Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 31/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 40/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 99/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. zurückgewiesen.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.12.2009 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. bis 25. September 2008.
Mit Bescheid vom 10.04.2008 und Änderungsbescheid vom 29.08.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 1), seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2), und deren Tochter, der Klägerin zu 3), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.08.2008. Mit Schreiben vom 04.07.2008 übersandte sie den Klägern einen neuen Leistungsantrag und wies darauf hin, dass die Leistungsbewilligung zum 31. August ende. Leistungen könnten frühestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt werden. Um Leistungsunterbrechungen zu vermeiden, müsse der Weiterbewilligungsantrag rechtzeitig vor Ablauf des aktuellen Bewilligungsabschnitts gestellt werden.
Am 26.09.2008 ging ein Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung der SGB II-Leistungen bei der Beklagten ein. Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 29.09.2008 Leistungen für den Zeitraum vom 26.09.2008 bis 28.02.2009 (monatlich 1273,06 Euro; im Zeitraum 26.09. bis 30.09.2008: 212,17 Euro).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger zu 1) am 20.10.2008 Widerspruch ein. Seiner Ansicht nach seien Leistungen bereits ab 01.09.2008 zu bewilligen, da ein Folgeantrag kein Erstantrag sei und § 37 SGB II somit nicht angewendet werden könne. Ein Folgeantrag stelle dogmatisch lediglich eine erneute Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dar, so dass Leistungen durchgängig bewilligt werden müssten. Im Übrigen habe er den Folgeantrag bereits Anfang August auf dem Postweg übersandt. Er beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2009 zurück.
Die Kläger haben am 11.03.2009 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhoben und beantragt, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch für die Zeit vom 01.09. bis 25.09.2008 zu bewilligen. Zur Begründung haben sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 11.12.2009 abgewiesen. Gemäß § 37 Abs. 1 SGB II würden Leistungen nur auf Antrag erbracht, dies gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht für Zeiten vor Antragstellung. Das Datum der Antragstellung sei maßgeblich für den Beginn der Leistungserbringung. Dies gelte auch für Folgeanträge. Ein Antrag sei solange wirksam wie das durch ihn begonnene Verwaltungsverfahren nicht durch bestandskräftigen Bescheid oder auf andere Weise beendet sei. Dem vorhergehenden Antrag der Kläger sei mithin Wirkung nur bis zu dem Zeitpunkt zugekommen, zu dem der Bewilligungsabschnitt geendet habe, also dem 31.08.2008. Der Folgeantrag der Kläger sei erst am 26.09.2008 eingegangen, Leistungen somit auch erst ab diesem Datum zu gewähren. Einen vorherigen Zugang hätten die Kläger nicht bewiesen, nicht einmal behauptet. Es bestehe kein Beweis des ersten Anscheins, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreiche. Auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen nicht vor. Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht ersichtlich. Die Kläger hätten nicht vorgetragen, das Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung nicht gekannt zu haben, so dass ein weiterer Aufklärungsbedarf diesbezüglich nicht ersichtlich sei. § 27 SGB X sei nicht anwendbar, weil es sich hier nicht um eine gesetzliche Frist handele.
Gegen das ihnen am 16.12.2009 zugestellte Urteil haben die Kläger am 17.12.2009 Berufung eingelegt. Sie sind weiterhin der Auffassung, dass ein Folgeantrag kein Erstantrag i.S.v. § 37 SGB II sei. Im Übrigen haben sie auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachen (Urteil vom 13.03.2008, L 7 AS 143/07) verwiesen, welches die Auffassung vertreten habe, "dass der ursprüngliche Erstantrag ungeachtet der befristeten Bewilligung bei Fortbestand der Hilfsbedürftigkeit über das Ende des Leistungszeitraums weiter gelte".
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.12.2009 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2009 zu verurteilen, ihnen Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.09. bis 25.09.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 29.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie haben keinen Anspruch auf Zahlung von Leistungen für die Zeit vom 01. bis 25.09.2008.
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden (nur) auf Antrag (§ 37 Abs. 1 SGB II) und nicht für Zeiten vor der Antragstellung (§ 37 Abs. 2 S. 1 SGB II) erbracht. Entscheidend für den Leistungsbeginn ist somit grundsätzlich das Datum der Antragstellung, hier von der Beklagten zu Recht angenommen der 26.09.2008.
Entgegen der Auffassung der Kläger gilt diese Regelung in § 37 SGB II unabhängig davon, ob es sich um einen Erst- oder aber einen Folgeantrag für weitere Bewilligungsabschnitte handelt (ebenso LSG Hessen, Urteil vom 18.12.2009, L 7 AS 413/09 = Revisionsverfahren B 4 AS 29/10 R; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2009, L 19 B 63/09 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2009, L 29 AS 162/09 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.03.2009, L 14 B 2368/08 AS PKH; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/07; SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 07.01.2010, S 18 AS 664/09; SG Reutlingen, Urteil vom 03.03.2009, S 2 AS 4577/08 und Urteil vom 17.03.2008, S 12 AS 2203/06; Link in Eicher-Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn 19; aA Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 37 Rn 8).
Der Wortlaut des § 37 SGB II, der allein den Begriff "Antrag" verwendet, differenziert nicht zwischen Erst- und Folgeantrag. Auch im Wege der weiteren Auslegung ist eine solche Unterscheidung nicht nur nicht geboten; sie widerspricht sogar der mit der Regelung verfolgten Absicht des Gesetzgebers.
Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift des § 37 SGB II allein auf "Erstanträge" ergibt sich nicht aus den Gesetzesmaterialien. Ebenso wie im Gesetzestext wird hier ohne inhaltliche Unterscheidung von dem "Antrag" gesprochen. Zur Begründung der später in Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 ungeändert in das Gesetz übernommenen Entwurfsfassung ist ausgeführt, dass der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung habe. Anders als im Sozialhilferecht komme es auf die Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit nicht an. Lediglich dann, wenn der Leistungsträger keine Dienstbereitschaft habe, wirke ein am Öffnungstag gestellter Antrag zurück (BT-Drs 15/1516, S. 62). Hätte der Gesetzgeber allein einem Erstantrag konstitutive Wirkung beimessen, diese bei Folgeanträgen jedoch ausschließen wollen, so wäre hier eine differenzierende Begründung oder zumindest ein Hinweis zu erwarten gewesen. Dies gilt um so mehr vor dem Hintergrund, dass bereits der Entwurf des Gesetzes keine durchgängigen Leistungen auf einmalige Antragstellung hin, sondern in § 41 die Leistungsbegrenzung auf Bewilligungsabschnitte von regelmäßig 6 Monaten vorsah (BT-Drs 15/1516, S. 18). Nach der Gesetzesbegründung zu § 41 SGB II sollte der sechsmonatige Bewilligungsabschnitt eine regelmäßige Überprüfung der Hilfebedürftigkeit in überschaubaren zeitlichen Abständen sicherstellen (BT-Drs 15/1516, S. 63). Dies aber impliziert regelmäßige Folgeanträge der Hilfebedürftigen, denen mit einer differenzierenden Regelung hätte Rechnung getragen werden können und müssen, wenn man die Rechtswirkungen von Erst- und Folgeanträgen unterschiedlich hätte gestalten wollen.
Auch eine Anwendung allgemeiner verfahrensrechtlicher Grundsätze und Bestimmungen führt dazu, Erst- wie Folgeanträge nach Maßgabe des § 37 SGB II gleich zu behandeln. Entgegen der Auffassung der Kläger kann ein Fortwirken des Erstantrags über das Ende des Bewilligungszeitraums hinaus nicht angenommen werden. Mit einem Antrag signalisiert ein potentieller Leistungsempfänger dem Leistungsträger, dass er nunmehr die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens (§§ 8 ff. SGB X i.V.m. der Leistungsvorschrift, hier § 40 Abs. 1 SGB Il) begehrt. Dieses Verwaltungsverfahren wird regelmäßig mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes (Ablehnung oder Bewilligung der Leistung in Bescheid oder Widerspruchsbescheid) abgeschlossen (§ 8 SGB X; von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 8 Rn 9, § 18 Rn 9; vgl. auch BSG, Urteil vom 28.10.2009, B 14 Ab 56/08 R Rn 16). Entsprechend bleibt ein verfahrensrechtlicher Antrag (nur) so lange wirksam und wirkt (nur) so lange fort, wie über diesen noch nicht entschieden ist bzw. so lange wie der in seiner Folge ergangene Bescheid Wirkungen entfaltet. Die Wirkung eines (ursprünglichen) Antrags auf Leistungen der Grundsicherung erlischt demzufolge nach Ablauf des Bewilligungszeitraums (vgl. § 41 Abs. 1 SGB II), so dass ein neuer (Folge-)Antrag notwendig ist (LSG NRW, Urteil vom 17. April 2008, L 9 AS 69/07 Rn 27: Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 37 Rn 19).
Die Begrenzung der Wirksamkeit eines Antrags auf einen Bewilligungsabschnitt findet seine Bestätigung auch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG Gegenstand bereits laufender Klageverfahren werden (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 39/09 R Rn 12 mit Verweis u.a. auf BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 14/06 R, dort Rn 30). Sind aber Folgezeiträume nicht in laufende Klageverfahren einzubeziehen, spricht dies dafür, dass auch die von den Hilfebedürftigen gestellten Anträge jeweils nur Wirkung für den Bewilligungsabschnitt, nicht aber darüber hinaus, entfalten.
Die Auffassung, der Antrag wirke über das Ende des Bewilligungszeitraums hinaus fort, lässt sich auch nicht aus der (früheren) Rechtsprechung des BSG zu den Anträgen auf Arbeitslosenhilfe ableiten (jeweils zum AFG z.B.: BSG, Urteil vom 29.01.2001, B 7 AL 16/00 R Rn 23 m.w.N. = SozR 3-4300 § 196 Nr. 1; Urteil vom 29.06.2000, B 11 AL 99/99 R Rn 15 = SozR 3-4100 § 152 Nr. 10; Urteil vom 29.11.1990, 7 RAr 6/90 Rn 25 = SozR 3-4100 § 139a Nr. 1; Urteil vom 12.12.1985, 7 RAr 75/84 Rn 12). Die Notwendigkeit von Folgeanträgen für weitere Bewilligungszeiträume ist vor dem Hintergrund der jeweiligen gesetzgeberischen Konzeption zu beantworten und erfordert eine funktionsdifferente Betrachtung (BSG, Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 13/08 R Rn 14). Eine Fortwirkung des Antrags im Rahmen der Hilfegewährung nach dem SGB II ist nicht geboten. Bei dem Antragserfordernis in § 37 SGB II handelt es sich nicht um eine materiell-rechtliche, sondern - aus der Stellung im Gesetz erkennbar - (nur) um eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Leistungserbringung (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.03.2008, L 7 AS 143/07 = FEVS 60, 127 Rn 18; Striebinger in Gagel, SGB II, § 37 Rn 1; Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn 17, 19; Müller, in: Hauck/Noftz, SGB II, 2004, § 37 Rn 5). Erschöpft sich der Antrag aber in seiner verfahrensrechtlichen Funktion, ist seine Wirkung mit Abschluss des Verwaltungsverfahrens beendet; er kann - anders als materielle Voraussetzungen - nicht weiterwirken. Auch die damalige Annahme des Bundessozialgerichts, dass im Bereich der Leistungen der Arbeitslosenhilfe im Falle ununterbrochener Arbeitslosigkeit und Fortbestand der übrigen Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich ein einheitlicher und fortwährender Anspruch bestehe (z.B. BSG, Urteil vom 24.07.1986, 7 RAr 94/84 Rn 16 m.w.N.), gilt nicht gleichermaßen für Leistungen nach dem SGB II. Allein der Umstand, dass die Hilfegewährung im SGB II insbesondere von der - zu prüfenden - aktuellen Hilfebedürftigkeit und der Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft abhängt, weist darauf hin, dass nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts ein neuer Fortzahlungsantrag notwendig ist (Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn 19; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2009, L 29 AS 162/09 B Rn 4). Anders als bei der Arbeitslosenhilfe nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ergehen Bewilligungsbescheide im Rahmen des SGB II häufig nicht nur für eine einzige Person, sondern für mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Darüber hinaus ist das Konzept des SGB II davon geprägt, vorrangig sowie möglichst schnell und passgenau die Eingliederung in Arbeit zu unterstützen und lediglich nachrangig bedarfsdeckende Leistungen zu erbringen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 3 und Abs. 3 S. 1 SGB II, BT-Drs. 15/1516 S. 2, 44, 51). Stehen aber die Eingliederungsbemühungen im Vordergrund, bedeutet dies auf der anderen Seite, dass hierauf jeweils flexibel und zeitnah reagiert werden soll. Dies zeigt auch der gegenüber der Gewährung von Arbeitslosenhilfe nach dem AFG verkürzte Bewilligungszeitraum des § 41 SGB II. Der Einfluss der Bemühungen um Vermittlung in Arbeit hat damit erheblichen Einfluss auf Art und Umfang der Hilfegewährung und erfordert regelmäßig eine neue umfassende Prüfung des einzelnen Leistungsfalls. Von einem - weitgehend unveränderten - einheitlichen Anspruch wie diesen das Bundessozialgericht bei der damaligen Arbeitslosenhilfe nach dem AFG angenommen hat, kann im SGB II daher nicht ausgegangen werden. Ähnliche Unterschiede hat das Bundessozialgericht auch zur Abgrenzung der Leistungen der Arbeitsförderung nach dem SGB III zu den Leistungen nach dem SGB II herausgestellt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 14/06 R Rn 30 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1).
Soweit das Bundessozialgericht für Anträge auf Leistungen nach dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden "Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" (GSiG) einen Folgeantrag für einen weiteren Bewilligungszeitraum für entbehrlich erachtet hat (Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 13/08 R Rn 12), ist dies ebenfalls erkennbar von den Besonderheiten des dem Streitverfahren zugrundeliegenden Rechtsgebiets getragen. Der Antrag dort sollte allein den Wechsel des Leistungssystems von der Sozialhilfe zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - mit vor allem beschränktem Rückgriff auf unterhaltsverpflichtete Angehörige - von einem ausdrücklichen Wunsch des Berechtigten in Form eines Antrags abhängig machen, ohne im Übrigen die Leistungsgewährung gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz durch ein gesteigertes Antragserfordernis zu erschweren (BSG, a.a.O.). Sowohl für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als auch für die der Arbeitslosenhilfe (hierzu s. oben) ging der Gesetzgeber bei im Wesentlichen gleichbleibenden Verhältnissen von einem nur geringen Anpassungs-/Veränderungsbedarf aus. Dies kommt in §§ 6 Abs. 1 GSiG, 139 a Abs. 1 AFG zum Ausdruck, die mit Blick auf die jährlich erforderlichen Anpassungen von Sozialleistungen einen Bewilligungszeitraum von bzw. bis zu einem Jahr vorsehen bzw. vorsahen. Etwas anderes gilt hingegen für das Regelungskonzept der Grundsicherung für Arbeitsuchende, das auf schnell und/oder häufig ändernde persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des arbeitsuchenden Hilfeempfänger und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen lebenden Personen reagieren können muss (s.o., dazu auch die Urteils-Anmerkung Schäfer, ZFE 2010, S. 194, 196). Schließlich widerspricht eine Unterscheidung zwischen Erst- und Folgeantrag bei § 37 SGB II der mit der Regelung in dieser Vorschrift verfolgten Absicht des Gesetzgebers. Soll der Leistungsantrag danach konstitutive Wirkung haben und sollen Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl. hierzu oben und BT-Drs. 15/1516 S. 62), kann dies im Gesamtbild des Leistungsgefüges nur dann gesichert werden, wenn die Leistungsgewährung zu jedem Zeitpunkt, also sowohl bei erstmaligem Leistungsbeginn als auch bei Fortsetzung des Leistungsbezugs, an die Antragstellung gebunden ist. Denn die gesetzgeberische Absicht, die Hilfebedürftigkeit durch die Schaffung von Bewilligungszeiträumen regelmäßig zu überprüfen, begegnete erheblichen praktischen Schwierigkeiten, wenn Folgeanträge anders als Erstanträge keine Leistungsvoraussetzung sind. Dann nämlich müsste der Leistungsträger die einmal bewilligten Leistungen (vorläufig) weiterzahlen bis er vom Hilfebedürftigen aktualisierte Angaben zu seinem (verminderten) Hilfebedarf erlangt hat. Ohne die verhaltenssteuernden Rechtswirkungen des Antrags würde die Überprüfung des Leistungsanspruchs häufig nicht vor dem neuen Bewilligungsabschnitt abgeschlossen werden können. Damit käme es zu ungerechtfertigten Überzahlungen, deren Rückforderung sich unter rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkten problematisch gestalten, einen großen Aufwand bedingen und häufig auch zu finanziellen Ausfällen führen würde. Die Rechtsauffassung der Kläger wird auch nicht durch das von ihnen zitierte Urteil des LSG Niedersachsen vom 13.03.2008, L 7 AS 143/07 gestützt. Das Gericht dort hatte sich im Wesentlichen mit der Frage zu beschäftigen, wann ein (Erst-)Antrag seine Wirkung verliert. Ein Folgeantrag wie hier war im dortigen Verfahren nicht gestellt und somit nicht Verfahrensgegenstand. Soweit die Kläger angeben, bereits Anfang August 2008 einen Folgeantrag gestellt zu haben, ist diese Behauptung nicht bewiesen. Ein Fortzahlungsantrag der Kläger ist ausweislich des Akteninhalts erst am 26.09.2008 bei der Beklagten eingegangen. Da es sich bei diesem Antrag um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, auf die die zivilrechtlichen Vorschriften über den Zugang von Willenserklärungen anwendbar sind, ist der Antrag erst mit Zugang an diesem Tag beim Leistungsträger wirksam geworden (§ 130 Bürgerliches Gesetzbuch). Lässt sich der Zugang eines Antrags zu einem früheren Zeitpunkt nicht feststellen, wirkt sich dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zum Nachteil der Kläger aus, die aus dieser Tatsache Rechte herleiten wollen. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich des Fortzahlungsantrags bleibt ohne Erfolg. Gemäß § 27 SGB X ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn eine gesetzliche Frist versäumt wurde. Dies ist hier nicht der Fall, da es sich bei der Regelung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht um eine gesetzliche Frist handelt (LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/08).
Schließlich können die Kläger auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt werden, als hätten sie den Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt. Dieser Anspruch setzt u.a. die Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis durch den Leistungsträger voraus (BSG, Urteil vom 06.03.2003, B 4 RA 38/02 R Rn 15 = SozR 4-2600 § 115 Nr. 1). Eine solche ist hier nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Beklagte mit Schreiben vom 04.07.2008 ihrer - anerkannten (vgl. LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/07) - Hinweispflicht nachgekommen, den Weiterbewilligungsantrag rechtzeitig zu stellen, um Leistungsunterbrechungen zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage als gegeben angesehen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. bis 25. September 2008.
Mit Bescheid vom 10.04.2008 und Änderungsbescheid vom 29.08.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 1), seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2), und deren Tochter, der Klägerin zu 3), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.08.2008. Mit Schreiben vom 04.07.2008 übersandte sie den Klägern einen neuen Leistungsantrag und wies darauf hin, dass die Leistungsbewilligung zum 31. August ende. Leistungen könnten frühestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt werden. Um Leistungsunterbrechungen zu vermeiden, müsse der Weiterbewilligungsantrag rechtzeitig vor Ablauf des aktuellen Bewilligungsabschnitts gestellt werden.
Am 26.09.2008 ging ein Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung der SGB II-Leistungen bei der Beklagten ein. Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 29.09.2008 Leistungen für den Zeitraum vom 26.09.2008 bis 28.02.2009 (monatlich 1273,06 Euro; im Zeitraum 26.09. bis 30.09.2008: 212,17 Euro).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger zu 1) am 20.10.2008 Widerspruch ein. Seiner Ansicht nach seien Leistungen bereits ab 01.09.2008 zu bewilligen, da ein Folgeantrag kein Erstantrag sei und § 37 SGB II somit nicht angewendet werden könne. Ein Folgeantrag stelle dogmatisch lediglich eine erneute Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dar, so dass Leistungen durchgängig bewilligt werden müssten. Im Übrigen habe er den Folgeantrag bereits Anfang August auf dem Postweg übersandt. Er beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2009 zurück.
Die Kläger haben am 11.03.2009 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhoben und beantragt, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch für die Zeit vom 01.09. bis 25.09.2008 zu bewilligen. Zur Begründung haben sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 11.12.2009 abgewiesen. Gemäß § 37 Abs. 1 SGB II würden Leistungen nur auf Antrag erbracht, dies gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht für Zeiten vor Antragstellung. Das Datum der Antragstellung sei maßgeblich für den Beginn der Leistungserbringung. Dies gelte auch für Folgeanträge. Ein Antrag sei solange wirksam wie das durch ihn begonnene Verwaltungsverfahren nicht durch bestandskräftigen Bescheid oder auf andere Weise beendet sei. Dem vorhergehenden Antrag der Kläger sei mithin Wirkung nur bis zu dem Zeitpunkt zugekommen, zu dem der Bewilligungsabschnitt geendet habe, also dem 31.08.2008. Der Folgeantrag der Kläger sei erst am 26.09.2008 eingegangen, Leistungen somit auch erst ab diesem Datum zu gewähren. Einen vorherigen Zugang hätten die Kläger nicht bewiesen, nicht einmal behauptet. Es bestehe kein Beweis des ersten Anscheins, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreiche. Auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen nicht vor. Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht ersichtlich. Die Kläger hätten nicht vorgetragen, das Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung nicht gekannt zu haben, so dass ein weiterer Aufklärungsbedarf diesbezüglich nicht ersichtlich sei. § 27 SGB X sei nicht anwendbar, weil es sich hier nicht um eine gesetzliche Frist handele.
Gegen das ihnen am 16.12.2009 zugestellte Urteil haben die Kläger am 17.12.2009 Berufung eingelegt. Sie sind weiterhin der Auffassung, dass ein Folgeantrag kein Erstantrag i.S.v. § 37 SGB II sei. Im Übrigen haben sie auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachen (Urteil vom 13.03.2008, L 7 AS 143/07) verwiesen, welches die Auffassung vertreten habe, "dass der ursprüngliche Erstantrag ungeachtet der befristeten Bewilligung bei Fortbestand der Hilfsbedürftigkeit über das Ende des Leistungszeitraums weiter gelte".
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.12.2009 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2009 zu verurteilen, ihnen Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.09. bis 25.09.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 29.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie haben keinen Anspruch auf Zahlung von Leistungen für die Zeit vom 01. bis 25.09.2008.
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden (nur) auf Antrag (§ 37 Abs. 1 SGB II) und nicht für Zeiten vor der Antragstellung (§ 37 Abs. 2 S. 1 SGB II) erbracht. Entscheidend für den Leistungsbeginn ist somit grundsätzlich das Datum der Antragstellung, hier von der Beklagten zu Recht angenommen der 26.09.2008.
Entgegen der Auffassung der Kläger gilt diese Regelung in § 37 SGB II unabhängig davon, ob es sich um einen Erst- oder aber einen Folgeantrag für weitere Bewilligungsabschnitte handelt (ebenso LSG Hessen, Urteil vom 18.12.2009, L 7 AS 413/09 = Revisionsverfahren B 4 AS 29/10 R; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2009, L 19 B 63/09 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2009, L 29 AS 162/09 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.03.2009, L 14 B 2368/08 AS PKH; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/07; SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 07.01.2010, S 18 AS 664/09; SG Reutlingen, Urteil vom 03.03.2009, S 2 AS 4577/08 und Urteil vom 17.03.2008, S 12 AS 2203/06; Link in Eicher-Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn 19; aA Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 37 Rn 8).
Der Wortlaut des § 37 SGB II, der allein den Begriff "Antrag" verwendet, differenziert nicht zwischen Erst- und Folgeantrag. Auch im Wege der weiteren Auslegung ist eine solche Unterscheidung nicht nur nicht geboten; sie widerspricht sogar der mit der Regelung verfolgten Absicht des Gesetzgebers.
Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift des § 37 SGB II allein auf "Erstanträge" ergibt sich nicht aus den Gesetzesmaterialien. Ebenso wie im Gesetzestext wird hier ohne inhaltliche Unterscheidung von dem "Antrag" gesprochen. Zur Begründung der später in Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 ungeändert in das Gesetz übernommenen Entwurfsfassung ist ausgeführt, dass der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung habe. Anders als im Sozialhilferecht komme es auf die Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit nicht an. Lediglich dann, wenn der Leistungsträger keine Dienstbereitschaft habe, wirke ein am Öffnungstag gestellter Antrag zurück (BT-Drs 15/1516, S. 62). Hätte der Gesetzgeber allein einem Erstantrag konstitutive Wirkung beimessen, diese bei Folgeanträgen jedoch ausschließen wollen, so wäre hier eine differenzierende Begründung oder zumindest ein Hinweis zu erwarten gewesen. Dies gilt um so mehr vor dem Hintergrund, dass bereits der Entwurf des Gesetzes keine durchgängigen Leistungen auf einmalige Antragstellung hin, sondern in § 41 die Leistungsbegrenzung auf Bewilligungsabschnitte von regelmäßig 6 Monaten vorsah (BT-Drs 15/1516, S. 18). Nach der Gesetzesbegründung zu § 41 SGB II sollte der sechsmonatige Bewilligungsabschnitt eine regelmäßige Überprüfung der Hilfebedürftigkeit in überschaubaren zeitlichen Abständen sicherstellen (BT-Drs 15/1516, S. 63). Dies aber impliziert regelmäßige Folgeanträge der Hilfebedürftigen, denen mit einer differenzierenden Regelung hätte Rechnung getragen werden können und müssen, wenn man die Rechtswirkungen von Erst- und Folgeanträgen unterschiedlich hätte gestalten wollen.
Auch eine Anwendung allgemeiner verfahrensrechtlicher Grundsätze und Bestimmungen führt dazu, Erst- wie Folgeanträge nach Maßgabe des § 37 SGB II gleich zu behandeln. Entgegen der Auffassung der Kläger kann ein Fortwirken des Erstantrags über das Ende des Bewilligungszeitraums hinaus nicht angenommen werden. Mit einem Antrag signalisiert ein potentieller Leistungsempfänger dem Leistungsträger, dass er nunmehr die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens (§§ 8 ff. SGB X i.V.m. der Leistungsvorschrift, hier § 40 Abs. 1 SGB Il) begehrt. Dieses Verwaltungsverfahren wird regelmäßig mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes (Ablehnung oder Bewilligung der Leistung in Bescheid oder Widerspruchsbescheid) abgeschlossen (§ 8 SGB X; von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 8 Rn 9, § 18 Rn 9; vgl. auch BSG, Urteil vom 28.10.2009, B 14 Ab 56/08 R Rn 16). Entsprechend bleibt ein verfahrensrechtlicher Antrag (nur) so lange wirksam und wirkt (nur) so lange fort, wie über diesen noch nicht entschieden ist bzw. so lange wie der in seiner Folge ergangene Bescheid Wirkungen entfaltet. Die Wirkung eines (ursprünglichen) Antrags auf Leistungen der Grundsicherung erlischt demzufolge nach Ablauf des Bewilligungszeitraums (vgl. § 41 Abs. 1 SGB II), so dass ein neuer (Folge-)Antrag notwendig ist (LSG NRW, Urteil vom 17. April 2008, L 9 AS 69/07 Rn 27: Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 37 Rn 19).
Die Begrenzung der Wirksamkeit eines Antrags auf einen Bewilligungsabschnitt findet seine Bestätigung auch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG Gegenstand bereits laufender Klageverfahren werden (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 39/09 R Rn 12 mit Verweis u.a. auf BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 14/06 R, dort Rn 30). Sind aber Folgezeiträume nicht in laufende Klageverfahren einzubeziehen, spricht dies dafür, dass auch die von den Hilfebedürftigen gestellten Anträge jeweils nur Wirkung für den Bewilligungsabschnitt, nicht aber darüber hinaus, entfalten.
Die Auffassung, der Antrag wirke über das Ende des Bewilligungszeitraums hinaus fort, lässt sich auch nicht aus der (früheren) Rechtsprechung des BSG zu den Anträgen auf Arbeitslosenhilfe ableiten (jeweils zum AFG z.B.: BSG, Urteil vom 29.01.2001, B 7 AL 16/00 R Rn 23 m.w.N. = SozR 3-4300 § 196 Nr. 1; Urteil vom 29.06.2000, B 11 AL 99/99 R Rn 15 = SozR 3-4100 § 152 Nr. 10; Urteil vom 29.11.1990, 7 RAr 6/90 Rn 25 = SozR 3-4100 § 139a Nr. 1; Urteil vom 12.12.1985, 7 RAr 75/84 Rn 12). Die Notwendigkeit von Folgeanträgen für weitere Bewilligungszeiträume ist vor dem Hintergrund der jeweiligen gesetzgeberischen Konzeption zu beantworten und erfordert eine funktionsdifferente Betrachtung (BSG, Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 13/08 R Rn 14). Eine Fortwirkung des Antrags im Rahmen der Hilfegewährung nach dem SGB II ist nicht geboten. Bei dem Antragserfordernis in § 37 SGB II handelt es sich nicht um eine materiell-rechtliche, sondern - aus der Stellung im Gesetz erkennbar - (nur) um eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Leistungserbringung (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.03.2008, L 7 AS 143/07 = FEVS 60, 127 Rn 18; Striebinger in Gagel, SGB II, § 37 Rn 1; Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn 17, 19; Müller, in: Hauck/Noftz, SGB II, 2004, § 37 Rn 5). Erschöpft sich der Antrag aber in seiner verfahrensrechtlichen Funktion, ist seine Wirkung mit Abschluss des Verwaltungsverfahrens beendet; er kann - anders als materielle Voraussetzungen - nicht weiterwirken. Auch die damalige Annahme des Bundessozialgerichts, dass im Bereich der Leistungen der Arbeitslosenhilfe im Falle ununterbrochener Arbeitslosigkeit und Fortbestand der übrigen Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich ein einheitlicher und fortwährender Anspruch bestehe (z.B. BSG, Urteil vom 24.07.1986, 7 RAr 94/84 Rn 16 m.w.N.), gilt nicht gleichermaßen für Leistungen nach dem SGB II. Allein der Umstand, dass die Hilfegewährung im SGB II insbesondere von der - zu prüfenden - aktuellen Hilfebedürftigkeit und der Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft abhängt, weist darauf hin, dass nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts ein neuer Fortzahlungsantrag notwendig ist (Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 37 Rn 19; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2009, L 29 AS 162/09 B Rn 4). Anders als bei der Arbeitslosenhilfe nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ergehen Bewilligungsbescheide im Rahmen des SGB II häufig nicht nur für eine einzige Person, sondern für mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Darüber hinaus ist das Konzept des SGB II davon geprägt, vorrangig sowie möglichst schnell und passgenau die Eingliederung in Arbeit zu unterstützen und lediglich nachrangig bedarfsdeckende Leistungen zu erbringen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 3 und Abs. 3 S. 1 SGB II, BT-Drs. 15/1516 S. 2, 44, 51). Stehen aber die Eingliederungsbemühungen im Vordergrund, bedeutet dies auf der anderen Seite, dass hierauf jeweils flexibel und zeitnah reagiert werden soll. Dies zeigt auch der gegenüber der Gewährung von Arbeitslosenhilfe nach dem AFG verkürzte Bewilligungszeitraum des § 41 SGB II. Der Einfluss der Bemühungen um Vermittlung in Arbeit hat damit erheblichen Einfluss auf Art und Umfang der Hilfegewährung und erfordert regelmäßig eine neue umfassende Prüfung des einzelnen Leistungsfalls. Von einem - weitgehend unveränderten - einheitlichen Anspruch wie diesen das Bundessozialgericht bei der damaligen Arbeitslosenhilfe nach dem AFG angenommen hat, kann im SGB II daher nicht ausgegangen werden. Ähnliche Unterschiede hat das Bundessozialgericht auch zur Abgrenzung der Leistungen der Arbeitsförderung nach dem SGB III zu den Leistungen nach dem SGB II herausgestellt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 14/06 R Rn 30 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1).
Soweit das Bundessozialgericht für Anträge auf Leistungen nach dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden "Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" (GSiG) einen Folgeantrag für einen weiteren Bewilligungszeitraum für entbehrlich erachtet hat (Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 13/08 R Rn 12), ist dies ebenfalls erkennbar von den Besonderheiten des dem Streitverfahren zugrundeliegenden Rechtsgebiets getragen. Der Antrag dort sollte allein den Wechsel des Leistungssystems von der Sozialhilfe zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - mit vor allem beschränktem Rückgriff auf unterhaltsverpflichtete Angehörige - von einem ausdrücklichen Wunsch des Berechtigten in Form eines Antrags abhängig machen, ohne im Übrigen die Leistungsgewährung gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz durch ein gesteigertes Antragserfordernis zu erschweren (BSG, a.a.O.). Sowohl für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als auch für die der Arbeitslosenhilfe (hierzu s. oben) ging der Gesetzgeber bei im Wesentlichen gleichbleibenden Verhältnissen von einem nur geringen Anpassungs-/Veränderungsbedarf aus. Dies kommt in §§ 6 Abs. 1 GSiG, 139 a Abs. 1 AFG zum Ausdruck, die mit Blick auf die jährlich erforderlichen Anpassungen von Sozialleistungen einen Bewilligungszeitraum von bzw. bis zu einem Jahr vorsehen bzw. vorsahen. Etwas anderes gilt hingegen für das Regelungskonzept der Grundsicherung für Arbeitsuchende, das auf schnell und/oder häufig ändernde persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des arbeitsuchenden Hilfeempfänger und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen lebenden Personen reagieren können muss (s.o., dazu auch die Urteils-Anmerkung Schäfer, ZFE 2010, S. 194, 196). Schließlich widerspricht eine Unterscheidung zwischen Erst- und Folgeantrag bei § 37 SGB II der mit der Regelung in dieser Vorschrift verfolgten Absicht des Gesetzgebers. Soll der Leistungsantrag danach konstitutive Wirkung haben und sollen Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl. hierzu oben und BT-Drs. 15/1516 S. 62), kann dies im Gesamtbild des Leistungsgefüges nur dann gesichert werden, wenn die Leistungsgewährung zu jedem Zeitpunkt, also sowohl bei erstmaligem Leistungsbeginn als auch bei Fortsetzung des Leistungsbezugs, an die Antragstellung gebunden ist. Denn die gesetzgeberische Absicht, die Hilfebedürftigkeit durch die Schaffung von Bewilligungszeiträumen regelmäßig zu überprüfen, begegnete erheblichen praktischen Schwierigkeiten, wenn Folgeanträge anders als Erstanträge keine Leistungsvoraussetzung sind. Dann nämlich müsste der Leistungsträger die einmal bewilligten Leistungen (vorläufig) weiterzahlen bis er vom Hilfebedürftigen aktualisierte Angaben zu seinem (verminderten) Hilfebedarf erlangt hat. Ohne die verhaltenssteuernden Rechtswirkungen des Antrags würde die Überprüfung des Leistungsanspruchs häufig nicht vor dem neuen Bewilligungsabschnitt abgeschlossen werden können. Damit käme es zu ungerechtfertigten Überzahlungen, deren Rückforderung sich unter rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkten problematisch gestalten, einen großen Aufwand bedingen und häufig auch zu finanziellen Ausfällen führen würde. Die Rechtsauffassung der Kläger wird auch nicht durch das von ihnen zitierte Urteil des LSG Niedersachsen vom 13.03.2008, L 7 AS 143/07 gestützt. Das Gericht dort hatte sich im Wesentlichen mit der Frage zu beschäftigen, wann ein (Erst-)Antrag seine Wirkung verliert. Ein Folgeantrag wie hier war im dortigen Verfahren nicht gestellt und somit nicht Verfahrensgegenstand. Soweit die Kläger angeben, bereits Anfang August 2008 einen Folgeantrag gestellt zu haben, ist diese Behauptung nicht bewiesen. Ein Fortzahlungsantrag der Kläger ist ausweislich des Akteninhalts erst am 26.09.2008 bei der Beklagten eingegangen. Da es sich bei diesem Antrag um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, auf die die zivilrechtlichen Vorschriften über den Zugang von Willenserklärungen anwendbar sind, ist der Antrag erst mit Zugang an diesem Tag beim Leistungsträger wirksam geworden (§ 130 Bürgerliches Gesetzbuch). Lässt sich der Zugang eines Antrags zu einem früheren Zeitpunkt nicht feststellen, wirkt sich dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zum Nachteil der Kläger aus, die aus dieser Tatsache Rechte herleiten wollen. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich des Fortzahlungsantrags bleibt ohne Erfolg. Gemäß § 27 SGB X ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn eine gesetzliche Frist versäumt wurde. Dies ist hier nicht der Fall, da es sich bei der Regelung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht um eine gesetzliche Frist handelt (LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/08).
Schließlich können die Kläger auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt werden, als hätten sie den Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt. Dieser Anspruch setzt u.a. die Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis durch den Leistungsträger voraus (BSG, Urteil vom 06.03.2003, B 4 RA 38/02 R Rn 15 = SozR 4-2600 § 115 Nr. 1). Eine solche ist hier nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Beklagte mit Schreiben vom 04.07.2008 ihrer - anerkannten (vgl. LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/07) - Hinweispflicht nachgekommen, den Weiterbewilligungsantrag rechtzeitig zu stellen, um Leistungsunterbrechungen zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage als gegeben angesehen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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