden sind (beispielsweise die Notwendigkeit, mit dem Taxi zur Arbeitsstelle zu gelangen), stellen Zuschläge für Nachtarbeit anzurechnendes Einkommen dar.
Ein Abzug für Werbungskosten (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II) als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe, scheidet im vorliegenden Fall aus. Der Kläger hatte keine konkreten Mehrausgaben geltend gemacht. Er musste nicht mehr essen, weil er nachts gearbeitet hat und war auch nicht gezwungen, Imbisse aufzusuchen. Welche Anforderungen an den Nachweise solcher Ausgaben zu stellen wäre, kann also dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen. Die Frage der Behandlung steuerfreier Zuschläge für Nachtarbeit hat grundsätzliche Bedeutung.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anrechenbarkeit eines steuerfreien Zuschlages für Nachtarbeit auf das Einkommen aus Erwerbstätigkeit des Klägers zu 2).
Die Kläger beziehen vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II). Für ihre Genossenschaftswohnung hatten sie für den Monat März 2007 496,07 EUR aufzubringen (319,43 EUR zzgl. 108,13 EUR Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten sowie 68,51 EUR Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser).
Der Kläger zu 2) (nachfolgend nur noch "der Kläger") arbeitet seit 19.02.2007 als Wach- und Kontrollkraft. Im Arbeitsvertrag vom 14.02.2007 ist in § 6 Nr. 1 Satz 1 ein Stundengrundlohn von 5,37 EUR vereinbart. Nach Satz 2 ist des Weiteren eine Zulage für Arbeit zur Nachtzeit (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) sowie an Sonntagen von 20 % sowie an Feiertagen in Höhe von 50 % des Stundengrundlohns vereinbart. Das Gehalt für den Monat Februar 2007 ging dem Kläger im März 2007 zu. Ausweislich der Gehaltsabrechnung setzte sich der Bruttolohn aus einem Grundlohn in Höhe von 579,96 EUR und einem steuerfreien Nachtzuschlag in Höhe von 45,11 EUR zusammen.
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit (Änderungs-)Bescheid vom 22.03.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Februar und März 2007. Für März 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) (nachfolgend nur noch "die Klägerin") als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes 274,39 EUR sowie dem Kläger 230,68 EUR, ferner für Kosten der Unterkunft und Heizung der Klägerin 242,15 EUR sowie dem Kläger 242,18 EUR und schließlich der Klägerin einen befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld von 60,00 EUR, zusammen 1.049,40 EUR (GA Bl. 3 ff).
Die Kläger erhoben Widerspruch (Eingang 30.03.2007). Der Zuschlag für Nachtarbeit sei anrechnungsfrei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit ihrer am 19.10.2007 beim Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Klage haben die Kläger ihr Begehren weiter verfolgt. Sie sind der Ansicht, dass der steuerfreie Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 45,11 EUR nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei.
Das SG hat mit Urteil vom 18.08.2009 den Beklagten unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 22.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2007 verurteilt, den Klägern Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines Bruttoeinkommens des Klägers von 579,96 EUR für den Zeitraum vom 01.03.2007 bis 31.03.2007 zu gewähren. Die gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage sei begründet. Zur Feststellung des anzurechnenden zu berücksichtigenden Einkommens des Klägers zu 2) nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sei nicht von einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 625,07 EUR auszugehen. In diesem Betrag seien Einnahmen in Höhe von 45,11 EUR enthalten, die zweckbestimmte Einnahmen im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II seien. Es handele sich laut Gehaltsabrechnung nämlich um einen steuerfreien Zuschlag für Nachtarbeit, eine nach § 3 b Einkommenssteuergesetz (EStG) nicht steuerpflichtige Aufwandsentschädigung (Bezugnahme auf LSG Thüringen, Beschluss vom 08.03.2005 -L 7 AS 112/05 ER, SG Lüneburg, Urteil vom 25.10.2007-S 28 AS 1055/07, Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, K § 11 Rz. 231; Brühl in LPG-SGB II § 11 Rdnr. 54).
Gegen dieses Urteil hat sich zunächst die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten vom 24.09.2009 gerichtet. Der Rechtsache komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Frage, ob Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge als Einkommen heranzuziehen seien, streitig sei. Der Senat hat mit Beschluss vom 13.10.2009 die Berufung zugelassen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass steuerfrei geleistete Zuschläge grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen und nur bei tatsächlich erhöhten Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II in Abzug zu bringen seien.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18.08.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei unstreitig, dass Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit eine erhöhte psychische, physische und gesundheitliche Belastung darstelle. Sie würde deshalb und weil sie extrem von den normalen Arbeitszeiten abwiche, vom Bundesarbeitszeitgesetz generell als Ausnahme betrachtet. Steuerfreie Zuschläge für solche Schichten seien deshalb kein zusätzliches Einkommen. Sie stellten vielmehr eine Aufwandsentschädigung für die ungesunde Schichtarbeit und deren mögliche negative Auswirkungen auf die Lebensqualität dar.
Auf die Bitte des Senates mitzuteilen, ob tatsächlich konkreter Verpflegungsmehrbedarf und/oder andere Werbungskosten im Zusammenhang mit der Nachtarbeit angefallen seien, haben sie mitgeteilt, die tägliche Arbeitszeit im Bewachungs- und Sicherheitsbereich betrage 12 Stunden. Das bedeute, dass bei Nachtarbeit z. B. mehr Mahlzeiten anfielen und auch der Getränkeverbrauch höher liege als an freien Tagen. Einen gesonderten Beleg hierfür gebe es nicht. Außerdem könne es an Sonn- und Feiertagen vorkommen, dass die Pausenversorgung auch mal an einem Imbissstand erfolgen müsse. Auch andere Aufwandsentschädigungen seien anrechnungsfrei, beispielsweise für Blutspender oder auch Schmerzensgeld.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Die Klage ist abzuweisen.
Der Beklagte hat die streitigen 45,17 EUR zu Recht als zu berücksichtigendes Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II angesehen.
Der steuerfreie Zuschlag für Nachtarbeit, den der Kläger von seinem Arbeitgeber erhalten hat, stellt keine zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II dar, auch wenn diese steuerfrei nach § 3 b EStG ist.
Der Senat folgt nicht der vom SG in seinem Urteil vertretenen und belegten Auffassung, wonach es sich bei den Zuschlägen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit um eine (pauschalierte) Mehraufwandsentschädigung handele, wie dies das Bundessozialgericht (BSG) in einem obiter dictum (also einem die Entscheidung nicht tragenden Begründungssatz) zu § 138 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz angenommen hat (BSG, Urteil vom 21.03.1990 -7 RAr 86/87-SozR 3-4100 § 138 Nr. 2 mit Bezugnahme auf Urteil vom 21.08.1962 -11 RV 1056/60- SozR Nr. 18 zu § 33 BVG).
Grund für die steuerliche Privilegierung ist nicht die Anerkennung pauschalierter Werbungskosten, die im Zusammenhang mit Nacht- oder Feiertagsarbeit anfallen. Bei § 3 b Abs. 1 EStG handelt es sich vielmehr um eine Subvention (vgl. 22. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2007 bis 2010). Der 22. Subventionsbericht der Bundesregierung nennt als Ziel der Steuerbefreiung durch § 3b EStG, dass Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich nicht nur unvermeidbar sei, sondern dass an ihr ein Allgemeininteresse bestehe. Seit das Bundesverfassungsgericht u. a. in Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Nervosität, Reizbarkeit und verminderter Leistungsfähigkeit gesundheitsschädliche Auswirkungen von Nachtarbeit erkannt und dem Gesetzgeber aufgegeben hat, den Schutz der Arbeitnehmer vor diesen Folgen (neu) zu regeln (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28.01.1992 -1 BvR 1025/82 u. a.), verpflichtet § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz den Arbeitgeber -sofern tarifvertragliche Regelungen fehlen- dem Nachtarbeitnehmer für die Dauer der Nachtarbeitszeit geleistete Arbeitsstunden einen Ausgleich in Freizeit oder in Geld zu gewähren. Beide Ausgleichsarten dienen dem Gesundheitsschutz; der Freizeitausgleich unmittelbar, der Geldausgleich (sowohl in Form höheren Entgelts sowie auch als gesonderter Nachtarbeitszuschlag) mittelbar. Er soll die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verteuern und Nachtarbeit dadurch für den Arbeitgeber weniger attraktiv machen mit dem Ziel, diese Form der Arbeit einzudämmen (so zutreffend -weitgehend wörtlich- Dau, jurisPR-SozR 3/2010 Anmerkung 1 unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes).
Soweit mit der Nachtarbeit also keine konkreten Aufwendungen verbunden sind (beispielsweise die Notwendigkeit, mit dem Taxi zur Arbeitsstelle zu gelangen), stellen Zuschläge für Nachtarbeit anzurechnendes Einkommen dar.
Ein Abzug für Werbungskosten (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II) als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe, scheidet im vorliegenden Fall aus. Der Kläger hatte keine konkreten Mehrausgaben geltend gemacht. Er musste nicht mehr essen, weil er nachts gearbeitet hat und war auch nicht gezwungen, Imbisse aufzusuchen. Welche Anforderungen an den Nachweise solcher Ausgaben zu stellen wäre, kann also dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen. Die Frage der Behandlung steuerfreier Zuschläge für Nachtarbeit hat grundsätzliche Bedeutung.
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