Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
128
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 128 AS 14550/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 3. Mai 2010 bis zum 31. August 2010, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 16. April 2010, monatlich 133,- EUR (für Mai 2010 anteilig) zu gewähren.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 20 Prozent von dessen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.
Der 1954 geborene Antragsteller bewohnt mit der 1955 geborenen M K (K.) eine rund 72,5 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche, Diele und Bad zu einer monatlichen Warmmiete von 480,83 EUR (Kaltmiete 313,01 EUR, Betriebskostenvorauszahlung 92,38 EUR, Heizkostenvorauszahlung 65,- EUR). Den Mietvertrag haben der Antragsteller und K. unterschrieben, das Mietverhältnis begann am 20. März 2000. K. ist berufstätig als Diätassistentin und erzielt ein monatliches Grundeinkommen von brutto 1.900,- EUR.
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Antragstellers beim Antragsgegner am 8. September 2005 bestätigte der Antragsteller unterschriftlich einen Vermerk, nach dem er bis vor sechs Monaten im Ausland gelebt habe und seit seiner Rückkehr nach Deutschland von seiner Partnerin finanziell unterstützt werde. Durch ihr geringes Einkommen sei ihr dies nun nicht mehr möglich. In einem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II erklärte er, mit K. seit 1975 in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Er bezeichnete K. im Zusatzblatt zur Feststellung der Unterkunftskosten als "Lebensgefährtin". Er gab an, K. beziehe Gehalt und übermittelte entsprechende Verdienstbescheinigungen. In einer Veränderungsmitteilung vom Oktober 2005 gab er als neue Bankverbindung die der K. an.
Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller und K. als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II. In einem Folgeantrag vom 10. Mai 2006 – unterschrieben am 15. Oktober 2006 von ihm und K. - gab er erneut an, mit K. in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Zwischenzeitlich hatte er am 4. Januar 2006 eine Beschäftigung aufgenommen. Sein Gehalt wurde ausweislich einer Verdienstbescheinigung für Januar 2006 nicht auf das Konto von K. überwiesen. Gleichwohl gab er im Antrag von Mai/Oktober 2006 als Konto für Leistungen nach dem SGB II immer noch das der K. an. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller und K. Leistungen für Juli und August 2006 und lehnte im Übrigen den Leistungsantrag wegen zu hohen Einkommens ab.
Am 6. August 2009 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Er gab nun nicht mehr an, mit K. in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Vielmehr lebe man in einer Wohngemeinschaft. Die Leistungen sollten auf sein Konto bei der D Bank überwiesen werden. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar 2010 ohne Berücksichtigung der K. als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft und ohne Anrechnung von deren Einkommen.
Am 3. Februar 2010 nahm der Ermittlungsdienst des Antragsgegners beim Antragsteller und K. einen Hausbesuch vor. Er stellte dabei fest: Auf einem Klingelschild befänden sich die Namen des Antragstellers und der K. Ein Zimmer mit Schlafcouch (einmal Bettwäsche), Schreibtisch, Couchtisch, Esstisch mit Stühlen, Regal und Fernseher sei nach Angabe des Antragstellers sein Zimmer. Schmutzwäsche des Antragstellers habe sich hier nicht befunden. Auf Nachfrage habe der Antragsteller erklärt, dass K. den Esstisch zur Nahrungsaufnahme mitbenutze. Ein zweites Zimmer mit Kleiderschrank, Doppelmatratze (einmal Bettwäsche), Wäschetrockner und Schmutzwäschebehälter werde von K. bewohnt. Im Kleiderschrank befinde sich auf der rechten Seite die Bekleidung von K., auf der linken Seite die des Antragstellers. Im Schmutzwäschebehälter werde die Kleidung von beiden aufbewahrt. Laut Antragsteller werde die Schmutzwäsche auch gemeinsam gewaschen. Im Zimmer der K. hätten sich kein Tisch, Stuhl, Radio oder Fernseher befunden. Im Bad sei keine Trennung der Kosmetikartikel ersichtlich. Auch in der Küche sei keine Trennung ersichtlich. Die Lebensmittel würden nach Angabe des Antragstellers im Wechsel von ihm und K. gekauft und nicht getrennt gelagert. Eine Abrechnung darüber, wer wie viel ausgegeben habe, sei ihm nicht möglich.
Am 28. Februar 2010 beantragte der Antragsteller die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II. Auf Anforderung des Antragsgegners übermittelte K. Verdienstbescheinigungen für die Monate September 2009 bis Januar 2010. Der Monatslohn wird K. stets im Folgemonat überwiesen. Der Januarlohn betrug - dies ist auch das Grundgehalt - brutto 1.900,- EUR, netto 1.252,51 EUR. Daneben wurden 227,40 EUR infolge einer Forderungsabtretung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, vgl. § 287 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) abgezogen, so dass der K. nur 1.025,11 EUR zuflossen. Der Lohn in den Folgemonaten und der Abzug infolge Forderungsabtretung variierte in den Folgemonaten.
Mit Bescheid vom 16. April 2010 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Er ging von einer Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers und K. und für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis zum 31. August 2010 von einem Bedarf von 907,45 (Regelleistungen 646,- EUR; Kosten für Unterkunft und Heizung 261,45 EUR) aus, der durch das Einkommen der K. – 1.251,51 EUR abzüglich 280,- EUR Freibetrag – gedeckt sei. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Am 3. Mai 2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner beantragt. Er und K. bildeten nur eine Haushalts- und Zweckgemeinschaft. Sie hätten nicht den Willen, füreinander einzustehen. Sie würden sich seit gut 20 Jahren kennen und hätten erkannt, dass eine Wohngemeinschaft auf Dauer für beide günstiger sei. Beide hätten ein eigenes Zimmer, welches von der jeweiligen Person vorwiegend genutzt werde, aber die Nutzung, zumindest hinsichtlich des Zimmers des Antragstellers, durch den jeweils anderen nicht ausschließe. Der Tisch im Wohnzimmer werde von beiden zum Essen genutzt, wobei aber auch die Nutzung des Tisches in der Küche bestünde, so dass jeder getrennt essen könnte. Die Schränke seien so aufgeteilt, dass jeder seinen Schrank für seinen persönlichen Bedarf habe. Die Fächer im gemeinsam genutzten Kühlschrank seien ebenfalls nach Personen aufgeteilt.
Der Antragsteller hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, nach der er zusätzlich erklärt, sein Zimmer diene auch als gemeinsames Wohnzimmer; den Tisch in seinem Zimmer benutze man in der Regel gemeinsam. Er habe keine finanziellen Mittel und sei mit der Miete zwei Monate im Rückstand. In einer weiteren eidesstattlichen Versicherung erklärt der Antragsteller, der Antrag 2005 sei von ihm unwissentlich akzeptiert worden, da man ihm erklärt habe, es liege eindeutig eine Bedarfsgemeinschaft vor. Die finanzielle Unterstützung durch K. sei mittels Darlehen erfolgt, das er in monatlichen Raten zurückgezahlt habe. Man habe getrennte Konten; über das Konto des jeweils anderen könne niemand verfügen.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er meint, der Antragsteller und K. lebten nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c SGB II in einer Bedarfsgemeinschaft. Bei ihnen greife die Vermutung nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 und 4 SGB II, denn sie lebten seit mehr als einem Jahr zusammen und der Antragsteller sei von K. finanziell unterstützt worden.
Die Kammer hat den Antragsteller im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2010 persönlich befragt und im selben Termin Beweis erhoben durch Vernehmung von K. als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Befragung und Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 20. Mai 2010.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
II.
Der Antrag, der nach verständiger Würdigung darauf gerichtet ist, Leistungen nach dem SGB II ab Antragseingang bei Gericht (Leistungen für die Vergangenheit können in der Regel – auch hier - nicht verlangt werden, vgl. Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 21. September 2009 – juris) ohne Anrechnung von Einkommen der K. zu erlangen, hat nur teilweise Erfolg. Dem Antragsteller stehen ab Antragseingang bis zum 31. August 2010 – nur bis zu diesem Zeitpunkt kann die Kammer mit Blick auf den durch den Ablehnungsbescheid vom 16. April 2010 vorgezeichneten Regelungsgegenstand entscheiden – Leistungen nach dem SGB II zu.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 ff.). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sich ihr Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Bei der erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist im Bereich der Leistungen nach des SGB II die Erfolgsaussicht der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803-808). Ist dem Gericht allerdings im Eilverfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so muss anhand der Folgenabwägung entschieden werden. Hierbei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers einzubeziehen.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der zulässige Antrag nur teilweise begründet. Der Antragsteller hat Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund teilweise glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, die das 15., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige).
Problematisch ist hier allein die Frage, ob der Antragsteller hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Vorliegend muss sich der Antragsteller das Einkommen von K. auf seinen Bedarf anrechnen lassen. Denn gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Der Antragsteller und K. bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Er und K. leben so in einem gemeinsamen Haushalt zusammen, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c SGB II). Von dem Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ist hier aufgrund der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II auszugehen.
Die Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) mit Wirkung vom 1. August 2006 in das SGB II eingefügt. Sie ordnet an, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, insbesondere dann vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II). Diese Vermutung ist eine gesetzliche Tatsachenvermutung, die im Ergebnis eine Beweislastumkehr bewirkt (BT-Drucks. 16/1410, S. 19). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II vor, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Denn der Arbeitsuchende muss dann den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG in Verbindung mit § 292 ZPO). Will der Arbeitsuchende die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen oder aber andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2009 - L 7 B 141/09 AS ER - juris). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzt dies die entsprechende Glaubhaftmachung (anstatt Vollbeweis) voraus.
Der Antragsteller und K. leben unstreitig seit mindestens März 2000 und damit länger als ein Jahr zusammen, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGG erfüllt sind.
Der Vortrag des Antragstellers ist nicht geeignet, die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung zu widerlegen. Der Antragsteller hat andere Hinweistatsachen, welche die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung entkräften, dass bei ihm und K. der wechselseitige Wille vorhanden ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, nicht schlüssig vorgetragen und nicht glaubhaft gemacht.
Ist dem Antragsteller eine entsprechende Glaubhaftmachung schon schriftlich nicht gelungen, so haben seine persönliche Befragung und die Vernehmung von K. im Gegenteil die gesetzliche Vermutung bestärkt. Insgesamt sprechen neben der gesetzlichen Vermutungsregelung noch weitere Tatsachen für einen wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
Dabei ist vorab festzuhalten, dass nach dem Eindruck der Kammer die Angaben des Antragstellers und K. nur eingeschränkt glaubhaft waren und beide – insbesondere der Antragsteller – wenig glaubwürdig waren. Zu den Tatsachen, die auf eine eheähnliche Gemeinschaft hindeuten im Einzelnen:
Der Antragsteller und K. waren einmal ein Paar. Diesen Umstand hat der Antragsteller schriftsätzlich nicht vorgetragen. Er ist aber in der mündlichen Verhandlung von ihm und K. übereinstimmend bestätigt worden. Beide haben aber zu Beginn und angeblichem Ende ihrer Beziehung widersprüchliche und insgesamt wenig glaubhafte Angaben gemacht. Der Antragsteller hat spontan angegeben, man kenne sich seit gut 20 Jahren. K. hat auch spontan bekundet, man kenne sich seit über 20 Jahren. Auf Vorhalt des Gerichts, der Antragsteller habe schriftlich im Antrag vom 8. September 2005 erklärt, man lebe seit 1975 in eheähnlicher Gemeinschaft, hat der Antragsteller wenig belastbare Einlassungen gemacht. K. hat auf entsprechenden Vorhalt nur auf – unzulässige – Intervention des Antragstellers den Kennenszeitraum auf ca. 30 Jahre "verlängert". Noch schwerer wiegt aber, dass der Antragsteller und K. zum angeblichen Ende ihrer Beziehung bereits zeitlich völlig unterschiedliche Angaben gemacht haben. Der Antragsteller hat hierfür als Zeitpunkt die Mitte der 80er Jahre bezeichnet, K. dagegen das Ende der 90er Jahre. Auch die Umstände der vermeintlichen Trennung konnten beide nicht widerspruchsfrei darlegen. Zwar haben beide übereinstimmend erklärt, K. sei aus der gemeinsamen Wohnung aus- und in eine Wohnung in der P straße in B-C eingezogen. Während der Antragsteller hierzu angegeben hat, dass auch dies etwa Mitte der 80er Jahre passiert sei, hat K. bekundet, Anfang der 90er Jahre ausgezogen und später zurückgekehrt zu sein, wobei man dann bis Ende der 90er Jahre ein Paar gewesen sei. Der Antragsteller hat demgegenüber die Rückkehr der K. auf 1987/1988 datiert und eindeutig erklärt, man sei trotzdem kein Paar mehr gewesen, vielmehr habe die Rückkehr der K. ihren Grund allein in der mittlerweile aufgenommenen gemeinsamen Selbständigkeit gehabt. Diese widersprüchlichen Angaben sind auch nicht mit – angesichts des Zeitablaufs grundsätzlich verständlichen - Gedächtnislücken zu erklären. Denn im gemeinsamen Lebensweg des Antragstellers und der K. gab es einige herausragende Ereignisse - insbesondere die Aufnahme einer gemeinsamen selbständigen Tätigkeit und gemeinsame Insolvenz -, dass es ihnen wenigstens möglich sein müsste, eine vermeintliche Trennung und den Auszug der K. in die P straße in den richtigen zeitlichen Kontext einzuordnen. Nach Angabe des Antragstellers haben er und K. sich aber bereits vor ihrer Selbständigkeit getrennt, während die Trennung nach Aussage der K. gegen Ende der Selbständigkeit und wohl bereits im Rahmen der Insolvenz erfolgt sein soll. Nach Angabe des Antragstellers ist K. vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in die P straße gezogen, nach Angabe der K. war dies während der Ausübung der selbständigen Tätigkeit der Fall.
Der Antragsteller und K. sind im März 2000 aus einer gemeinsamen in die jetzige Wohnung umgezogen. Dabei deuten die Gesamtumstände hierzu recht eindeutig auf das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft hin. Denn es ist – wenn auch natürlich nicht undenkbar – so doch wenigstens nicht üblich, dass man nach Konkurs im Jahre 1996 oder Ende der 90er Jahre, dann Wohnungsverlust infolge Zwangsräumung 1999 (übrigens einer der ganz wenigen Punkte, in denen sich Antragsteller und K. nicht widersprochen haben) und gemeinsamem beengten Leben bei Freunden trotz Ende der Beziehung eine gemeinsame Wohnung sucht, die ersichtlich nicht für die Führung von zwei Haushalten geeignet ist.
Der Antragsteller hat anlässlich seiner Antragstellung im September 2005 K. mehrfach als Partnerin oder Lebensgefährtin bezeichnet; er hat hier – anders als im aktuellen Antrag – seinen Wohnflächenanteil mit 100 Prozent angegeben. Er und im Übrigen auch K. haben sich anlässlich der Antragstellung am 15. Oktober 2006 als in "eheähnliche[r] Gemeinschaft" lebend bezeichnet. Die hierzu vom Antragsteller vorgetragenen Einwände, er sei leichtfertig gewesen und auch der Antragsservice "Bequit", dessen er sich bedient habe, sei etwas leichtfertig gewesen, ist in Anbetracht der eindeutigen Erklärungen des Antragstellers in den Antragsformularen bestenfalls dürftig.
Der Antragsteller hat im Oktober 2005 die Bankverbindung von K. als Konto für den Leistungsbezug angegeben. Hierbei handelte es sich auch nicht nur um eine kurzzeitige Übergangslösung, denn auch anlässlich der Antragstellung am 15. Oktober 2006 hat er diese Bankverbindung angegeben und zwar obwohl ein seit Januar 2006 bezogener Lohn auf ein anderes Konto, angeblich das seines Bruders, floss. Warum der Antragsteller für den Leistungsbezug nach dem SGB II das Konto von K. angab, andererseits aber das Konto von seinem Bruder genutzt haben will, vermochte er nicht zu erklären.
Die räumlichen Verhältnisse deuten überhaupt nicht auf das bloße Vorliegen einer Wohngemeinschaft hin. Der vom Antragsteller als sein Zimmer bezeichnete Raum hat ganz offenkundig den Charakter eines Wohn- und Esszimmers, der Raum der K. den eines Schlafzimmers. Auch isst man gemeinsam am Tisch im Wohnzimmer, obgleich man nach Angabe des Antragstellers auch getrennt essen könnte. Auch die weiteren Umstände des gemeinsamen Zusammenlebens deuten auf eine eheähnliche Gemeinschaft hin. Wenn gekocht wird, kocht nach seinen Angaben zumeist der Antragsteller für beide. K. hingegen wäscht und bügelt sowohl ihre als auch die Wäsche des Antragstellers. Beim gemeinsamen Einkauf zeigt sich, dass beide auch aus "einem Topf" wirtschaften. Allerdings sind auch hierzu die Angaben widersprüchlich. Der Antragsteller hat anlässlich seiner Befragung zunächst eindeutig erklärt, man zahle in "einen Topf" einen jeweils gleichen Betrag ein, aus dem dann eingekauft werde. Er hat erst nach der komplett abweichenden Zeugenaussage der K. seinen Vortrag korrigiert und mitgeteilt, er sei – auch hier – falsch verstanden worden. Jeder kaufe ein und man achte darauf - allerdings ohne dass ein Haushaltsbuch geführt wird -, dass am Monatsende beide in etwa die gleichen Ausgaben haben. K. hat erklärt, jeder kaufe zwar von seinem Geld ein. Der jeweils andere könne sich aber von den eingekauften Lebensmitteln bedienen. Bei dieser Sachlage ist es dem Antragsteller auch insoweit nicht gelungen, die gesetzliche Vermutensregelung durch glaubhafte Einlassungen zu widerlegen. Vielmehr deutet jede der widersprüchlichen Angaben auf ein Wirtschaften aus einem Topf hin. Dies wird auch nicht durch die vermeintliche Trennung der Lebensmittel im Kühlschrank widerlegt. Offenbar ist der Antragsteller "Fleischesser" und K. Vegetarierin mit einer Vorliebe für Käseprodukte. Insoweit hängt hier die getrennte Lagerung entsprechender Lebensmittel nicht so sehr mit einem getrennten Wirtschaften, sondern mehr mit den unterschiedlichen Essensvorlieben zusammen.
Dass gemeinschaftliche Freizeitaktivitäten wohl er selten sind, spricht hier nicht gegen das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Allerdings gehen der Antragsteller und K. auch mal zusammen spazieren und war K. in diesem Jahr zusammen mit dem Antragsteller im Sauerland bei dessen Mutter zu deren 84. Geburtstag. Der Antragsteller hat die wenigen Freizeitaktivitäten eher mit den Arbeitszeiten der K., die regelmäßiges Frühaufstehen erfordern, und mit dem davon abweichenden eigenen Lebensrhythmus – er arbeite selten vor neun Uhr – begründet. Diese Probleme können aber auch in einer Ehe auftreten und vermögen keine grundlegenden Anhaltspunkte gegen das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zu liefern. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang erklärt hat, man könne sich ungeachtet der beengten Wohnverhältnisse aufgrund der Arbeitszeiten der K. "gut aus dem Weg gehen", überzeugt dies nur bedingt. Denn K. arbeitet nach eigenem Bekunden von halb sechs bis 14 Uhr, wobei sie aufgrund ihrer Leitungsfunktion selten vor 15 Uhr ihren Arbeitsplatz verlassen kann. Nur selten hat sie Dienst bis 17 oder 18 Uhr. Selbst wenn die Kammer großzügig eine Stunde Fahrzeit zum und vom Arbeitsplatz einkalkulierte, wäre K. jedenfalls, soweit sie nicht ohnehin frei hat, regelmäßig spätestens um vier Uhr zu Hause.
Bei der Vielzahl der für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft sprechenden Gesichtspunkte und in Anbetracht der gesetzlichen Vermutung fallen die für den Antragsteller sprechenden Gesichtspunkte – namentlich die Tatsache, dass K. die Miete von ihrem Konto überweist, aber der Antragsteller ihr zum Monatsanfang die auf ihn entfallende Miete wohl in bar anteilig übergibt – nicht entscheidend ins Gewicht.
Ist das Einkommen der K. demnach grundsätzlich auf den Bedarf des Antragstellers anrechenbar, so ist er entgegen der Annahme des Antragsgegners gleichwohl hilfebedürftig.
Den Bedarf hat der Antragsgegner unzutreffend mit 907,45 EUR beziffert. Denn die Mietaufwendungen betragen warm 415,83 EUR zzgl. Heizkosten in Höhe von 65,- EUR. Über die Angemessenheit dieser Aufwendungen muss die Kammer hier nicht entscheiden, weil ein Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht eingeleitet worden ist und der Antragsteller daher um eine etwaige Obliegenheit zur Verringerung der Kosten der Unterkunft nicht wissen konnte. Auf den Bedarf von 1.115,19 EUR (Regelleistung 646,- EUR zzgl. 480,83 EUR abzüglich Kosten für Warmwasserbereitung zwei Mal 5,82 EUR, vgl. zu den Absetzungen für Warmwasser Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 8/09 R - ZFSH/SGB 2010, 59-62) ist das Einkommen der K. anzurechnen. Der auf den Antragsteller entfallende Bedarf beläuft sich auf 557,60 EUR.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen mit Ausnahmen der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Das Einkommen ist nach Maßgabe der § 11 Abs. 2, § 30 SGB II um Freibeträge zu bereinigen.
K. erzielt grundsätzlich einen Bruttolohn von 1.900,-. Der Nettolohn beläuft sich ausgehend von der Januarabrechnung auf 1.252,51 EUR. Die Freibeträge sind im höchstmöglichen Umfang von 280,- EUR abzusetzen. Ausgezahlt wurden K. aber nur 1.025,11 EUR. Denn ein Betrag von 227,40 EUR wurde infolge Abtretung im Verbraucherinsolvenzverfahren nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 InsO abgezogen. Dieser Betrag ist ihr also gar nicht erst zugeflossen.
Die Kammer berücksichtigt das Einkommen der K. als tatsächlich zufließendes Einkommen nur in Höhe des Betrages, der nicht an den Treuhänder nach § 287 Abs. 2 InsO abgetreten ist. Denn als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II sind nur diejenigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, die jemandem "zufließen". Dabei spielt es keine Rolle, ob der Zufluss dieser Mittel beansprucht werden kann. Es kommt nur darauf an, ob die Mittel tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhalts eingesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung bislang ungeklärt, ob und inwieweit gepfändetes oder abgetretenes Einkommen tatsächlich zur Verfügung steht oder ob es jedenfalls dann nicht berücksichtigt werden kann, wenn die Abwehr der Pfändung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder allenfalls im Wege eines langwierigen Rechtsmittelverfahrens möglich ist. Das BSG hat im Urteil vom 19. September 2008 (B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 18) ausdrücklich offen gelassen, ob die Vorschrift des § 11 Abs. 2 SGB II für den Bereich des SGB II abschließend ist, oder ob aus anderen Gründen bestehende und titulierte Ansprüche oder gepfändete oder auf andere Weise zur Disposition bezogene Einkommensteile das zu berücksichtigende Einkommen mindern. Das Bayerische LSG meint, ohne dass es dies indes abschließend klären musste, es spreche Vieles dafür, den gepfändeten Einkommensbetrag weiterhin nach dem Grundsatz in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen, um den unberechtigten Bezug von steuerfinanzierten Leistungen zu verhindern; dies nicht zuletzt, nachdem durch die mit der Pfändung einhergehenden Schuldentilgung insgesamt das Vermögen eines Schuldners sich zu seinem Gunsten verändert (Urteil vom 28. Januar 2010 - L 7 KG 8/08 - juris; Revision hiergegen anhängig unter B 14 KG 1/10 R). Das SG Stuttgart ist demgegenüber der Ansicht, im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändetes Arbeitseinkommen stehe nicht im Sinne des Einkommensbegriffs des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zur Verfügung und sei damit in Höhe der vorgenommenen Pfändung nicht anzurechnen (Urteil vom 26. Juni 2006 - S 3 AS 1088/05 - juris).
Die Entschuldung zahlungsunfähiger natürlicher Personen durch das Verfahren der Restschuldbefreiung nach der InsO ist ein zentrales sozialpolitisches Anliegen der Reform des Insolvenzrechts. Eine Restschuldbefreiung ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn neben dem noch verfügbaren Vermögen das pfändbare Einkommen eingesetzt und der Erlös in einem geordneten Verfahren an die Gläubiger verteilt wird. Die Abtretung des pfändbaren Einkommens an den Treuhänder soll dem insolventen Schuldner vor Augen führen, dass er Restschuldbefreiung nur erlangen kann, wenn er sich für die Wohlverhaltensphase mit dem unpfändbaren Teil seines Einkommens begnügt. Im Regelfall kommt es dabei nicht zu Verwerfungen mit sozialrechtlichen Bestimmungen, denn der unpfändbare Teil des Einkommens verbleibt dem Schuldner und dies gewährleistet, dass durch die Abtretungen in der Wohlverhaltensphase keine Sozialhilfebedürftigkeit eintritt. Wo jedoch im SGB II der Einsatz des Einkommens zugunsten von Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gefordert ist, gegenüber denen Unterhaltspflichten nicht bestehen, gibt § 850f Abs. 1 ZPO, der an Unterhaltspflichten anknüpft, keine Möglichkeit zur entsprechenden Anpassung. Dieser Wertungswiderspruch muss aus Sicht der Kammer durch entsprechende Auslegung des Einkommensbegriffs aufgelöst werden. Das Einkommen ist daher um die nach § 287 InsO abgetretenen Forderungen zu vermindern. Ob auch Pfändungen und Abtretungen aufgrund anderer Sachverhalte in diesem Sinne zu behandeln sind, kann offen bleiben (vgl. zu Vorstehendem LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. April 2008 - L 28 B 1452/07 AS ER - juris).
Ausgehend vom anrechenbaren Januareinkommen von 797,71 nimmt die Kammer indes einen "Sicherheitsaufschlag" auf 850,- EUR vor. Dies ist hier gerechtfertigt, denn der Lohn von K. ist, dies zeigen die vorliegenden Abrechnungen, unterschiedlich hoch und nicht selten höher als 1.900,- EUR brutto. Entsprechendes gilt für die Abzüge infolge Abtretung. Dies und die Tatsache, dass hier eine vorläufige Regelung zu treffen ist und Überzahlungen an den Antragsteller möglichst verhindert werden sollen, rechtfertigen den hier angenommenen Anrechnungsbetrag.
Das zugrunde zu legende Einkommen von 850,- EUR ist hälftig (425,- EUR) auf den Bedarf des Antragstellers von 557,60 anzurechnen. Leistungen stehen ihm damit im Umfang von 132,60 EUR zu. Der Betrag ist entsprechend § 41 Abs. 2 SGB II auf 133,- EUR monatlich zu runden.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn er hat hinreichend - durch Kontoauszüge belegt - dargelegt, über keine finanziellen Mittel zu verfügen. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, mithin der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - a. a. O.). Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung bliebe das Existenzminimum des Antragstellers hier für einen nennenswerten Zeitraum teilweise ungedeckt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für den Antragsteller wird auf nachfolgende Rechtsmittelbelehrung Bezug genommen. Für den Antragsgegner ist die Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, weil der Beschwerdewert weniger als 750,- EUR beträgt.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 20 Prozent von dessen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.
Der 1954 geborene Antragsteller bewohnt mit der 1955 geborenen M K (K.) eine rund 72,5 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche, Diele und Bad zu einer monatlichen Warmmiete von 480,83 EUR (Kaltmiete 313,01 EUR, Betriebskostenvorauszahlung 92,38 EUR, Heizkostenvorauszahlung 65,- EUR). Den Mietvertrag haben der Antragsteller und K. unterschrieben, das Mietverhältnis begann am 20. März 2000. K. ist berufstätig als Diätassistentin und erzielt ein monatliches Grundeinkommen von brutto 1.900,- EUR.
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Antragstellers beim Antragsgegner am 8. September 2005 bestätigte der Antragsteller unterschriftlich einen Vermerk, nach dem er bis vor sechs Monaten im Ausland gelebt habe und seit seiner Rückkehr nach Deutschland von seiner Partnerin finanziell unterstützt werde. Durch ihr geringes Einkommen sei ihr dies nun nicht mehr möglich. In einem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II erklärte er, mit K. seit 1975 in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Er bezeichnete K. im Zusatzblatt zur Feststellung der Unterkunftskosten als "Lebensgefährtin". Er gab an, K. beziehe Gehalt und übermittelte entsprechende Verdienstbescheinigungen. In einer Veränderungsmitteilung vom Oktober 2005 gab er als neue Bankverbindung die der K. an.
Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller und K. als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II. In einem Folgeantrag vom 10. Mai 2006 – unterschrieben am 15. Oktober 2006 von ihm und K. - gab er erneut an, mit K. in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Zwischenzeitlich hatte er am 4. Januar 2006 eine Beschäftigung aufgenommen. Sein Gehalt wurde ausweislich einer Verdienstbescheinigung für Januar 2006 nicht auf das Konto von K. überwiesen. Gleichwohl gab er im Antrag von Mai/Oktober 2006 als Konto für Leistungen nach dem SGB II immer noch das der K. an. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller und K. Leistungen für Juli und August 2006 und lehnte im Übrigen den Leistungsantrag wegen zu hohen Einkommens ab.
Am 6. August 2009 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Er gab nun nicht mehr an, mit K. in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Vielmehr lebe man in einer Wohngemeinschaft. Die Leistungen sollten auf sein Konto bei der D Bank überwiesen werden. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar 2010 ohne Berücksichtigung der K. als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft und ohne Anrechnung von deren Einkommen.
Am 3. Februar 2010 nahm der Ermittlungsdienst des Antragsgegners beim Antragsteller und K. einen Hausbesuch vor. Er stellte dabei fest: Auf einem Klingelschild befänden sich die Namen des Antragstellers und der K. Ein Zimmer mit Schlafcouch (einmal Bettwäsche), Schreibtisch, Couchtisch, Esstisch mit Stühlen, Regal und Fernseher sei nach Angabe des Antragstellers sein Zimmer. Schmutzwäsche des Antragstellers habe sich hier nicht befunden. Auf Nachfrage habe der Antragsteller erklärt, dass K. den Esstisch zur Nahrungsaufnahme mitbenutze. Ein zweites Zimmer mit Kleiderschrank, Doppelmatratze (einmal Bettwäsche), Wäschetrockner und Schmutzwäschebehälter werde von K. bewohnt. Im Kleiderschrank befinde sich auf der rechten Seite die Bekleidung von K., auf der linken Seite die des Antragstellers. Im Schmutzwäschebehälter werde die Kleidung von beiden aufbewahrt. Laut Antragsteller werde die Schmutzwäsche auch gemeinsam gewaschen. Im Zimmer der K. hätten sich kein Tisch, Stuhl, Radio oder Fernseher befunden. Im Bad sei keine Trennung der Kosmetikartikel ersichtlich. Auch in der Küche sei keine Trennung ersichtlich. Die Lebensmittel würden nach Angabe des Antragstellers im Wechsel von ihm und K. gekauft und nicht getrennt gelagert. Eine Abrechnung darüber, wer wie viel ausgegeben habe, sei ihm nicht möglich.
Am 28. Februar 2010 beantragte der Antragsteller die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II. Auf Anforderung des Antragsgegners übermittelte K. Verdienstbescheinigungen für die Monate September 2009 bis Januar 2010. Der Monatslohn wird K. stets im Folgemonat überwiesen. Der Januarlohn betrug - dies ist auch das Grundgehalt - brutto 1.900,- EUR, netto 1.252,51 EUR. Daneben wurden 227,40 EUR infolge einer Forderungsabtretung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, vgl. § 287 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) abgezogen, so dass der K. nur 1.025,11 EUR zuflossen. Der Lohn in den Folgemonaten und der Abzug infolge Forderungsabtretung variierte in den Folgemonaten.
Mit Bescheid vom 16. April 2010 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Er ging von einer Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers und K. und für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis zum 31. August 2010 von einem Bedarf von 907,45 (Regelleistungen 646,- EUR; Kosten für Unterkunft und Heizung 261,45 EUR) aus, der durch das Einkommen der K. – 1.251,51 EUR abzüglich 280,- EUR Freibetrag – gedeckt sei. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Am 3. Mai 2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner beantragt. Er und K. bildeten nur eine Haushalts- und Zweckgemeinschaft. Sie hätten nicht den Willen, füreinander einzustehen. Sie würden sich seit gut 20 Jahren kennen und hätten erkannt, dass eine Wohngemeinschaft auf Dauer für beide günstiger sei. Beide hätten ein eigenes Zimmer, welches von der jeweiligen Person vorwiegend genutzt werde, aber die Nutzung, zumindest hinsichtlich des Zimmers des Antragstellers, durch den jeweils anderen nicht ausschließe. Der Tisch im Wohnzimmer werde von beiden zum Essen genutzt, wobei aber auch die Nutzung des Tisches in der Küche bestünde, so dass jeder getrennt essen könnte. Die Schränke seien so aufgeteilt, dass jeder seinen Schrank für seinen persönlichen Bedarf habe. Die Fächer im gemeinsam genutzten Kühlschrank seien ebenfalls nach Personen aufgeteilt.
Der Antragsteller hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, nach der er zusätzlich erklärt, sein Zimmer diene auch als gemeinsames Wohnzimmer; den Tisch in seinem Zimmer benutze man in der Regel gemeinsam. Er habe keine finanziellen Mittel und sei mit der Miete zwei Monate im Rückstand. In einer weiteren eidesstattlichen Versicherung erklärt der Antragsteller, der Antrag 2005 sei von ihm unwissentlich akzeptiert worden, da man ihm erklärt habe, es liege eindeutig eine Bedarfsgemeinschaft vor. Die finanzielle Unterstützung durch K. sei mittels Darlehen erfolgt, das er in monatlichen Raten zurückgezahlt habe. Man habe getrennte Konten; über das Konto des jeweils anderen könne niemand verfügen.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er meint, der Antragsteller und K. lebten nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c SGB II in einer Bedarfsgemeinschaft. Bei ihnen greife die Vermutung nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 und 4 SGB II, denn sie lebten seit mehr als einem Jahr zusammen und der Antragsteller sei von K. finanziell unterstützt worden.
Die Kammer hat den Antragsteller im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2010 persönlich befragt und im selben Termin Beweis erhoben durch Vernehmung von K. als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Befragung und Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 20. Mai 2010.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
II.
Der Antrag, der nach verständiger Würdigung darauf gerichtet ist, Leistungen nach dem SGB II ab Antragseingang bei Gericht (Leistungen für die Vergangenheit können in der Regel – auch hier - nicht verlangt werden, vgl. Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 21. September 2009 – juris) ohne Anrechnung von Einkommen der K. zu erlangen, hat nur teilweise Erfolg. Dem Antragsteller stehen ab Antragseingang bis zum 31. August 2010 – nur bis zu diesem Zeitpunkt kann die Kammer mit Blick auf den durch den Ablehnungsbescheid vom 16. April 2010 vorgezeichneten Regelungsgegenstand entscheiden – Leistungen nach dem SGB II zu.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 ff.). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sich ihr Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Bei der erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist im Bereich der Leistungen nach des SGB II die Erfolgsaussicht der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803-808). Ist dem Gericht allerdings im Eilverfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so muss anhand der Folgenabwägung entschieden werden. Hierbei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers einzubeziehen.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der zulässige Antrag nur teilweise begründet. Der Antragsteller hat Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund teilweise glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, die das 15., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige).
Problematisch ist hier allein die Frage, ob der Antragsteller hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Vorliegend muss sich der Antragsteller das Einkommen von K. auf seinen Bedarf anrechnen lassen. Denn gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Der Antragsteller und K. bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Er und K. leben so in einem gemeinsamen Haushalt zusammen, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c SGB II). Von dem Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ist hier aufgrund der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II auszugehen.
Die Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) mit Wirkung vom 1. August 2006 in das SGB II eingefügt. Sie ordnet an, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, insbesondere dann vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II). Diese Vermutung ist eine gesetzliche Tatsachenvermutung, die im Ergebnis eine Beweislastumkehr bewirkt (BT-Drucks. 16/1410, S. 19). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II vor, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Denn der Arbeitsuchende muss dann den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG in Verbindung mit § 292 ZPO). Will der Arbeitsuchende die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen oder aber andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2009 - L 7 B 141/09 AS ER - juris). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzt dies die entsprechende Glaubhaftmachung (anstatt Vollbeweis) voraus.
Der Antragsteller und K. leben unstreitig seit mindestens März 2000 und damit länger als ein Jahr zusammen, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGG erfüllt sind.
Der Vortrag des Antragstellers ist nicht geeignet, die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung zu widerlegen. Der Antragsteller hat andere Hinweistatsachen, welche die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung entkräften, dass bei ihm und K. der wechselseitige Wille vorhanden ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, nicht schlüssig vorgetragen und nicht glaubhaft gemacht.
Ist dem Antragsteller eine entsprechende Glaubhaftmachung schon schriftlich nicht gelungen, so haben seine persönliche Befragung und die Vernehmung von K. im Gegenteil die gesetzliche Vermutung bestärkt. Insgesamt sprechen neben der gesetzlichen Vermutungsregelung noch weitere Tatsachen für einen wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
Dabei ist vorab festzuhalten, dass nach dem Eindruck der Kammer die Angaben des Antragstellers und K. nur eingeschränkt glaubhaft waren und beide – insbesondere der Antragsteller – wenig glaubwürdig waren. Zu den Tatsachen, die auf eine eheähnliche Gemeinschaft hindeuten im Einzelnen:
Der Antragsteller und K. waren einmal ein Paar. Diesen Umstand hat der Antragsteller schriftsätzlich nicht vorgetragen. Er ist aber in der mündlichen Verhandlung von ihm und K. übereinstimmend bestätigt worden. Beide haben aber zu Beginn und angeblichem Ende ihrer Beziehung widersprüchliche und insgesamt wenig glaubhafte Angaben gemacht. Der Antragsteller hat spontan angegeben, man kenne sich seit gut 20 Jahren. K. hat auch spontan bekundet, man kenne sich seit über 20 Jahren. Auf Vorhalt des Gerichts, der Antragsteller habe schriftlich im Antrag vom 8. September 2005 erklärt, man lebe seit 1975 in eheähnlicher Gemeinschaft, hat der Antragsteller wenig belastbare Einlassungen gemacht. K. hat auf entsprechenden Vorhalt nur auf – unzulässige – Intervention des Antragstellers den Kennenszeitraum auf ca. 30 Jahre "verlängert". Noch schwerer wiegt aber, dass der Antragsteller und K. zum angeblichen Ende ihrer Beziehung bereits zeitlich völlig unterschiedliche Angaben gemacht haben. Der Antragsteller hat hierfür als Zeitpunkt die Mitte der 80er Jahre bezeichnet, K. dagegen das Ende der 90er Jahre. Auch die Umstände der vermeintlichen Trennung konnten beide nicht widerspruchsfrei darlegen. Zwar haben beide übereinstimmend erklärt, K. sei aus der gemeinsamen Wohnung aus- und in eine Wohnung in der P straße in B-C eingezogen. Während der Antragsteller hierzu angegeben hat, dass auch dies etwa Mitte der 80er Jahre passiert sei, hat K. bekundet, Anfang der 90er Jahre ausgezogen und später zurückgekehrt zu sein, wobei man dann bis Ende der 90er Jahre ein Paar gewesen sei. Der Antragsteller hat demgegenüber die Rückkehr der K. auf 1987/1988 datiert und eindeutig erklärt, man sei trotzdem kein Paar mehr gewesen, vielmehr habe die Rückkehr der K. ihren Grund allein in der mittlerweile aufgenommenen gemeinsamen Selbständigkeit gehabt. Diese widersprüchlichen Angaben sind auch nicht mit – angesichts des Zeitablaufs grundsätzlich verständlichen - Gedächtnislücken zu erklären. Denn im gemeinsamen Lebensweg des Antragstellers und der K. gab es einige herausragende Ereignisse - insbesondere die Aufnahme einer gemeinsamen selbständigen Tätigkeit und gemeinsame Insolvenz -, dass es ihnen wenigstens möglich sein müsste, eine vermeintliche Trennung und den Auszug der K. in die P straße in den richtigen zeitlichen Kontext einzuordnen. Nach Angabe des Antragstellers haben er und K. sich aber bereits vor ihrer Selbständigkeit getrennt, während die Trennung nach Aussage der K. gegen Ende der Selbständigkeit und wohl bereits im Rahmen der Insolvenz erfolgt sein soll. Nach Angabe des Antragstellers ist K. vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in die P straße gezogen, nach Angabe der K. war dies während der Ausübung der selbständigen Tätigkeit der Fall.
Der Antragsteller und K. sind im März 2000 aus einer gemeinsamen in die jetzige Wohnung umgezogen. Dabei deuten die Gesamtumstände hierzu recht eindeutig auf das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft hin. Denn es ist – wenn auch natürlich nicht undenkbar – so doch wenigstens nicht üblich, dass man nach Konkurs im Jahre 1996 oder Ende der 90er Jahre, dann Wohnungsverlust infolge Zwangsräumung 1999 (übrigens einer der ganz wenigen Punkte, in denen sich Antragsteller und K. nicht widersprochen haben) und gemeinsamem beengten Leben bei Freunden trotz Ende der Beziehung eine gemeinsame Wohnung sucht, die ersichtlich nicht für die Führung von zwei Haushalten geeignet ist.
Der Antragsteller hat anlässlich seiner Antragstellung im September 2005 K. mehrfach als Partnerin oder Lebensgefährtin bezeichnet; er hat hier – anders als im aktuellen Antrag – seinen Wohnflächenanteil mit 100 Prozent angegeben. Er und im Übrigen auch K. haben sich anlässlich der Antragstellung am 15. Oktober 2006 als in "eheähnliche[r] Gemeinschaft" lebend bezeichnet. Die hierzu vom Antragsteller vorgetragenen Einwände, er sei leichtfertig gewesen und auch der Antragsservice "Bequit", dessen er sich bedient habe, sei etwas leichtfertig gewesen, ist in Anbetracht der eindeutigen Erklärungen des Antragstellers in den Antragsformularen bestenfalls dürftig.
Der Antragsteller hat im Oktober 2005 die Bankverbindung von K. als Konto für den Leistungsbezug angegeben. Hierbei handelte es sich auch nicht nur um eine kurzzeitige Übergangslösung, denn auch anlässlich der Antragstellung am 15. Oktober 2006 hat er diese Bankverbindung angegeben und zwar obwohl ein seit Januar 2006 bezogener Lohn auf ein anderes Konto, angeblich das seines Bruders, floss. Warum der Antragsteller für den Leistungsbezug nach dem SGB II das Konto von K. angab, andererseits aber das Konto von seinem Bruder genutzt haben will, vermochte er nicht zu erklären.
Die räumlichen Verhältnisse deuten überhaupt nicht auf das bloße Vorliegen einer Wohngemeinschaft hin. Der vom Antragsteller als sein Zimmer bezeichnete Raum hat ganz offenkundig den Charakter eines Wohn- und Esszimmers, der Raum der K. den eines Schlafzimmers. Auch isst man gemeinsam am Tisch im Wohnzimmer, obgleich man nach Angabe des Antragstellers auch getrennt essen könnte. Auch die weiteren Umstände des gemeinsamen Zusammenlebens deuten auf eine eheähnliche Gemeinschaft hin. Wenn gekocht wird, kocht nach seinen Angaben zumeist der Antragsteller für beide. K. hingegen wäscht und bügelt sowohl ihre als auch die Wäsche des Antragstellers. Beim gemeinsamen Einkauf zeigt sich, dass beide auch aus "einem Topf" wirtschaften. Allerdings sind auch hierzu die Angaben widersprüchlich. Der Antragsteller hat anlässlich seiner Befragung zunächst eindeutig erklärt, man zahle in "einen Topf" einen jeweils gleichen Betrag ein, aus dem dann eingekauft werde. Er hat erst nach der komplett abweichenden Zeugenaussage der K. seinen Vortrag korrigiert und mitgeteilt, er sei – auch hier – falsch verstanden worden. Jeder kaufe ein und man achte darauf - allerdings ohne dass ein Haushaltsbuch geführt wird -, dass am Monatsende beide in etwa die gleichen Ausgaben haben. K. hat erklärt, jeder kaufe zwar von seinem Geld ein. Der jeweils andere könne sich aber von den eingekauften Lebensmitteln bedienen. Bei dieser Sachlage ist es dem Antragsteller auch insoweit nicht gelungen, die gesetzliche Vermutensregelung durch glaubhafte Einlassungen zu widerlegen. Vielmehr deutet jede der widersprüchlichen Angaben auf ein Wirtschaften aus einem Topf hin. Dies wird auch nicht durch die vermeintliche Trennung der Lebensmittel im Kühlschrank widerlegt. Offenbar ist der Antragsteller "Fleischesser" und K. Vegetarierin mit einer Vorliebe für Käseprodukte. Insoweit hängt hier die getrennte Lagerung entsprechender Lebensmittel nicht so sehr mit einem getrennten Wirtschaften, sondern mehr mit den unterschiedlichen Essensvorlieben zusammen.
Dass gemeinschaftliche Freizeitaktivitäten wohl er selten sind, spricht hier nicht gegen das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Allerdings gehen der Antragsteller und K. auch mal zusammen spazieren und war K. in diesem Jahr zusammen mit dem Antragsteller im Sauerland bei dessen Mutter zu deren 84. Geburtstag. Der Antragsteller hat die wenigen Freizeitaktivitäten eher mit den Arbeitszeiten der K., die regelmäßiges Frühaufstehen erfordern, und mit dem davon abweichenden eigenen Lebensrhythmus – er arbeite selten vor neun Uhr – begründet. Diese Probleme können aber auch in einer Ehe auftreten und vermögen keine grundlegenden Anhaltspunkte gegen das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zu liefern. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang erklärt hat, man könne sich ungeachtet der beengten Wohnverhältnisse aufgrund der Arbeitszeiten der K. "gut aus dem Weg gehen", überzeugt dies nur bedingt. Denn K. arbeitet nach eigenem Bekunden von halb sechs bis 14 Uhr, wobei sie aufgrund ihrer Leitungsfunktion selten vor 15 Uhr ihren Arbeitsplatz verlassen kann. Nur selten hat sie Dienst bis 17 oder 18 Uhr. Selbst wenn die Kammer großzügig eine Stunde Fahrzeit zum und vom Arbeitsplatz einkalkulierte, wäre K. jedenfalls, soweit sie nicht ohnehin frei hat, regelmäßig spätestens um vier Uhr zu Hause.
Bei der Vielzahl der für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft sprechenden Gesichtspunkte und in Anbetracht der gesetzlichen Vermutung fallen die für den Antragsteller sprechenden Gesichtspunkte – namentlich die Tatsache, dass K. die Miete von ihrem Konto überweist, aber der Antragsteller ihr zum Monatsanfang die auf ihn entfallende Miete wohl in bar anteilig übergibt – nicht entscheidend ins Gewicht.
Ist das Einkommen der K. demnach grundsätzlich auf den Bedarf des Antragstellers anrechenbar, so ist er entgegen der Annahme des Antragsgegners gleichwohl hilfebedürftig.
Den Bedarf hat der Antragsgegner unzutreffend mit 907,45 EUR beziffert. Denn die Mietaufwendungen betragen warm 415,83 EUR zzgl. Heizkosten in Höhe von 65,- EUR. Über die Angemessenheit dieser Aufwendungen muss die Kammer hier nicht entscheiden, weil ein Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht eingeleitet worden ist und der Antragsteller daher um eine etwaige Obliegenheit zur Verringerung der Kosten der Unterkunft nicht wissen konnte. Auf den Bedarf von 1.115,19 EUR (Regelleistung 646,- EUR zzgl. 480,83 EUR abzüglich Kosten für Warmwasserbereitung zwei Mal 5,82 EUR, vgl. zu den Absetzungen für Warmwasser Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 8/09 R - ZFSH/SGB 2010, 59-62) ist das Einkommen der K. anzurechnen. Der auf den Antragsteller entfallende Bedarf beläuft sich auf 557,60 EUR.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen mit Ausnahmen der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Das Einkommen ist nach Maßgabe der § 11 Abs. 2, § 30 SGB II um Freibeträge zu bereinigen.
K. erzielt grundsätzlich einen Bruttolohn von 1.900,-. Der Nettolohn beläuft sich ausgehend von der Januarabrechnung auf 1.252,51 EUR. Die Freibeträge sind im höchstmöglichen Umfang von 280,- EUR abzusetzen. Ausgezahlt wurden K. aber nur 1.025,11 EUR. Denn ein Betrag von 227,40 EUR wurde infolge Abtretung im Verbraucherinsolvenzverfahren nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 InsO abgezogen. Dieser Betrag ist ihr also gar nicht erst zugeflossen.
Die Kammer berücksichtigt das Einkommen der K. als tatsächlich zufließendes Einkommen nur in Höhe des Betrages, der nicht an den Treuhänder nach § 287 Abs. 2 InsO abgetreten ist. Denn als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II sind nur diejenigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, die jemandem "zufließen". Dabei spielt es keine Rolle, ob der Zufluss dieser Mittel beansprucht werden kann. Es kommt nur darauf an, ob die Mittel tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhalts eingesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung bislang ungeklärt, ob und inwieweit gepfändetes oder abgetretenes Einkommen tatsächlich zur Verfügung steht oder ob es jedenfalls dann nicht berücksichtigt werden kann, wenn die Abwehr der Pfändung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder allenfalls im Wege eines langwierigen Rechtsmittelverfahrens möglich ist. Das BSG hat im Urteil vom 19. September 2008 (B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 18) ausdrücklich offen gelassen, ob die Vorschrift des § 11 Abs. 2 SGB II für den Bereich des SGB II abschließend ist, oder ob aus anderen Gründen bestehende und titulierte Ansprüche oder gepfändete oder auf andere Weise zur Disposition bezogene Einkommensteile das zu berücksichtigende Einkommen mindern. Das Bayerische LSG meint, ohne dass es dies indes abschließend klären musste, es spreche Vieles dafür, den gepfändeten Einkommensbetrag weiterhin nach dem Grundsatz in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen, um den unberechtigten Bezug von steuerfinanzierten Leistungen zu verhindern; dies nicht zuletzt, nachdem durch die mit der Pfändung einhergehenden Schuldentilgung insgesamt das Vermögen eines Schuldners sich zu seinem Gunsten verändert (Urteil vom 28. Januar 2010 - L 7 KG 8/08 - juris; Revision hiergegen anhängig unter B 14 KG 1/10 R). Das SG Stuttgart ist demgegenüber der Ansicht, im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändetes Arbeitseinkommen stehe nicht im Sinne des Einkommensbegriffs des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zur Verfügung und sei damit in Höhe der vorgenommenen Pfändung nicht anzurechnen (Urteil vom 26. Juni 2006 - S 3 AS 1088/05 - juris).
Die Entschuldung zahlungsunfähiger natürlicher Personen durch das Verfahren der Restschuldbefreiung nach der InsO ist ein zentrales sozialpolitisches Anliegen der Reform des Insolvenzrechts. Eine Restschuldbefreiung ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn neben dem noch verfügbaren Vermögen das pfändbare Einkommen eingesetzt und der Erlös in einem geordneten Verfahren an die Gläubiger verteilt wird. Die Abtretung des pfändbaren Einkommens an den Treuhänder soll dem insolventen Schuldner vor Augen führen, dass er Restschuldbefreiung nur erlangen kann, wenn er sich für die Wohlverhaltensphase mit dem unpfändbaren Teil seines Einkommens begnügt. Im Regelfall kommt es dabei nicht zu Verwerfungen mit sozialrechtlichen Bestimmungen, denn der unpfändbare Teil des Einkommens verbleibt dem Schuldner und dies gewährleistet, dass durch die Abtretungen in der Wohlverhaltensphase keine Sozialhilfebedürftigkeit eintritt. Wo jedoch im SGB II der Einsatz des Einkommens zugunsten von Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gefordert ist, gegenüber denen Unterhaltspflichten nicht bestehen, gibt § 850f Abs. 1 ZPO, der an Unterhaltspflichten anknüpft, keine Möglichkeit zur entsprechenden Anpassung. Dieser Wertungswiderspruch muss aus Sicht der Kammer durch entsprechende Auslegung des Einkommensbegriffs aufgelöst werden. Das Einkommen ist daher um die nach § 287 InsO abgetretenen Forderungen zu vermindern. Ob auch Pfändungen und Abtretungen aufgrund anderer Sachverhalte in diesem Sinne zu behandeln sind, kann offen bleiben (vgl. zu Vorstehendem LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. April 2008 - L 28 B 1452/07 AS ER - juris).
Ausgehend vom anrechenbaren Januareinkommen von 797,71 nimmt die Kammer indes einen "Sicherheitsaufschlag" auf 850,- EUR vor. Dies ist hier gerechtfertigt, denn der Lohn von K. ist, dies zeigen die vorliegenden Abrechnungen, unterschiedlich hoch und nicht selten höher als 1.900,- EUR brutto. Entsprechendes gilt für die Abzüge infolge Abtretung. Dies und die Tatsache, dass hier eine vorläufige Regelung zu treffen ist und Überzahlungen an den Antragsteller möglichst verhindert werden sollen, rechtfertigen den hier angenommenen Anrechnungsbetrag.
Das zugrunde zu legende Einkommen von 850,- EUR ist hälftig (425,- EUR) auf den Bedarf des Antragstellers von 557,60 anzurechnen. Leistungen stehen ihm damit im Umfang von 132,60 EUR zu. Der Betrag ist entsprechend § 41 Abs. 2 SGB II auf 133,- EUR monatlich zu runden.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn er hat hinreichend - durch Kontoauszüge belegt - dargelegt, über keine finanziellen Mittel zu verfügen. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, mithin der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - a. a. O.). Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung bliebe das Existenzminimum des Antragstellers hier für einen nennenswerten Zeitraum teilweise ungedeckt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für den Antragsteller wird auf nachfolgende Rechtsmittelbelehrung Bezug genommen. Für den Antragsgegner ist die Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, weil der Beschwerdewert weniger als 750,- EUR beträgt.
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